Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
Asblaste hörte Livien nicht ohne Unvergnügenan. Denn ob sie zwar nicht zu ergründen wu- ste/ wohin eigentlich ihr Absehen war; verstand sie doch deutlich genung: daß sie die Liebe ihres Eh-Herrn aus ihrem Hertzen zu tilgen anziel- te. Gleichwol aber muste Asblaste diese laster- haffte Versuchung verschmertzen und nicht mercken lassen; wiewol ihr hierdurch so harte ans Hertze gegriffen ward: daß sie die Rosen ih- rer Keuschheit für noch empfindlichern Anta- stungen zu befreyen sich gleichsam mit fol- genden Dornen einer solchen Antwort bewaff- nen muste. Es gäbe nichts minder unterschie- dene Arten der Liebe/ als zweyerley Geschlech- te der Thiere. Die weibische und wollüstige kön- te ihr keine raue Lufft lassen unter die Augen gehen. Sie liesse bey dem geringsten Ungewit- ter ehe/ als die flüchtige Tulipane ihre Blätter fallen. Denn sie hätte in sich so wenig Oel der Tugend/ als diese Blume Geruch; und beyde vergnügten nichts/ als das einige Auge. Wenn sie nicht auf Rosen gienge/ oder die Sonne ihr schiene/ verfiele sie in Ohnmacht oder Ver- zweiffelung. Sie träte mit ihren verzärtelten Gliedern lieber in Unflat stinckender Laster/ als auff den steinichten Weg der Treue und Ehre. Die Liebe der Weisen aber wäre männlichen Geschlechtes und kriegerischer Art. Tugend und Ehre wären ihre unzertrennliche Gefär- then. Verfolgung und Versuchung thäten ihr wenigern Abbruch; als die schäumenden Wellen den Korallen-Zincken. Jhre Flam- men wären unausleschlich wie das Gestirne/ und ewiger/ als das die Vestalischen Jungfrau- en verwahrten/ und des alldar von ferne rau- chenden Vesuvius. Die Winde/ welche sich selbtes mühten auszublasen/ machten ihren un- verzehrlichen Zunder nur mehr lebhafft. Ja das Unglück prüfete nichts minder und reinigte diesen Schatz der Seele/ als der Schmeltz-Ofen das Gold. Sie saugete aus der Wermuth ih- rer Verdrüßligkeit eine Hertzstärckung; und ihr [Spaltenumbruch] eigener Unfall dienete ihr zur Bewehrung ih- rer Tugend/ und zu Vergrösserung ihres Ruhms. Ja ihre einsame Schwermuth gäbe ihr ein bessers Labsal ab/ als manche vielleicht in den Armen ihrer Liebhaber genüsset. Livie antwortete: Meine liebste Asblaste; sie suchet ihr Vergnügen in der Einbildung; und eine Glückseligkeit aus den Träumen. Ja sie er- kühnte sich zu urtheilen: daß wie ihr Deutsch- land an statt der Trauben saure Schleen trüge; also auch ihr Gemüthe verwehnt zu seyn schiene die Galle der ängstigen Einsamkeit für den Zu- cker der süssesten Beywohnung zu erkiesen. Die Beständigkeit der ersten Liebe verdiente aller- dinges ihr Lob; aber man müste aus ihr keinen Abgott; weniger sie ihm zur Henckerin ma- chen; am wenigsten sich mit ihrem Schatten armen/ und das neu - aufgehende Licht der Glückseligkeit mit ihrer Larve verhüllen. Mei- net sie wol: daß sie den Tiberius Nero weniger/ als Asblaste ihren Segimer geliebt? hielte sie ihr aber für übel: daß sie mit dem Kayser für ei- nen Stern eine Sonne erkieset? Ja unver- fälschte Gegen-Liebe findete sich selbst darein; und schaffete dem Auffnehmen ihres Geliebten keine Hindernüs. Diesemnach sie denn ihr Nero mit lachendem Munde/ und ver gnügtem Her- tzen dem Kayser selbst eingeantw ortet hätte/ um so wol ihm eine Staffel des Glücks/ als ihr der Vergnügung zu bauen. Sie dencke diesem nach/ wertheste Asblaste; und lasse ihr unter denen Vergnügten dieses Eylandes wol seyn. Sintemahl sie die Kayserin mehr für ihre Schwester/ als eine Gefangene hält. Mit diesen Worten schloß Livie; als der Kayser mit Terentien ihnen an der Krümme eines Felsens begegnete; welcher denn alsofort erkundigte: mit was Livia eine so holdselige/ wiewol betrüb- te Gästin unterhielte/ und ihrem Bekümmer- nüsse abzuhelffen suchte. Livia antwortete: Die Fürstin Asblaste schöpfte Vergnügung aus der Schwermuth; und hielte für seliger den Rü- cken/
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
Asblaſte hoͤrte Livien nicht ohne Unvergnuͤgenan. Denn ob ſie zwar nicht zu ergruͤnden wu- ſte/ wohin eigentlich ihr Abſehen war; verſtand ſie doch deutlich genung: daß ſie die Liebe ihres Eh-Herrn aus ihrem Hertzen zu tilgen anziel- te. Gleichwol aber muſte Asblaſte dieſe laſter- haffte Verſuchung verſchmertzen und nicht mercken laſſen; wiewol ihr hierdurch ſo harte ans Hertze gegriffen ward: daß ſie die Roſen ih- rer Keuſchheit fuͤr noch empfindlichern Anta- ſtungen zu befreyen ſich gleichſam mit fol- genden Dornen einer ſolchen Antwort bewaff- nen muſte. Es gaͤbe nichts minder unterſchie- dene Arten der Liebe/ als zweyerley Geſchlech- te der Thiere. Die weibiſche und wolluͤſtige koͤn- te ihr keine raue Lufft laſſen unter die Augen gehen. Sie lieſſe bey dem geringſten Ungewit- ter ehe/ als die fluͤchtige Tulipane ihre Blaͤtter fallen. Denn ſie haͤtte in ſich ſo wenig Oel der Tugend/ als dieſe Blume Geruch; und beyde vergnuͤgten nichts/ als das einige Auge. Wenn ſie nicht auf Roſen gienge/ oder die Sonne ihr ſchiene/ verfiele ſie in Ohnmacht oder Ver- zweiffelung. Sie traͤte mit ihren verzaͤrtelten Gliedern lieber in Unflat ſtinckender Laſter/ als auff den ſteinichten Weg der Treue und Ehre. Die Liebe der Weiſen aber waͤre maͤnnlichen Geſchlechtes und kriegeriſcher Art. Tugend und Ehre waͤren ihre unzertrennliche Gefaͤr- then. Verfolgung und Verſuchung thaͤten ihr wenigern Abbruch; als die ſchaͤumenden Wellen den Korallen-Zincken. Jhre Flam- men waͤren unausleſchlich wie das Geſtirne/ und ewiger/ als das die Veſtaliſchen Jungfrau- en verwahrten/ und des alldar von ferne rau- chenden Veſuvius. Die Winde/ welche ſich ſelbtes muͤhten auszublaſen/ machten ihren un- verzehrlichen Zunder nur mehr lebhafft. Ja das Ungluͤck pruͤfete nichts minder und reinigte dieſen Schatz der Seele/ als der Schmeltz-Ofen das Gold. Sie ſaugete aus der Wermuth ih- rer Verdruͤßligkeit eine Hertzſtaͤrckung; und ihr [Spaltenumbruch] eigener Unfall dienete ihr zur Bewehrung ih- rer Tugend/ und zu Vergroͤſſerung ihres Ruhms. Ja ihre einſame Schwermuth gaͤbe ihr ein beſſers Labſal ab/ als manche vielleicht in den Armen ihrer Liebhaber genuͤſſet. Livie antwortete: Meine liebſte Asblaſte; ſie ſuchet ihr Vergnuͤgen in der Einbildung; und eine Gluͤckſeligkeit aus den Traͤumen. Ja ſie er- kuͤhnte ſich zu urtheilen: daß wie ihr Deutſch- land an ſtatt der Trauben ſaure Schleen truͤge; alſo auch ihr Gemuͤthe verwehnt zu ſeyn ſchiene die Galle der aͤngſtigen Einſamkeit fuͤr den Zu- cker der ſuͤſſeſten Beywohnung zu erkieſen. Die Beſtaͤndigkeit der erſten Liebe verdiente aller- dinges ihr Lob; aber man muͤſte aus ihr keinen Abgott; weniger ſie ihm zur Henckerin ma- chen; am wenigſten ſich mit ihrem Schatten armen/ und das neu - aufgehende Licht der Gluͤckſeligkeit mit ihrer Larve verhuͤllen. Mei- net ſie wol: daß ſie den Tiberius Nero weniger/ als Asblaſte ihren Segimer geliebt? hielte ſie ihr aber fuͤr uͤbel: daß ſie mit dem Kayſer fuͤr ei- nen Stern eine Sonne erkieſet? Ja unver- faͤlſchte Gegen-Liebe findete ſich ſelbſt darein; und ſchaffete dem Auffnehmen ihres Geliebten keine Hindernuͤs. Dieſemnach ſie deñ ihr Nero mit lachendem Munde/ und ver gnuͤgtem Her- tzen dem Kayſer ſelbſt eingeantw ortet haͤtte/ um ſo wol ihm eine Staffel des Gluͤcks/ als ihr der Vergnuͤgung zu bauen. Sie dencke dieſem nach/ wertheſte Asblaſte; und laſſe ihr unter denen Vergnuͤgten dieſes Eylandes wol ſeyn. Sintemahl ſie die Kayſerin mehr fuͤr ihre Schweſter/ als eine Gefangene haͤlt. Mit dieſen Worten ſchloß Livie; als der Kayſer mit Terentien ihnen an der Kruͤmme eines Felſens begegnete; welcher denn alſofort erkundigte: mit was Livia eine ſo holdſelige/ wiewol betruͤb- te Gaͤſtin unterhielte/ und ihrem Bekuͤmmer- nuͤſſe abzuhelffen ſuchte. Livia antwortete: Die Fuͤrſtin Asblaſte ſchoͤpfte Vergnuͤgung aus der Schwermuth; und hielte fuͤr ſeliger den Ruͤ- cken/
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Achtes Buch
Asblaſte hoͤrte Livien nicht ohne Unvergnuͤgen
an. Denn ob ſie zwar nicht zu ergruͤnden wu-
ſte/ wohin eigentlich ihr Abſehen war; verſtand
ſie doch deutlich genung: daß ſie die Liebe ihres
Eh-Herrn aus ihrem Hertzen zu tilgen anziel-
te. Gleichwol aber muſte Asblaſte dieſe laſter-
haffte Verſuchung verſchmertzen und nicht
mercken laſſen; wiewol ihr hierdurch ſo harte
ans Hertze gegriffen ward: daß ſie die Roſen ih-
rer Keuſchheit fuͤr noch empfindlichern Anta-
ſtungen zu befreyen ſich gleichſam mit fol-
genden Dornen einer ſolchen Antwort bewaff-
nen muſte. Es gaͤbe nichts minder unterſchie-
dene Arten der Liebe/ als zweyerley Geſchlech-
te der Thiere. Die weibiſche und wolluͤſtige koͤn-
te ihr keine raue Lufft laſſen unter die Augen
gehen. Sie lieſſe bey dem geringſten Ungewit-
ter ehe/ als die fluͤchtige Tulipane ihre Blaͤtter
fallen. Denn ſie haͤtte in ſich ſo wenig Oel der
Tugend/ als dieſe Blume Geruch; und beyde
vergnuͤgten nichts/ als das einige Auge. Wenn
ſie nicht auf Roſen gienge/ oder die Sonne ihr
ſchiene/ verfiele ſie in Ohnmacht oder Ver-
zweiffelung. Sie traͤte mit ihren verzaͤrtelten
Gliedern lieber in Unflat ſtinckender Laſter/ als
auff den ſteinichten Weg der Treue und Ehre.
Die Liebe der Weiſen aber waͤre maͤnnlichen
Geſchlechtes und kriegeriſcher Art. Tugend
und Ehre waͤren ihre unzertrennliche Gefaͤr-
then. Verfolgung und Verſuchung thaͤten
ihr wenigern Abbruch; als die ſchaͤumenden
Wellen den Korallen-Zincken. Jhre Flam-
men waͤren unausleſchlich wie das Geſtirne/
und ewiger/ als das die Veſtaliſchen Jungfrau-
en verwahrten/ und des alldar von ferne rau-
chenden Veſuvius. Die Winde/ welche ſich
ſelbtes muͤhten auszublaſen/ machten ihren un-
verzehrlichen Zunder nur mehr lebhafft. Ja
das Ungluͤck pruͤfete nichts minder und reinigte
dieſen Schatz der Seele/ als der Schmeltz-Ofen
das Gold. Sie ſaugete aus der Wermuth ih-
rer Verdruͤßligkeit eine Hertzſtaͤrckung; und ihr
eigener Unfall dienete ihr zur Bewehrung ih-
rer Tugend/ und zu Vergroͤſſerung ihres
Ruhms. Ja ihre einſame Schwermuth gaͤbe
ihr ein beſſers Labſal ab/ als manche vielleicht in
den Armen ihrer Liebhaber genuͤſſet. Livie
antwortete: Meine liebſte Asblaſte; ſie ſuchet
ihr Vergnuͤgen in der Einbildung; und eine
Gluͤckſeligkeit aus den Traͤumen. Ja ſie er-
kuͤhnte ſich zu urtheilen: daß wie ihr Deutſch-
land an ſtatt der Trauben ſaure Schleen truͤge;
alſo auch ihr Gemuͤthe verwehnt zu ſeyn ſchiene
die Galle der aͤngſtigen Einſamkeit fuͤr den Zu-
cker der ſuͤſſeſten Beywohnung zu erkieſen. Die
Beſtaͤndigkeit der erſten Liebe verdiente aller-
dinges ihr Lob; aber man muͤſte aus ihr keinen
Abgott; weniger ſie ihm zur Henckerin ma-
chen; am wenigſten ſich mit ihrem Schatten
armen/ und das neu - aufgehende Licht der
Gluͤckſeligkeit mit ihrer Larve verhuͤllen. Mei-
net ſie wol: daß ſie den Tiberius Nero weniger/
als Asblaſte ihren Segimer geliebt? hielte ſie
ihr aber fuͤr uͤbel: daß ſie mit dem Kayſer fuͤr ei-
nen Stern eine Sonne erkieſet? Ja unver-
faͤlſchte Gegen-Liebe findete ſich ſelbſt darein;
und ſchaffete dem Auffnehmen ihres Geliebten
keine Hindernuͤs. Dieſemnach ſie deñ ihr Nero
mit lachendem Munde/ und ver gnuͤgtem Her-
tzen dem Kayſer ſelbſt eingeantw ortet haͤtte/ um
ſo wol ihm eine Staffel des Gluͤcks/ als ihr der
Vergnuͤgung zu bauen. Sie dencke dieſem
nach/ wertheſte Asblaſte; und laſſe ihr unter
denen Vergnuͤgten dieſes Eylandes wol ſeyn.
Sintemahl ſie die Kayſerin mehr fuͤr ihre
Schweſter/ als eine Gefangene haͤlt. Mit
dieſen Worten ſchloß Livie; als der Kayſer mit
Terentien ihnen an der Kruͤmme eines Felſens
begegnete; welcher denn alſofort erkundigte:
mit was Livia eine ſo holdſelige/ wiewol betruͤb-
te Gaͤſtin unterhielte/ und ihrem Bekuͤmmer-
nuͤſſe abzuhelffen ſuchte. Livia antwortete: Die
Fuͤrſtin Asblaſte ſchoͤpfte Vergnuͤgung aus der
Schwermuth; und hielte fuͤr ſeliger den Ruͤ-
cken/
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1190[1192]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1256>, abgerufen am 17.07.2024. |