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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] Menschen wären/ und mehr/ als viel tausend
Niedrige Gutes stifften könten. Aber die Ruhe
des Gewissens wäre ein so köstlicher Schatz:
daß alles Kronen-Gold der Welt gegen ihr
Bley/ und alle Edel-Gesteine für Bohnen zu
halten wären. Jenen Schatz aber müste sie
wegstossen/ wenn sie diesen aufhiebe; Da doch
jener Verlust auch dem Feinde nicht zu gönnen
wäre; diesen aber viel verschmehet hätten/ die
ihn gleich mit Rechte zu besitzen vermocht. Sie
wüste wol: daß einige das Unrecht für ein der
Herrschafft nicht unanständiges Ding und so
gar Meineyd für zuläßlich hielten. Alleine
diß hiesse GOtt spotten/ die Gerechtigkeit zur
Eule machen; und den Diebstahl eines Sto-
ckes verdammen; eines Königs-Stabes aber
billichen. Daher solten sie ihr verzeihen: daß
sie ihnen und diesem Gepränge den Rücken
kehren müste. Denn sie wäre entschlossen ihr
Antlitz ehe dem Tode/ als dem Könige Mar-
bod und seiner Krone zu zuwenden. Mit wel-
chen Worten sie auch sich in ihr innerstes Zim-
mer zurück zoh. Kurtz darauff kam die Für-
stin Adelgund und setzte Thußnelden mit allen
ersinnlichsten Liebkosungen zu: daß sie die Mut-
ter-Stelle so wol über sie/ als so viel sie anbe-
tende Länder zu führen sich erbitten lassen möch-
te. Thußnelde hingegen verzuckerte ihr Nein
mit einer wunderwürdigen Anmuth; und
schloß: Sie könte auff diese Art ihre Mutter
nicht seyn; sonder vorher ihre Selbst-Mörde-
rin zu werden. Sintemahl die/ welche der Tu-
gend sich enteusserten/ nicht lebendig/ sondern
nur umgehende Leichen wären; und Hertzog
Herrmann/ in dem sie mehr/ als in ihr selbst
lebte/ nicht würde können ihre Untreue verneh-
men und unentseelet bleiben. Seiner Tochter
Adelgund folgte König Marbod auf dem Fus-
se/ und drückte seine Liebr mit so grossen Ver-
sprechungen aus: daß aller anderen Frauen-
Zimmer Hertzen/ ausser Thußneldens/ hier-
durch hätten können bewegt werden; welche a-
[Spaltenumbruch] ber ihm mit der höchsten Bescheidenheit das
unauflößliche Band zwischen ihr und dem Che-
ruskischen Hertzoge/ und die Ermessung seiner
besor glichen Empfindligkeit aus Marbods ei-
gener Liebes-Hefftigkeit einhielt; und nach dem
sie wahrnahm: daß Marbods großmüthiges
Hertze ehe mit vernünfftigen/ als eussersten
Entschlüssun gen zu lencken wäre; heuchelte sie
ihm mit diesem Schlusse/ über welchen er ihr
nichts ferners zumuthen solte: Wenn sie nicht
den Fürsten Herrmann liebte/ wolte sie keinen
andern als Marboden heyrathen. Als nun
aber etliche Tage nach einander diese und viel
andere Zusetzungen von ihr nicht anders/ als
die Wellen von einem unbeweglichen Felsen
zurück prellten; machte sich der ergrimmte Se-
gesthes mit dem letzten Sturm an sie; und nach
dem er in hundert beschwornen Dräuungen ihr
Laub und Graß versagt hatte; schloß er: Du
hast nunmehr die Wahl/ entweder in einem Kö-
niglichen Bette zu schlaffen/ oder im stincken-
den Kercker zu verfaulen. Thußnelden flossen
anfangs die Thränen als eine Bach aus den
Augen; gleich als wenn die/ welche der Uhr-
sprung ihrer Liebe gewest/ nunmehr ein
Spring-Brunn ihrer Schmertzen seyn solten.
Hernach aber versiegen sie auff einmahl; ent-
weder weil ihr Hertzeleid schon alles Wasser in
ihr erschöpfft hatte/ oder der trockene Schmertz
hefftiger als der nasse ist; in dem durch seine U-
bermaaß sich diese trübe Flut nicht anders als
etliche andere Wasser zu versteinern pflegte.
Endlich fieng sie nach etlichen tieffen Seuffzern
bey Segesthens Beschlusse diese durch stetes
Hertz-Klopffen mehrmahls unterbrochene
Worte an: Jch erkiese mir nicht allein den
Kercker und den Tod/ sondern dancke auch dar-
für als eine väterliche Mitgifft. Denn ein tu-
hendhafft Gemüthe läst ihm lieber die Uber-
bleibung seines Lebens abstricken/ welche ohne
diß ungewiß/ und ins gemein nicht gar lang ist;
als daß es durch ein schimpfliches Leben das

gröste

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] Menſchen waͤren/ und mehr/ als viel tauſend
Niedrige Gutes ſtifften koͤnten. Aber die Ruhe
des Gewiſſens waͤre ein ſo koͤſtlicher Schatz:
daß alles Kronen-Gold der Welt gegen ihr
Bley/ und alle Edel-Geſteine fuͤr Bohnen zu
halten waͤren. Jenen Schatz aber muͤſte ſie
wegſtoſſen/ wenn ſie dieſen aufhiebe; Da doch
jener Verluſt auch dem Feinde nicht zu goͤnnen
waͤre; dieſen aber viel verſchmehet haͤtten/ die
ihn gleich mit Rechte zu beſitzen vermocht. Sie
wuͤſte wol: daß einige das Unrecht fuͤr ein der
Herrſchafft nicht unanſtaͤndiges Ding und ſo
gar Meineyd fuͤr zulaͤßlich hielten. Alleine
diß hieſſe GOtt ſpotten/ die Gerechtigkeit zur
Eule machen; und den Diebſtahl eines Sto-
ckes verdammen; eines Koͤnigs-Stabes aber
billichen. Daher ſolten ſie ihr verzeihen: daß
ſie ihnen und dieſem Gepraͤnge den Ruͤcken
kehren muͤſte. Denn ſie waͤre entſchloſſen ihr
Antlitz ehe dem Tode/ als dem Koͤnige Mar-
bod und ſeiner Krone zu zuwenden. Mit wel-
chen Worten ſie auch ſich in ihr innerſtes Zim-
mer zuruͤck zoh. Kurtz darauff kam die Fuͤr-
ſtin Adelgund und ſetzte Thußnelden mit allen
erſinnlichſten Liebkoſungen zu: daß ſie die Mut-
ter-Stelle ſo wol uͤber ſie/ als ſo viel ſie anbe-
tende Laͤnder zu fuͤhren ſich erbitten laſſen moͤch-
te. Thußnelde hingegen verzuckerte ihr Nein
mit einer wunderwuͤrdigen Anmuth; und
ſchloß: Sie koͤnte auff dieſe Art ihre Mutter
nicht ſeyn; ſonder vorher ihre Selbſt-Moͤrde-
rin zu werden. Sintemahl die/ welche der Tu-
gend ſich enteuſſerten/ nicht lebendig/ ſondern
nur umgehende Leichen waͤren; und Hertzog
Herrmann/ in dem ſie mehr/ als in ihr ſelbſt
lebte/ nicht wuͤrde koͤnnen ihre Untreue verneh-
men und unentſeelet bleiben. Seiner Tochter
Adelgund folgte Koͤnig Marbod auf dem Fuſ-
ſe/ und druͤckte ſeine Liebꝛ mit ſo groſſen Ver-
ſprechungen aus: daß aller anderen Frauen-
Zimmer Hertzen/ auſſer Thußneldens/ hier-
durch haͤtten koͤnnen bewegt werden; welche a-
[Spaltenumbruch] ber ihm mit der hoͤchſten Beſcheidenheit das
unaufloͤßliche Band zwiſchen ihr und dem Che-
ruskiſchen Hertzoge/ und die Ermeſſung ſeiner
beſor glichen Empfindligkeit aus Marbods ei-
gener Liebes-Hefftigkeit einhielt; und nach dem
ſie wahrnahm: daß Marbods großmuͤthiges
Hertze ehe mit vernuͤnfftigen/ als euſſerſten
Entſchluͤſſun gen zu lencken waͤre; heuchelte ſie
ihm mit dieſem Schluſſe/ uͤber welchen er ihr
nichts ferners zumuthen ſolte: Wenn ſie nicht
den Fuͤrſten Herrmann liebte/ wolte ſie keinen
andern als Marboden heyrathen. Als nun
aber etliche Tage nach einander dieſe und viel
andere Zuſetzungen von ihr nicht anders/ als
die Wellen von einem unbeweglichen Felſen
zuruͤck prellten; machte ſich der ergrimmte Se-
geſthes mit dem letzten Sturm an ſie; und nach
dem er in hundert beſchwornen Draͤuungen ihr
Laub und Graß verſagt hatte; ſchloß er: Du
haſt nunmehr die Wahl/ entweder in einem Koͤ-
niglichen Bette zu ſchlaffen/ oder im ſtincken-
den Kercker zu verfaulen. Thußnelden floſſen
anfangs die Thraͤnen als eine Bach aus den
Augen; gleich als wenn die/ welche der Uhr-
ſprung ihrer Liebe geweſt/ nunmehr ein
Spring-Brunn ihrer Schmertzen ſeyn ſolten.
Hernach aber verſiegen ſie auff einmahl; ent-
weder weil ihr Hertzeleid ſchon alles Waſſer in
ihr erſchoͤpfft hatte/ oder der trockene Schmertz
hefftiger als der naſſe iſt; in dem durch ſeine U-
bermaaß ſich dieſe truͤbe Flut nicht anders als
etliche andere Waſſer zu verſteinern pflegte.
Endlich fieng ſie nach etlichen tieffen Seuffzern
bey Segeſthens Beſchluſſe dieſe durch ſtetes
Hertz-Klopffen mehrmahls unterbrochene
Worte an: Jch erkieſe mir nicht allein den
Kercker und den Tod/ ſondern dancke auch dar-
fuͤr als eine vaͤterliche Mitgifft. Denn ein tu-
hendhafft Gemuͤthe laͤſt ihm lieber die Uber-
bleibung ſeines Lebens abſtricken/ welche ohne
diß ungewiß/ und ins gemein nicht gar lang iſt;
als daß es durch ein ſchimpfliches Leben das

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1288[1290]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1354>, abgerufen am 23.11.2024.