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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Thußnelde fiel Segesthen abermahl zu Fuße;
und fieng an: die Ursache wäre ihm allzuwol
bewust; in dem es eben dieselbe wäre/ weßwegen
sie lieber ihr Leben aufopffern/ als dem laster-
hafften Tiberius ihre schon dem Fürsten Herr-
mann verlobte Seele wiedmen wolte. Jhre
Zuflucht wäre ihre nechste Base die Cattische
Hertzogin Erdmuth gewest; welche sie mit in
warmen Brunnen/ und vollends in diesen Gar-
ten bracht/ auch zeither bey ihr die mütterliche
Auffsicht vertreten hätte. Diese würde ihrer
Wahrheit selbst mündliches Zeugnüs geben;
weil sie in einem andern Lust-Hause eben dieses
Gartens sich auffhielte. Segesthes antwortete
ihr kein Wort; verschloß sie aber im in nersten
Gemache; weil er zu der Taffel abgefordert
ward. Jnzwischen verfügte sich Marbod nach
kurtzer Bewillkommung der Gesandten gera-
den Weges zu der Cattischen Hertzogin um von
ihr Thußneldens Heimligkeiten aus zulocken.
Denn so viel die Kälte des Erschrecknüßes bey
ihm nach und nach laulichter ward; so sehr fieng
die Liebe in ihm wieder an zu glimmen. Er be-
klagte sich alsbald: daß die Hertzogin Thußnel-
dens Stand/ als einer Tochter von so hohem
Fürstlichen Hause/ verschwiegen/ und dardurch
verursacht hätte ihr nicht die gehörige Ehrer-
bietung zu erzeigen. Die Hertzogin Erdmuth
antwortete: Marbods Höfligkeit hätte der Nie-
drigsten ihres Frauen-Zimmers so viel Ehre
angethan: daß eine Fürstin darmit wol ver-
gnügt seyn könte. Aber sie mochte wol verneh-
men: wer Thußnelden zu einer Fürstin erklä-
ret hätte? Marbod versetzte: Ob sie ihr denn
mißgönnte: daß Thußnelde des Chaßuarischen
Hertzogs Segesthes Tochter wäre? der Erd-
muth schoß hierüber das Blat; gleichwol fragte
sie: wer dem Könige deßhalben Versicherung
gethan hätte? Marbod antwortete: daß Thuß-
nelde Segesthens Tochter sey/ habe ich aus sei-
nem Munde; doch könte er nicht verschweigen:
daß sie nichts minder seine Gefangene/ als sein
[Spaltenumbruch] Kind sey. Was Segesthes? fieng Erdmuth
an; wo ist der? und welch Unstern hat ihm sei-
ne tugendhaffte Tochter seiner strengen und un-
rechtmäßigen Gewalt eingehändigt? Marbod
fieng an: Sie kan den Segesthes selbst hier im
Garten finden und rechtfertigen. Aber wie
mag sie die väterliche Gewalt ungerechter
Strengigkeit beschuldigen? Erdmuth sahe sich
so weit eingeflochten: daß sie nicht zurück kon-
te; zu dem meinte sie durch diese Eröffnung der
Freyheit Thußneldens vielleicht ein Thor auf-
zuthun; daher sie getrost heraus sagte: Weil
die Ehe die allerverbindlichste Freundschafft/
auch mehr eine Vereinbarung der Seelen/ als
der Leiber seyn solte; ja nichts ungeschickter zu
seyn schiene/ als nach eines andern Gemüthe
und Neigungen lieben sollen/ so kaum Herren
erlaubet ihre leibeigenen Knechte dieser Freyheit
zu entsetzen; wie viel weniger könte Segesthes
entschuldigen: daß er seine Tochter wieder ihr
vorher genehm gehabtes Gelübde den gram-
hafften Tiberius zu heyrathen zwingen wolte?
Marbod stutzte abermahls über seinem so mäch-
tigen Neben-Buhler; und/ weil er durch das
Gelübde Thußneldens eine gelobte Keuschheit
angedeutet zu seyn vermeinte/ wolte er der Her-
tzogin mit mehrern Ausforschungen nicht be-
schwerlich seyn; noch/ weil er mit sich selbst noch
nicht eines war/ sich ferner heraus lassen/ son-
dern gab seiner Tochter Adelmund mit/ die
Fürstin Erdmuth zu unterhalten. Er aber
konte hierauf die gantze Nacht kein Auge zu-
thun. Denn eines Theils quälten ihn die seiner
Liebe am Wege stehenden schier unüberwind-
lichen Schwerigkeiten; andern Theils aber
kitzelte er sich mit der Hoffnung: daß er viel-
leicht Thußneldens Hertze gewinnen könte/ wenn
er sie dem Tiberius aus den Zähnen rückte.
Gleichwol bedachte der schlaue Marbod wol:
daß die Einbildung mit dem Verlangen sich
ins gemein vermählte; und seinem Vermögen
mehr Kräffte zueignete/ als sie wesentlich wä-

ren;

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Thußnelde fiel Segeſthen abermahl zu Fuße;
und fieng an: die Urſache waͤre ihm allzuwol
bewuſt; in dem es eben dieſelbe waͤre/ weßwegen
ſie lieber ihr Leben aufopffern/ als dem laſter-
hafften Tiberius ihre ſchon dem Fuͤrſten Herr-
mann verlobte Seele wiedmen wolte. Jhre
Zuflucht waͤre ihre nechſte Baſe die Cattiſche
Hertzogin Erdmuth geweſt; welche ſie mit in
warmen Brunnen/ und vollends in dieſen Gar-
ten bracht/ auch zeither bey ihr die muͤtterliche
Auffſicht vertreten haͤtte. Dieſe wuͤrde ihrer
Wahrheit ſelbſt muͤndliches Zeugnuͤs geben;
weil ſie in einem andern Luſt-Hauſe eben dieſes
Gartens ſich auffhielte. Segeſthes antwortete
ihr kein Wort; verſchloß ſie aber im in nerſten
Gemache; weil er zu der Taffel abgefordert
ward. Jnzwiſchen verfuͤgte ſich Marbod nach
kurtzer Bewillkommung der Geſandten gera-
den Weges zu der Cattiſchen Hertzogin um von
ihr Thußneldens Heimligkeiten aus zulocken.
Denn ſo viel die Kaͤlte des Erſchrecknuͤßes bey
ihm nach und nach laulichter ward; ſo ſehr fieng
die Liebe in ihm wieder an zu glimmen. Er be-
klagte ſich alsbald: daß die Hertzogin Thußnel-
dens Stand/ als einer Tochter von ſo hohem
Fuͤrſtlichen Hauſe/ verſchwiegen/ und dardurch
verurſacht haͤtte ihr nicht die gehoͤrige Ehrer-
bietung zu erzeigen. Die Hertzogin Erdmuth
antwortete: Marbods Hoͤfligkeit haͤtte der Nie-
drigſten ihres Frauen-Zimmers ſo viel Ehre
angethan: daß eine Fuͤrſtin darmit wol ver-
gnuͤgt ſeyn koͤnte. Aber ſie mochte wol verneh-
men: wer Thußnelden zu einer Fuͤrſtin erklaͤ-
ret haͤtte? Marbod verſetzte: Ob ſie ihr denn
mißgoͤnnte: daß Thußnelde des Chaßuariſchen
Hertzogs Segeſthes Tochter waͤre? der Erd-
muth ſchoß hieruͤber das Blat; gleichwol fragte
ſie: wer dem Koͤnige deßhalben Verſicherung
gethan haͤtte? Marbod antwortete: daß Thuß-
nelde Segeſthens Tochter ſey/ habe ich aus ſei-
nem Munde; doch koͤnte er nicht verſchweigen:
daß ſie nichts minder ſeine Gefangene/ als ſein
[Spaltenumbruch] Kind ſey. Was Segeſthes? fieng Erdmuth
an; wo iſt der? und welch Unſtern hat ihm ſei-
ne tugendhaffte Tochter ſeiner ſtrengen und un-
rechtmaͤßigen Gewalt eingehaͤndigt? Marbod
fieng an: Sie kan den Segeſthes ſelbſt hier im
Garten finden und rechtfertigen. Aber wie
mag ſie die vaͤterliche Gewalt ungerechter
Strengigkeit beſchuldigen? Erdmuth ſahe ſich
ſo weit eingeflochten: daß ſie nicht zuruͤck kon-
te; zu dem meinte ſie durch dieſe Eroͤffnung der
Freyheit Thußneldens vielleicht ein Thor auf-
zuthun; daher ſie getroſt heraus ſagte: Weil
die Ehe die allerverbindlichſte Freundſchafft/
auch mehr eine Vereinbarung der Seelen/ als
der Leiber ſeyn ſolte; ja nichts ungeſchickter zu
ſeyn ſchiene/ als nach eines andern Gemuͤthe
und Neigungen lieben ſollen/ ſo kaum Herren
erlaubet ihre leibeigenen Knechte dieſer Freyheit
zu entſetzen; wie viel weniger koͤnte Segeſthes
entſchuldigen: daß er ſeine Tochter wieder ihr
vorher genehm gehabtes Geluͤbde den gram-
hafften Tiberius zu heyrathen zwingen wolte?
Marbod ſtutzte abermahls uͤber ſeinem ſo maͤch-
tigen Neben-Buhler; und/ weil er durch das
Geluͤbde Thußneldens eine gelobte Keuſchheit
angedeutet zu ſeyn vermeinte/ wolte er der Her-
tzogin mit mehrern Ausforſchungen nicht be-
ſchwerlich ſeyn; noch/ weil er mit ſich ſelbſt noch
nicht eines war/ ſich ferner heraus laſſen/ ſon-
dern gab ſeiner Tochter Adelmund mit/ die
Fuͤrſtin Erdmuth zu unterhalten. Er aber
konte hierauf die gantze Nacht kein Auge zu-
thun. Denn eines Theils quaͤlten ihn die ſeiner
Liebe am Wege ſtehenden ſchier unuͤberwind-
lichen Schwerigkeiten; andern Theils aber
kitzelte er ſich mit der Hoffnung: daß er viel-
leicht Thußneldens Hertze gewinnen koͤnte/ weñ
er ſie dem Tiberius aus den Zaͤhnen ruͤckte.
Gleichwol bedachte der ſchlaue Marbod wol:
daß die Einbildung mit dem Verlangen ſich
ins gemein vermaͤhlte; und ſeinem Vermoͤgen
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1279[1281]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1345>, abgerufen am 23.11.2024.