Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
kringelte sich in den Schwantz beiffendeSchlange; weil sein Gestirne im Himmel zu- rücke laufft; oder er die sich selbst auffressende Zeit andeutet. Sein Kleid war bleyfarbicht; auff dem Haupte hatte er einen tunckeln mit Napell bekräntzten Helm. Der Wagen war theils mit Schnee angefüllt/ theils mit Eys ü- berzogen; theils mit Fleder-Mäusen/ Kröten/ und Spinnen gemahlet. Hinten war die ge- stirnte Wage zu sehen; dieser aber ward von zwey langsamen Eseln gezogen. Der freudige Drusus/ als Jupiter/ gab sei- Folgenden Tag verrückten sie auf das Vor- Die einem Milch zutrinckt/ und nichts als Blut gewehrt/ Die/ den sie lachet an/ verwundet und verzehrt/ Die uns mit Zucker lockt/ mit güldnen Körnern streut/ Und dem/ der kommt/ von Stahl Hals-Eisen leget an/ Die Datteln kehrt in Gifft/ das Seelen tödten kan/ Diß ist der Basilisk' und Bock/ die Uppigkeit. Unter-
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
kringelte ſich in den Schwantz beiffendeSchlange; weil ſein Geſtirne im Himmel zu- ruͤcke laufft; oder er die ſich ſelbſt auffreſſende Zeit andeutet. Sein Kleid war bleyfarbicht; auff dem Haupte hatte er einen tunckeln mit Napell bekraͤntzten Helm. Der Wagen war theils mit Schnee angefuͤllt/ theils mit Eys uͤ- berzogen; theils mit Fleder-Maͤuſen/ Kroͤten/ und Spinnen gemahlet. Hinten war die ge- ſtirnte Wage zu ſehen; dieſer aber ward von zwey langſamen Eſeln gezogen. Der freudige Druſus/ als Jupiter/ gab ſei- Folgenden Tag verruͤckten ſie auf das Vor- Die einem Milch zutrinckt/ und nichts als Blut gewehrt/ Die/ den ſie lachet an/ verwundet und verzehrt/ Die uns mit Zucker lockt/ mit guͤldnen Koͤrnern ſtreut/ Und dem/ der kommt/ von Stahl Hals-Eiſen leget an/ Die Datteln kehrt in Gifft/ das Seelen toͤdten kan/ Diß iſt der Baſilisk’ und Bock/ die Uppigkeit. Unter-
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Achtes Buch
kringelte ſich in den Schwantz beiffende
Schlange; weil ſein Geſtirne im Himmel zu-
ruͤcke laufft; oder er die ſich ſelbſt auffreſſende
Zeit andeutet. Sein Kleid war bleyfarbicht;
auff dem Haupte hatte er einen tunckeln mit
Napell bekraͤntzten Helm. Der Wagen war
theils mit Schnee angefuͤllt/ theils mit Eys uͤ-
berzogen; theils mit Fleder-Maͤuſen/ Kroͤten/
und Spinnen gemahlet. Hinten war die ge-
ſtirnte Wage zu ſehen; dieſer aber ward von
zwey langſamen Eſeln gezogen.
Der freudige Druſus/ als Jupiter/ gab ſei-
nen Gefaͤrthen in der mit glaͤntzenden Wolcken
umzohenen Hoͤhe eines groſſen Saales ein
koſtbares Goͤtter-Mahl; und ließ ſie zwoͤlff ed-
le Knaben/ und ſo viel vierzehnjaͤhrichte edle
Maͤgdlein alle fingernackt. bedienen. Jene
nennte er Bruͤder des Ganymedes/ dieſe
Schweſtern der Hebe. Nach der zwiſchen dem
Gethoͤne der lieblichſten Seiten-Spiele voll-
brachten Mahlzeit/ bey welcher ein linder Bal-
ſam-Regen ſeine Gaͤſte fort fuͤr fort anfeuchte-
te/ und den gantzen Saal mit wol hunderterley
Geruch wechſelsweiſe anfuͤllete/ ſtellte er ihnen
auff dem daran gelegenen mit eitel fruchtbaren
Baͤumen bewachſenem Huͤgel einen Auffzug
von zwantzig Satyren und ſo viel Schaͤfferin-
nen auf; weil Jupitern dieſe geſaͤugt; in einen
Satyr aber ſich ſelbſt verwandelt hat. Dieſe
bꝛachten die Amaltheiſche Ziege mit veꝛguͤldeten
Hoͤrnern/ und Amaranthen-Kraͤntzen als ein
beſonder Heiligthum aufgefuͤhret; und bey ih-
rem kuͤnſtlichen/ aber geilen Tantze kam dieſe
abgerichtete Saͤuge-Ziege des Jupiters allezeit
mitten im Kreiße zu ſtehen. Hierzu wurden
alle Buhler-Geſchichte des Jupiters geſungen/
und zuletzt alle Thiere in Reyen bracht; in wel-
che ſich der verliebte Jupiter iemahls verſtellt
haben ſoll. Dieſe Kurtzweilen waren der An-
fang/ wordurch man der keuſchen Asblaſte die
Roͤmiſchen Uppigkeiten angewehnen wolte.
Folgenden Tag verruͤckten ſie auf das Vor-
werg des Merrur. Mecenas richtete in ei-
nem Luſt-Garten auf einer Buͤhne/ welche mit
denen koſtbarſten Perſiſchen Tapezereyen/ und
kuͤnſtlichſten Mahlwercken bekleidet; in dieſem
aber die Verſpritzung der aus der Juno Bruͤ-
ſten geſogenen Milch/ die Einſchlaͤffung des
Argos und alle andere Thaten des Mercur ge-
webt oder gebildet waren/ eine koſtbare Mahl-
zeit aus. Ja weil dem Mercur nebſt Milch
und Honig die Zungen gewiedmet ſind/ gab er
in der erſten Tracht vier und zwantzig Schuͤſ-
ſeln voller Zungen; von allerhand Thieren
und Fiſchen. Am hoͤchſten aber wurde ge-
ſchaͤtzt eine in der Mitte ſtehende guͤldene
Schuͤſſel/ welche mit Phoͤnicopter/ Papegoy-
en-Zungen ſo hoch angefuͤllt war: daß ſie eine
Spitz-Seule machten. Nach dem Mahl ließ
er/ als ein Erfinder der Fecht-Schulen/ aller-
hand Streit- und Kampff-Ubungen ſehen; in
welchen fuͤrnehmlich der ſieghaffte Streit des
Mercur mit zwoͤlff Liebes-Goͤttern/ und wie
er ſich wegen Penelopens in einen Bock ver-
wandelte/ fuͤr geſtellet ward. Welch letztes
Getichte ihr die Fuͤrſtin Asblaſte artlich gegen
Livien nuͤtze machte; in dem ſie ihr bey Einlo-
bung’ fuͤrgeſtellter Geilheiten einhielt: Weil
die Goͤtter/ wenn ſie ſich durch Wolluͤſte ver-
leiten lieſſen/ in Boͤcke verwandelt wuͤrden;
waͤre kein Unthier ſo heßlich; das einem un-
zuͤchtigen Menſchen gleichte. Ja ſie ſtellte
es auch ſo kluͤglich an: daß unter dem Getuͤm-
mel der Fechtenden ein Deutſcher dem auf den
Schau-Platz vorher/ und hernach zu der Goͤt-
ter Taffel gefuͤhrtem Bocke dieſe in Rinde ge-
grabene Reymen anhieng:
Die einem Milch zutrinckt/ und nichts als Blut gewehrt/
Die/ den ſie lachet an/ verwundet und verzehrt/
Die uns mit Zucker lockt/ mit guͤldnen Koͤrnern ſtreut/
Und dem/ der kommt/ von Stahl Hals-Eiſen leget an/
Die Datteln kehrt in Gifft/ das Seelen toͤdten kan/
Diß iſt der Baſilisk’ und Bock/ die Uppigkeit.
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