Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Dem Himmel würde zwar zugetrauet: daß erdurch Donner und Blitz der Erde Fruchtbar- keit beförderte; aber vielfältig mahl mehr nü- tzete ein sanffter Regen. Also würde sie an sei- nem durch ihren gütigen Anblick angezündeten und nach und nach verglimmenden Hertzen ein süsser Opffer genüssen; als wenn sie durch ihre unbarmhertzige Strahlen selbtes auff einmahl in Grauß und Staub verwandelte. Die leut- selige Fürstin begegnete ihm hingegen: wenn sie nicht wüste: daß die Härtigkeit kein noth- wendiges Kennzeichen eines züchtigen Gemü- thes wäre; sondern sich auch ohne Befleckung der Ehre eine unerlaubte Anmuthung mit Glimpff ablehnen liesse; würde sie schier ge- zwungen werden ihn mit einer ernstern Ge- behrdung anzuweisen: daß er derselben nichts abheischen solte/ was sie zu erlauben selbst nicht berechtiget wäre. Aber sie wolte zum minsten ihre Gelindigkeit dar durch erweisen: daß sie ihm selbst so viel Zeit enträumte; seine Entschlüs- sung zu überlegen; als seine Regung sich wie- der zu bestillen von nöthen/ er aber die Ehre hätte ohne fremde Hülffe genesen zu seyn. Denn Zeit und Abwesenheit wären nicht nur die aufjährenden Bewegungen der Jugend zu dämpffen; sondern auch tieff eingewurtzelte Entschlüssungen zu vertilgen mächtig. Jch gestehe es/ antwortete Herrmann: daß die Kühnheit meiner Liebe keiner Entschuldigung; ihre Hefftigkeit aber keiner Verschwindung fä- hig/ und weder die Zeit/ noch einige andere Kräfften selbte zu tilgen geschickt sind. Denn wie die von dem Schweiße der Morgenröthe empfangene Perle so feste verwahret ist: daß selbte ohne Zerdrümmerung der Muschel/ und Tödtung ihrer Mutter ihr nicht kan entfrem- det werden; also wird das in meinem Hertzen so fest verschlossene Bild Thußneldens der un- schätzbaren Perle dieser Welt ohne gäntzliche Zernichtung meines Wesens mir nimmermehr geraubt/ ja die selbtes verwahrende Flamme [Spaltenumbruch] meiner Liebe durch den von ihrer Grausamkeit mir zuwachsenden Tod selbst nicht ausgelescht werden. Diese Worte brachte der tapffere Herr- mann mit so durchdringender Gebehrdung für: daß Thußnelden die Augen über giengen; und sie sich kaum erholen konte ihm wiewol mit halb- verbrochenen Worten zu sagen: Lebe Herr- mann/ dem Vaterlande und derselben zu Lie- be; welche dir mehr als gewogen seyn würde; wenn sie ihr selbst iemanden zu lieben gebieten könte. Hertzog Herrmann/ welcher sich ehe von Thußnelden eines Todes-Urthels/ als ei- ner so holdseligen Erklärung versehen hätte/ wuste für Freuden kein Wort aufzubringen/ sondern senckte sich nieder ihre Knie zu umfan- gen. Thußnelde aber reichte ihm solche Er- niedrigung gleichsam zu verwehren ihre Hand/ die er als ein sicheres Pfand nicht nur ihrer Ge- wogenheit/ sondern wahrhafften Liebe mit der höchsten Empfindligkeit küssete/ biß sie selbte zurück zu ziehe n genöthiget ward; weil eine ih- res Frauen-Zimmers sich ihnen näherte/ und Bericht brachte: daß der Kayser den Rath ge- endiget/ und Livia nach ihr gefragt hätte. Wel- che denn Thußnelden nicht ohne Nachdencken etliche Tage nicht von ihrer Seiten ließ; also: daß Hertzog Herrmann keine Gelegenheit zu finden vermochte/ den letzten Schluß seiner Reise verträulich abzureden. Jnzwischen kam ein deutscher Edelmann güldener
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Dem Himmel wuͤrde zwar zugetrauet: daß erdurch Donner und Blitz der Erde Fruchtbar- keit befoͤrderte; aber vielfaͤltig mahl mehr nuͤ- tzete ein ſanffter Regen. Alſo wuͤrde ſie an ſei- nem durch ihren guͤtigen Anblick angezuͤndeten und nach und nach verglimmenden Hertzen ein ſuͤſſer Opffer genuͤſſen; als wenn ſie durch ihre unbarmhertzige Strahlen ſelbtes auff einmahl in Grauß und Staub verwandelte. Die leut- ſelige Fuͤrſtin begegnete ihm hingegen: wenn ſie nicht wuͤſte: daß die Haͤrtigkeit kein noth- wendiges Kennzeichen eines zuͤchtigen Gemuͤ- thes waͤre; ſondern ſich auch ohne Befleckung der Ehre eine unerlaubte Anmuthung mit Glimpff ablehnen lieſſe; wuͤrde ſie ſchier ge- zwungen werden ihn mit einer ernſtern Ge- behrdung anzuweiſen: daß er derſelben nichts abheiſchen ſolte/ was ſie zu erlauben ſelbſt nicht berechtiget waͤre. Aber ſie wolte zum minſten ihre Gelindigkeit dar durch erweiſen: daß ſie ihm ſelbſt ſo viel Zeit entraͤumte; ſeine Entſchluͤſ- ſung zu uͤberlegen; als ſeine Regung ſich wie- der zu beſtillen von noͤthen/ er aber die Ehre haͤtte ohne fremde Huͤlffe geneſen zu ſeyn. Deñ Zeit und Abweſenheit waͤren nicht nur die aufjaͤhrenden Bewegungen der Jugend zu daͤmpffen; ſondern auch tieff eingewurtzelte Entſchluͤſſungen zu vertilgen maͤchtig. Jch geſtehe es/ antwortete Herrmann: daß die Kuͤhnheit meiner Liebe keiner Entſchuldigung; ihre Hefftigkeit aber keiner Verſchwindung faͤ- hig/ und weder die Zeit/ noch einige andere Kraͤfften ſelbte zu tilgen geſchickt ſind. Denn wie die von dem Schweiße der Morgenroͤthe empfangene Perle ſo feſte verwahret iſt: daß ſelbte ohne Zerdruͤmmerung der Muſchel/ und Toͤdtung ihrer Mutter ihr nicht kan entfrem- det werden; alſo wird das in meinem Hertzen ſo feſt verſchloſſene Bild Thußneldens der un- ſchaͤtzbaren Perle dieſer Welt ohne gaͤntzliche Zernichtung meines Weſens mir nimmermehr geraubt/ ja die ſelbtes verwahrende Flamme [Spaltenumbruch] meiner Liebe durch den von ihrer Grauſamkeit mir zuwachſenden Tod ſelbſt nicht ausgeleſcht werden. Dieſe Worte brachte der tapffere Herr- mann mit ſo durchdringender Gebehrdung fuͤr: daß Thußnelden die Augen uͤber giengen; und ſie ſich kaum erholen konte ihm wiewol mit halb- verbrochenen Worten zu ſagen: Lebe Herr- mann/ dem Vaterlande und derſelben zu Lie- be; welche dir mehr als gewogen ſeyn wuͤrde; wenn ſie ihr ſelbſt iemanden zu lieben gebieten koͤnte. Hertzog Herrmann/ welcher ſich ehe von Thußnelden eines Todes-Urthels/ als ei- ner ſo holdſeligen Erklaͤrung verſehen haͤtte/ wuſte fuͤr Freuden kein Wort aufzubringen/ ſondern ſenckte ſich nieder ihre Knie zu umfan- gen. Thußnelde aber reichte ihm ſolche Er- niedrigung gleichſam zu verwehren ihre Hand/ die er als ein ſicheres Pfand nicht nur ihrer Ge- wogenheit/ ſondern wahrhafften Liebe mit der hoͤchſten Empfindligkeit kuͤſſete/ biß ſie ſelbte zuruͤck zu ziehe n genoͤthiget ward; weil eine ih- res Frauen-Zimmers ſich ihnen naͤherte/ und Bericht brachte: daß der Kayſer den Rath ge- endiget/ und Livia nach ihr gefragt haͤtte. Wel- che denn Thußnelden nicht ohne Nachdencken etliche Tage nicht von ihrer Seiten ließ; alſo: daß Hertzog Herrmann keine Gelegenheit zu finden vermochte/ den letzten Schluß ſeiner Reiſe vertraͤulich abzureden. Jnzwiſchen kam ein deutſcher Edelmann guͤldener
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Arminius und Thußnelda.
Dem Himmel wuͤrde zwar zugetrauet: daß er
durch Donner und Blitz der Erde Fruchtbar-
keit befoͤrderte; aber vielfaͤltig mahl mehr nuͤ-
tzete ein ſanffter Regen. Alſo wuͤrde ſie an ſei-
nem durch ihren guͤtigen Anblick angezuͤndeten
und nach und nach verglimmenden Hertzen ein
ſuͤſſer Opffer genuͤſſen; als wenn ſie durch ihre
unbarmhertzige Strahlen ſelbtes auff einmahl
in Grauß und Staub verwandelte. Die leut-
ſelige Fuͤrſtin begegnete ihm hingegen: wenn
ſie nicht wuͤſte: daß die Haͤrtigkeit kein noth-
wendiges Kennzeichen eines zuͤchtigen Gemuͤ-
thes waͤre; ſondern ſich auch ohne Befleckung
der Ehre eine unerlaubte Anmuthung mit
Glimpff ablehnen lieſſe; wuͤrde ſie ſchier ge-
zwungen werden ihn mit einer ernſtern Ge-
behrdung anzuweiſen: daß er derſelben nichts
abheiſchen ſolte/ was ſie zu erlauben ſelbſt nicht
berechtiget waͤre. Aber ſie wolte zum minſten
ihre Gelindigkeit dar durch erweiſen: daß ſie ihm
ſelbſt ſo viel Zeit entraͤumte; ſeine Entſchluͤſ-
ſung zu uͤberlegen; als ſeine Regung ſich wie-
der zu beſtillen von noͤthen/ er aber die Ehre
haͤtte ohne fremde Huͤlffe geneſen zu ſeyn. Deñ
Zeit und Abweſenheit waͤren nicht nur die
aufjaͤhrenden Bewegungen der Jugend zu
daͤmpffen; ſondern auch tieff eingewurtzelte
Entſchluͤſſungen zu vertilgen maͤchtig. Jch
geſtehe es/ antwortete Herrmann: daß die
Kuͤhnheit meiner Liebe keiner Entſchuldigung;
ihre Hefftigkeit aber keiner Verſchwindung faͤ-
hig/ und weder die Zeit/ noch einige andere
Kraͤfften ſelbte zu tilgen geſchickt ſind. Denn
wie die von dem Schweiße der Morgenroͤthe
empfangene Perle ſo feſte verwahret iſt: daß
ſelbte ohne Zerdruͤmmerung der Muſchel/ und
Toͤdtung ihrer Mutter ihr nicht kan entfrem-
det werden; alſo wird das in meinem Hertzen ſo
feſt verſchloſſene Bild Thußneldens der un-
ſchaͤtzbaren Perle dieſer Welt ohne gaͤntzliche
Zernichtung meines Weſens mir nimmermehr
geraubt/ ja die ſelbtes verwahrende Flamme
meiner Liebe durch den von ihrer Grauſamkeit
mir zuwachſenden Tod ſelbſt nicht ausgeleſcht
werden. Dieſe Worte brachte der tapffere Herr-
mann mit ſo durchdringender Gebehrdung fuͤr:
daß Thußnelden die Augen uͤber giengen; und
ſie ſich kaum erholen konte ihm wiewol mit halb-
verbrochenen Worten zu ſagen: Lebe Herr-
mann/ dem Vaterlande und derſelben zu Lie-
be; welche dir mehr als gewogen ſeyn wuͤrde;
wenn ſie ihr ſelbſt iemanden zu lieben gebieten
koͤnte. Hertzog Herrmann/ welcher ſich ehe
von Thußnelden eines Todes-Urthels/ als ei-
ner ſo holdſeligen Erklaͤrung verſehen haͤtte/
wuſte fuͤr Freuden kein Wort aufzubringen/
ſondern ſenckte ſich nieder ihre Knie zu umfan-
gen. Thußnelde aber reichte ihm ſolche Er-
niedrigung gleichſam zu verwehren ihre Hand/
die er als ein ſicheres Pfand nicht nur ihrer Ge-
wogenheit/ ſondern wahrhafften Liebe mit der
hoͤchſten Empfindligkeit kuͤſſete/ biß ſie ſelbte
zuruͤck zu ziehe n genoͤthiget ward; weil eine ih-
res Frauen-Zimmers ſich ihnen naͤherte/ und
Bericht brachte: daß der Kayſer den Rath ge-
endiget/ und Livia nach ihr gefragt haͤtte. Wel-
che denn Thußnelden nicht ohne Nachdencken
etliche Tage nicht von ihrer Seiten ließ; alſo:
daß Hertzog Herrmann keine Gelegenheit zu
finden vermochte/ den letzten Schluß ſeiner
Reiſe vertraͤulich abzureden.
Jnzwiſchen kam ein deutſcher Edelmann
zum Hertzog Herrmann/ der ſich unter die vom
Segeſthes nach Rom gehende Geſandſchafft
verſtecket hatte; und brachte ihm vom Fuͤrſten
Jngviomer Schreiben des Jnnhalts: Daß
Tiberius etliche mahl mit den Deutſchen ſon-
der einigen Vortheil geſchlagen; ja der Ritter
Stirum ihn bey nahe ſelbſt erlegt haͤtte. Her-
tzog Segimer waͤre auch bereit fertig geweſt
denen Bructerern zu Huͤlffe zu kommen. Die-
ſes zu hintertreiben haͤtte Tiberius die ſeinem
Sohne zu Rom wiederfahrende Wolthaten
mit vertroͤſteter Freylaß- und Verſprechung
guͤldener
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1247[1249]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1313>, abgerufen am 17.07.2024. |