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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] be saß/ sahe er von ferne einen kleinen Nachen
den Strom herab fahren; in Meynung: daß
etwan seine Ritter einen Schiff-Mann zur U-
bersetzung errufft hätten. Alleine/ wie dieser
Nachen kaum eines Bogen-Schusses von ihm
war/ stieß er so harte an einen entweder unter
dem Wasser verborgenen Baum oder Felß/ daß
er sich umkehrte; und an statt: daß alles für seinen
Augen verschwand/ ihm nur ein einiger Gall
ins Gehöre; und der ihm vorhin erschienene
Geist ins Gesichte fiel; ihm zuruffende: Es ist
Zeit/ Herrmann/ zu helffen. Dieser warff au-
genblicks seinen Rock von sich/ sprang in den
Fluß/ und schwam gerade mitten in Strom;
darinnen er denn also fort etwas/ das selbter
herab trieb/ zu Gesichte bekam; also sich mit
demselben armte/ und ans Ufer brachte. Er
hatte noch ein Stücke zu schwimmen/ als seine
drey Ritter mit etlichen in einer nicht ferne von
der gefundenen Kohl-Hütte angezündeten
Kyn Höltzern zurück kamen/ und ihres aus dem
Wasser mit einem Menschen steigenden Her-
tzogs Zufall nicht begreiffen konten. Herr-
mann/ welcher bereit wahr genommen hatte:
daß seine Beute zwar ein Weibes-Bild/ aber
ohne Regung war/ ließ ihm dieses alsofort be-
leuchten; Er sanck aber bey dem ersten Anbli-
cke für todt zu Bodem. Wiewol diß nun die
Ritter auffs empfindlichste erschreckte/ vergas-
sen sie doch nicht ihre Vorsorge den Hertzog zu
kühlen/ dieses allem Ansehen nach geringe
Frauen-Zimmer zu reiben; und sie auff zuhe-
ben/ wormit ihr das eingetrunckene Wasser
zum Halse heraus schüssen konte. Welches letz-
tere denn zu athmen anfieng/ ehe Hertzog Herr-
mann sich wie der besinnen konte. So bald diß
aber geschach; waren seine erste/ wiewol ver-
brochene Worte: Jst sie todt? Wie sie ihn aber
versicherten: daß sie an ihr Leben verspürten;
kam er wieder so weit zu Kräfften: daß/ nach
dem er das zwar Lufft-schöpffende/ aber noch
mehr todt als lebende Frauen-Zimmer mit ei-
[Spaltenumbruch] nem tieffen Seuffzer geküst hatte/ sie ihn zu
Pferde setzen und gegen der Kohlen-Hütte lei-
ten konten; dahin denn auch ihrer zwey die aus
dem Wasser gezogene mit unter sich gekehrtem
Antlitze trugen; und beyde mit etlichen von dem
Kohl-Weibe über den glüenden Kohlen ge-
wärmten Tüchern rieben. Hertzog Herrmanns
Hertze wallete inzwischen so tief zwischen Furcht
und Hoffnung: daß er mehr einem träumen-
den/ als wachenden gleich war; biß das Frauen-
Bild nach und nach ein und anderes Glied zu
regen/ und die Augen zu öffnen begonte. Die-
semnach denn Hertzog Herrmann sie kniend
umarmte und anredete: Wilstu/ meine Sonne/
mich Todten nicht mit deinen Strahlen le-
bendig machen? Sie sahe ihn hierauff zwar mit
starren Augen/ aber sonder einige andere Be-
wegung an. Wie nun Herrmann mehrmahls
nichts minder seine Liebe/ als Mitleiden auffs
kläglichste ihr vorhielt; holete sie einen tieffen
Seuffzer/ und bewegte die Lippen. Endlich
fieng sie/ wiewol sehr unverständlich an: Leb
ich? und nach einer guten Weile: Jch Elende!
wil mich auch der Tod nicht haben: daß mich
nur das Leben mehr martern könne; welches
doch ich nicht haben mag? Dem Hertzog Herr-
mann schossen die Thränen häuffig über die
Wangen/ und er antwortete ihr: Lebe/ lebe
mein Leben: daß ich nicht sterbe; du aber mich
liebest! Sie hingegen machte hierüber eine
grausame Gebehrdung/ sagende: Liebe! Lie-
be! besser sterben und nicht lieben/ als leben/
und deine Höllen-Pein fühlen! Herrmann
küste inzwischen ihr die Hand; welche sie aber
weg zoh/ und anfieng: Hilff Gott! leb ich noch
unter der Henckerey derer/ die unter dem
Schein der Liebe meine Tod-Feinde sind?
Und eine Weile darauff: Also leben/ ist kein
Leben; sondern nur nicht auffhören zu sterben.
Worauff sie noch etliche verwirrte Worte her-
aus ließ/ und zu schlaffen anfieng. Daher denn
die Ritter dem Hertzoge riethen: daß/ da er

diesem
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] be ſaß/ ſahe er von ferne einen kleinen Nachen
den Strom herab fahren; in Meynung: daß
etwan ſeine Ritter einen Schiff-Mann zur U-
berſetzung errufft haͤtten. Alleine/ wie dieſer
Nachen kaum eines Bogen-Schuſſes von ihm
war/ ſtieß er ſo harte an einen entweder unter
dem Waſſer verborgenen Baum oder Felß/ daß
er ſich umkehrte; und an ſtatt: daß alles fuͤr ſeinen
Augen verſchwand/ ihm nur ein einiger Gall
ins Gehoͤre; und der ihm vorhin erſchienene
Geiſt ins Geſichte fiel; ihm zuruffende: Es iſt
Zeit/ Herrmann/ zu helffen. Dieſer warff au-
genblicks ſeinen Rock von ſich/ ſprang in den
Fluß/ und ſchwam gerade mitten in Strom;
darinnen er denn alſo fort etwas/ das ſelbter
herab trieb/ zu Geſichte bekam; alſo ſich mit
demſelben armte/ und ans Ufer brachte. Er
hatte noch ein Stuͤcke zu ſchwimmen/ als ſeine
drey Ritter mit etlichen in einer nicht ferne von
der gefundenen Kohl-Huͤtte angezuͤndeten
Kyn Hoͤltzern zuruͤck kamen/ und ihres aus dem
Waſſer mit einem Menſchen ſteigenden Her-
tzogs Zufall nicht begreiffen konten. Herr-
mann/ welcher bereit wahr genommen hatte:
daß ſeine Beute zwar ein Weibes-Bild/ aber
ohne Regung war/ ließ ihm dieſes alſofort be-
leuchten; Er ſanck aber bey dem erſten Anbli-
cke fuͤr todt zu Bodem. Wiewol diß nun die
Ritter auffs empfindlichſte erſchreckte/ vergaſ-
ſen ſie doch nicht ihre Vorſorge den Hertzog zu
kuͤhlen/ dieſes allem Anſehen nach geringe
Frauen-Zimmer zu reiben; und ſie auff zuhe-
ben/ wormit ihr das eingetrunckene Waſſer
zum Halſe heraus ſchuͤſſen konte. Welches letz-
tere denn zu athmen anfieng/ ehe Hertzog Herꝛ-
mann ſich wie der beſinnen konte. So bald diß
aber geſchach; waren ſeine erſte/ wiewol ver-
brochene Worte: Jſt ſie todt? Wie ſie ihn aber
verſicherten: daß ſie an ihr Leben verſpuͤrten;
kam er wieder ſo weit zu Kraͤfften: daß/ nach
dem er das zwar Lufft-ſchoͤpffende/ aber noch
mehr todt als lebende Frauen-Zimmer mit ei-
[Spaltenumbruch] nem tieffen Seuffzer gekuͤſt hatte/ ſie ihn zu
Pferde ſetzen und gegen der Kohlen-Huͤtte lei-
ten konten; dahin denn auch ihrer zwey die aus
dem Waſſer gezogene mit unter ſich gekehrtem
Antlitze trugen; und beyde mit etlichen von dem
Kohl-Weibe uͤber den gluͤenden Kohlen ge-
waͤrmten Tuͤchern rieben. Hertzog Herrmanns
Hertze wallete inzwiſchen ſo tief zwiſchen Furcht
und Hoffnung: daß er mehr einem traͤumen-
den/ als wachenden gleich war; biß das Frauen-
Bild nach und nach ein und anderes Glied zu
regen/ und die Augen zu oͤffnen begonte. Die-
ſemnach denn Hertzog Herrmann ſie kniend
umarmte und anredete: Wilſtu/ meine Sonne/
mich Todten nicht mit deinen Strahlen le-
bendig machen? Sie ſahe ihn hierauff zwar mit
ſtarren Augen/ aber ſonder einige andere Be-
wegung an. Wie nun Herrmann mehrmahls
nichts minder ſeine Liebe/ als Mitleiden auffs
klaͤglichſte ihr vorhielt; holete ſie einen tieffen
Seuffzer/ und bewegte die Lippen. Endlich
fieng ſie/ wiewol ſehr unverſtaͤndlich an: Leb
ich? und nach einer guten Weile: Jch Elende!
wil mich auch der Tod nicht haben: daß mich
nur das Leben mehr martern koͤnne; welches
doch ich nicht haben mag? Dem Hertzog Herr-
mann ſchoſſen die Thraͤnen haͤuffig uͤber die
Wangen/ und er antwortete ihr: Lebe/ lebe
mein Leben: daß ich nicht ſterbe; du aber mich
liebeſt! Sie hingegen machte hieruͤber eine
grauſame Gebehrdung/ ſagende: Liebe! Lie-
be! beſſer ſterben und nicht lieben/ als leben/
und deine Hoͤllen-Pein fuͤhlen! Herrmann
kuͤſte inzwiſchen ihr die Hand; welche ſie aber
weg zoh/ und anfieng: Hilff Gott! leb ich noch
unter der Henckerey derer/ die unter dem
Schein der Liebe meine Tod-Feinde ſind?
Und eine Weile darauff: Alſo leben/ iſt kein
Leben; ſondern nur nicht auffhoͤren zu ſterben.
Worauff ſie noch etliche verwirrte Worte her-
aus ließ/ und zu ſchlaffen anfieng. Daher denn
die Ritter dem Hertzoge riethen: daß/ da er

dieſem
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[1291[1293]/1357] Arminius und Thußnelda. be ſaß/ ſahe er von ferne einen kleinen Nachen den Strom herab fahren; in Meynung: daß etwan ſeine Ritter einen Schiff-Mann zur U- berſetzung errufft haͤtten. Alleine/ wie dieſer Nachen kaum eines Bogen-Schuſſes von ihm war/ ſtieß er ſo harte an einen entweder unter dem Waſſer verborgenen Baum oder Felß/ daß er ſich umkehrte; und an ſtatt: daß alles fuͤr ſeinen Augen verſchwand/ ihm nur ein einiger Gall ins Gehoͤre; und der ihm vorhin erſchienene Geiſt ins Geſichte fiel; ihm zuruffende: Es iſt Zeit/ Herrmann/ zu helffen. Dieſer warff au- genblicks ſeinen Rock von ſich/ ſprang in den Fluß/ und ſchwam gerade mitten in Strom; darinnen er denn alſo fort etwas/ das ſelbter herab trieb/ zu Geſichte bekam; alſo ſich mit demſelben armte/ und ans Ufer brachte. Er hatte noch ein Stuͤcke zu ſchwimmen/ als ſeine drey Ritter mit etlichen in einer nicht ferne von der gefundenen Kohl-Huͤtte angezuͤndeten Kyn Hoͤltzern zuruͤck kamen/ und ihres aus dem Waſſer mit einem Menſchen ſteigenden Her- tzogs Zufall nicht begreiffen konten. Herr- mann/ welcher bereit wahr genommen hatte: daß ſeine Beute zwar ein Weibes-Bild/ aber ohne Regung war/ ließ ihm dieſes alſofort be- leuchten; Er ſanck aber bey dem erſten Anbli- cke fuͤr todt zu Bodem. Wiewol diß nun die Ritter auffs empfindlichſte erſchreckte/ vergaſ- ſen ſie doch nicht ihre Vorſorge den Hertzog zu kuͤhlen/ dieſes allem Anſehen nach geringe Frauen-Zimmer zu reiben; und ſie auff zuhe- ben/ wormit ihr das eingetrunckene Waſſer zum Halſe heraus ſchuͤſſen konte. Welches letz- tere denn zu athmen anfieng/ ehe Hertzog Herꝛ- mann ſich wie der beſinnen konte. So bald diß aber geſchach; waren ſeine erſte/ wiewol ver- brochene Worte: Jſt ſie todt? Wie ſie ihn aber verſicherten: daß ſie an ihr Leben verſpuͤrten; kam er wieder ſo weit zu Kraͤfften: daß/ nach dem er das zwar Lufft-ſchoͤpffende/ aber noch mehr todt als lebende Frauen-Zimmer mit ei- nem tieffen Seuffzer gekuͤſt hatte/ ſie ihn zu Pferde ſetzen und gegen der Kohlen-Huͤtte lei- ten konten; dahin denn auch ihrer zwey die aus dem Waſſer gezogene mit unter ſich gekehrtem Antlitze trugen; und beyde mit etlichen von dem Kohl-Weibe uͤber den gluͤenden Kohlen ge- waͤrmten Tuͤchern rieben. Hertzog Herrmanns Hertze wallete inzwiſchen ſo tief zwiſchen Furcht und Hoffnung: daß er mehr einem traͤumen- den/ als wachenden gleich war; biß das Frauen- Bild nach und nach ein und anderes Glied zu regen/ und die Augen zu oͤffnen begonte. Die- ſemnach denn Hertzog Herrmann ſie kniend umarmte und anredete: Wilſtu/ meine Sonne/ mich Todten nicht mit deinen Strahlen le- bendig machen? Sie ſahe ihn hierauff zwar mit ſtarren Augen/ aber ſonder einige andere Be- wegung an. Wie nun Herrmann mehrmahls nichts minder ſeine Liebe/ als Mitleiden auffs klaͤglichſte ihr vorhielt; holete ſie einen tieffen Seuffzer/ und bewegte die Lippen. Endlich fieng ſie/ wiewol ſehr unverſtaͤndlich an: Leb ich? und nach einer guten Weile: Jch Elende! wil mich auch der Tod nicht haben: daß mich nur das Leben mehr martern koͤnne; welches doch ich nicht haben mag? Dem Hertzog Herr- mann ſchoſſen die Thraͤnen haͤuffig uͤber die Wangen/ und er antwortete ihr: Lebe/ lebe mein Leben: daß ich nicht ſterbe; du aber mich liebeſt! Sie hingegen machte hieruͤber eine grauſame Gebehrdung/ ſagende: Liebe! Lie- be! beſſer ſterben und nicht lieben/ als leben/ und deine Hoͤllen-Pein fuͤhlen! Herrmann kuͤſte inzwiſchen ihr die Hand; welche ſie aber weg zoh/ und anfieng: Hilff Gott! leb ich noch unter der Henckerey derer/ die unter dem Schein der Liebe meine Tod-Feinde ſind? Und eine Weile darauff: Alſo leben/ iſt kein Leben; ſondern nur nicht auffhoͤren zu ſterben. Worauff ſie noch etliche verwirrte Worte her- aus ließ/ und zu ſchlaffen anfieng. Daher denn die Ritter dem Hertzoge riethen: daß/ da er dieſem A a a a a a a a 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1291[1293]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1357>, abgerufen am 23.11.2024.