Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
Deutschland über das Römische Kriegs-Volckgesetzt war/ und dem Stertinius zum Könige Marbod reisete/ diesen entweder wegen des auf ihn angezielten Krieges sicher zu machen; oder/ weil Tiberius dem Kayser auffs beweg- lichste anlag die Cherusker vollkommen zu un- terdrücken/ sich der Marckmänner: daß sie je- nen nicht zu Hülffe kämen/ zu versichern. Weß- wegen es auch Tiberius nunmehr dahin brach- te: daß der dem Hertzog Herrmann all zu geneig- te Saturnin nach Rom beruffen/ und Quin- tilius Varus an seine Stelle zum Landvogte gesetzt ward. Die zwar überaus bestürtzte Thuß- nelde war gleichwol so hurtig: daß/ ehe sie ie- mand von den Reisigen anrühren konte/ sie aus dem Sattel auf die Erde sprang; und für dem Segesthes auf die Knie fallende ihn auffs be- weglichste anflehete. Er möchte sein väterli- ches Hertz gegen der nicht versteinern/ welche kindliche Liebe und Gehorsam in ihrem Hertzen unversehrt behalten/ auch niemahls was ihrem Geschlechte verkleinerliches begangen hätte. Segesthes antwortete ihr mit nicht freundli- cher Gebehrdung: Du solst/ sichere dich/ mir als Richter/ nicht als Vater Rechenschafft thun. Aber welch Unglück führet dich in die- ser Tracht hieher? Welchem Thußnelde ver- setzte: Sie hätte sich auf der vom Könige Mar- bod angestellten Jagt verritten. Segesthes stutzte; und hielt gleichwol so viel an sich: daß er in so vieler Personen Anwesenheit um ihre Be- gebnüße nicht fragte; sondern sie zu Pferde si- tzen/ und von den Reisigen beobachten hieß. Si- lius aber fieng an: Sie müsten aber gleichwol erfahren; weil Marbod dar zu seyn gesagt wür- de/ wo er zu finden wäre. Thußnelde berichtete ihn: daß der König aller Vermuthung nach sich auch verritten/ und dem Verlaß nach auf einem Lust-Hause; welches über eine Meile/ ihrem Muthmassen nach/ von dar nicht entfer- net wäre/ übernachten solte. Unter diesem Ge- spräche kamen sie an einen Quer-Weg; da sie [Spaltenumbruch] denn ein grosses Gethöne von Jagt-Hörnern vernahmen; welches sich nach und nach näher- te. Es kam auch alsofort ein Jäger voran ge- hauen/ um wegen des darbey sich befindenden Marbods zu fragen; wer die Ankommenden wären. Diese schickten alsbald einen Edel- mann mit dem Jäger zurück um dem Könige ihre ohne diß schon vorher vergewisserte An- kunfft an zu zeigen/ und seine Anverweisung zu vernehmen. Dieser brachte alsofort zurücke: Sie möchten verziehen/ der König wolte sie all- dar empfangen/ und mit sich auf ein nicht weit entferntes Lust-Hauß nehmen. Diß erfolgte/ wiewol mit abermahls nicht geringer Ge- müths-Veränderung Marbods; als er mitten in diesem Hauffen die allererst verlassene Thuß- nelde gleichsam als eine Gefangene führen sa- he. Daher er sich unmöglich enthalten konte zu fragen: Wie seine schöne Jägerin unter sie verfallen wäre? Segesthes/ weil er entweder darfür hielt: daß Marbod Thußnelden schon kennte/ oder ihre Beschaffenheit bey so viel sie kennenden Römern unmöglich verholen blieben wäre/ ja er sich auch sonst ihr nicht anmassen kön- te/ antwortete: Er hätte mit Wiedererlangung dieser seiner Tochter ein seltzamer Wild/ als vielleicht der König nicht gefangen; weil er sie für halb verlohren/ oder auch gar für tod gehal- ten. Marbod wolte durch fernere Nachfrage nicht unzeitigen Vorwitz begehen/ sondern saan den gantzen Weg nach: warum Thußnelde von ihrem Vater so lange abwesend gewest seyn/ und dieser sie aller Anzeigung nach so unfreundlich halten müste? Nach dem er aber nichts beständi- ges ergrübeln konte/ kamen sie in den Garten/ worinnen Marbod Segesthen/ den Silius und Stertinius mit ihren Leuten nach Würden be- wirthete. Segesthes nahm Thußnelden selbst zu sich/ verschloß sich alsbald mit ihr in dem in- nersten Zimmer/ und befahl ihr mit entblöstem Degen: Sie solte alle Umstände und Ursachen ihrer Flucht bey Verlust ihres Lebens andeuten. Thuß-
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
Deutſchland uͤber das Roͤmiſche Kriegs-Volckgeſetzt war/ und dem Stertinius zum Koͤnige Marbod reiſete/ dieſen entweder wegen des auf ihn angezielten Krieges ſicher zu machen; oder/ weil Tiberius dem Kayſer auffs beweg- lichſte anlag die Cherusker vollkommen zu un- terdruͤcken/ ſich der Marckmaͤnner: daß ſie je- nen nicht zu Huͤlffe kaͤmen/ zu verſichern. Weß- wegen es auch Tiberius nunmehr dahin brach- te: daß der dem Hertzog Herrmañ all zu geneig- te Saturnin nach Rom beruffen/ und Quin- tilius Varus an ſeine Stelle zum Landvogte geſetzt ward. Die zwar uͤberaus beſtuͤrtzte Thuß- nelde war gleichwol ſo hurtig: daß/ ehe ſie ie- mand von den Reiſigen anruͤhren konte/ ſie aus dem Sattel auf die Erde ſprang; und fuͤr dem Segeſthes auf die Knie fallende ihn auffs be- weglichſte anflehete. Er moͤchte ſein vaͤterli- ches Hertz gegen der nicht verſteinern/ welche kindliche Liebe und Gehorſam in ihrem Hertzen unverſehrt behalten/ auch niemahls was ihrem Geſchlechte verkleinerliches begangen haͤtte. Segeſthes antwortete ihr mit nicht freundli- cher Gebehrdung: Du ſolſt/ ſichere dich/ mir als Richter/ nicht als Vater Rechenſchafft thun. Aber welch Ungluͤck fuͤhret dich in die- ſer Tracht hieher? Welchem Thußnelde ver- ſetzte: Sie haͤtte ſich auf der vom Koͤnige Mar- bod angeſtellten Jagt verritten. Segeſthes ſtutzte; und hielt gleichwol ſo viel an ſich: daß er in ſo vieler Perſonen Anweſenheit um ihre Be- gebnuͤße nicht fragte; ſondern ſie zu Pferde ſi- tzen/ und von den Reiſigen beobachten hieß. Si- lius aber fieng an: Sie muͤſten aber gleichwol erfahren; weil Marbod dar zu ſeyn geſagt wuͤr- de/ wo er zu finden waͤre. Thußnelde berichtete ihn: daß der Koͤnig aller Vermuthung nach ſich auch verritten/ und dem Verlaß nach auf einem Luſt-Hauſe; welches uͤber eine Meile/ ihrem Muthmaſſen nach/ von dar nicht entfer- net waͤre/ uͤbernachten ſolte. Unter dieſem Ge- ſpraͤche kamen ſie an einen Quer-Weg; da ſie [Spaltenumbruch] denn ein groſſes Gethoͤne von Jagt-Hoͤrnern vernahmen; welches ſich nach und nach naͤher- te. Es kam auch alſofort ein Jaͤger voran ge- hauen/ um wegen des darbey ſich befindenden Marbods zu fragen; wer die Ankommenden waͤren. Dieſe ſchickten alsbald einen Edel- mann mit dem Jaͤger zuruͤck um dem Koͤnige ihre ohne diß ſchon vorher vergewiſſerte An- kunfft an zu zeigen/ und ſeine Anverweiſung zu vernehmen. Dieſer brachte alſofort zuruͤcke: Sie moͤchten verziehen/ der Koͤnig wolte ſie all- dar empfangen/ und mit ſich auf ein nicht weit entferntes Luſt-Hauß nehmen. Diß erfolgte/ wiewol mit abermahls nicht geringer Ge- muͤths-Veraͤnderung Marbods; als er mitten in dieſem Hauffen die allererſt verlaſſene Thuß- nelde gleichſam als eine Gefangene fuͤhren ſa- he. Daher er ſich unmoͤglich enthalten konte zu fragen: Wie ſeine ſchoͤne Jaͤgerin unter ſie verfallen waͤre? Segeſthes/ weil er entweder darfuͤr hielt: daß Marbod Thußnelden ſchon kennte/ oder ihre Beſchaffenheit bey ſo viel ſie keñenden Roͤmern unmoͤglich verholen blieben waͤꝛe/ ja er ſich auch ſonſt ihꝛ nicht anmaſſen koͤn- te/ antwortete: Er haͤtte mit Wiedererlangung dieſer ſeiner Tochter ein ſeltzamer Wild/ als vielleicht der Koͤnig nicht gefangen; weil er ſie fuͤr halb verlohren/ oder auch gar fuͤr tod gehal- ten. Marbod wolte durch fernere Nachfrage nicht unzeitigen Vorwitz begehen/ ſondern ſaan den gantzen Weg nach: warum Thußnelde von ihrem Vater ſo lange abweſend geweſt ſeyn/ und dieſer ſie aller Anzeigung nach ſo unfreundlich halten muͤſte? Nach dem er aber nichts beſtaͤndi- ges ergruͤbeln konte/ kamen ſie in den Garten/ worinnen Marbod Segeſthen/ den Silius und Stertinius mit ihren Leuten nach Wuͤrden be- wirthete. Segeſthes nahm Thußnelden ſelbſt zu ſich/ verſchloß ſich alsbald mit ihr in dem in- nerſten Zimmer/ und befahl ihr mit entbloͤſtem Degen: Sie ſolte alle Umſtaͤnde und Urſachen ihrer Flucht bey Verluſt ihres Lebens andeuten. Thuß-
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Achtes Buch
Deutſchland uͤber das Roͤmiſche Kriegs-Volck
geſetzt war/ und dem Stertinius zum Koͤnige
Marbod reiſete/ dieſen entweder wegen des
auf ihn angezielten Krieges ſicher zu machen;
oder/ weil Tiberius dem Kayſer auffs beweg-
lichſte anlag die Cherusker vollkommen zu un-
terdruͤcken/ ſich der Marckmaͤnner: daß ſie je-
nen nicht zu Huͤlffe kaͤmen/ zu verſichern. Weß-
wegen es auch Tiberius nunmehr dahin brach-
te: daß der dem Hertzog Herrmañ all zu geneig-
te Saturnin nach Rom beruffen/ und Quin-
tilius Varus an ſeine Stelle zum Landvogte
geſetzt ward. Die zwar uͤberaus beſtuͤrtzte Thuß-
nelde war gleichwol ſo hurtig: daß/ ehe ſie ie-
mand von den Reiſigen anruͤhren konte/ ſie aus
dem Sattel auf die Erde ſprang; und fuͤr dem
Segeſthes auf die Knie fallende ihn auffs be-
weglichſte anflehete. Er moͤchte ſein vaͤterli-
ches Hertz gegen der nicht verſteinern/ welche
kindliche Liebe und Gehorſam in ihrem Hertzen
unverſehrt behalten/ auch niemahls was ihrem
Geſchlechte verkleinerliches begangen haͤtte.
Segeſthes antwortete ihr mit nicht freundli-
cher Gebehrdung: Du ſolſt/ ſichere dich/ mir
als Richter/ nicht als Vater Rechenſchafft
thun. Aber welch Ungluͤck fuͤhret dich in die-
ſer Tracht hieher? Welchem Thußnelde ver-
ſetzte: Sie haͤtte ſich auf der vom Koͤnige Mar-
bod angeſtellten Jagt verritten. Segeſthes
ſtutzte; und hielt gleichwol ſo viel an ſich: daß er
in ſo vieler Perſonen Anweſenheit um ihre Be-
gebnuͤße nicht fragte; ſondern ſie zu Pferde ſi-
tzen/ und von den Reiſigen beobachten hieß. Si-
lius aber fieng an: Sie muͤſten aber gleichwol
erfahren; weil Marbod dar zu ſeyn geſagt wuͤr-
de/ wo er zu finden waͤre. Thußnelde berichtete
ihn: daß der Koͤnig aller Vermuthung nach
ſich auch verritten/ und dem Verlaß nach auf
einem Luſt-Hauſe; welches uͤber eine Meile/
ihrem Muthmaſſen nach/ von dar nicht entfer-
net waͤre/ uͤbernachten ſolte. Unter dieſem Ge-
ſpraͤche kamen ſie an einen Quer-Weg; da ſie
denn ein groſſes Gethoͤne von Jagt-Hoͤrnern
vernahmen; welches ſich nach und nach naͤher-
te. Es kam auch alſofort ein Jaͤger voran ge-
hauen/ um wegen des darbey ſich befindenden
Marbods zu fragen; wer die Ankommenden
waͤren. Dieſe ſchickten alsbald einen Edel-
mann mit dem Jaͤger zuruͤck um dem Koͤnige
ihre ohne diß ſchon vorher vergewiſſerte An-
kunfft an zu zeigen/ und ſeine Anverweiſung zu
vernehmen. Dieſer brachte alſofort zuruͤcke:
Sie moͤchten verziehen/ der Koͤnig wolte ſie all-
dar empfangen/ und mit ſich auf ein nicht weit
entferntes Luſt-Hauß nehmen. Diß erfolgte/
wiewol mit abermahls nicht geringer Ge-
muͤths-Veraͤnderung Marbods; als er mitten
in dieſem Hauffen die allererſt verlaſſene Thuß-
nelde gleichſam als eine Gefangene fuͤhren ſa-
he. Daher er ſich unmoͤglich enthalten konte
zu fragen: Wie ſeine ſchoͤne Jaͤgerin unter ſie
verfallen waͤre? Segeſthes/ weil er entweder
darfuͤr hielt: daß Marbod Thußnelden ſchon
kennte/ oder ihre Beſchaffenheit bey ſo viel ſie
keñenden Roͤmern unmoͤglich verholen blieben
waͤꝛe/ ja er ſich auch ſonſt ihꝛ nicht anmaſſen koͤn-
te/ antwortete: Er haͤtte mit Wiedererlangung
dieſer ſeiner Tochter ein ſeltzamer Wild/ als
vielleicht der Koͤnig nicht gefangen; weil er ſie
fuͤr halb verlohren/ oder auch gar fuͤr tod gehal-
ten. Marbod wolte durch fernere Nachfrage
nicht unzeitigen Vorwitz begehen/ ſondern ſaan
den gantzen Weg nach: warum Thußnelde von
ihrem Vater ſo lange abweſend geweſt ſeyn/ und
dieſer ſie aller Anzeigung nach ſo unfreundlich
halten muͤſte? Nach dem er aber nichts beſtaͤndi-
ges ergruͤbeln konte/ kamen ſie in den Garten/
worinnen Marbod Segeſthen/ den Silius und
Stertinius mit ihren Leuten nach Wuͤrden be-
wirthete. Segeſthes nahm Thußnelden ſelbſt zu
ſich/ verſchloß ſich alsbald mit ihr in dem in-
nerſten Zimmer/ und befahl ihr mit entbloͤſtem
Degen: Sie ſolte alle Umſtaͤnde und Urſachen
ihrer Flucht bey Verluſt ihres Lebens andeuten.
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