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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] feurigen Harnische/ wie den Tag vorher Dece-
bal angehabt. Der Schild allein führte ein
ander Sinnbild/ nehmlich eine Taube die einen
Adler zerriß/ mit der Uberschrifft: Mächtige
Ohnmacht der Rache.
Die Trompeten
hatten kaum das erste mahl ein Zeichen zur Ver-
sammlung der Ritterschafft gegeben/ als selbte
sich mit unglaublicher Menge um die Schran-
cken/ wie auch bey dem dritten Ausblasen der
schwermüthige König/ iedoch ohne die Fürstin
Hermildis/ als welche sich bey ihrem Herrn
Vater mit Unpäßligkeit hatte entschuldigen
lassen/ einfand. Hertzog Jngram kriegte von
ihrem Aussenbleiben durch die seinigen bey Zei-
te Wind/ und weil er es dahin andeutete:
die Fürstin sey nach erfahrner Ausfoderung mit
allem Fleiß aussenblieben/ um/ unbeschadet des
Verbots ihres Angesichts/ ihm den Schauplatz
zu eröffnen/ so erschien er alsofort in einem kohl-
schwartzen Harnische. Auff seinem Schilde
schwebte ein Salamander in der Flamme/ mit
der Uberschrifft: Die unversehrliche Un-
schuld.
Fürst Decebal erschien in blancken
mit goldnen Blumen beworffenen Waffen; Jn
dem Schilde war eine Sonne gemahlet/ welche
mit ihren Strahlen einen Nebel und darinnen
sich befindende Neben-Sonne unter sich drückte/
mit der Uberschrifft: Die obsiegende Wahr-
heit.
Hertzog Gudwil hatte einen gantz ver-
güldeten Harnisch/ in seinem Schilde stand der
Qvadische Löw/ und brach einen Hauffen Pfei-
le entzwey/ mit der Uberschrifft: Verächtliche
Waffen der Mißgunst.
Diese zwey Für-
sten und iederman war bekümmert/ wer der
fremde Ritter wäre/ Hertzog Jngram aber
muthmassete aus der Gleichheit des Harnisches:
es wäre Decebal. Daher rennte er nach gege-
benen Zeichen wie ein Blitz auf ihn/ und jener be-
gegnete ihm mit nicht geringerer Fertigkeit/ bey-
de traffen auch so wohl/ daß die Splitter von bey-
[Spaltenumbruch] den Lantzen in die Höh sprangen. Bey der Um-
wendung reichten ihre Waffenträger ihnen ein
paar andere/ welche sie ebensfalls ohne Beschä-
digung an einander in Stücken rennten. Jm
dritten Rennen ließ Jngram aus einer fast ver-
zweiffelten Verbitterung die eingelegte Lantze
kurtz für dem Antreffen sincken/ umarmte seinen
Feind/ und riß ihn durch eine unglaubliche Ge-
schwindigkeit mit sich vom Pferde/ stieß ihm auch
zwischen den Zusammenfügungen den Degen
in Leib/ daß er für todt liegen blieb. Alsofort
fing sein vermummter Waffenträger ein erbärm-
liches Mordgeschrey an: Ach! Hermildis! Her-
mildis! unglückselige Fürstin! Hertzog Jngram/
der sich alsbald wieder zu Pferde gesetzthatte/ er-
starrte über dieser Stimme wie ein Scheit; und
der gantze Schauplatz gerieth in eine Raserey/
als sie nach abgerissenem Helme Hermildens
Antlitz erblickten/ aber wenig Zeichen des Lebens
an ihr verspürten. Jngram wäre in diesem
Getümmel von dem wütenden Pöfel in Stü-
cke zerrissen worden/ wenn nicht der König bey
diesem ihn am meisten bekümmernden Zufalle
Vernunfft und Mäßigung seiner Regungen
behalten/ auch der Leibwache ihn zu beschirmen
befohlen hätte. Nach gestilltem erstem Auff-
ruhr/ und als die Fürstin sich von der Ohnmacht
erholte/ die Wundärtzte gleichergestalt die Ver-
letzung nicht für tödtlich hielten/ kamen Hertzog
Gudwil und Decebal und baten beym Könige
aus/ daß sie gegen den Jngram fechten und
Rache ausüben möchten. Dieser ward hier-
durch allererst von seiner Bestürtzung ein we-
nig ermuntert/ redete damit den Lißudaval an:
Jch wünsche durch mein Blut/ großmüthiger
Fürst/ meinen Jrthum zu büssen/ wenn ich dar-
durch nur allein meine durch des Decebals Be-
trug oder Zauberey geschändete Unschuld ans
Tagelicht bringen könte. Das Verhängniß
wird es mir sicherlich/ und dadurch dieses Glü-
cke verleihen/ daß der Erlauchte Fürst Gud-
wil Decebals offenbahrtes Laster verfluchen/

und
T 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] feurigen Harniſche/ wie den Tag vorher Dece-
bal angehabt. Der Schild allein fuͤhrte ein
ander Sinnbild/ nehmlich eine Taube die einen
Adler zerriß/ mit der Uberſchrifft: Maͤchtige
Ohnmacht der Rache.
Die Trompeten
hatten kaum das erſte mahl ein Zeichen zur Ver-
ſammlung der Ritterſchafft gegeben/ als ſelbte
ſich mit unglaublicher Menge um die Schran-
cken/ wie auch bey dem dritten Ausblaſen der
ſchwermuͤthige Koͤnig/ iedoch ohne die Fuͤrſtin
Hermildis/ als welche ſich bey ihrem Herrn
Vater mit Unpaͤßligkeit hatte entſchuldigen
laſſen/ einfand. Hertzog Jngram kriegte von
ihrem Auſſenbleiben durch die ſeinigen bey Zei-
te Wind/ und weil er es dahin andeutete:
die Fuͤrſtin ſey nach erfahrner Ausfoderung mit
allem Fleiß auſſenblieben/ um/ unbeſchadet des
Verbots ihres Angeſichts/ ihm den Schauplatz
zu eroͤffnen/ ſo erſchien er alſofort in einem kohl-
ſchwartzen Harniſche. Auff ſeinem Schilde
ſchwebte ein Salamander in der Flamme/ mit
der Uberſchrifft: Die unverſehrliche Un-
ſchuld.
Fuͤrſt Decebal erſchien in blancken
mit goldnen Blumen beworffenen Waffen; Jn
dem Schilde war eine Sonne gemahlet/ welche
mit ihren Strahlen einen Nebel und darinnen
ſich befindende Neben-Sonne unter ſich dꝛuͤckte/
mit der Uberſchrifft: Die obſiegende Wahr-
heit.
Hertzog Gudwil hatte einen gantz ver-
guͤldeten Harniſch/ in ſeinem Schilde ſtand der
Qvadiſche Loͤw/ und brach einen Hauffen Pfei-
le entzwey/ mit der Uberſchrifft: Veraͤchtliche
Waffen der Mißgunſt.
Dieſe zwey Fuͤr-
ſten und iederman war bekuͤmmert/ wer der
fremde Ritter waͤre/ Hertzog Jngram aber
muthmaſſete aus der Gleichheit des Harniſches:
es waͤre Decebal. Daher rennte er nach gege-
benen Zeichen wie ein Blitz auf ihn/ und jener be-
gegnete ihm mit nicht geringerer Fertigkeit/ bey-
de traffen auch ſo wohl/ daß die Splitter von bey-
[Spaltenumbruch] den Lantzen in die Hoͤh ſprangen. Bey der Um-
wendung reichten ihre Waffentraͤger ihnen ein
paar andere/ welche ſie ebensfalls ohne Beſchaͤ-
digung an einander in Stuͤcken rennten. Jm
dritten Rennen ließ Jngram aus einer faſt ver-
zweiffelten Verbitterung die eingelegte Lantze
kurtz fuͤr dem Antreffen ſincken/ umarmte ſeinen
Feind/ und riß ihn durch eine unglaubliche Ge-
ſchwindigkeit mit ſich vom Pferde/ ſtieß ihm auch
zwiſchen den Zuſammenfuͤgungen den Degen
in Leib/ daß er fuͤr todt liegen blieb. Alſofort
fing ſein vermum̃ter Waffentraͤger ein erbaͤrm-
liches Mordgeſchrey an: Ach! Hermildis! Her-
mildis! ungluͤckſelige Fuͤrſtin! Hertzog Jngram/
der ſich alsbald wieder zu Pferde geſetzthatte/ er-
ſtarrte uͤber dieſer Stimme wie ein Scheit; und
der gantze Schauplatz gerieth in eine Raſerey/
als ſie nach abgeriſſenem Helme Hermildens
Antlitz erblickten/ aber wenig Zeichen des Lebens
an ihr verſpuͤrten. Jngram waͤre in dieſem
Getuͤmmel von dem wuͤtenden Poͤfel in Stuͤ-
cke zerriſſen worden/ wenn nicht der Koͤnig bey
dieſem ihn am meiſten bekuͤmmernden Zufalle
Vernunfft und Maͤßigung ſeiner Regungen
behalten/ auch der Leibwache ihn zu beſchirmen
befohlen haͤtte. Nach geſtilltem erſtem Auff-
ruhr/ und als die Fuͤrſtin ſich von der Ohnmacht
erholte/ die Wundaͤrtzte gleichergeſtalt die Ver-
letzung nicht fuͤr toͤdtlich hielten/ kamen Hertzog
Gudwil und Decebal und baten beym Koͤnige
aus/ daß ſie gegen den Jngram fechten und
Rache ausuͤben moͤchten. Dieſer ward hier-
durch allererſt von ſeiner Beſtuͤrtzung ein we-
nig ermuntert/ redete damit den Lißudaval an:
Jch wuͤnſche durch mein Blut/ großmuͤthiger
Fuͤrſt/ meinen Jrthum zu buͤſſen/ wenn ich dar-
durch nur allein meine durch des Decebals Be-
trug oder Zauberey geſchaͤndete Unſchuld ans
Tagelicht bringen koͤnte. Das Verhaͤngniß
wird es mir ſicherlich/ und dadurch dieſes Gluͤ-
cke verleihen/ daß der Erlauchte Fuͤrſt Gud-
wil Decebals offenbahrtes Laſter verfluchen/

und
T 2
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[147/0197] Arminius und Thußnelda. feurigen Harniſche/ wie den Tag vorher Dece- bal angehabt. Der Schild allein fuͤhrte ein ander Sinnbild/ nehmlich eine Taube die einen Adler zerriß/ mit der Uberſchrifft: Maͤchtige Ohnmacht der Rache. Die Trompeten hatten kaum das erſte mahl ein Zeichen zur Ver- ſammlung der Ritterſchafft gegeben/ als ſelbte ſich mit unglaublicher Menge um die Schran- cken/ wie auch bey dem dritten Ausblaſen der ſchwermuͤthige Koͤnig/ iedoch ohne die Fuͤrſtin Hermildis/ als welche ſich bey ihrem Herrn Vater mit Unpaͤßligkeit hatte entſchuldigen laſſen/ einfand. Hertzog Jngram kriegte von ihrem Auſſenbleiben durch die ſeinigen bey Zei- te Wind/ und weil er es dahin andeutete: die Fuͤrſtin ſey nach erfahrner Ausfoderung mit allem Fleiß auſſenblieben/ um/ unbeſchadet des Verbots ihres Angeſichts/ ihm den Schauplatz zu eroͤffnen/ ſo erſchien er alſofort in einem kohl- ſchwartzen Harniſche. Auff ſeinem Schilde ſchwebte ein Salamander in der Flamme/ mit der Uberſchrifft: Die unverſehrliche Un- ſchuld. Fuͤrſt Decebal erſchien in blancken mit goldnen Blumen beworffenen Waffen; Jn dem Schilde war eine Sonne gemahlet/ welche mit ihren Strahlen einen Nebel und darinnen ſich befindende Neben-Sonne unter ſich dꝛuͤckte/ mit der Uberſchrifft: Die obſiegende Wahr- heit. Hertzog Gudwil hatte einen gantz ver- guͤldeten Harniſch/ in ſeinem Schilde ſtand der Qvadiſche Loͤw/ und brach einen Hauffen Pfei- le entzwey/ mit der Uberſchrifft: Veraͤchtliche Waffen der Mißgunſt. Dieſe zwey Fuͤr- ſten und iederman war bekuͤmmert/ wer der fremde Ritter waͤre/ Hertzog Jngram aber muthmaſſete aus der Gleichheit des Harniſches: es waͤre Decebal. Daher rennte er nach gege- benen Zeichen wie ein Blitz auf ihn/ und jener be- gegnete ihm mit nicht geringerer Fertigkeit/ bey- de traffen auch ſo wohl/ daß die Splitter von bey- den Lantzen in die Hoͤh ſprangen. Bey der Um- wendung reichten ihre Waffentraͤger ihnen ein paar andere/ welche ſie ebensfalls ohne Beſchaͤ- digung an einander in Stuͤcken rennten. Jm dritten Rennen ließ Jngram aus einer faſt ver- zweiffelten Verbitterung die eingelegte Lantze kurtz fuͤr dem Antreffen ſincken/ umarmte ſeinen Feind/ und riß ihn durch eine unglaubliche Ge- ſchwindigkeit mit ſich vom Pferde/ ſtieß ihm auch zwiſchen den Zuſammenfuͤgungen den Degen in Leib/ daß er fuͤr todt liegen blieb. Alſofort fing ſein vermum̃ter Waffentraͤger ein erbaͤrm- liches Mordgeſchrey an: Ach! Hermildis! Her- mildis! ungluͤckſelige Fuͤrſtin! Hertzog Jngram/ der ſich alsbald wieder zu Pferde geſetzthatte/ er- ſtarrte uͤber dieſer Stimme wie ein Scheit; und der gantze Schauplatz gerieth in eine Raſerey/ als ſie nach abgeriſſenem Helme Hermildens Antlitz erblickten/ aber wenig Zeichen des Lebens an ihr verſpuͤrten. Jngram waͤre in dieſem Getuͤmmel von dem wuͤtenden Poͤfel in Stuͤ- cke zerriſſen worden/ wenn nicht der Koͤnig bey dieſem ihn am meiſten bekuͤmmernden Zufalle Vernunfft und Maͤßigung ſeiner Regungen behalten/ auch der Leibwache ihn zu beſchirmen befohlen haͤtte. Nach geſtilltem erſtem Auff- ruhr/ und als die Fuͤrſtin ſich von der Ohnmacht erholte/ die Wundaͤrtzte gleichergeſtalt die Ver- letzung nicht fuͤr toͤdtlich hielten/ kamen Hertzog Gudwil und Decebal und baten beym Koͤnige aus/ daß ſie gegen den Jngram fechten und Rache ausuͤben moͤchten. Dieſer ward hier- durch allererſt von ſeiner Beſtuͤrtzung ein we- nig ermuntert/ redete damit den Lißudaval an: Jch wuͤnſche durch mein Blut/ großmuͤthiger Fuͤrſt/ meinen Jrthum zu buͤſſen/ wenn ich dar- durch nur allein meine durch des Decebals Be- trug oder Zauberey geſchaͤndete Unſchuld ans Tagelicht bringen koͤnte. Das Verhaͤngniß wird es mir ſicherlich/ und dadurch dieſes Gluͤ- cke verleihen/ daß der Erlauchte Fuͤrſt Gud- wil Decebals offenbahrtes Laſter verfluchen/ und T 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/197>, abgerufen am 22.11.2024.