Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
färbichten Blumen prangenden Disteln ge-machten Krantz der Keuschheit aufs Haupt/ und besprengte beyde mit dem aus dem heiligen Brunnen geschöpfften Wasser. Die Königin Erato/ die Fürstin Erdmuth/ Vollkom- E e e e e e e e 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
faͤrbichten Blumen prangenden Diſteln ge-machten Krantz der Keuſchheit aufs Haupt/ und beſprengte beyde mit dem aus dem heiligen Brunnen geſchoͤpfften Waſſer. Die Koͤnigin Erato/ die Fuͤrſtin Erdmuth/ Vollkom- E e e e e e e e 2
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Arminius und Thußnelda.
faͤrbichten Blumen prangenden Diſteln ge-
machten Krantz der Keuſchheit aufs Haupt/ und
beſprengte beyde mit dem aus dem heiligen
Brunnen geſchoͤpfften Waſſer.
Die Koͤnigin Erato/ die Fuͤrſtin Erdmuth/
Catta/ Adelmund/ Jſmene/ Salonine/ die Gꝛaͤ-
fin von der Lippe und ander Frauen-Zimmer
kamen gleich uͤber dieſer Bekraͤntzung bey dem
Heiligthume an; und weil hiermit Thußnel-
dens Andacht ſich endigte/ empfiengen ſie ſich
mit einander auffs holdſeligſte. Nach geſche-
hener annehmlichen Umarmung bat Erato ih-
ren Vorwitz nicht zu verargen; wenn ſie frag-
te: was dieſes fuͤr ein Altar/ und fuͤr eine Ge-
wonheit alldar zu opffern waͤre? Die heilige
Asblaſte kam denen andern mit ihrer Antwort
zuvor/ und meldete: dieſes Altar waͤre von der
zuͤchtigen Vorwelt der Schamhafftigkeit ge-
wiedmet worden; darauff dieſelbigen ihre Opf-
fer liefferten/ welche auch in dem Eh-Bette die
Keuſchheit unverſehrt zu behalten gedaͤchten.
Erato verſetzte: Sie haͤtte zu Athen ein gleich-
maͤßiges Altar der Schamhafftigkeit/ und zu
Sparta ein gleichmaͤßig-heiliges Bild/ welches
Jcarius ſeiner verſchaͤmten Penelope zu Liebe
aufgerichtet haͤtte/ geſehen; es doͤrfften aber da-
ſelbſt nur Juͤnglinge und Jungfrauen ihre An-
dacht verrichten; welcher Abſehen dahin zielte:
daß die Goͤtter ſie nicht in etwas verfallen laſſen
wolten/ woruͤber ſie Urſach haͤtten ſchamroth zu
werden. Weß wegen auch die Verehlichten/
oder die/ welche der Wolluſt ſchon einmahl den
Zuͤgel verhangen haͤtten; daſelbſt ausgeſchloſſen
blieben. Asblaſte antwortete: Jch hoͤre wol:
daß die Griechen die Schamhafftigkeit fuͤr eine
ſcheltbare Gemuͤths-Regung und eine Schwe-
ſter der Furcht daſelbſt halten; welche bey Erin-
nerung eines Verbrechens das Geluͤbte nicht
anders/ als ein Sturm das Meer erreget; und
in alle Glieder des Leibes mit einer langſamen
Hitze ſich ausſchuͤttet/ dem Hertzen aber eine kal-
te Beyſorge einiger ihm bevorſtehender Schan-
de zuzeucht. Dieſe Schwachheit des Gemuͤ-
thes/ ob ſie zwar ein gutes Zeichen eines verletz-
ten Gewiſſens und ein Kennzeichen iſt: daß der
Zunder der Tugend im Hertzen noch nicht gar
verglommen/ ſondern noch allerdinges rege
ſey; iſt doch keines Altares nicht werth; und
zwar auch/ wenn ſolche Schamroͤthe gleich
nicht von einer ihm uͤbel bewuſten Schuld/ ſon-
dern von einer angebohrnen Fluͤchtigkeit des
Gebluͤtes herruͤhrt; welches ſich bey ieder neuen
Begebenheit/ wie das Meer bey dem Vollmon-
den/ reget/ und ſeine Schrancken uͤberſchreitet.
Denn es iſt nichts ſeltzames: daß dieſe Schwach-
heit durch bloſſe Einbildung einem auch nicht
laſterhafften Menſchen nicht anders/ als Traͤu-
me oder Zauber-Laternen aus nichts/ oder ei-
nem bloſſen Schatten Geſpenſter und Rieſen
mache; und ohne Urſache auff ſchaͤdliche Ab-
wege der Kleinmuth leite; und die/ welche ſol-
che nicht durch eine hertzhaffte Unbewegligkeit
zu uͤberwuͤnden wiſſen/ mehrmahls in augen-
ſcheinlichen Untergang zu rennen veran aſ-
ſe. Es iſt wahr/ ſagte Erato; ich erinnere
mich: daß die an des Calippus/ Antipa-
ter an des Demetrius/ Hercules des groſſen
Alexanders Sohn an des Polyſperchon Tafel
ihr Leben eingebuͤſſet; weil ſie ihr Mißtrauen
blicken zu laſſen/ und ſich von ſolchen Blut-
Mahlzeiten zu entſchuldigen geſchaͤmet. Ja
es mangelt nicht an Beyſpielen: daß ihrer viel
ehe einem was zu verſagen/ als dardurch in
Suͤnde und Schande ſich zu ſtuͤrtzen geſcheuet
haben. Weßwegen auch ich/ woher in Deutſch-
land die Schamhafftigkeit in einer beſſern Art/
und in groͤſſerm Anſehen ſeyn koͤnne/ nicht zu
begreiffen weiß. Die Fuͤrſtin Asblaſte laͤchelte;
und fieng an: Jch weiß wol: daß etliche Ge-
waͤchſe in gewiſſen Laͤndern gifftig/ in andern
zum Eſſen und unſchaͤdlichem Gebrauche dien-
lich ſind; aber die Gebrechen der Natur und
die Schwachheiten des Gemuͤthes werden un-
ter dem guͤtigſten Himmels-Striche zu keiner
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1323[1325]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1391>, abgerufen am 17.07.2024. |