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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] sen umarmten. Nichts desto weniger mach-
te dieser kluge Fürst allenthalben solche Anstalt
auff den Gräntzen/ als wenn er sich täglich ei-
nes feindlichen Einfalls zu verfehen hätte; und
in seinem Gebiete Kriegsverfassungen; gleich
als ob er einen mächtigen Feind zu überziehen
im Wercke begrieffen wäre; also: daß er dero-
gestalt vorher nicht anders/ als ein zum Kampfe
bestimmter Auer-Ochse/ welcher seine Hörner
an harten Bäumen versuchet/ seine Kräfften
prüfete; weil doch allererst in der Noth aus dem
Steigereiff et was wagen mehr einem Fechter/
als Fürsten zukommt; wegen seines Fürhabens
aber anfangs die Nachbarn/ hernach sein Volck/
endlich seine eigene Staats-Diener sich in ih-
rer Einbildung betrogen schauten; und sein Ab-
sehen weniger/ als wo eine sich durch die Dor-
nen windende Schlange endlich mit dem Kopfe
durchfahren würde/ vorsehen konten. Welche
Klugheit so viel weniger zu tadeln ist; weil die
Natur darmit: daß sie unser Hertze so tieff in
das verborgene unser Brust versteckt/ uns selbst
darzu Anweisung gethan hat. Deßwegen ha-
ben nicht nur die klugen Römer der Göttin der
Rathschläge ein Altar unter die Erde gebaut/
sondern die Bienen/ wenn man sie in durch-
sichtige Bienstöcke setzet/ überziehen vorber der-
selben Glaß/ ehe sie ihre andere Arbeit anfan-
gen. Jhre heilsame Würckung machet auch
wahr: daß sodenn/ wenn man mehr nicht als
die Helffte seines Thuns zeiget/ die an dere Helf-
te aber verbirgt und zum Stichblate behält/ eine
solche Helffte mehr/ als das gantze unsers Vor-
habens sey; wenn man sich nemlich mit selbtem
auff einmahl bloß giebt. Fürnehmlich aber
verursachte diß zurücke halten bey iederman
grosses Nachdencken; weil Hertzog Herrmann
sich vorher durch so viel behertzte Entschlüssun-
gen sehen lassen; und die/ welche ihn recht kenn-
ten/ diß für keine zweiffelhaffte Zagheit ausdeu-
ten konten. Denn durch Zeigung seiner Fä-
higkeit; durch Verbergung seines Anschlages
[Spaltenumbruch] machet man eine Kleinigkeit seiner Kräfften
ansehnlich; eine Mäßigkeit unbe greiflich und
sich selbst zum Wunderwercke. Ja die Thor-
heit selbst verliert ihre Schande und den Nah-
men einer Miß geburt; wenn sie nur nicht ans
Tagelicht kommt. So vorsichtig er nun seine
Heimligkeiten verbarg; so meisterlich wuste er
durch das Bleymaaß seiner Scharffsichtigkeit
die Tieffen fremder Gemüther/ und zwar auch
des versteckten Tiberius zu ergründen; also:
daß die Römischen Adler nir gendshin kamen;
wo sie Herrmann nicht in Gedancken schon gu-
te Zeit vorher hatte flügen sehen. Dieser arg-
listige Römer machte ihm zwar wieder die Lar-
ve einer absondern zum Fürsten Herrmann tra-
gender Freundschafft für die Augen; und um
selbten in den Krieg wieder die Longobarden
und endlich den König Marbod einzuflechten/
versprach er ihm allen Beystand zu Erlangung
der deutschen Feld-Herrschafft. Aber diesen
blauen Dunst vertilgete der kluge Herrmann
mit einem andern Nebel. Denn ob er wol wu-
ste: daß eine einmahl zerfallene Freundschafft
einem zerstückten und zu ergäntzen unmögli-
chem Edelgesteine; ein versöhnter Feind auch
einem heute gläntzenden/ mor gen rosternden
Ertzt-Geschirre/ oder einem ausgemahlnen
und bald wieder wäßrichten Moraste ähnlich;
ja gleichsam des menschlichen Gemüthes Ei-
genschafft wäre/ dem Beleidigten gram zu seyn;
so reichte er doch dem Tiberius beyde Armen
seiner Freundschafft durch scheinbare Vertrö-
stungen und öfftere Beschenckungen. Wiewol
sich sein Hertze von Tag zu Tage/ besonders we-
gen des ihm zum andern mahl abspenstig ge-
machten Segesthes von ihm abneigte; und er
für nichts mehr/ als dem Greuel aller Tugen-
den/ und mit dem Tod-Feinde seines Vater-
landes Bindnüs zu machen Abscheutrug. Un-
terdessen verhüllete Hertzog Herrmann seine in-
nere Entschlüssung so künstlich: daß Tiberius
alle Tage sich des würcklichen Beystandes ver-

sahe;

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] ſen umarmten. Nichts deſto weniger mach-
te dieſer kluge Fuͤrſt allenthalben ſolche Anſtalt
auff den Graͤntzen/ als wenn er ſich taͤglich ei-
nes feindlichen Einfalls zu verfehen haͤtte; und
in ſeinem Gebiete Kriegsverfaſſungen; gleich
als ob er einen maͤchtigen Feind zu uͤberziehen
im Wercke begrieffen waͤre; alſo: daß er dero-
geſtalt vorher nicht anders/ als ein zum Kampfe
beſtimmter Auer-Ochſe/ welcher ſeine Hoͤrner
an harten Baͤumen verſuchet/ ſeine Kraͤfften
pruͤfete; weil doch allererſt in der Noth aus dem
Steigereiff et was wagen mehr einem Fechter/
als Fuͤrſten zukommt; wegen ſeines Fuͤrhabens
aber anfangs die Nachbarn/ hernach ſein Volck/
endlich ſeine eigene Staats-Diener ſich in ih-
rer Einbildung betrogen ſchauten; und ſein Ab-
ſehen weniger/ als wo eine ſich durch die Dor-
nen windende Schlange endlich mit dem Kopfe
durchfahren wuͤrde/ vorſehen konten. Welche
Klugheit ſo viel weniger zu tadeln iſt; weil die
Natur darmit: daß ſie unſer Hertze ſo tieff in
das verborgene unſer Bruſt verſteckt/ uns ſelbſt
darzu Anweiſung gethan hat. Deßwegen ha-
ben nicht nur die klugen Roͤmer der Goͤttin der
Rathſchlaͤge ein Altar unter die Erde gebaut/
ſondern die Bienen/ wenn man ſie in durch-
ſichtige Bienſtoͤcke ſetzet/ uͤberziehen vorber der-
ſelben Glaß/ ehe ſie ihre andere Arbeit anfan-
gen. Jhre heilſame Wuͤrckung machet auch
wahr: daß ſodenn/ wenn man mehr nicht als
die Helffte ſeines Thuns zeiget/ die an dere Helf-
te aber verbirgt und zum Stichblate behaͤlt/ eine
ſolche Helffte mehr/ als das gantze unſers Vor-
habens ſey; wenn man ſich nemlich mit ſelbtem
auff einmahl bloß giebt. Fuͤrnehmlich aber
verurſachte diß zuruͤcke halten bey iederman
groſſes Nachdencken; weil Hertzog Herrmann
ſich vorher durch ſo viel behertzte Entſchluͤſſun-
gen ſehen laſſen; und die/ welche ihn recht kenn-
ten/ diß fuͤr keine zweiffelhaffte Zagheit ausdeu-
ten konten. Denn durch Zeigung ſeiner Faͤ-
higkeit; durch Verbergung ſeines Anſchlages
[Spaltenumbruch] machet man eine Kleinigkeit ſeiner Kraͤfften
anſehnlich; eine Maͤßigkeit unbe greiflich und
ſich ſelbſt zum Wunderwercke. Ja die Thor-
heit ſelbſt verliert ihre Schande und den Nah-
men einer Miß geburt; wenn ſie nur nicht ans
Tagelicht kommt. So vorſichtig er nun ſeine
Heimligkeiten verbarg; ſo meiſterlich wuſte er
durch das Bleymaaß ſeiner Scharffſichtigkeit
die Tieffen fremder Gemuͤther/ und zwar auch
des verſteckten Tiberius zu ergruͤnden; alſo:
daß die Roͤmiſchen Adler nir gendshin kamen;
wo ſie Herrmann nicht in Gedancken ſchon gu-
te Zeit vorher hatte fluͤgen ſehen. Dieſer arg-
liſtige Roͤmer machte ihm zwar wieder die Lar-
ve einer abſondern zum Fuͤrſten Herrmann tra-
gender Freundſchafft fuͤr die Augen; und um
ſelbten in den Krieg wieder die Longobarden
und endlich den Koͤnig Marbod einzuflechten/
verſprach er ihm allen Beyſtand zu Erlangung
der deutſchen Feld-Herrſchafft. Aber dieſen
blauen Dunſt vertilgete der kluge Herrmann
mit einem andern Nebel. Denn ob er wol wu-
ſte: daß eine einmahl zerfallene Freundſchafft
einem zerſtuͤckten und zu ergaͤntzen unmoͤgli-
chem Edelgeſteine; ein verſoͤhnter Feind auch
einem heute glaͤntzenden/ mor gen roſternden
Ertzt-Geſchirre/ oder einem ausgemahlnen
und bald wieder waͤßrichten Moraſte aͤhnlich;
ja gleichſam des menſchlichen Gemuͤthes Ei-
genſchafft waͤre/ dem Beleidigten gram zu ſeyn;
ſo reichte er doch dem Tiberius beyde Armen
ſeiner Freundſchafft durch ſcheinbare Vertroͤ-
ſtungen und oͤfftere Beſchenckungen. Wiewol
ſich ſein Hertze von Tag zu Tage/ beſonders we-
gen des ihm zum andern mahl abſpenſtig ge-
machten Segeſthes von ihm abneigte; und er
fuͤr nichts mehr/ als dem Greuel aller Tugen-
den/ und mit dem Tod-Feinde ſeines Vater-
landes Bindnuͤs zu machen Abſcheutrug. Un-
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nere Entſchluͤſſung ſo kuͤnſtlich: daß Tiberius
alle Tage ſich des wuͤrcklichen Beyſtandes ver-

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[1266[1268]/1332] Achtes Buch ſen umarmten. Nichts deſto weniger mach- te dieſer kluge Fuͤrſt allenthalben ſolche Anſtalt auff den Graͤntzen/ als wenn er ſich taͤglich ei- nes feindlichen Einfalls zu verfehen haͤtte; und in ſeinem Gebiete Kriegsverfaſſungen; gleich als ob er einen maͤchtigen Feind zu uͤberziehen im Wercke begrieffen waͤre; alſo: daß er dero- geſtalt vorher nicht anders/ als ein zum Kampfe beſtimmter Auer-Ochſe/ welcher ſeine Hoͤrner an harten Baͤumen verſuchet/ ſeine Kraͤfften pruͤfete; weil doch allererſt in der Noth aus dem Steigereiff et was wagen mehr einem Fechter/ als Fuͤrſten zukommt; wegen ſeines Fuͤrhabens aber anfangs die Nachbarn/ hernach ſein Volck/ endlich ſeine eigene Staats-Diener ſich in ih- rer Einbildung betrogen ſchauten; und ſein Ab- ſehen weniger/ als wo eine ſich durch die Dor- nen windende Schlange endlich mit dem Kopfe durchfahren wuͤrde/ vorſehen konten. Welche Klugheit ſo viel weniger zu tadeln iſt; weil die Natur darmit: daß ſie unſer Hertze ſo tieff in das verborgene unſer Bruſt verſteckt/ uns ſelbſt darzu Anweiſung gethan hat. Deßwegen ha- ben nicht nur die klugen Roͤmer der Goͤttin der Rathſchlaͤge ein Altar unter die Erde gebaut/ ſondern die Bienen/ wenn man ſie in durch- ſichtige Bienſtoͤcke ſetzet/ uͤberziehen vorber der- ſelben Glaß/ ehe ſie ihre andere Arbeit anfan- gen. Jhre heilſame Wuͤrckung machet auch wahr: daß ſodenn/ wenn man mehr nicht als die Helffte ſeines Thuns zeiget/ die an dere Helf- te aber verbirgt und zum Stichblate behaͤlt/ eine ſolche Helffte mehr/ als das gantze unſers Vor- habens ſey; wenn man ſich nemlich mit ſelbtem auff einmahl bloß giebt. Fuͤrnehmlich aber verurſachte diß zuruͤcke halten bey iederman groſſes Nachdencken; weil Hertzog Herrmann ſich vorher durch ſo viel behertzte Entſchluͤſſun- gen ſehen laſſen; und die/ welche ihn recht kenn- ten/ diß fuͤr keine zweiffelhaffte Zagheit ausdeu- ten konten. Denn durch Zeigung ſeiner Faͤ- higkeit; durch Verbergung ſeines Anſchlages machet man eine Kleinigkeit ſeiner Kraͤfften anſehnlich; eine Maͤßigkeit unbe greiflich und ſich ſelbſt zum Wunderwercke. Ja die Thor- heit ſelbſt verliert ihre Schande und den Nah- men einer Miß geburt; wenn ſie nur nicht ans Tagelicht kommt. So vorſichtig er nun ſeine Heimligkeiten verbarg; ſo meiſterlich wuſte er durch das Bleymaaß ſeiner Scharffſichtigkeit die Tieffen fremder Gemuͤther/ und zwar auch des verſteckten Tiberius zu ergruͤnden; alſo: daß die Roͤmiſchen Adler nir gendshin kamen; wo ſie Herrmann nicht in Gedancken ſchon gu- te Zeit vorher hatte fluͤgen ſehen. Dieſer arg- liſtige Roͤmer machte ihm zwar wieder die Lar- ve einer abſondern zum Fuͤrſten Herrmann tra- gender Freundſchafft fuͤr die Augen; und um ſelbten in den Krieg wieder die Longobarden und endlich den Koͤnig Marbod einzuflechten/ verſprach er ihm allen Beyſtand zu Erlangung der deutſchen Feld-Herrſchafft. Aber dieſen blauen Dunſt vertilgete der kluge Herrmann mit einem andern Nebel. Denn ob er wol wu- ſte: daß eine einmahl zerfallene Freundſchafft einem zerſtuͤckten und zu ergaͤntzen unmoͤgli- chem Edelgeſteine; ein verſoͤhnter Feind auch einem heute glaͤntzenden/ mor gen roſternden Ertzt-Geſchirre/ oder einem ausgemahlnen und bald wieder waͤßrichten Moraſte aͤhnlich; ja gleichſam des menſchlichen Gemuͤthes Ei- genſchafft waͤre/ dem Beleidigten gram zu ſeyn; ſo reichte er doch dem Tiberius beyde Armen ſeiner Freundſchafft durch ſcheinbare Vertroͤ- ſtungen und oͤfftere Beſchenckungen. Wiewol ſich ſein Hertze von Tag zu Tage/ beſonders we- gen des ihm zum andern mahl abſpenſtig ge- machten Segeſthes von ihm abneigte; und er fuͤr nichts mehr/ als dem Greuel aller Tugen- den/ und mit dem Tod-Feinde ſeines Vater- landes Bindnuͤs zu machen Abſcheutrug. Un- terdeſſen verhuͤllete Hertzog Herrmann ſeine in- nere Entſchluͤſſung ſo kuͤnſtlich: daß Tiberius alle Tage ſich des wuͤrcklichen Beyſtandes ver- ſahe;

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1266[1268]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1332>, abgerufen am 23.11.2024.