Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Dahero schiene ihm der Anzielung göttlicherVersehung gemässer zu seyn/ aus der milden Hand ihres Uberflusses lieber etwas aufsuchen/ als selbtes ohne Gebrauch verderben lassen. Und ich weiß nicht/ ob in fruchtbaren Ländern gelegene Völcker/ welche den göttlichen Segen alleine für sich behielten/ nicht schlimmer han- delten/ als die Phönizischen Kauffleute/ welche wol ehe bey reichen Jahren den ihrem Bedün- cken nach allzuhäuffig gewachsenen Pfeffer ins Meer geschüttet/ wormit diese Wahre nicht zu wolfeil würde. Marcomir hingegen fiel dem Malovend bey und sagte: Es kömt mir für/ dieser Uberschuß bestehe nicht auf so festem Grunde; oder der Schluß sey davon auch all- zuweit gesucht. Denn mich bedünckt/ man schreibe frembden Gewächsen mehr Wunder- wercke zu/ als man an ihnen befindet; Und es halte unser wunderwürdiger Holunder-Baum der Rhabarbar/ unser Hirschhorn und Krebs- Augen dem Bezoar die Wage. Mosch und Zibeth aber ist eine leicht entbehrliche Würtze der Geilheit. Oder da wir selbtem auch nichts gleichwichtiges entgegen zu setzen haben; Ge- schicht es nicht so wol aus Armuth unsers Erd- reichs/ als aus unsorgfältiger Unwissenheit un- sers eigenen Reichthums/ welche mehrmahls Schätze besitzt/ die sie nicht kennet. Wenn auch kein Volck nach keinen frembden Gerich- ten gelüstete/ würde iedes seinen Vorrath aller- dings aufzehren. Jn dem aber die Jndianer aus Europa Weine verlangen/ dieses nach ih- ren Gewürtzen etzelt/ bleibet einem ieden von dem seinigen etwas übrig/ welches doch sonst ie- des Jahr/ oder doch in einem andern bey sich er- eigneten Mißwächsen aufginge. Da aber sich auch irgends ein warhafter Uberschuß er- eignete/ rühret er durch blossen Zufall und durch eigene Verwahrlosung der unersättlichen Menschen her. Zeno brach ein: Wie soll ich begreiffen/ daß die Unersättligkeit als eine Mut- ter des Mangels einen Uberfluß nach sich zie- [Spaltenumbruch] hen solle? Jn alle Wege/ versetzte Malovend. Wenn der Mensch sich mit dem seinen oder der Genügligkeit vergnügte/ würde Geitz/ Ehren- Ruhm und Herschenssucht so viel Völcker nicht vertilgen/ so viel Länder nicht Volck-arm ma- chen/ und die Vergrösserung des menschlichen Geschlechts hindern; welches von der gantzen Welt Zuwachs selten was übrig lassen würde. Zugeschweigen: daß man aus frembden Län- dern nicht so oft die Nothdurfft als den Zunder zu Wollüsten holet. Wie viel mahl hat Rom und Gallien aus Mangel Getreydes für Hun- ger geschmachtet/ da es an Würtzen/ Datteln/ Jndianischen Rüssen/ Syrischen Balsamen/ Perlen/ Edelgesteinen/ Purpur und Helfen- bein/ und andern zur Uppigkeit dienenden Sa- chen einen Uberschuß gehabt? Eben jener Mangel/ fuhr Zeno fort/ überweiset dich/ daß ein Land dem andern auch in unentbehrlichen Sachen müsse behüflich seyn. Du hast Rom gesehen; Kanst du nun glauben/ daß das schma- le Welschland dieser Welt Volck genungsam Brodt geben/ und man ihm seine Kornhäuser Egypten und Sicilien verschliessen möge! Ma- lovend fragte alsofort: Ob die Natur durch ih- re Fruchtbarkeit/ oder nicht vielmehr Ehrgeitz/ Wucher und Wollüste sechzig mahl hundert tausend Menschen in den engen Creyß des gros- sen Roms zusammen gezogen? Weist du aber/ fuhr Rhemetalces heraus/ daß Roth und Hunger deine Cimbern unter dem Könige Teutobach gezwungen in Welschland und Gallien einzubrechen/ an das schwartze Meer sich zu setzen/ ja gar in Asien überzugehen? Ma- lovend antwortete ihm: Mehr das Wasser als der Hunger. Jedoch wil ich endlich wol glau- ben/ daß ein Volck in gewissen Dingen mit dem andern Gemeinschafft haben müsse; Auch daß die Natur ein Theil der Welt für andern Ländern auskommentlicher versorget habe/ und daß diß/ was die Natur ohne des Men- schen Zuthat selbigem liefert/ nicht aber der un- ver- O 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Dahero ſchiene ihm der Anzielung goͤttlicherVerſehung gemaͤſſer zu ſeyn/ aus der milden Hand ihres Uberfluſſes lieber etwas aufſuchen/ als ſelbtes ohne Gebrauch verderben laſſen. Und ich weiß nicht/ ob in fruchtbaren Laͤndern gelegene Voͤlcker/ welche den goͤttlichen Segen alleine fuͤr ſich behielten/ nicht ſchlimmer han- delten/ als die Phoͤniziſchen Kauffleute/ welche wol ehe bey reichen Jahren den ihrem Beduͤn- cken nach allzuhaͤuffig gewachſenen Pfeffer ins Meer geſchuͤttet/ wormit dieſe Wahre nicht zu wolfeil wuͤrde. Marcomir hingegen fiel dem Malovend bey und ſagte: Es koͤmt mir fuͤr/ dieſer Uberſchuß beſtehe nicht auf ſo feſtem Grunde; oder der Schluß ſey davon auch all- zuweit geſucht. Denn mich beduͤnckt/ man ſchreibe frembden Gewaͤchſen mehr Wunder- wercke zu/ als man an ihnen befindet; Und es halte unſer wunderwuͤrdiger Holunder-Baum der Rhabarbar/ unſer Hirſchhorn und Krebs- Augen dem Bezoar die Wage. Moſch und Zibeth aber iſt eine leicht entbehrliche Wuͤrtze der Geilheit. Oder da wir ſelbtem auch nichts gleichwichtiges entgegen zu ſetzen haben; Ge- ſchicht es nicht ſo wol aus Armuth unſers Erd- reichs/ als aus unſorgfaͤltiger Unwiſſenheit un- ſers eigenen Reichthums/ welche mehrmahls Schaͤtze beſitzt/ die ſie nicht kennet. Wenn auch kein Volck nach keinen frembden Gerich- ten geluͤſtete/ wuͤrde iedes ſeinen Vorrath aller- dings aufzehren. Jn dem aber die Jndianer aus Europa Weine verlangen/ dieſes nach ih- ren Gewuͤrtzen etzelt/ bleibet einem ieden von dem ſeinigen etwas uͤbrig/ welches doch ſonſt ie- des Jahr/ oder doch in einem andern bey ſich er- eigneten Mißwaͤchſen aufginge. Da aber ſich auch irgends ein warhafter Uberſchuß er- eignete/ ruͤhret er durch bloſſen Zufall und durch eigene Verwahrloſung der unerſaͤttlichen Menſchen her. Zeno brach ein: Wie ſoll ich begreiffen/ daß die Unerſaͤttligkeit als eine Mut- ter des Mangels einen Uberfluß nach ſich zie- [Spaltenumbruch] hen ſolle? Jn alle Wege/ verſetzte Malovend. Wenn der Menſch ſich mit dem ſeinen oder der Genuͤgligkeit vergnuͤgte/ wuͤrde Geitz/ Ehren- Ruhm und Herſchensſucht ſo viel Voͤlcker nicht vertilgen/ ſo viel Laͤnder nicht Volck-arm ma- chen/ und die Vergroͤſſerung des menſchlichen Geſchlechts hindern; welches von der gantzen Welt Zuwachs ſelten was uͤbrig laſſen wuͤrde. Zugeſchweigen: daß man aus frembden Laͤn- dern nicht ſo oft die Nothdurfft als den Zunder zu Wolluͤſten holet. Wie viel mahl hat Rom und Gallien aus Mangel Getreydes fuͤr Hun- ger geſchmachtet/ da es an Wuͤrtzen/ Datteln/ Jndianiſchen Ruͤſſen/ Syriſchen Balſamen/ Perlen/ Edelgeſteinen/ Purpur und Helfen- bein/ und andern zur Uppigkeit dienenden Sa- chen einen Uberſchuß gehabt? Eben jener Mangel/ fuhr Zeno fort/ uͤberweiſet dich/ daß ein Land dem andern auch in unentbehrlichen Sachen muͤſſe behuͤflich ſeyn. Du haſt Rom geſehen; Kanſt du nun glauben/ daß das ſchma- le Welſchland dieſer Welt Volck genungſam Brodt geben/ und man ihm ſeine Kornhaͤuſer Egypten und Sicilien verſchlieſſen moͤge! Ma- lovend fragte alſofort: Ob die Natur durch ih- re Fruchtbarkeit/ oder nicht vielmehr Ehrgeitz/ Wucher und Wolluͤſte ſechzig mahl hundert tauſend Menſchen in den engen Creyß des groſ- ſen Roms zuſammen gezogen? Weiſt du aber/ fuhr Rhemetalces heraus/ daß Roth und Hunger deine Cimbern unter dem Koͤnige Teutobach gezwungen in Welſchland und Gallien einzubrechen/ an das ſchwartze Meer ſich zu ſetzen/ ja gar in Aſien uͤberzugehen? Ma- lovend antwortete ihm: Mehr das Waſſer als der Hunger. Jedoch wil ich endlich wol glau- ben/ daß ein Volck in gewiſſen Dingen mit dem andern Gemeinſchafft haben muͤſſe; Auch daß die Natur ein Theil der Welt fuͤr andern Laͤndern auskommentlicher verſorget habe/ und daß diß/ was die Natur ohne des Men- ſchen Zuthat ſelbigem liefert/ nicht aber der un- ver- O 2
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Arminius und Thußnelda.
Dahero ſchiene ihm der Anzielung goͤttlicher
Verſehung gemaͤſſer zu ſeyn/ aus der milden
Hand ihres Uberfluſſes lieber etwas aufſuchen/
als ſelbtes ohne Gebrauch verderben laſſen.
Und ich weiß nicht/ ob in fruchtbaren Laͤndern
gelegene Voͤlcker/ welche den goͤttlichen Segen
alleine fuͤr ſich behielten/ nicht ſchlimmer han-
delten/ als die Phoͤniziſchen Kauffleute/ welche
wol ehe bey reichen Jahren den ihrem Beduͤn-
cken nach allzuhaͤuffig gewachſenen Pfeffer ins
Meer geſchuͤttet/ wormit dieſe Wahre nicht zu
wolfeil wuͤrde. Marcomir hingegen fiel dem
Malovend bey und ſagte: Es koͤmt mir fuͤr/
dieſer Uberſchuß beſtehe nicht auf ſo feſtem
Grunde; oder der Schluß ſey davon auch all-
zuweit geſucht. Denn mich beduͤnckt/ man
ſchreibe frembden Gewaͤchſen mehr Wunder-
wercke zu/ als man an ihnen befindet; Und es
halte unſer wunderwuͤrdiger Holunder-Baum
der Rhabarbar/ unſer Hirſchhorn und Krebs-
Augen dem Bezoar die Wage. Moſch und
Zibeth aber iſt eine leicht entbehrliche Wuͤrtze
der Geilheit. Oder da wir ſelbtem auch nichts
gleichwichtiges entgegen zu ſetzen haben; Ge-
ſchicht es nicht ſo wol aus Armuth unſers Erd-
reichs/ als aus unſorgfaͤltiger Unwiſſenheit un-
ſers eigenen Reichthums/ welche mehrmahls
Schaͤtze beſitzt/ die ſie nicht kennet. Wenn
auch kein Volck nach keinen frembden Gerich-
ten geluͤſtete/ wuͤrde iedes ſeinen Vorrath aller-
dings aufzehren. Jn dem aber die Jndianer
aus Europa Weine verlangen/ dieſes nach ih-
ren Gewuͤrtzen etzelt/ bleibet einem ieden von
dem ſeinigen etwas uͤbrig/ welches doch ſonſt ie-
des Jahr/ oder doch in einem andern bey ſich er-
eigneten Mißwaͤchſen aufginge. Da aber
ſich auch irgends ein warhafter Uberſchuß er-
eignete/ ruͤhret er durch bloſſen Zufall und
durch eigene Verwahrloſung der unerſaͤttlichen
Menſchen her. Zeno brach ein: Wie ſoll ich
begreiffen/ daß die Unerſaͤttligkeit als eine Mut-
ter des Mangels einen Uberfluß nach ſich zie-
hen ſolle? Jn alle Wege/ verſetzte Malovend.
Wenn der Menſch ſich mit dem ſeinen oder der
Genuͤgligkeit vergnuͤgte/ wuͤrde Geitz/ Ehren-
Ruhm und Herſchensſucht ſo viel Voͤlcker nicht
vertilgen/ ſo viel Laͤnder nicht Volck-arm ma-
chen/ und die Vergroͤſſerung des menſchlichen
Geſchlechts hindern; welches von der gantzen
Welt Zuwachs ſelten was uͤbrig laſſen wuͤrde.
Zugeſchweigen: daß man aus frembden Laͤn-
dern nicht ſo oft die Nothdurfft als den Zunder
zu Wolluͤſten holet. Wie viel mahl hat Rom
und Gallien aus Mangel Getreydes fuͤr Hun-
ger geſchmachtet/ da es an Wuͤrtzen/ Datteln/
Jndianiſchen Ruͤſſen/ Syriſchen Balſamen/
Perlen/ Edelgeſteinen/ Purpur und Helfen-
bein/ und andern zur Uppigkeit dienenden Sa-
chen einen Uberſchuß gehabt? Eben jener
Mangel/ fuhr Zeno fort/ uͤberweiſet dich/ daß
ein Land dem andern auch in unentbehrlichen
Sachen muͤſſe behuͤflich ſeyn. Du haſt Rom
geſehen; Kanſt du nun glauben/ daß das ſchma-
le Welſchland dieſer Welt Volck genungſam
Brodt geben/ und man ihm ſeine Kornhaͤuſer
Egypten und Sicilien verſchlieſſen moͤge! Ma-
lovend fragte alſofort: Ob die Natur durch ih-
re Fruchtbarkeit/ oder nicht vielmehr Ehrgeitz/
Wucher und Wolluͤſte ſechzig mahl hundert
tauſend Menſchen in den engen Creyß des groſ-
ſen Roms zuſammen gezogen? Weiſt du aber/
fuhr Rhemetalces heraus/ daß Roth und
Hunger deine Cimbern unter dem Koͤnige
Teutobach gezwungen in Welſchland und
Gallien einzubrechen/ an das ſchwartze Meer
ſich zu ſetzen/ ja gar in Aſien uͤberzugehen? Ma-
lovend antwortete ihm: Mehr das Waſſer als
der Hunger. Jedoch wil ich endlich wol glau-
ben/ daß ein Volck in gewiſſen Dingen mit
dem andern Gemeinſchafft haben muͤſſe; Auch
daß die Natur ein Theil der Welt fuͤr andern
Laͤndern auskommentlicher verſorget habe/
und daß diß/ was die Natur ohne des Men-
ſchen Zuthat ſelbigem liefert/ nicht aber der un-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/157>, abgerufen am 16.07.2024. |