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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Anderes Buch
[Spaltenumbruch] keit/ als dem wahren Zwecke dieser Liebe/ und
der ewigen Glückseligkeit einer reinen Seele.
Diese Süßigkeit würckte eine Vergessung al-
ler andern vergänglichen Schätze. Alle vo-
rige Absehen verrauchten; Das Glücke ver-
achtete sie als eine Närrin/ die Wollust stincke
sie an. Alle ihre Gemüths-Kräfften eignete sie
GOtte zu; und wenn ihre Siegs- und Königs-
Kräntze/ alle Gold-Adern und Edelgesteine
nicht zu verächtlicher Sand wäre/ würde sie
felbte zu seinem Dienst einweyhen. Hingegen
wären alle ihre zu GOttes Verehrung gesche-
hende Bemühungen leichte. Wenn sie an der
Ramme zöge/ deuchtete sie es ein Spiel zu seyn.
Denn seine Güte gäbe seiner Ohnmacht Kräff-
te/ und erleichterte die Last ihrer heiligen Ar-
beit. Seine Barmhertzigkeit labte ihre Hitze/
ihr Schweiß würde zu ihrer Erqvickung/ der
Dornen-Weg der Tugend verwandelte sich in
weiche Rosen/ und ein Tropffen seines Trost-
Balsams heilete alle Schmertzen. Die rauhe
Höle ihrer erwehlten Einsamkeit gefiele ihr bes-
ser/ als die von Porphir und Golde gläntzen-
den Schlösser; die wilden Kräuter wären ihr
eine süssere Kost/ als die verschwenderische Taf-
fel eines Apicius/ die Galle verliere auff ihrer
Zunge die Bitterkeit/ aus einer Hand voll
Meer-Wasser trincke sie etwas füsseres als die
Milch wäre/ die vorher ihre irrdische Lippen aus
den Brüsten der Wollust gesogen hätten. Die-
se Flamme hätte nun auch die der Eitelkeit ab-
gestorbene Seele des Feldherrn Marcomirs
angefeuret: daß seine Andacht weder in dem
greissen Alter noch im Tode erkaltet wäre/ daß
er die Nächte mehr der Verachtung der Ehr-
sucht/ als dem Schlaffe/ die Tage aber in Be-
trachtung der unerschaffenen Sonne zuge-
bracht/ und endlich mit Freuden sterbende die
Unsterbligkeit seiner Seele begierlich umar-
met/ und mit seinen halb todten Lippen schon
den Vorschmack eines bessern Lebens gekostet
hätte.

[Spaltenumbruch]

Zeno und Rhemetalces hörten gleichsam
verzückt Mareomirn als einem Wahrsager
zu. Nach einer Weile aber fing jener an: die-
se Geheimnisse wären zwar für ihn zu hoch
und er wäre ein Kind in dieser Weißheit. Es
schiene aber freylich wohl bey Mareomirn ei-
ne überirrdische Leitung zu seyn/ welcher Er-
klärung er ihm mit Gelegenheit auszubitten
vorbehielte. Ausser dem könten seines Er-
achtens sich auch niedrige Ursachen ereignen/
eben so wohl Zepter und Krone wegzulegen/
als Sosthenes und andere viel sie anzuneh-
men verschmähet hätten. Ja es dünckte ihm
eine ruhmswürdige Klugheit zu seyn/ wenn
ein Fürst die schwere Last der Herrschafft von
seinen Schultern weltzte/ ehe sie der Tod ihm
aus den Händen risse/ seine Lebens-Geister
erkalteten/ und die Gemüths-Kräfften weg-
fielen. Denn wie das greisse Alter durchge-
hends einem lecken Schiffe und faulen Hau-
se ähnlich wäre/ also liesse sich von einer zit-
ternden Hand das Steuer-Ruder eines Reichs
übel führen/ von trieffenden Augen die ver-
borgenen See-Klippen/ die abwechselnden
Winde/ die fernen Sturm-Wolcken/ die Un-
gewitter andeutenden Gestirne/ welche nie-
mahln in dem gefährlichen See-Busem einer
Herrschafft mangelten/ nicht erkiesen; auch von
tauben Ohren das Gebelle Seyllens und Cha-
rybdens nicht bey Zeite hören. ein allzu al-
ter Fürst würde gleichsam wieder zum Kinde/
er gläubte allen Hoff-Heuchlern. Die Boßheit
leitete ihn wie ein kleiner Mohr einen grossen
Elephanten. Die Diener sündigten ohne Furcht/
liessen ihnen auch noch wohl ihre Verbrechen
belohnen. Die gebrechlichen Weiber würden
selbst sein Meister. Ein Beyspiel alles des-
sen hätte man an dem vorhin so klugen und
glücklichen Käyser Augustus für Augen. Livia
spielte mit ihm/ wie mit einem Papegoyen/
zwinge ihn zu Verstossung seiner Bluts-Ver-

wand-

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] keit/ als dem wahren Zwecke dieſer Liebe/ und
der ewigen Gluͤckſeligkeit einer reinen Seele.
Dieſe Suͤßigkeit wuͤrckte eine Vergeſſung al-
ler andern vergaͤnglichen Schaͤtze. Alle vo-
rige Abſehen verrauchten; Das Gluͤcke ver-
achtete ſie als eine Naͤrrin/ die Wolluſt ſtincke
ſie an. Alle ihre Gemuͤths-Kraͤfften eignete ſie
GOtte zu; und wenn ihre Siegs- und Koͤnigs-
Kraͤntze/ alle Gold-Adern und Edelgeſteine
nicht zu veraͤchtlicher Sand waͤre/ wuͤrde ſie
felbte zu ſeinem Dienſt einweyhen. Hingegen
waͤren alle ihre zu GOttes Verehrung geſche-
hende Bemuͤhungen leichte. Wenn ſie an der
Ramme zoͤge/ deuchtete ſie es ein Spiel zu ſeyn.
Denn ſeine Guͤte gaͤbe ſeiner Ohnmacht Kraͤff-
te/ und erleichterte die Laſt ihrer heiligen Ar-
beit. Seine Barmhertzigkeit labte ihre Hitze/
ihr Schweiß wuͤrde zu ihrer Erqvickung/ der
Dornen-Weg der Tugend verwandelte ſich in
weiche Roſen/ und ein Tropffen ſeines Troſt-
Balſams heilete alle Schmertzen. Die rauhe
Hoͤle ihrer erwehlten Einſamkeit gefiele ihr beſ-
ſer/ als die von Porphir und Golde glaͤntzen-
den Schloͤſſer; die wilden Kraͤuter waͤren ihr
eine ſuͤſſere Koſt/ als die verſchwenderiſche Taf-
fel eines Apicius/ die Galle verliere auff ihrer
Zunge die Bitterkeit/ aus einer Hand voll
Meer-Waſſer trincke ſie etwas fuͤſſeres als die
Milch waͤre/ die vorher ihre irrdiſche Lippen aus
den Bruͤſten der Wolluſt geſogen haͤtten. Die-
ſe Flamme haͤtte nun auch die der Eitelkeit ab-
geſtorbene Seele des Feldherrn Marcomirs
angefeuret: daß ſeine Andacht weder in dem
greiſſen Alter noch im Tode erkaltet waͤre/ daß
er die Naͤchte mehr der Verachtung der Ehr-
ſucht/ als dem Schlaffe/ die Tage aber in Be-
trachtung der unerſchaffenen Sonne zuge-
bracht/ und endlich mit Freuden ſterbende die
Unſterbligkeit ſeiner Seele begierlich umar-
met/ und mit ſeinen halb todten Lippen ſchon
den Vorſchmack eines beſſern Lebens gekoſtet
haͤtte.

[Spaltenumbruch]

Zeno und Rhemetalces hoͤrten gleichſam
verzuͤckt Mareomirn als einem Wahrſager
zu. Nach einer Weile aber fing jener an: die-
ſe Geheimniſſe waͤren zwar fuͤr ihn zu hoch
und er waͤre ein Kind in dieſer Weißheit. Es
ſchiene aber freylich wohl bey Mareomirn ei-
ne uͤberirrdiſche Leitung zu ſeyn/ welcher Er-
klaͤrung er ihm mit Gelegenheit auszubitten
vorbehielte. Auſſer dem koͤnten ſeines Er-
achtens ſich auch niedrige Urſachen ereignen/
eben ſo wohl Zepter und Krone wegzulegen/
als Soſthenes und andere viel ſie anzuneh-
men verſchmaͤhet haͤtten. Ja es duͤnckte ihm
eine ruhmswuͤrdige Klugheit zu ſeyn/ wenn
ein Fuͤrſt die ſchwere Laſt der Herrſchafft von
ſeinen Schultern weltzte/ ehe ſie der Tod ihm
aus den Haͤnden riſſe/ ſeine Lebens-Geiſter
erkalteten/ und die Gemuͤths-Kraͤfften weg-
fielen. Denn wie das greiſſe Alter durchge-
hends einem lecken Schiffe und faulen Hau-
ſe aͤhnlich waͤre/ alſo lieſſe ſich von einer zit-
ternden Hand das Steuer-Ruder eines Reichs
uͤbel fuͤhren/ von trieffenden Augen die ver-
borgenen See-Klippen/ die abwechſelnden
Winde/ die fernen Sturm-Wolcken/ die Un-
gewitter andeutenden Geſtirne/ welche nie-
mahln in dem gefaͤhrlichen See-Buſem einer
Herrſchafft mangelten/ nicht erkieſen; auch von
tauben Ohren das Gebelle Seyllens und Cha-
rybdens nicht bey Zeite hoͤren. ein allzu al-
ter Fuͤrſt wuͤrde gleichſam wieder zum Kinde/
er glaͤubte allen Hoff-Heuchlern. Die Boßheit
leitete ihn wie ein kleiner Mohr einen groſſen
Elephanten. Die Diener ſuͤndigten ohne Fuꝛcht/
lieſſen ihnen auch noch wohl ihre Verbrechen
belohnen. Die gebrechlichen Weiber wuͤrden
ſelbſt ſein Meiſter. Ein Beyſpiel alles deſ-
ſen haͤtte man an dem vorhin ſo klugen und
gluͤcklichen Kaͤyſer Auguſtus fuͤr Augen. Livia
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/190>, abgerufen am 25.11.2024.