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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] himmlische Stimme gäntzlich verstummen hör-
te. Gleichwol wolte sie sich nicht ferner bloß
geben; verbarg sich also zwischen zwey Palm-
Bäume/ und enteusserte sich des Gartens: daß
Herrmann weder ihr weiter gewar ward; noch
wem er diesen Seuffzer zueignen solte/ sich groß
bekümmerte; am allerwenigsten aber dißmahl
auf Terentien dachte. Sie hingegen saan nach/
wie sie dem Fürsten Herrmann ihre gegen dem
Kayser zeither bezeigte Gewogenheit auffs kalt-
sinnigste/ ihre Liebe aber gegen ihm auffs feurig-
ste entwerffen möchte. Weil sie nun auff alle
seine Tritte Kundschafft legte/ und folgenden
Tag nach bereit unter gegangenen Sonne er-
fuhr: daß er seinen gewöhnlichen Lustgang er-
kieset hätte/ versteckte sie sich in ein an dem Flus-
se Anio liegendes Gepüsche; bey welchem Herr-
mann nothwendig vorbey gehen muste; fieng
daselbst an den Brand ihrer Seele auszurau-
chen; und hierdurch nicht so wol ihr/ als ihm
den Stein seiner Schwermuth vom Hertzen
zu weltzen. Zuallem Unglücke aber traff sichs:
daß August den Mecenas selbigen Abend über-
fallen/ und wegen Erweiterung der Römischen
Stadt-Mauern mit ihm Unterredung pflegen
wolte. Wormit er ihm aber so viel unvermu-
theter auf den Hals käme; hatte er seinen gan-
tzen Aufzug hinter dem nechsten Lustwege zu-
rück gelassen/ und mit der einigen Livia diesen
bekandten Lustgang erkieset; auf welchem er
dem Fürsten Herrmann zuvor kam/ und die
einsame Terentia ihm eben gleich folgende Rey-
men mit vielen hertzbrechenden Seuffzern ent-
gegen schicken hörte:

Verschmähstu/ schönster Fürst der Welt/
Die Seele/ die sich dir zum Weyhrauch zündet an?
Die einem Kayser zwar zum Schein ist beygethan/
Doch dich für ihren Abgott hält;
Die zwar umarmet den August/
Dich aber schleust in Seel' und Brust.
Halt deiner Eyversucht doch ein:
Daß ich das Wunder - Qvell der Garamanten bin;
Daß wenn der Schatten fällt der Mitternacht dahin/
Pflegt heiß/ deß Mittags kalt zu seyn.
[Spaltenumbruch]
Der Römer Sonne bin ich Eys/
Dir/ kaltes Nord- Kind/ brennend heiß.
Du aber gleichst dem Brunne dich/
Der Fackeln zündet an/ wenn sie verloschen sind/
Und brennende lescht aus. Dein Liebes-Schwefel rinnt
Jn mein kalt Hertz/ und peinigt mich.
Berührt dich aber meine Glut/
So bistu Schnee/ gefrorne Flut.

Der Kayser/ welcher sich von Terentien
tausend vergeisterter Küsse zum Willkommen
versehen hatte/ erstarrte über dieser verächtli-
chen Verschmäbung. Livia hingegen nahm durch
das Gesträuche den an dem Flusse herab kommen-
den Herrmann wahr. Welche Begebenheit ihm
Terentiens Gesang noch mehr auslegte; ob selb-
ter zwar seiner Klarheit nicht bedorffte. Au-
gust kehrte hiermit auf dem Fuße um; und fuhr
also fort ohne Beschreitung des Mecenatischen
Vorwergs auff das Lust-Haus/ welches des
gefangenen Königs Syphax Wohnstatt gewest
war. Fürst Herrmann aber/ der den Kayser
ebenfalls erblickt hatte/ lenckte sich mit allem
Fleiß von dem durch das Gepüsche gehenden
geraden Wege ins Vorwerg/ theils dem Kay-
ser durch vorwitzige Ausspürung seiner einsa-
men Belustigung nicht verdrüßlich zu seyn/
theils dem Mecenas von seiner Ankunfft Wind
zu geben. Mecenas machte alsbald möglichste
Anstalt zu des Kaysers würdiger Empfangung;
etliche Leibeigne berichteten auch: daß sie seine
Senffte und Wagen in der Nähe gesehen hät-
ten. Alleine nach vielem Warten war kein
Kayser zu sehen; und nach eingeholter Kund-
schafft/ er mit seinem gantzen Auffzuge ver-
schwunden. Mecenas verfiel hierüber in aller-
hand seltzame Gedancken; insonderheit/ da er
von der Einkehr in das einsame Lust-Haus des
Syphax gewisse Nachricht erhielt. Am aller-
meisten ahnete Terentien nichts gutes/ als sie
verstand: daß August und Livia an dem Fluße
Anio wären gesehen worden; allwo sie ihr Her-
tze so frey ausgeschüttet hatte. Es war unge-
fähr Mitt[e]rnacht; als Lucinius ein Freygelasse-

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] himmliſche Stimme gaͤntzlich verſtummen hoͤr-
te. Gleichwol wolte ſie ſich nicht ferner bloß
geben; verbarg ſich alſo zwiſchen zwey Palm-
Baͤume/ und enteuſſerte ſich des Gartens: daß
Herrmann weder ihr weiter gewar ward; noch
wem er dieſen Seuffzer zueignen ſolte/ ſich groß
bekuͤmmerte; am allerwenigſten aber dißmahl
auf Terentien dachte. Sie hingegen ſaan nach/
wie ſie dem Fuͤrſten Herrmann ihre gegen dem
Kayſer zeither bezeigte Gewogenheit auffs kalt-
ſinnigſte/ ihre Liebe aber gegen ihm auffs feurig-
ſte entwerffen moͤchte. Weil ſie nun auff alle
ſeine Tritte Kundſchafft legte/ und folgenden
Tag nach bereit unter gegangenen Sonne er-
fuhr: daß er ſeinen gewoͤhnlichen Luſtgang er-
kieſet haͤtte/ verſteckte ſie ſich in ein an dem Fluſ-
ſe Anio liegendes Gepuͤſche; bey welchem Herr-
mann nothwendig vorbey gehen muſte; fieng
daſelbſt an den Brand ihrer Seele auszurau-
chen; und hierdurch nicht ſo wol ihr/ als ihm
den Stein ſeiner Schwermuth vom Hertzen
zu weltzen. Zuallem Ungluͤcke aber traff ſichs:
daß Auguſt den Mecenas ſelbigen Abend uͤber-
fallen/ und wegen Erweiterung der Roͤmiſchen
Stadt-Mauern mit ihm Unterredung pflegen
wolte. Wormit er ihm aber ſo viel unvermu-
theter auf den Hals kaͤme; hatte er ſeinen gan-
tzen Aufzug hinter dem nechſten Luſtwege zu-
ruͤck gelaſſen/ und mit der einigen Livia dieſen
bekandten Luſtgang erkieſet; auf welchem er
dem Fuͤrſten Herrmann zuvor kam/ und die
einſame Terentia ihm eben gleich folgende Rey-
men mit vielen hertzbrechenden Seuffzern ent-
gegen ſchicken hoͤrte:

Verſchmaͤhſtu/ ſchoͤnſter Fuͤrſt der Welt/
Die Seele/ die ſich dir zum Weyhrauch zuͤndet an?
Die einem Kayſer zwar zum Schein iſt beygethan/
Doch dich fuͤr ihren Abgott haͤlt;
Die zwar umarmet den Auguſt/
Dich aber ſchleuſt in Seel’ und Bruſt.
Halt deiner Eyverſucht doch ein:
Daß ich das Wunder - Qvell der Garamanten bin;
Daß wenn der Schatten faͤllt der Mitternacht dahin/
Pflegt heiß/ deß Mittags kalt zu ſeyn.
[Spaltenumbruch]
Der Roͤmer Sonne bin ich Eys/
Dir/ kaltes Nord- Kind/ brennend heiß.
Du aber gleichſt dem Brunne dich/
Der Fackeln zuͤndet an/ wenn ſie verloſchen ſind/
Und brennende leſcht aus. Dein Liebes-Schwefel rinnt
Jn mein kalt Hertz/ und peinigt mich.
Beruͤhrt dich aber meine Glut/
So biſtu Schnee/ gefrorne Flut.

Der Kayſer/ welcher ſich von Terentien
tauſend vergeiſterter Kuͤſſe zum Willkommen
verſehen hatte/ erſtarrte uͤber dieſer veraͤchtli-
chen Verſchmaͤbung. Livia hingegẽ nahm durch
das Geſtraͤuche den an dem Fluſſe herab kom̃en-
den Herrmañ wahr. Welche Begebenheit ihm
Terentiens Geſang noch mehr auslegte; ob ſelb-
ter zwar ſeiner Klarheit nicht bedorffte. Au-
guſt kehrte hiermit auf dem Fuße um; und fuhr
alſo fort ohne Beſchreitung des Mecenatiſchen
Vorwergs auff das Luſt-Haus/ welches des
gefangenen Koͤnigs Syphax Wohnſtatt geweſt
war. Fuͤrſt Herrmann aber/ der den Kayſer
ebenfalls erblickt hatte/ lenckte ſich mit allem
Fleiß von dem durch das Gepuͤſche gehenden
geraden Wege ins Vorwerg/ theils dem Kay-
ſer durch vorwitzige Ausſpuͤrung ſeiner einſa-
men Beluſtigung nicht verdruͤßlich zu ſeyn/
theils dem Mecenas von ſeiner Ankunfft Wind
zu geben. Mecenas machte alsbald moͤglichſte
Anſtalt zu des Kayſers wuͤrdiger Empfangung;
etliche Leibeigne berichteten auch: daß ſie ſeine
Senffte und Wagen in der Naͤhe geſehen haͤt-
ten. Alleine nach vielem Warten war kein
Kayſer zu ſehen; und nach eingeholter Kund-
ſchafft/ er mit ſeinem gantzen Auffzuge ver-
ſchwunden. Mecenas verfiel hieruͤber in aller-
hand ſeltzame Gedancken; inſonderheit/ da er
von der Einkehr in das einſame Luſt-Haus des
Syphax gewiſſe Nachricht erhielt. Am aller-
meiſten ahnete Terentien nichts gutes/ als ſie
verſtand: daß Auguſt und Livia an dem Fluße
Anio waͤren geſehen worden; allwo ſie ihr Her-
tze ſo frey ausgeſchuͤttet hatte. Es war unge-
faͤhr Mitt[e]rnacht; als Lucinius ein Freygelaſſe-

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[1219[1221]/1285] Arminius und Thußnelda. himmliſche Stimme gaͤntzlich verſtummen hoͤr- te. Gleichwol wolte ſie ſich nicht ferner bloß geben; verbarg ſich alſo zwiſchen zwey Palm- Baͤume/ und enteuſſerte ſich des Gartens: daß Herrmann weder ihr weiter gewar ward; noch wem er dieſen Seuffzer zueignen ſolte/ ſich groß bekuͤmmerte; am allerwenigſten aber dißmahl auf Terentien dachte. Sie hingegen ſaan nach/ wie ſie dem Fuͤrſten Herrmann ihre gegen dem Kayſer zeither bezeigte Gewogenheit auffs kalt- ſinnigſte/ ihre Liebe aber gegen ihm auffs feurig- ſte entwerffen moͤchte. Weil ſie nun auff alle ſeine Tritte Kundſchafft legte/ und folgenden Tag nach bereit unter gegangenen Sonne er- fuhr: daß er ſeinen gewoͤhnlichen Luſtgang er- kieſet haͤtte/ verſteckte ſie ſich in ein an dem Fluſ- ſe Anio liegendes Gepuͤſche; bey welchem Herr- mann nothwendig vorbey gehen muſte; fieng daſelbſt an den Brand ihrer Seele auszurau- chen; und hierdurch nicht ſo wol ihr/ als ihm den Stein ſeiner Schwermuth vom Hertzen zu weltzen. Zuallem Ungluͤcke aber traff ſichs: daß Auguſt den Mecenas ſelbigen Abend uͤber- fallen/ und wegen Erweiterung der Roͤmiſchen Stadt-Mauern mit ihm Unterredung pflegen wolte. Wormit er ihm aber ſo viel unvermu- theter auf den Hals kaͤme; hatte er ſeinen gan- tzen Aufzug hinter dem nechſten Luſtwege zu- ruͤck gelaſſen/ und mit der einigen Livia dieſen bekandten Luſtgang erkieſet; auf welchem er dem Fuͤrſten Herrmann zuvor kam/ und die einſame Terentia ihm eben gleich folgende Rey- men mit vielen hertzbrechenden Seuffzern ent- gegen ſchicken hoͤrte: Verſchmaͤhſtu/ ſchoͤnſter Fuͤrſt der Welt/ Die Seele/ die ſich dir zum Weyhrauch zuͤndet an? Die einem Kayſer zwar zum Schein iſt beygethan/ Doch dich fuͤr ihren Abgott haͤlt; Die zwar umarmet den Auguſt/ Dich aber ſchleuſt in Seel’ und Bruſt. Halt deiner Eyverſucht doch ein: Daß ich das Wunder - Qvell der Garamanten bin; Daß wenn der Schatten faͤllt der Mitternacht dahin/ Pflegt heiß/ deß Mittags kalt zu ſeyn. Der Roͤmer Sonne bin ich Eys/ Dir/ kaltes Nord- Kind/ brennend heiß. Du aber gleichſt dem Brunne dich/ Der Fackeln zuͤndet an/ wenn ſie verloſchen ſind/ Und brennende leſcht aus. Dein Liebes-Schwefel rinnt Jn mein kalt Hertz/ und peinigt mich. Beruͤhrt dich aber meine Glut/ So biſtu Schnee/ gefrorne Flut. Der Kayſer/ welcher ſich von Terentien tauſend vergeiſterter Kuͤſſe zum Willkommen verſehen hatte/ erſtarrte uͤber dieſer veraͤchtli- chen Verſchmaͤbung. Livia hingegẽ nahm durch das Geſtraͤuche den an dem Fluſſe herab kom̃en- den Herrmañ wahr. Welche Begebenheit ihm Terentiens Geſang noch mehr auslegte; ob ſelb- ter zwar ſeiner Klarheit nicht bedorffte. Au- guſt kehrte hiermit auf dem Fuße um; und fuhr alſo fort ohne Beſchreitung des Mecenatiſchen Vorwergs auff das Luſt-Haus/ welches des gefangenen Koͤnigs Syphax Wohnſtatt geweſt war. Fuͤrſt Herrmann aber/ der den Kayſer ebenfalls erblickt hatte/ lenckte ſich mit allem Fleiß von dem durch das Gepuͤſche gehenden geraden Wege ins Vorwerg/ theils dem Kay- ſer durch vorwitzige Ausſpuͤrung ſeiner einſa- men Beluſtigung nicht verdruͤßlich zu ſeyn/ theils dem Mecenas von ſeiner Ankunfft Wind zu geben. Mecenas machte alsbald moͤglichſte Anſtalt zu des Kayſers wuͤrdiger Empfangung; etliche Leibeigne berichteten auch: daß ſie ſeine Senffte und Wagen in der Naͤhe geſehen haͤt- ten. Alleine nach vielem Warten war kein Kayſer zu ſehen; und nach eingeholter Kund- ſchafft/ er mit ſeinem gantzen Auffzuge ver- ſchwunden. Mecenas verfiel hieruͤber in aller- hand ſeltzame Gedancken; inſonderheit/ da er von der Einkehr in das einſame Luſt-Haus des Syphax gewiſſe Nachricht erhielt. Am aller- meiſten ahnete Terentien nichts gutes/ als ſie verſtand: daß Auguſt und Livia an dem Fluße Anio waͤren geſehen worden; allwo ſie ihr Her- tze ſo frey ausgeſchuͤttet hatte. Es war unge- faͤhr Mitternacht; als Lucinius ein Freygelaſſe- ner P p p p p p p 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1219[1221]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1285>, abgerufen am 23.11.2024.