Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
in welchem die Seele wohnet/ die Jäger unserBegierden/ die deutlichsten Dolmetscher unsers Hertzens/ die Mahler unser Gedancken/ die Mäckler unser Liebe/ ja gleichsam unsere Ge- bieter/ alle andere Theile des Menschen aber nur ihre Dienstboten sind. Dieses Urthel ih- rer Scharffsichtigkeit ward dardurch so viel mehr bestärcket: daß König Marbod/ als Thuß- nelde aus Höfligkeit einem Edelmanne die Giß-Kanne aus der Hand nahm/ und ihm das Hand-Wasser reichen wolte/ einen unschätz- baren Ring mit einem Sardonich in das Giß- Becken Thußnelden zum Geschencke fallen ließ; welchen der Samische König Polycrates um eine Scharte in sein übermäßig und da- her so viel mehr verdächtiges Glücke zu ma- chen/ ins Meer geworffen/ ein Fisch aber ihm wieder in seine Küche; hernach August aus den Schätzen Cleopatrens nach Rom gebracht/ und in das Heiligthum der Eintracht gewied- met; letztens aber dem Könige Marbod/ als ein Zeichen seiner Freund schafft zum Geschen- cke überschickt hatte. Thußnelde konte aus Höfligkeit diese grosse Gabe nicht verschmähen; iedoch/ weil sie aller Welt Schätze mit einem andern/ als ihrem Herrmann/ in verbindliche Eintracht zu treten allzu verächtlich hielt; er- weckte ihr diese verdächtige Freygebigkeit eine nicht geringe Unruh des Gemüthes; welche auff die Nacht noch mehr vergrössert ward/ als sie vernahm: daß Marbod um ihren Uhr- sprung und Zustand die Hertzogin Erdmuth so genau befraget; wiewol eine ihr annehmliche Antwort erhalten hatte: daß sie eines Cattischen Grafen Tochter wäre/ und bereit das Gelüb- de ewiger Keuschheit geleistet hätte/ zu dessen Kennzeichen sie denn nach Art der derogestalt verlobten Jungfrauen einen Ring im Finger trüge; in dessen Rubin zwey ackernde Fliegen/ als Merckmaale unversehrlicher Jungfran- schafft gegraben wären. Weil aber alle Küh- [Spaltenumbruch] lungen der Liebe nur ihr Feuer vergrössern/ ward König Marbod von zweyen Gemüths- Regungen/ nehmlich der Liebe und Furcht/ nicht nur beunruhigt/ sondern gepeinigt; al- so: daß er bey nahe die gantze Nacht kein Auge zu zuthun vermochte. Denn jene scheinet zwar ein aus dem Himmel eines schönen Antlitzes gezeugeter Engel zu seyn; aber Furcht und Zweiffel wegen des ungewissen Genüßes ver- wandelt sich in dem Hertzen des Liebenden in eine höllische Unholdin. Nach langer Abmer- gelung und veränderter Berathung; wie er Thußneldens Gewogenheit gewinnen/ und das bey den Deutschen so heilige Gelübde der Keuschheit zernichten möchte/ fiel er endlich in einen Schlaff/ oder vielmehr in eine halbe Ohnmacht; die von einer vollkommenen nur dardurch entschieden war: daß er noch durch al- lerhand ängstige Träume gequälet/ und end- lich mit Schrecken erwecket ward. Weil er nun den Tag vorher schon die Cattische Hertzo- gin auff eine Jagt eingeladen hatte; die Son- ne aber bereit die Spitzen des blauen Gebür- ges bestrahlte/ muste er seine träumende Un- ruh nur mit der wachenden verändern/ und zu solcher Lust sich anschicken. Die Fürstin Adelmund hatte sich als eine Diana darzu ge- rüstet; und solcher Gestalt sich aus zuputzen dem Cattischen Frauen Zimmer Pferde/ Waf- fen und ander Geräthe herbey schaffen lassen. Marbod hatte Thußnelden den Tag vorher nur als ein Frauen-Zimmer verwundernd an- gesehen; diesen aber sahe er sie zu Pferde als eine streitbare Heldin. Er hatte sie als eine Halb-Göttin verehret; nunmehr aber ward er gezwungen sie als eine völlige anzube- ten. Denn sie saß als eine lebhaffte A- mazone zu Pferde; im Rennen und Schüssen that sie es allen Rittern zuvor: und erlegte zweymahl so viel Wild/ als iemand anders. Denn kein Hirsch war ihr Erster Theil. Y y y y y y y
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
in welchem die Seele wohnet/ die Jaͤger unſerBegierden/ die deutlichſten Dolmetſcher unſers Hertzens/ die Mahler unſer Gedancken/ die Maͤckler unſer Liebe/ ja gleichſam unſere Ge- bieter/ alle andere Theile des Menſchen aber nur ihre Dienſtboten ſind. Dieſes Urthel ih- rer Scharffſichtigkeit ward dardurch ſo viel mehr beſtaͤrcket: daß Koͤnig Marbod/ als Thuß- nelde aus Hoͤfligkeit einem Edelmanne die Giß-Kanne aus der Hand nahm/ und ihm das Hand-Waſſer reichen wolte/ einen unſchaͤtz- baren Ring mit einem Sardonich in das Giß- Becken Thußnelden zum Geſchencke fallen ließ; welchen der Samiſche Koͤnig Polycrates um eine Scharte in ſein uͤbermaͤßig und da- her ſo viel mehr verdaͤchtiges Gluͤcke zu ma- chen/ ins Meer geworffen/ ein Fiſch aber ihm wieder in ſeine Kuͤche; hernach Auguſt aus den Schaͤtzen Cleopatrens nach Rom gebracht/ und in das Heiligthum der Eintracht gewied- met; letztens aber dem Koͤnige Marbod/ als ein Zeichen ſeiner Freund ſchafft zum Geſchen- cke uͤberſchickt hatte. Thußnelde konte aus Hoͤfligkeit dieſe groſſe Gabe nicht verſchmaͤhen; iedoch/ weil ſie aller Welt Schaͤtze mit einem andern/ als ihrem Herrmann/ in verbindliche Eintracht zu treten allzu veraͤchtlich hielt; er- weckte ihr dieſe verdaͤchtige Freygebigkeit eine nicht geringe Unruh des Gemuͤthes; welche auff die Nacht noch mehr vergroͤſſert ward/ als ſie vernahm: daß Marbod um ihren Uhr- ſprung und Zuſtand die Hertzogin Erdmuth ſo genau befraget; wiewol eine ihr annehmliche Antwort erhalten hatte: daß ſie eines Cattiſchen Grafen Tochter waͤre/ und bereit das Geluͤb- de ewiger Keuſchheit geleiſtet haͤtte/ zu deſſen Kennzeichen ſie denn nach Art der derogeſtalt verlobten Jungfrauen einen Ring im Finger truͤge; in deſſen Rubin zwey ackernde Fliegen/ als Merckmaale unverſehrlicher Jungfran- ſchafft gegraben waͤren. Weil aber alle Kuͤh- [Spaltenumbruch] lungen der Liebe nur ihr Feuer vergroͤſſern/ ward Koͤnig Marbod von zweyen Gemuͤths- Regungen/ nehmlich der Liebe und Furcht/ nicht nur beunruhigt/ ſondern gepeinigt; al- ſo: daß er bey nahe die gantze Nacht kein Auge zu zuthun vermochte. Denn jene ſcheinet zwar ein aus dem Himmel eines ſchoͤnen Antlitzes gezeugeter Engel zu ſeyn; aber Furcht und Zweiffel wegen des ungewiſſen Genuͤßes ver- wandelt ſich in dem Hertzen des Liebenden in eine hoͤlliſche Unholdin. Nach langer Abmer- gelung und veraͤnderter Berathung; wie er Thußneldens Gewogenheit gewinnen/ und das bey den Deutſchen ſo heilige Geluͤbde der Keuſchheit zernichten moͤchte/ fiel er endlich in einen Schlaff/ oder vielmehr in eine halbe Ohnmacht; die von einer vollkommenen nur dardurch entſchieden war: daß er noch durch al- lerhand aͤngſtige Traͤume gequaͤlet/ und end- lich mit Schrecken erwecket ward. Weil er nun den Tag vorher ſchon die Cattiſche Hertzo- gin auff eine Jagt eingeladen hatte; die Son- ne aber bereit die Spitzen des blauen Gebuͤr- ges beſtrahlte/ muſte er ſeine traͤumende Un- ruh nur mit der wachenden veraͤndern/ und zu ſolcher Luſt ſich anſchicken. Die Fuͤrſtin Adelmund hatte ſich als eine Diana darzu ge- ruͤſtet; und ſolcher Geſtalt ſich aus zuputzen dem Cattiſchen Frauen Zimmer Pferde/ Waf- fen und ander Geraͤthe herbey ſchaffen laſſen. Marbod hatte Thußnelden den Tag vorher nur als ein Frauen-Zimmer verwundernd an- geſehen; dieſen aber ſahe er ſie zu Pferde als eine ſtreitbare Heldin. Er hatte ſie als eine Halb-Goͤttin verehret; nunmehr aber ward er gezwungen ſie als eine voͤllige anzube- ten. Denn ſie ſaß als eine lebhaffte A- mazone zu Pferde; im Rennen und Schuͤſſen that ſie es allen Rittern zuvor: und erlegte zweymahl ſo viel Wild/ als iemand anders. Denn kein Hirſch war ihr Erſter Theil. Y y y y y y y
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Arminius und Thußnelda.
in welchem die Seele wohnet/ die Jaͤger unſer
Begierden/ die deutlichſten Dolmetſcher unſers
Hertzens/ die Mahler unſer Gedancken/ die
Maͤckler unſer Liebe/ ja gleichſam unſere Ge-
bieter/ alle andere Theile des Menſchen aber
nur ihre Dienſtboten ſind. Dieſes Urthel ih-
rer Scharffſichtigkeit ward dardurch ſo viel
mehr beſtaͤrcket: daß Koͤnig Marbod/ als Thuß-
nelde aus Hoͤfligkeit einem Edelmanne die
Giß-Kanne aus der Hand nahm/ und ihm das
Hand-Waſſer reichen wolte/ einen unſchaͤtz-
baren Ring mit einem Sardonich in das Giß-
Becken Thußnelden zum Geſchencke fallen
ließ; welchen der Samiſche Koͤnig Polycrates
um eine Scharte in ſein uͤbermaͤßig und da-
her ſo viel mehr verdaͤchtiges Gluͤcke zu ma-
chen/ ins Meer geworffen/ ein Fiſch aber ihm
wieder in ſeine Kuͤche; hernach Auguſt aus den
Schaͤtzen Cleopatrens nach Rom gebracht/
und in das Heiligthum der Eintracht gewied-
met; letztens aber dem Koͤnige Marbod/ als
ein Zeichen ſeiner Freund ſchafft zum Geſchen-
cke uͤberſchickt hatte. Thußnelde konte aus
Hoͤfligkeit dieſe groſſe Gabe nicht verſchmaͤhen;
iedoch/ weil ſie aller Welt Schaͤtze mit einem
andern/ als ihrem Herrmann/ in verbindliche
Eintracht zu treten allzu veraͤchtlich hielt; er-
weckte ihr dieſe verdaͤchtige Freygebigkeit eine
nicht geringe Unruh des Gemuͤthes; welche
auff die Nacht noch mehr vergroͤſſert ward/ als
ſie vernahm: daß Marbod um ihren Uhr-
ſprung und Zuſtand die Hertzogin Erdmuth ſo
genau befraget; wiewol eine ihr annehmliche
Antwort erhalten hatte: daß ſie eines Cattiſchen
Grafen Tochter waͤre/ und bereit das Geluͤb-
de ewiger Keuſchheit geleiſtet haͤtte/ zu deſſen
Kennzeichen ſie denn nach Art der derogeſtalt
verlobten Jungfrauen einen Ring im Finger
truͤge; in deſſen Rubin zwey ackernde Fliegen/
als Merckmaale unverſehrlicher Jungfran-
ſchafft gegraben waͤren. Weil aber alle Kuͤh-
lungen der Liebe nur ihr Feuer vergroͤſſern/
ward Koͤnig Marbod von zweyen Gemuͤths-
Regungen/ nehmlich der Liebe und Furcht/
nicht nur beunruhigt/ ſondern gepeinigt; al-
ſo: daß er bey nahe die gantze Nacht kein Auge
zu zuthun vermochte. Denn jene ſcheinet zwar
ein aus dem Himmel eines ſchoͤnen Antlitzes
gezeugeter Engel zu ſeyn; aber Furcht und
Zweiffel wegen des ungewiſſen Genuͤßes ver-
wandelt ſich in dem Hertzen des Liebenden in
eine hoͤlliſche Unholdin. Nach langer Abmer-
gelung und veraͤnderter Berathung; wie er
Thußneldens Gewogenheit gewinnen/ und
das bey den Deutſchen ſo heilige Geluͤbde der
Keuſchheit zernichten moͤchte/ fiel er endlich
in einen Schlaff/ oder vielmehr in eine halbe
Ohnmacht; die von einer vollkommenen nur
dardurch entſchieden war: daß er noch durch al-
lerhand aͤngſtige Traͤume gequaͤlet/ und end-
lich mit Schrecken erwecket ward. Weil er
nun den Tag vorher ſchon die Cattiſche Hertzo-
gin auff eine Jagt eingeladen hatte; die Son-
ne aber bereit die Spitzen des blauen Gebuͤr-
ges beſtrahlte/ muſte er ſeine traͤumende Un-
ruh nur mit der wachenden veraͤndern/ und
zu ſolcher Luſt ſich anſchicken. Die Fuͤrſtin
Adelmund hatte ſich als eine Diana darzu ge-
ruͤſtet; und ſolcher Geſtalt ſich aus zuputzen
dem Cattiſchen Frauen Zimmer Pferde/ Waf-
fen und ander Geraͤthe herbey ſchaffen laſſen.
Marbod hatte Thußnelden den Tag vorher
nur als ein Frauen-Zimmer verwundernd an-
geſehen; dieſen aber ſahe er ſie zu Pferde als
eine ſtreitbare Heldin. Er hatte ſie als eine
Halb-Goͤttin verehret; nunmehr aber ward
er gezwungen ſie als eine voͤllige anzube-
ten. Denn ſie ſaß als eine lebhaffte A-
mazone zu Pferde; im Rennen und
Schuͤſſen that ſie es allen Rittern zuvor:
und erlegte zweymahl ſo viel Wild/ als
iemand anders. Denn kein Hirſch war
ihr
Erſter Theil. Y y y y y y y
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1273[1275]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1339>, abgerufen am 17.07.2024. |