Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] der Wollust fürstreuen/ den Ruhm der Mäs-
sigkeit/ wie ein Kriegs-Mann der Tapfferkeit/
der durch ihm zusetzendes Feuer und Eisen sich
hertzhafft durchgeschlagen hat. Salonine brach
ein: So höre ich wol: Fürst Adgandester
pflichte dem neuen Weltweisen bey; welcher
unlängst keine nicht in Versuchung geführte
Tugend darfür wolte gelten lassen; und daher
das Behältnüß der Vestalischen Jungfrauen
für einen knechtischen Kercker der Seele/ und
die Einsamkeit für ein Fuß - Eisen der Tu-
gend verdammte; hingegen seine Schüler in
offentliche Huren-Häuser zu Anschauung der
schändlichen Geilheiten führte; denen entblö-
sten Weibern ihre Brüste betastete/ und darbey
sich einer kaltsinnigen Unempfindligkeit rühm-
te/ um seinen Nachfolgern theils die Heßligkeit
der Laster für Augen zu stellen/ theils sie anzu-
gewöhnen/ wie sie die Versuchungen der Wol-
lüste auch/ wenn sie mit allen ihren Waffen an-
sätzten/ mit unverwendetem Gesicht über stehen
solten: Daher er auch Ulyssen für kein Bild der
Tugend gelten ließ/ weil selbter der Wollust
keinen Streich auszuhalten/ noch die liebreitzen-
den Sirenen anzuhören sich getrauet/ sondern
die Ohren verstopfft/ und für seinem Feinde
entlauffen wäre. Alleine diese Weißheit wolte
nicht den Stich halten. Denn dieser Lehrer
führte seine Schüler zwar leicht auff diese ge-
fährliche Syrten; aber sie wieder heraus zu
bringen war kein Rath; und wurden bey nahe
alle Nachfolger des wollüstigen Aristippus.
Seiner Schwester/ welche hundert schöne
Mägdlein in täglicher Gemeinschafft junger
Edelleute zu Keuschheits-Märterern machen
wolte/ gieng es nicht besser. Denn ehe das
Jahr vorbey war/ giengen ihrer neun und
neuntzig schweren Leibes. Adgandester ant-
wortete: Er stimmte mit niemanden weniger/
als mit dieses aberwitzigen Affter-weisen thö-
richter Meinung überein. Sintemahl ihm
die menschliche Schwachheit/ die angebohrne
[Spaltenumbruch] Neigung zum Bösen/ und die Unvollkommen-
heit der Tugenden all zuwol bekandt wäre. Jn
Anfechtungen müste freylich wol die Keuschheit
eben so wol/ als andere Tugenden den Siegs-
Krantz verdienen. Jn die Stricke der Wollust
aber selbst vorsätzlich rennen/ wäre eben so när-
risch/ als wenn ein Schiffer mit auffgespann-
ten Segeln in den Charybdischen Strudel ren-
nen/ und darmit seine Wissenschafft prüfen
wolte. Sonderlich liesse es zwar sich allen an-
dern Lastern die Stirne bieten/ und selbte/ wie
Hercules die Ungeheuer/ auffsuchen; für der
Wollust aber wäre am rathsamsten Scythisch
zu fechten; welche auff der Flucht mit ihren
Pfeilen dem Feinde den grösten Abbruch thun.
Mit dem Neide möchte man/ wie Alcides mit
dem Anthäus ringen/ die Wollust aber müste
man ihm nicht lassen zu nahe auf den Hals kom-
men/ sondern sie wie Apollo die Gifft-hauchen-
de Schlange Python von weitem erlegen.

Also machte es Fürst Herrmann; der in al-
lem zugleich ein Lehrmeister seines jüngern
Brudern Flavius; und bey seiner Gefangen-
schafft so vergnügt war: daß er bey nahe seines
Vaterlandes darüber vergessen hätte; wenn
selbtes ihm durch die Zeitungen von des Drusus
Kriege nicht mehrmahls wäre ins Gedächtnüß
gerückt/ und deßwegen eine kindliche Sorgfalt
in seinem Gemüthe erweckt worden. Denn
ob ihm zwar sein kluger Lehrmeister mit gutem
Grunde beybracht hatte: daß der Kampff wie-
der das Verhängnüß eine unfruchtbare Rie-
sen-Stürmung des Himmels wäre; und wer
schon unglückselig seyn solte/ von der Last der
vorsichtigsten Hülffs-Mittel erdrückt würde;
ja seinen Aertzten unter den Händen ver gienge;
so kan sich doch ein großmüthig Hertz dieser zärt-
lichen Empfindligkeit und der Bekümmernüß
für sein so süsses Vaterland unmöglich ent-
schlagen; als dessen Liebe unserer Eltern/ ja
unsere eigene niederschlägt. Seine Sorge
verfiel aber gleicher Gestalt nach und nach;

weil/

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] der Wolluſt fuͤrſtreuen/ den Ruhm der Maͤſ-
ſigkeit/ wie ein Kriegs-Mann der Tapfferkeit/
der durch ihm zuſetzendes Feuer und Eiſen ſich
hertzhafft durchgeſchlagen hat. Salonine brach
ein: So hoͤre ich wol: Fuͤrſt Adgandeſter
pflichte dem neuen Weltweiſen bey; welcher
unlaͤngſt keine nicht in Verſuchung gefuͤhrte
Tugend darfuͤr wolte gelten laſſen; und daher
das Behaͤltnuͤß der Veſtaliſchen Jungfrauen
fuͤr einen knechtiſchen Kercker der Seele/ und
die Einſamkeit fuͤr ein Fuß - Eiſen der Tu-
gend verdammte; hingegen ſeine Schuͤler in
offentliche Huren-Haͤuſer zu Anſchauung der
ſchaͤndlichen Geilheiten fuͤhrte; denen entbloͤ-
ſten Weibern ihre Bruͤſte betaſtete/ und darbey
ſich einer kaltſinnigen Unempfindligkeit ruͤhm-
te/ um ſeinen Nachfolgern theils die Heßligkeit
der Laſter fuͤr Augen zu ſtellen/ theils ſie anzu-
gewoͤhnen/ wie ſie die Verſuchungen der Wol-
luͤſte auch/ wenn ſie mit allen ihren Waffen an-
ſaͤtzten/ mit unverwendetem Geſicht uͤber ſtehen
ſolten: Daher er auch Ulyſſen fuͤr kein Bild der
Tugend gelten ließ/ weil ſelbter der Wolluſt
keinen Streich auszuhalten/ noch die liebreitzen-
den Sirenen anzuhoͤren ſich getrauet/ ſondern
die Ohren verſtopfft/ und fuͤr ſeinem Feinde
entlauffen waͤre. Alleine dieſe Weißheit wolte
nicht den Stich halten. Denn dieſer Lehrer
fuͤhrte ſeine Schuͤler zwar leicht auff dieſe ge-
faͤhrliche Syrten; aber ſie wieder heraus zu
bringen war kein Rath; und wurden bey nahe
alle Nachfolger des wolluͤſtigen Ariſtippus.
Seiner Schweſter/ welche hundert ſchoͤne
Maͤgdlein in taͤglicher Gemeinſchafft junger
Edelleute zu Keuſchheits-Maͤrterern machen
wolte/ gieng es nicht beſſer. Denn ehe das
Jahr vorbey war/ giengen ihrer neun und
neuntzig ſchweren Leibes. Adgandeſter ant-
wortete: Er ſtimmte mit niemanden weniger/
als mit dieſes aberwitzigen Affter-weiſen thoͤ-
richter Meinung uͤberein. Sintemahl ihm
die menſchliche Schwachheit/ die angebohrne
[Spaltenumbruch] Neigung zum Boͤſen/ und die Unvollkommen-
heit der Tugenden all zuwol bekandt waͤre. Jn
Anfechtungen muͤſte freylich wol die Keuſchheit
eben ſo wol/ als andere Tugenden den Siegs-
Krantz verdienen. Jn die Stricke der Wolluſt
aber ſelbſt vorſaͤtzlich rennen/ waͤre eben ſo naͤr-
riſch/ als wenn ein Schiffer mit auffgeſpann-
ten Segeln in den Charybdiſchen Strudel ren-
nen/ und darmit ſeine Wiſſenſchafft pruͤfen
wolte. Sonderlich lieſſe es zwar ſich allen an-
dern Laſtern die Stirne bieten/ und ſelbte/ wie
Hercules die Ungeheuer/ auffſuchen; fuͤr der
Wolluſt aber waͤre am rathſamſten Scythiſch
zu fechten; welche auff der Flucht mit ihren
Pfeilen dem Feinde den groͤſten Abbruch thun.
Mit dem Neide moͤchte man/ wie Alcides mit
dem Anthaͤus ringen/ die Wolluſt aber muͤſte
man ihm nicht laſſen zu nahe auf den Hals kom-
men/ ſondern ſie wie Apollo die Gifft-hauchen-
de Schlange Python von weitem erlegen.

Alſo machte es Fuͤrſt Herrmann; der in al-
lem zugleich ein Lehrmeiſter ſeines juͤngern
Brudern Flavius; und bey ſeiner Gefangen-
ſchafft ſo vergnuͤgt war: daß er bey nahe ſeines
Vaterlandes daruͤber vergeſſen haͤtte; wenn
ſelbtes ihm durch die Zeitungen von des Druſus
Kriege nicht mehrmahls waͤre ins Gedaͤchtnuͤß
geruͤckt/ und deßwegen eine kindliche Sorgfalt
in ſeinem Gemuͤthe erweckt worden. Denn
ob ihm zwar ſein kluger Lehrmeiſter mit gutem
Grunde beybracht hatte: daß der Kampff wie-
der das Verhaͤngnuͤß eine unfruchtbare Rie-
ſen-Stuͤrmung des Himmels waͤre; und wer
ſchon ungluͤckſelig ſeyn ſolte/ von der Laſt der
vorſichtigſten Huͤlffs-Mittel erdruͤckt wuͤrde;
ja ſeinen Aertzten unter den Haͤnden ver gienge;
ſo kan ſich doch ein großmuͤthig Hertz dieſeꝛ zaͤrt-
lichen Empfindligkeit und der Bekuͤmmernuͤß
fuͤr ſein ſo ſuͤſſes Vaterland unmoͤglich ent-
ſchlagen; als deſſen Liebe unſerer Eltern/ ja
unſere eigene niederſchlaͤgt. Seine Sorge
verfiel aber gleicher Geſtalt nach und nach;

weil/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1282" n="1216[1218]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achtes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
der Wollu&#x017F;t fu&#x0364;r&#x017F;treuen/ den Ruhm der Ma&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;igkeit/ wie ein Kriegs-Mann der Tapfferkeit/<lb/>
der durch ihm zu&#x017F;etzendes Feuer und Ei&#x017F;en &#x017F;ich<lb/>
hertzhafft durchge&#x017F;chlagen hat. Salonine brach<lb/>
ein: So ho&#x0364;re ich wol: Fu&#x0364;r&#x017F;t Adgande&#x017F;ter<lb/>
pflichte dem neuen Weltwei&#x017F;en bey; welcher<lb/>
unla&#x0364;ng&#x017F;t keine nicht in Ver&#x017F;uchung gefu&#x0364;hrte<lb/>
Tugend darfu&#x0364;r wolte gelten la&#x017F;&#x017F;en; und daher<lb/>
das Beha&#x0364;ltnu&#x0364;ß der Ve&#x017F;tali&#x017F;chen Jungfrauen<lb/>
fu&#x0364;r einen knechti&#x017F;chen Kercker der Seele/ und<lb/>
die Ein&#x017F;amkeit fu&#x0364;r ein Fuß - Ei&#x017F;en der Tu-<lb/>
gend verdammte; hingegen &#x017F;eine Schu&#x0364;ler in<lb/>
offentliche Huren-Ha&#x0364;u&#x017F;er zu An&#x017F;chauung der<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ndlichen Geilheiten fu&#x0364;hrte; denen entblo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten Weibern ihre Bru&#x0364;&#x017F;te beta&#x017F;tete/ und darbey<lb/>
&#x017F;ich einer kalt&#x017F;innigen Unempfindligkeit ru&#x0364;hm-<lb/>
te/ um &#x017F;einen Nachfolgern theils die Heßligkeit<lb/>
der La&#x017F;ter fu&#x0364;r Augen zu &#x017F;tellen/ theils &#x017F;ie anzu-<lb/>
gewo&#x0364;hnen/ wie &#x017F;ie die Ver&#x017F;uchungen der Wol-<lb/>
lu&#x0364;&#x017F;te auch/ wenn &#x017F;ie mit allen ihren Waffen an-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tzten/ mit unverwendetem Ge&#x017F;icht u&#x0364;ber &#x017F;tehen<lb/>
&#x017F;olten: Daher er auch Uly&#x017F;&#x017F;en fu&#x0364;r kein Bild der<lb/>
Tugend gelten ließ/ weil &#x017F;elbter der Wollu&#x017F;t<lb/>
keinen Streich auszuhalten/ noch die liebreitzen-<lb/>
den Sirenen anzuho&#x0364;ren &#x017F;ich getrauet/ &#x017F;ondern<lb/>
die Ohren ver&#x017F;topfft/ und fu&#x0364;r &#x017F;einem Feinde<lb/>
entlauffen wa&#x0364;re. Alleine die&#x017F;e Weißheit wolte<lb/>
nicht den Stich halten. Denn die&#x017F;er Lehrer<lb/>
fu&#x0364;hrte &#x017F;eine Schu&#x0364;ler zwar leicht auff die&#x017F;e ge-<lb/>
fa&#x0364;hrliche Syrten; aber &#x017F;ie wieder heraus zu<lb/>
bringen war kein Rath; und wurden bey nahe<lb/>
alle Nachfolger des wollu&#x0364;&#x017F;tigen Ari&#x017F;tippus.<lb/>
Seiner Schwe&#x017F;ter/ welche hundert &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Ma&#x0364;gdlein in ta&#x0364;glicher Gemein&#x017F;chafft junger<lb/>
Edelleute zu Keu&#x017F;chheits-Ma&#x0364;rterern machen<lb/>
wolte/ gieng es nicht be&#x017F;&#x017F;er. Denn ehe das<lb/>
Jahr vorbey war/ giengen ihrer neun und<lb/>
neuntzig &#x017F;chweren Leibes. Adgande&#x017F;ter ant-<lb/>
wortete: Er &#x017F;timmte mit niemanden weniger/<lb/>
als mit die&#x017F;es aberwitzigen Affter-wei&#x017F;en tho&#x0364;-<lb/>
richter Meinung u&#x0364;berein. Sintemahl ihm<lb/>
die men&#x017F;chliche Schwachheit/ die angebohrne<lb/><cb/>
Neigung zum Bo&#x0364;&#x017F;en/ und die Unvollkommen-<lb/>
heit der Tugenden all zuwol bekandt wa&#x0364;re. Jn<lb/>
Anfechtungen mu&#x0364;&#x017F;te freylich wol die Keu&#x017F;chheit<lb/>
eben &#x017F;o wol/ als andere Tugenden den Siegs-<lb/>
Krantz verdienen. Jn die Stricke der Wollu&#x017F;t<lb/>
aber &#x017F;elb&#x017F;t vor&#x017F;a&#x0364;tzlich rennen/ wa&#x0364;re eben &#x017F;o na&#x0364;r-<lb/>
ri&#x017F;ch/ als wenn ein Schiffer mit auffge&#x017F;pann-<lb/>
ten Segeln in den Charybdi&#x017F;chen Strudel ren-<lb/>
nen/ und darmit &#x017F;eine Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft pru&#x0364;fen<lb/>
wolte. Sonderlich lie&#x017F;&#x017F;e es zwar &#x017F;ich allen an-<lb/>
dern La&#x017F;tern die Stirne bieten/ und &#x017F;elbte/ wie<lb/>
Hercules die Ungeheuer/ auff&#x017F;uchen; fu&#x0364;r der<lb/>
Wollu&#x017F;t aber wa&#x0364;re am rath&#x017F;am&#x017F;ten Scythi&#x017F;ch<lb/>
zu fechten; welche auff der Flucht mit ihren<lb/>
Pfeilen dem Feinde den gro&#x0364;&#x017F;ten Abbruch thun.<lb/>
Mit dem Neide mo&#x0364;chte man/ wie Alcides mit<lb/>
dem Antha&#x0364;us ringen/ die Wollu&#x017F;t aber mu&#x0364;&#x017F;te<lb/>
man ihm nicht la&#x017F;&#x017F;en zu nahe auf den Hals kom-<lb/>
men/ &#x017F;ondern &#x017F;ie wie Apollo die Gifft-hauchen-<lb/>
de Schlange Python von weitem erlegen.</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;o machte es Fu&#x0364;r&#x017F;t Herrmann; der in al-<lb/>
lem zugleich ein Lehrmei&#x017F;ter &#x017F;eines ju&#x0364;ngern<lb/>
Brudern Flavius; und bey &#x017F;einer Gefangen-<lb/>
&#x017F;chafft &#x017F;o vergnu&#x0364;gt war: daß er bey nahe &#x017F;eines<lb/>
Vaterlandes daru&#x0364;ber verge&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tte; wenn<lb/>
&#x017F;elbtes ihm durch die Zeitungen von des Dru&#x017F;us<lb/>
Kriege nicht mehrmahls wa&#x0364;re ins Geda&#x0364;chtnu&#x0364;ß<lb/>
geru&#x0364;ckt/ und deßwegen eine kindliche Sorgfalt<lb/>
in &#x017F;einem Gemu&#x0364;the erweckt worden. Denn<lb/>
ob ihm zwar &#x017F;ein kluger Lehrmei&#x017F;ter mit gutem<lb/>
Grunde beybracht hatte: daß der Kampff wie-<lb/>
der das Verha&#x0364;ngnu&#x0364;ß eine unfruchtbare Rie-<lb/>
&#x017F;en-Stu&#x0364;rmung des Himmels wa&#x0364;re; und wer<lb/>
&#x017F;chon unglu&#x0364;ck&#x017F;elig &#x017F;eyn &#x017F;olte/ von der La&#x017F;t der<lb/>
vor&#x017F;ichtig&#x017F;ten Hu&#x0364;lffs-Mittel erdru&#x0364;ckt wu&#x0364;rde;<lb/>
ja &#x017F;einen Aertzten unter den Ha&#x0364;nden ver gienge;<lb/>
&#x017F;o kan &#x017F;ich doch ein großmu&#x0364;thig Hertz die&#x017F;e&#xA75B; za&#x0364;rt-<lb/>
lichen Empfindligkeit und der Beku&#x0364;mmernu&#x0364;ß<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ein &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;es Vaterland unmo&#x0364;glich ent-<lb/>
&#x017F;chlagen; als de&#x017F;&#x017F;en Liebe un&#x017F;erer Eltern/ ja<lb/>
un&#x017F;ere eigene nieder&#x017F;chla&#x0364;gt. Seine Sorge<lb/>
verfiel aber gleicher Ge&#x017F;talt nach und nach;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">weil/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1216[1218]/1282] Achtes Buch der Wolluſt fuͤrſtreuen/ den Ruhm der Maͤſ- ſigkeit/ wie ein Kriegs-Mann der Tapfferkeit/ der durch ihm zuſetzendes Feuer und Eiſen ſich hertzhafft durchgeſchlagen hat. Salonine brach ein: So hoͤre ich wol: Fuͤrſt Adgandeſter pflichte dem neuen Weltweiſen bey; welcher unlaͤngſt keine nicht in Verſuchung gefuͤhrte Tugend darfuͤr wolte gelten laſſen; und daher das Behaͤltnuͤß der Veſtaliſchen Jungfrauen fuͤr einen knechtiſchen Kercker der Seele/ und die Einſamkeit fuͤr ein Fuß - Eiſen der Tu- gend verdammte; hingegen ſeine Schuͤler in offentliche Huren-Haͤuſer zu Anſchauung der ſchaͤndlichen Geilheiten fuͤhrte; denen entbloͤ- ſten Weibern ihre Bruͤſte betaſtete/ und darbey ſich einer kaltſinnigen Unempfindligkeit ruͤhm- te/ um ſeinen Nachfolgern theils die Heßligkeit der Laſter fuͤr Augen zu ſtellen/ theils ſie anzu- gewoͤhnen/ wie ſie die Verſuchungen der Wol- luͤſte auch/ wenn ſie mit allen ihren Waffen an- ſaͤtzten/ mit unverwendetem Geſicht uͤber ſtehen ſolten: Daher er auch Ulyſſen fuͤr kein Bild der Tugend gelten ließ/ weil ſelbter der Wolluſt keinen Streich auszuhalten/ noch die liebreitzen- den Sirenen anzuhoͤren ſich getrauet/ ſondern die Ohren verſtopfft/ und fuͤr ſeinem Feinde entlauffen waͤre. Alleine dieſe Weißheit wolte nicht den Stich halten. Denn dieſer Lehrer fuͤhrte ſeine Schuͤler zwar leicht auff dieſe ge- faͤhrliche Syrten; aber ſie wieder heraus zu bringen war kein Rath; und wurden bey nahe alle Nachfolger des wolluͤſtigen Ariſtippus. Seiner Schweſter/ welche hundert ſchoͤne Maͤgdlein in taͤglicher Gemeinſchafft junger Edelleute zu Keuſchheits-Maͤrterern machen wolte/ gieng es nicht beſſer. Denn ehe das Jahr vorbey war/ giengen ihrer neun und neuntzig ſchweren Leibes. Adgandeſter ant- wortete: Er ſtimmte mit niemanden weniger/ als mit dieſes aberwitzigen Affter-weiſen thoͤ- richter Meinung uͤberein. Sintemahl ihm die menſchliche Schwachheit/ die angebohrne Neigung zum Boͤſen/ und die Unvollkommen- heit der Tugenden all zuwol bekandt waͤre. Jn Anfechtungen muͤſte freylich wol die Keuſchheit eben ſo wol/ als andere Tugenden den Siegs- Krantz verdienen. Jn die Stricke der Wolluſt aber ſelbſt vorſaͤtzlich rennen/ waͤre eben ſo naͤr- riſch/ als wenn ein Schiffer mit auffgeſpann- ten Segeln in den Charybdiſchen Strudel ren- nen/ und darmit ſeine Wiſſenſchafft pruͤfen wolte. Sonderlich lieſſe es zwar ſich allen an- dern Laſtern die Stirne bieten/ und ſelbte/ wie Hercules die Ungeheuer/ auffſuchen; fuͤr der Wolluſt aber waͤre am rathſamſten Scythiſch zu fechten; welche auff der Flucht mit ihren Pfeilen dem Feinde den groͤſten Abbruch thun. Mit dem Neide moͤchte man/ wie Alcides mit dem Anthaͤus ringen/ die Wolluſt aber muͤſte man ihm nicht laſſen zu nahe auf den Hals kom- men/ ſondern ſie wie Apollo die Gifft-hauchen- de Schlange Python von weitem erlegen. Alſo machte es Fuͤrſt Herrmann; der in al- lem zugleich ein Lehrmeiſter ſeines juͤngern Brudern Flavius; und bey ſeiner Gefangen- ſchafft ſo vergnuͤgt war: daß er bey nahe ſeines Vaterlandes daruͤber vergeſſen haͤtte; wenn ſelbtes ihm durch die Zeitungen von des Druſus Kriege nicht mehrmahls waͤre ins Gedaͤchtnuͤß geruͤckt/ und deßwegen eine kindliche Sorgfalt in ſeinem Gemuͤthe erweckt worden. Denn ob ihm zwar ſein kluger Lehrmeiſter mit gutem Grunde beybracht hatte: daß der Kampff wie- der das Verhaͤngnuͤß eine unfruchtbare Rie- ſen-Stuͤrmung des Himmels waͤre; und wer ſchon ungluͤckſelig ſeyn ſolte/ von der Laſt der vorſichtigſten Huͤlffs-Mittel erdruͤckt wuͤrde; ja ſeinen Aertzten unter den Haͤnden ver gienge; ſo kan ſich doch ein großmuͤthig Hertz dieſeꝛ zaͤrt- lichen Empfindligkeit und der Bekuͤmmernuͤß fuͤr ſein ſo ſuͤſſes Vaterland unmoͤglich ent- ſchlagen; als deſſen Liebe unſerer Eltern/ ja unſere eigene niederſchlaͤgt. Seine Sorge verfiel aber gleicher Geſtalt nach und nach; weil/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1282
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1216[1218]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1282>, abgerufen am 23.11.2024.