Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
grosse Perlen/ drey Carfunckel/ eine Krone voneiner Schlange/ und eine grosse Kugel Ambra. Das Ab ehen dieser Botschafft war den Feld- herrn Roderich zu bewegen/ daß er mit dem Techma den Frieden zerreissen/ und mit den Parthen zugleich die Scythen bekriegen solte. Alleine Roderich hielt es Fürstlicher zu seyn/ sein Wort und den gemachten Frieden auch eydbrüchigen Feinden zu halten/ als mit Ver- minderung Treu und Glaubens seine Reichs- Gräntzen zu erweitern; zumal auch sich zwischen ihm und seinem Bruder Malorich gleich Zwi- stigkeiten ereigneten/ welchem er lieber Panno- nien abtreten/ als durch brüderliche Zwytracht das gemeine Heil in Gefahr setzen wolte. Rhe- metalces fing an zu seufzen und zu ruffen: O ein ungemeines Beyspiel/ daß die Regiersucht nicht alle andere Gemüths - Regungen unter- drücke! Wie viel hat diese Begierde nicht nur Brüder in meinem Thracien geschlachtet! Und wem ist unbekant/ daß nicht wol ehe Unmen- schen für ihren Bruder-Mord belohnet zu wer- den verlanget? Malovend fing hierauf wieder an zu erzehlen: Roderichs friedliebendes Ge- müthe ist deswegen noch mehr Wunderns werth/ weil noch bey Anwesenheit der Parthi- schen Botschafft die Scythen in Pannonien die Festung Decebalia durch Verrätherey einzu- nehmen versuchten/ und er also mit ihnen zu brechen einen guten Schein überkam. War- umb nicht Fug und Recht? fiel Rhemetalces ein. Und ich weiß bey solcher Beschaffenheit nicht/ ob ich Roderichs Beginnen mehr für eine Ver- absäumung bequemer Gelegenheit sich in mehr Ansehn und Sicherheit zu setzen/ als eine Ge- müths-Mässigung halten soll? Friede und Ruh hätten freylich wol scheinbare Nahmen; aber man gebe solche zuweilen auch einer schädlichen Trägheit. Solche rauhe Völcker pflegten den Frieden fast iedesmals aus angewohnter Lust zum Kriege zu stören; also wäre leicht zu muth- massen/ daß sie den Krieg aus Liebe eines bestän- [Spaltenumbruch] digen Friedens nicht aufgehoben. Jhr Abse- hen wäre allein/ daß sie ihren Feind durch Ruh und Müssiggang faul und unbewehrt machen; und weil zu Friedens-Zeit der Adel/ welcher im Kriege mehr Gelegenheit hat sich durch grosse Dienste in Ansehen zu setzen/ mehr den Rücken unter das Joch der Herrschafft beugen muß/ selbtem die Waffen und die Kriegs-Ubungen aus den Händen winden möge. Hingegen legten die Scythen/ die ohnedis von guten Kün- sten/ derer man beym Frieden bedörfte/ nichts hielten/ den Sebel niemals aus der Hand/ son- dern/ wie sie keinmal leichte mit zweyen Feinden anbinden/ also behielten sie auch meist einen übrig/ umb niemals aus der Ubung zu kommen. Dahero wäre auch ein zweifelhafter Krieg bes- ser/ als ein unsicherer oder verdächtiger Friede/ und für einem schimpflichen Müssiggange eine behertzte Gegenwehre zu erwehlen. Zeno ant- wortete: Es wäre diß ein zu scharffes Urthel wider einen so lobwürdigen Fürsten/ als Rode- rich gewest. Der Krieg komme denen/ die ihn noch nicht versucht/ so süsse für und bey dessen Unge- witter ergetzten sich nur die Kinder über so schö- nen Schlossen/ die Klugen aber beweinten den durch seinen Hagel verursachten Schaden. Der Sieg sey allezeit ungewiß/ und habe das Glück darmit seine Kurtzweil/ daß es allen Kriegen stets einen gantz andern Ausschlag gibt/ als die klügsten Rathschläge vermuthet/ und menschli- che Vernunft hat vorsehen können. Uberdiß höre der Krieg niemals auf eine Straffe der Götter/ und auch denen Siegenden verderblich zu seyn. Die Frömsten müsten wider Wil- len darinnen sündigen/ der schärffste und wach- samste Feldherr habe das Kriegs-Volck nicht dergestalt an einem Faden/ daß keine Todschlä- ge/ keine Nothzucht/ kein Kirchen-Raub began- gen werde. Jm Friede allein blüheten Recht und Verdienste/ im Kriege würden unschuldige so wol als schuldige zu Bodem getreten. So hätte auch manches Reich offtmals viel heimliche Schwä- Y 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
groſſe Perlen/ drey Carfunckel/ eine Krone voneiner Schlange/ und eine groſſe Kugel Ambra. Das Ab ehen dieſer Botſchafft war den Feld- herrn Roderich zu bewegen/ daß er mit dem Techma den Frieden zerreiſſen/ und mit den Parthen zugleich die Scythen bekriegen ſolte. Alleine Roderich hielt es Fuͤrſtlicher zu ſeyn/ ſein Wort und den gemachten Frieden auch eydbruͤchigen Feinden zu halten/ als mit Ver- minderung Treu und Glaubens ſeine Reichs- Graͤntzen zu erweitern; zumal auch ſich zwiſchen ihm und ſeinem Bruder Malorich gleich Zwi- ſtigkeiten ereigneten/ welchem er lieber Panno- nien abtreten/ als durch bruͤderliche Zwytracht das gemeine Heil in Gefahr ſetzen wolte. Rhe- metalces fing an zu ſeufzen und zu ruffen: O ein ungemeines Beyſpiel/ daß die Regierſucht nicht alle andere Gemuͤths - Regungen unter- druͤcke! Wie viel hat dieſe Begierde nicht nur Bruͤder in meinem Thracien geſchlachtet! Und wem iſt unbekant/ daß nicht wol ehe Unmen- ſchen fuͤr ihren Bruder-Mord belohnet zu wer- den verlanget? Malovend fing hierauf wieder an zu erzehlen: Roderichs friedliebendes Ge- muͤthe iſt deswegen noch mehr Wunderns werth/ weil noch bey Anweſenheit der Parthi- ſchen Botſchafft die Scythen in Pannonien die Feſtung Decebalia durch Verraͤtherey einzu- nehmen verſuchten/ und er alſo mit ihnen zu brechen einen guten Schein uͤberkam. War- umb nicht Fug und Recht? fiel Rhemetalces ein. Und ich weiß bey ſolcher Beſchaffenheit nicht/ ob ich Roderichs Beginnen mehr fuͤr eine Ver- abſaͤumung bequemer Gelegenheit ſich in mehr Anſehn und Sicherheit zu ſetzen/ als eine Ge- muͤths-Maͤſſigung halten ſoll? Friede und Ruh haͤtten freylich wol ſcheinbare Nahmen; aber man gebe ſolche zuweilen auch einer ſchaͤdlichen Traͤgheit. Solche rauhe Voͤlcker pflegten den Frieden faſt iedesmals aus angewohnter Luſt zum Kriege zu ſtoͤren; alſo waͤre leicht zu muth- maſſen/ daß ſie den Krieg aus Liebe eines beſtaͤn- [Spaltenumbruch] digen Friedens nicht aufgehoben. Jhr Abſe- hen waͤre allein/ daß ſie ihren Feind durch Ruh und Muͤſſiggang faul und unbewehrt machen; und weil zu Friedens-Zeit der Adel/ welcher im Kriege mehr Gelegenheit hat ſich durch groſſe Dienſte in Anſehen zu ſetzen/ mehr den Ruͤcken unter das Joch der Herrſchafft beugen muß/ ſelbtem die Waffen und die Kriegs-Ubungen aus den Haͤnden winden moͤge. Hingegen legten die Scythen/ die ohnedis von guten Kuͤn- ſten/ derer man beym Frieden bedoͤrfte/ nichts hielten/ den Sebel niemals aus der Hand/ ſon- dern/ wie ſie keinmal leichte mit zweyen Feinden anbinden/ alſo behielten ſie auch meiſt einen uͤbrig/ umb niemals aus der Ubung zu kommen. Dahero waͤre auch ein zweifelhafter Krieg beſ- ſer/ als ein unſicherer oder verdaͤchtiger Friede/ und fuͤr einem ſchimpflichen Muͤſſiggange eine behertzte Gegenwehre zu erwehlen. Zeno ant- wortete: Es waͤre diß ein zu ſcharffes Urthel wider einen ſo lobwuͤrdigen Fuͤrſten/ als Rode- rich geweſt. Der Krieg komme denen/ die ihn noch nicht verſucht/ ſo ſuͤſſe fuͤr und bey deſſen Unge- witter ergetzten ſich nur die Kinder uͤber ſo ſchoͤ- nen Schloſſen/ die Klugen aber beweinten den durch ſeinen Hagel verurſachten Schaden. Der Sieg ſey allezeit ungewiß/ und habe das Gluͤck darmit ſeine Kurtzweil/ daß es allen Kriegen ſtets einen gantz andern Ausſchlag gibt/ als die kluͤgſten Rathſchlaͤge vermuthet/ und menſchli- che Vernunft hat vorſehen koͤnnen. Uberdiß hoͤre der Krieg niemals auf eine Straffe der Goͤtter/ und auch denen Siegenden verderblich zu ſeyn. Die Froͤmſten muͤſten wider Wil- len darinnen ſuͤndigen/ der ſchaͤrffſte und wach- ſamſte Feldherr habe das Kriegs-Volck nicht dergeſtalt an einem Faden/ daß keine Todſchlaͤ- ge/ keine Nothzucht/ kein Kirchen-Raub began- gen werde. Jm Friede allein bluͤheten Recht und Verdienſte/ im Kriege wuͤrden unſchuldige ſo wol als ſchuldige zu Bodem getreten. So haͤtte auch manches Reich offtmals viel heimliche Schwaͤ- Y 3
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Arminius und Thußnelda.
groſſe Perlen/ drey Carfunckel/ eine Krone von
einer Schlange/ und eine groſſe Kugel Ambra.
Das Ab ehen dieſer Botſchafft war den Feld-
herrn Roderich zu bewegen/ daß er mit dem
Techma den Frieden zerreiſſen/ und mit den
Parthen zugleich die Scythen bekriegen ſolte.
Alleine Roderich hielt es Fuͤrſtlicher zu ſeyn/
ſein Wort und den gemachten Frieden auch
eydbruͤchigen Feinden zu halten/ als mit Ver-
minderung Treu und Glaubens ſeine Reichs-
Graͤntzen zu erweitern; zumal auch ſich zwiſchen
ihm und ſeinem Bruder Malorich gleich Zwi-
ſtigkeiten ereigneten/ welchem er lieber Panno-
nien abtreten/ als durch bruͤderliche Zwytracht
das gemeine Heil in Gefahr ſetzen wolte. Rhe-
metalces fing an zu ſeufzen und zu ruffen: O
ein ungemeines Beyſpiel/ daß die Regierſucht
nicht alle andere Gemuͤths - Regungen unter-
druͤcke! Wie viel hat dieſe Begierde nicht nur
Bruͤder in meinem Thracien geſchlachtet! Und
wem iſt unbekant/ daß nicht wol ehe Unmen-
ſchen fuͤr ihren Bruder-Mord belohnet zu wer-
den verlanget? Malovend fing hierauf wieder
an zu erzehlen: Roderichs friedliebendes Ge-
muͤthe iſt deswegen noch mehr Wunderns
werth/ weil noch bey Anweſenheit der Parthi-
ſchen Botſchafft die Scythen in Pannonien die
Feſtung Decebalia durch Verraͤtherey einzu-
nehmen verſuchten/ und er alſo mit ihnen zu
brechen einen guten Schein uͤberkam. War-
umb nicht Fug und Recht? fiel Rhemetalces ein.
Und ich weiß bey ſolcher Beſchaffenheit nicht/
ob ich Roderichs Beginnen mehr fuͤr eine Ver-
abſaͤumung bequemer Gelegenheit ſich in mehr
Anſehn und Sicherheit zu ſetzen/ als eine Ge-
muͤths-Maͤſſigung halten ſoll? Friede und Ruh
haͤtten freylich wol ſcheinbare Nahmen; aber
man gebe ſolche zuweilen auch einer ſchaͤdlichen
Traͤgheit. Solche rauhe Voͤlcker pflegten den
Frieden faſt iedesmals aus angewohnter Luſt
zum Kriege zu ſtoͤren; alſo waͤre leicht zu muth-
maſſen/ daß ſie den Krieg aus Liebe eines beſtaͤn-
digen Friedens nicht aufgehoben. Jhr Abſe-
hen waͤre allein/ daß ſie ihren Feind durch Ruh
und Muͤſſiggang faul und unbewehrt machen;
und weil zu Friedens-Zeit der Adel/ welcher im
Kriege mehr Gelegenheit hat ſich durch groſſe
Dienſte in Anſehen zu ſetzen/ mehr den Ruͤcken
unter das Joch der Herrſchafft beugen muß/
ſelbtem die Waffen und die Kriegs-Ubungen
aus den Haͤnden winden moͤge. Hingegen
legten die Scythen/ die ohnedis von guten Kuͤn-
ſten/ derer man beym Frieden bedoͤrfte/ nichts
hielten/ den Sebel niemals aus der Hand/ ſon-
dern/ wie ſie keinmal leichte mit zweyen Feinden
anbinden/ alſo behielten ſie auch meiſt einen
uͤbrig/ umb niemals aus der Ubung zu kommen.
Dahero waͤre auch ein zweifelhafter Krieg beſ-
ſer/ als ein unſicherer oder verdaͤchtiger Friede/
und fuͤr einem ſchimpflichen Muͤſſiggange eine
behertzte Gegenwehre zu erwehlen. Zeno ant-
wortete: Es waͤre diß ein zu ſcharffes Urthel
wider einen ſo lobwuͤrdigen Fuͤrſten/ als Rode-
rich geweſt. Der Krieg komme denen/ die ihn noch
nicht verſucht/ ſo ſuͤſſe fuͤr und bey deſſen Unge-
witter ergetzten ſich nur die Kinder uͤber ſo ſchoͤ-
nen Schloſſen/ die Klugen aber beweinten den
durch ſeinen Hagel verurſachten Schaden. Der
Sieg ſey allezeit ungewiß/ und habe das Gluͤck
darmit ſeine Kurtzweil/ daß es allen Kriegen
ſtets einen gantz andern Ausſchlag gibt/ als die
kluͤgſten Rathſchlaͤge vermuthet/ und menſchli-
che Vernunft hat vorſehen koͤnnen. Uberdiß
hoͤre der Krieg niemals auf eine Straffe der
Goͤtter/ und auch denen Siegenden verderblich
zu ſeyn. Die Froͤmſten muͤſten wider Wil-
len darinnen ſuͤndigen/ der ſchaͤrffſte und wach-
ſamſte Feldherr habe das Kriegs-Volck nicht
dergeſtalt an einem Faden/ daß keine Todſchlaͤ-
ge/ keine Nothzucht/ kein Kirchen-Raub began-
gen werde. Jm Friede allein bluͤheten Recht
und Verdienſte/ im Kriege wuͤrden unſchuldige
ſo wol als ſchuldige zu Bodem getreten. So
haͤtte auch manches Reich offtmals viel heimliche
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/223>, abgerufen am 16.07.2024. |