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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] Haare abgeschnitten/ und aus dem Lande ge-
peitscht werden solte. Der Tag war schon zu
Ausübung des Urthels bestimmt/ als ein Fen-
nisches Weib für dem Richter-Stule erschien;
und daß diese zwey Unschuldigen nicht mit so
grausamer Straffe belegt werden möchte/ fuß-
fällig anhielt. Die Richter fragten: aus was
für Grunde ein Ehbruch vertheidigt/ und die/
welche ihr Laster selbst zugestünden/ für unschul-
dig erkennt werden möchten? Jn alle Wege
antwortete diese Fennin/ wo nicht der willkühr-
liche Vorsatz/ sondern ein unvermeidlicher
Nothzwang der Uhrheber des Verbrechens
wäre. Denn die Noth gäbe das grausamste
Gesetze unter allen ab/ und züge nach sich eine
Botmäßigkeit; welche alle andere Gesetze zer-
malmete/ und alle Gerechtigkeit in Unrecht ver-
kehrte. Die Richter forschten ferner von ihr:
Was für eine Noth denen Ehbrechern ihre
Missethat auf gehalset hätte? Diese meine Zau-
ber-Gärthe/ antwortete sie; welche nicht nur die
Hertzen/ sondern den Schnee und das Eyß der
eussersten Nord Spitze entzünden kan. Die
Richter erschracken für so frechem Bekäntnüsse;
und wusten nicht: Ob sie diß Weib für wahn-
sinnig; oder ihre Rede für wahrhafft halten sol-
ten; fragten aber: wie sie ihre Zauberey bewerck-
stelligt; und was sie hierzu bewegt hätte? Sie zo-
he hierauf zwey Wachsbilder heraus; derer das
eine der Königin; das andere dem Cimbrischen
Fürsten gantz gleich sahe. Diese/ sagte sie/ habe
ich durch gewisse Kräuter und meine Kunst de-
rogestalt zubereitet: daß wenn ich selbte mit mei-
nem Schwefel überziehe/ selbte brennend ma-
che/ und gewisse Segen darzu spreche/ alle Ein-
flüsse der Gestirne/ alle Regungen der Keusch-
heit viel zu ohnmächtig sind die von mir in ih-
ren Seelen entzündete Brunst/ welche mit ih-
rem auffsteigenden Rauche alle Vernunfft zu
Bodem schlägt/ zu dämpffen. Diese meine
Hand würcket auch in den Häuptern der Wei-
sen: daß sie das heßlichste Laster für einen Aus-
[Spaltenumbruch] bund der Tugend annehmen; sie erleuchtet mit
der Finsternüs des Abgrunds die Unzucht: daß
sie wie der des Nachts leuchtende Wurm für
ein himmlisches Licht angesehen wird. Massen
diese Zauberin denn auch alsofort solches be-
werckstelligte/ und zu wege brachte: daß die auf
der Seite stehende Verdammten/ welche vor-
her gantz ausser sich/ und als todte Marmel-
Bilder unbewegt gestanden/ auf einander wie
ein Blitz zurennten/ und einander umhalseten.
Die Richter alle erzitterten über dieser Zaube-
rey; sie aber fuhr fort und sagte: Wisset aber
auch die Ursache dieses meines Beginnens; und
daß diese Liebes-Flamme aus dem feurigen Ra-
chen der Rache angezündet worden sey. Denn
nach dem Frotho in dem Kriege wieder die
Slaven meinen Bräutigam den Fürsten des
Eylandes Latris gefangen bekommen/ selbten
aber tödten lassen/ und mich also meiner Liebe
beraubet/ habe ich durch keine andere Vergel-
tung mich zu sättigen gewüst/ als daß ich ihm
seine tugendhaffte Gemahlin/ als den Zweck
seiner einigen Vergnügung/ hinweg nähme.
Jch habe meiner Fürstlichen Würde mich ent-
eussert; ich bin ein Lehrling der allerschlimmsten
Zauberin worden; ich habe durch verborgene
Ungedult mir mein Hertz abgenaget/ nur die
Süßigkeit der Rache zu genüssen. Ja/ weil
ich wol gewüst: daß dräuende sich ver gnügen
ihre Zunge an statt des Rach-Schwerdts zu ge-
brauchen/ und der durch den Mund ausrau-
chende Zorn die Glieder krafftloß lasse/ die Be-
leidigung mit Worten auch eine fruchtlose
Boßheit/ in der That aber sich rächen eine Hel-
den-Eigenschafft sey/ habe ich schon zehen Jahr
bey den Cimbern als eine Dienst-Magd zu-
bracht/ nur daß ich der Königin und dieses Für-
sten Haar/ als den Werckzeug meiner Zaube-
rey/ zur Rache erlangte; welche mir biß auff
diese Stunde kein Mensch angemerckt hat/
nimmermehr auch würde ergründer haben/ wenn
ich zugleich die Barmhertzigkeit gegen die Tu-

gend

Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] Haare abgeſchnitten/ und aus dem Lande ge-
peitſcht werden ſolte. Der Tag war ſchon zu
Ausuͤbung des Urthels beſtimmt/ als ein Fen-
niſches Weib fuͤr dem Richter-Stule erſchien;
und daß dieſe zwey Unſchuldigen nicht mit ſo
grauſamer Straffe belegt werden moͤchte/ fuß-
faͤllig anhielt. Die Richter fragten: aus was
fuͤr Grunde ein Ehbruch vertheidigt/ und die/
welche ihr Laſter ſelbſt zugeſtuͤnden/ fuͤr unſchul-
dig erkennt werden moͤchten? Jn alle Wege
antwortete dieſe Feñin/ wo nicht der willkuͤhr-
liche Vorſatz/ ſondern ein unvermeidlicher
Nothzwang der Uhrheber des Verbrechens
waͤre. Denn die Noth gaͤbe das grauſamſte
Geſetze unter allen ab/ und zuͤge nach ſich eine
Botmaͤßigkeit; welche alle andere Geſetze zer-
malmete/ und alle Gerechtigkeit in Unrecht ver-
kehrte. Die Richter forſchten ferner von ihr:
Was fuͤr eine Noth denen Ehbrechern ihre
Miſſethat auf gehalſet haͤtte? Dieſe meine Zau-
ber-Gaͤrthe/ antwortete ſie; welche nicht nur die
Hertzen/ ſondern den Schnee und das Eyß der
euſſerſten Nord Spitze entzuͤnden kan. Die
Richter erſchracken fuͤr ſo frechem Bekaͤntnuͤſſe;
und wuſten nicht: Ob ſie diß Weib fuͤr wahn-
ſinnig; oder ihre Rede fuͤr wahrhafft halten ſol-
ten; fragten aber: wie ſie ihre Zauberey bewerck-
ſtelligt; und was ſie hierzu bewegt haͤtte? Sie zo-
he hierauf zwey Wachsbilder heraus; derer das
eine der Koͤnigin; das andere dem Cimbriſchen
Fuͤrſten gantz gleich ſahe. Dieſe/ ſagte ſie/ habe
ich durch gewiſſe Kraͤuter und meine Kunſt de-
rogeſtalt zubereitet: daß wenn ich ſelbte mit mei-
nem Schwefel uͤberziehe/ ſelbte brennend ma-
che/ und gewiſſe Segen darzu ſpreche/ alle Ein-
fluͤſſe der Geſtirne/ alle Regungen der Keuſch-
heit viel zu ohnmaͤchtig ſind die von mir in ih-
ren Seelen entzuͤndete Brunſt/ welche mit ih-
rem auffſteigenden Rauche alle Vernunfft zu
Bodem ſchlaͤgt/ zu daͤmpffen. Dieſe meine
Hand wuͤrcket auch in den Haͤuptern der Wei-
ſen: daß ſie das heßlichſte Laſter fuͤr einen Aus-
[Spaltenumbruch] bund der Tugend annehmen; ſie erleuchtet mit
der Finſternuͤs des Abgrunds die Unzucht: daß
ſie wie der des Nachts leuchtende Wurm fuͤr
ein himmliſches Licht angeſehen wird. Maſſen
dieſe Zauberin denn auch alſofort ſolches be-
werckſtelligte/ und zu wege brachte: daß die auf
der Seite ſtehende Verdammten/ welche vor-
her gantz auſſer ſich/ und als todte Marmel-
Bilder unbewegt geſtanden/ auf einander wie
ein Blitz zurennten/ und einander umhalſeten.
Die Richter alle erzitterten uͤber dieſer Zaube-
rey; ſie aber fuhr fort und ſagte: Wiſſet aber
auch die Urſache dieſes meines Beginnens; und
daß dieſe Liebes-Flamme aus dem feurigen Ra-
chen der Rache angezuͤndet worden ſey. Denn
nach dem Frotho in dem Kriege wieder die
Slaven meinen Braͤutigam den Fuͤrſten des
Eylandes Latris gefangen bekommen/ ſelbten
aber toͤdten laſſen/ und mich alſo meiner Liebe
beraubet/ habe ich durch keine andere Vergel-
tung mich zu ſaͤttigen gewuͤſt/ als daß ich ihm
ſeine tugendhaffte Gemahlin/ als den Zweck
ſeiner einigen Vergnuͤgung/ hinweg naͤhme.
Jch habe meiner Fuͤrſtlichen Wuͤrde mich ent-
euſſert; ich bin ein Lehrling der allerſchlim̃ſten
Zauberin worden; ich habe durch verborgene
Ungedult mir mein Hertz abgenaget/ nur die
Suͤßigkeit der Rache zu genuͤſſen. Ja/ weil
ich wol gewuͤſt: daß draͤuende ſich ver gnuͤgen
ihre Zunge an ſtatt des Rach-Schwerdts zu ge-
brauchen/ und der durch den Mund ausrau-
chende Zorn die Glieder krafftloß laſſe/ die Be-
leidigung mit Worten auch eine fruchtloſe
Boßheit/ in der That aber ſich raͤchen eine Hel-
den-Eigenſchafft ſey/ habe ich ſchon zehen Jahr
bey den Cimbern als eine Dienſt-Magd zu-
bracht/ nur daß ich der Koͤnigin und dieſes Fuͤr-
ſten Haar/ als den Werckzeug meiner Zaube-
rey/ zur Rache erlangte; welche mir biß auff
dieſe Stunde kein Menſch angemerckt hat/
nimmermehr auch wuͤrde ergruͤnder haben/ weñ
ich zugleich die Barmhertzigkeit gegen die Tu-

gend
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[1336[1338]/1404] Neuntes Buch Haare abgeſchnitten/ und aus dem Lande ge- peitſcht werden ſolte. Der Tag war ſchon zu Ausuͤbung des Urthels beſtimmt/ als ein Fen- niſches Weib fuͤr dem Richter-Stule erſchien; und daß dieſe zwey Unſchuldigen nicht mit ſo grauſamer Straffe belegt werden moͤchte/ fuß- faͤllig anhielt. Die Richter fragten: aus was fuͤr Grunde ein Ehbruch vertheidigt/ und die/ welche ihr Laſter ſelbſt zugeſtuͤnden/ fuͤr unſchul- dig erkennt werden moͤchten? Jn alle Wege antwortete dieſe Feñin/ wo nicht der willkuͤhr- liche Vorſatz/ ſondern ein unvermeidlicher Nothzwang der Uhrheber des Verbrechens waͤre. Denn die Noth gaͤbe das grauſamſte Geſetze unter allen ab/ und zuͤge nach ſich eine Botmaͤßigkeit; welche alle andere Geſetze zer- malmete/ und alle Gerechtigkeit in Unrecht ver- kehrte. Die Richter forſchten ferner von ihr: Was fuͤr eine Noth denen Ehbrechern ihre Miſſethat auf gehalſet haͤtte? Dieſe meine Zau- ber-Gaͤrthe/ antwortete ſie; welche nicht nur die Hertzen/ ſondern den Schnee und das Eyß der euſſerſten Nord Spitze entzuͤnden kan. Die Richter erſchracken fuͤr ſo frechem Bekaͤntnuͤſſe; und wuſten nicht: Ob ſie diß Weib fuͤr wahn- ſinnig; oder ihre Rede fuͤr wahrhafft halten ſol- ten; fragten aber: wie ſie ihre Zauberey bewerck- ſtelligt; und was ſie hierzu bewegt haͤtte? Sie zo- he hierauf zwey Wachsbilder heraus; derer das eine der Koͤnigin; das andere dem Cimbriſchen Fuͤrſten gantz gleich ſahe. Dieſe/ ſagte ſie/ habe ich durch gewiſſe Kraͤuter und meine Kunſt de- rogeſtalt zubereitet: daß wenn ich ſelbte mit mei- nem Schwefel uͤberziehe/ ſelbte brennend ma- che/ und gewiſſe Segen darzu ſpreche/ alle Ein- fluͤſſe der Geſtirne/ alle Regungen der Keuſch- heit viel zu ohnmaͤchtig ſind die von mir in ih- ren Seelen entzuͤndete Brunſt/ welche mit ih- rem auffſteigenden Rauche alle Vernunfft zu Bodem ſchlaͤgt/ zu daͤmpffen. Dieſe meine Hand wuͤrcket auch in den Haͤuptern der Wei- ſen: daß ſie das heßlichſte Laſter fuͤr einen Aus- bund der Tugend annehmen; ſie erleuchtet mit der Finſternuͤs des Abgrunds die Unzucht: daß ſie wie der des Nachts leuchtende Wurm fuͤr ein himmliſches Licht angeſehen wird. Maſſen dieſe Zauberin denn auch alſofort ſolches be- werckſtelligte/ und zu wege brachte: daß die auf der Seite ſtehende Verdammten/ welche vor- her gantz auſſer ſich/ und als todte Marmel- Bilder unbewegt geſtanden/ auf einander wie ein Blitz zurennten/ und einander umhalſeten. Die Richter alle erzitterten uͤber dieſer Zaube- rey; ſie aber fuhr fort und ſagte: Wiſſet aber auch die Urſache dieſes meines Beginnens; und daß dieſe Liebes-Flamme aus dem feurigen Ra- chen der Rache angezuͤndet worden ſey. Denn nach dem Frotho in dem Kriege wieder die Slaven meinen Braͤutigam den Fuͤrſten des Eylandes Latris gefangen bekommen/ ſelbten aber toͤdten laſſen/ und mich alſo meiner Liebe beraubet/ habe ich durch keine andere Vergel- tung mich zu ſaͤttigen gewuͤſt/ als daß ich ihm ſeine tugendhaffte Gemahlin/ als den Zweck ſeiner einigen Vergnuͤgung/ hinweg naͤhme. Jch habe meiner Fuͤrſtlichen Wuͤrde mich ent- euſſert; ich bin ein Lehrling der allerſchlim̃ſten Zauberin worden; ich habe durch verborgene Ungedult mir mein Hertz abgenaget/ nur die Suͤßigkeit der Rache zu genuͤſſen. Ja/ weil ich wol gewuͤſt: daß draͤuende ſich ver gnuͤgen ihre Zunge an ſtatt des Rach-Schwerdts zu ge- brauchen/ und der durch den Mund ausrau- chende Zorn die Glieder krafftloß laſſe/ die Be- leidigung mit Worten auch eine fruchtloſe Boßheit/ in der That aber ſich raͤchen eine Hel- den-Eigenſchafft ſey/ habe ich ſchon zehen Jahr bey den Cimbern als eine Dienſt-Magd zu- bracht/ nur daß ich der Koͤnigin und dieſes Fuͤr- ſten Haar/ als den Werckzeug meiner Zaube- rey/ zur Rache erlangte; welche mir biß auff dieſe Stunde kein Menſch angemerckt hat/ nimmermehr auch wuͤrde ergruͤnder haben/ weñ ich zugleich die Barmhertzigkeit gegen die Tu- gend

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1336[1338]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1404>, abgerufen am 23.11.2024.