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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] den auff ihn gezückten Streich in ihre Achseln
abgleiten ließ. Ob nun zwar der Fürsten Bünd-
nüße kein ander Hefft/ als ihren Vortheil ha-
ben/ so schiene doch auch diß beym Marbod viel
zu schwach zu seyn. Denn ob wol der Dalma-
tische Krieg lange währte/ und es mehrmahls
das Ansehen gewann; als wenn es um die Rö-
mer gethan wäre; war doch Marbod nicht zu
bewegen/ sich darein einzumischen. Alleine die
wenigsten wusten: daß eine geheime Liebes-
Ursache den König Marbod im Zaume hielt/
die weiter sehenden aber urtheilten: daß Mar-
bod/ welcher alle seine Länder durch Recht der
Waffen erobert/ und daher zum Zaume seiner
Völcker mehr die Furcht/ als Liebe brauchte/
sich nunmehr in sich selbst mehr zu befestigen;
und so viel ungleich-geartete Völcker unter ein-
ander selbst zur Verträuligkeit/ gegen sich zum
Gehorsam zu verbinden nöthig hätte/ sich ohne
Noth in eusserliche Kriege nicht einflechten und
zwar nicht mit demselben Feinde anbinden kön-
te; an dem zeither alle andere Völcker ihnen
den Kopff zerstossen hätten. Also sind nur des
Pöfels Anschläge allezeit hitzig/ auf Blut und
grosse Eroberungen gerichtet; ein kluger Fürst
aber weiß durch sanfftere Entschlüssungen an
sich zu halten; und ein Verständiger dem Vol-
cke zu Athen wahr zusagen: daß sie in ihrem un-
zeitigen Kriege in Cilicien nach einem Schat-
ten schnappen/ und das unschätzbare Wesen ih-
res Wolstandes einbüssen würden. Daher ließ
Marbod sich weder das Urthel des Pöfels/ noch
die versprochenen güldenen Berge der Dalma-
tier und Pannonier irre machen; sondern sorg-
te nur sich feste in Sattel zu setzen; weil doch
fremde Herrschafft/ wie gut sie an sich selbst ist/
dennoch allen Völckern beschwerlich fällt; und
der grossen Uberwinder Siegs-Gepränge
meist ihrem Geschlechte zu einer Blut-Banck
dienet/ und den Nachkommen nur durch ihre
Begräbnüs-Maale bekandt werden; ausser wo
die Gewalt des Adels über Hand genommen
[Spaltenumbruch] hat; und dieser theils zu Erhaltung der Gleich-
heit unter sich selbst/ theils die Unterdrückung
der Freyheit zu verhüten selbst fremde und noch
darzu meist ohnmächtige Fürsten erwehlet. Die
Art der bezwungenen Völcker ist ins gemein
ungleich; derer Sitten sich nicht so/ wie die
Kleider/ leicht verändern lassen. Jene werden
ihnen mehr von der Beschaffenheit des Himmels/
ja aus Mutterleibe angebohren/ und mit der
Milch eingeflöst/ als durch Gesetze und Ge-
wonheit beygebracht. Etliche Völcker sind
zur Dienstbarkeit gebohren; daher/ wenn selbte
in freyen Stand gesetzt werden wollen/ geräthet
es so übel; als mit jungen Weinstöcken/ welche
man bejahrten Bäumen an die Seite setzt; und
deßwegen neben einem so unanständigen Bräu-
tigam verdorren; dahingegen sie bey jungen
Pflantzen wol gerathen. Etlichen hingegen
ist die Freyheit so eigen/ und sie unter das Joch
der Dienstbarkeit so schwer/ als die Schweffel-
Dünste in Felsen und Ertzt einzusperren; wel-
che mit so viel mehr Ungestüm ihre Behältnüß
zersprengen/ als sie feste verriegelt sind. Etliche
können weder eine unumschränckte Freyheit/
noch eine Knechtische Dienstbarkeit vertragen;
dörffen daher wie gewisse Pferde bald der
Spiß-Ruthe/ bald einer Streichelung. Die-
semnach befließ sich der schlaue Marbod iedem
Volcke einen besondern Zaum anzulegen/ und
durchgehends Gesetze/ Sitten und Herrschens-
Art in altem Stande zu lassen; denen Freyern
mit Höfligkeit; denen Niedrigern/ (welche
schwer zu erobern/ leicht aber im Gehorsam zu
halten sind) mit Ernste zu begegnen/ nirgends
aber neue Titel zu brauchen; sondern allenthal-
ben der alten Hertzoge Anstalten zu behalten;
Niemanden vorige Begnadigungen zu entzie-
hen; seine eigene Gebehrden derogestalt zu mäs-
figen: daß seine Schärffe der Liebe/ seine Leitse-
ligkeit der Hoheit keinen Abbruch that. Zu de-
nen Aemptern erhob er mehr langsame/ rubige/
und mittelmäßige; als allzugeistige und hitzige

Gemüther;

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] den auff ihn gezuͤckten Streich in ihre Achſeln
abgleiten ließ. Ob nun zwar der Fuͤrſten Buͤnd-
nuͤße kein ander Hefft/ als ihren Vortheil ha-
ben/ ſo ſchiene doch auch diß beym Marbod viel
zu ſchwach zu ſeyn. Denn ob wol der Dalma-
tiſche Krieg lange waͤhrte/ und es mehrmahls
das Anſehen gewann; als wenn es um die Roͤ-
mer gethan waͤre; war doch Marbod nicht zu
bewegen/ ſich darein einzumiſchen. Alleine die
wenigſten wuſten: daß eine geheime Liebes-
Urſache den Koͤnig Marbod im Zaume hielt/
die weiter ſehenden aber urtheilten: daß Mar-
bod/ welcher alle ſeine Laͤnder durch Recht der
Waffen erobert/ und daher zum Zaume ſeiner
Voͤlcker mehr die Furcht/ als Liebe brauchte/
ſich nunmehr in ſich ſelbſt mehr zu befeſtigen;
und ſo viel ungleich-geartete Voͤlcker unter ein-
ander ſelbſt zur Vertraͤuligkeit/ gegen ſich zum
Gehorſam zu verbinden noͤthig haͤtte/ ſich ohne
Noth in euſſerliche Kriege nicht einflechten und
zwar nicht mit demſelben Feinde anbinden koͤn-
te; an dem zeither alle andere Voͤlcker ihnen
den Kopff zerſtoſſen haͤtten. Alſo ſind nur des
Poͤfels Anſchlaͤge allezeit hitzig/ auf Blut und
groſſe Eroberungen gerichtet; ein kluger Fuͤrſt
aber weiß durch ſanfftere Entſchluͤſſungen an
ſich zu halten; und ein Verſtaͤndiger dem Vol-
cke zu Athen wahr zuſagen: daß ſie in ihrem un-
zeitigen Kriege in Cilicien nach einem Schat-
ten ſchnappen/ und das unſchaͤtzbare Weſen ih-
res Wolſtandes einbuͤſſen wuͤrden. Daher ließ
Marbod ſich weder das Urthel des Poͤfels/ noch
die verſprochenen guͤldenen Berge der Dalma-
tier und Pannonier irre machen; ſondern ſorg-
te nur ſich feſte in Sattel zu ſetzen; weil doch
fremde Herꝛſchafft/ wie gut ſie an ſich ſelbſt iſt/
dennoch allen Voͤlckern beſchwerlich faͤllt; und
der groſſen Uberwinder Siegs-Gepraͤnge
meiſt ihrem Geſchlechte zu einer Blut-Banck
dienet/ und den Nachkommen nur durch ihre
Begraͤbnuͤs-Maale bekandt werden; auſſer wo
die Gewalt des Adels uͤber Hand genommen
[Spaltenumbruch] hat; und dieſer theils zu Erhaltung der Gleich-
heit unter ſich ſelbſt/ theils die Unterdruͤckung
der Freyheit zu verhuͤten ſelbſt fremde und noch
darzu meiſt ohnmaͤchtige Fuͤrſten erwehlet. Die
Art der bezwungenen Voͤlcker iſt ins gemein
ungleich; derer Sitten ſich nicht ſo/ wie die
Kleider/ leicht veraͤndern laſſen. Jene werden
ihnen mehr von der Beſchaffenheit des Him̃els/
ja aus Mutterleibe angebohren/ und mit der
Milch eingefloͤſt/ als durch Geſetze und Ge-
wonheit beygebracht. Etliche Voͤlcker ſind
zur Dienſtbarkeit gebohren; daher/ wenn ſelbte
in freyen Stand geſetzt werden wollen/ geraͤthet
es ſo uͤbel; als mit jungen Weinſtoͤcken/ welche
man bejahrten Baͤumen an die Seite ſetzt; und
deßwegen neben einem ſo unanſtaͤndigen Braͤu-
tigam verdorren; dahingegen ſie bey jungen
Pflantzen wol gerathen. Etlichen hingegen
iſt die Freyheit ſo eigen/ und ſie unter das Joch
der Dienſtbarkeit ſo ſchwer/ als die Schweffel-
Duͤnſte in Felſen und Ertzt einzuſperren; wel-
che mit ſo viel mehr Ungeſtuͤm ihre Behaͤltnuͤß
zerſprengen/ als ſie feſte verriegelt ſind. Etliche
koͤnnen weder eine unumſchraͤnckte Freyheit/
noch eine Knechtiſche Dienſtbarkeit vertragen;
doͤrffen daher wie gewiſſe Pferde bald der
Spiß-Ruthe/ bald einer Streichelung. Die-
ſemnach befließ ſich der ſchlaue Marbod iedem
Volcke einen beſondern Zaum anzulegen/ und
durchgehends Geſetze/ Sitten und Herꝛſchens-
Art in altem Stande zu laſſen; denen Freyern
mit Hoͤfligkeit; denen Niedrigern/ (welche
ſchwer zu erobern/ leicht aber im Gehorſam zu
halten ſind) mit Ernſte zu begegnen/ nirgends
aber neue Titel zu brauchen; ſondern allenthal-
ben der alten Hertzoge Anſtalten zu behalten;
Niemanden vorige Begnadigungen zu entzie-
hen; ſeine eigene Gebehrden derogeſtalt zu maͤſ-
figen: daß ſeine Schaͤrffe der Liebe/ ſeine Leitſe-
ligkeit der Hoheit keinen Abbruch that. Zu de-
nen Aemptern erhob er mehr langſame/ rubige/
und mittelmaͤßige; als allzugeiſtige und hitzige

Gemuͤther;
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[1159[1161]/1223] Arminius und Thußnelda. den auff ihn gezuͤckten Streich in ihre Achſeln abgleiten ließ. Ob nun zwar der Fuͤrſten Buͤnd- nuͤße kein ander Hefft/ als ihren Vortheil ha- ben/ ſo ſchiene doch auch diß beym Marbod viel zu ſchwach zu ſeyn. Denn ob wol der Dalma- tiſche Krieg lange waͤhrte/ und es mehrmahls das Anſehen gewann; als wenn es um die Roͤ- mer gethan waͤre; war doch Marbod nicht zu bewegen/ ſich darein einzumiſchen. Alleine die wenigſten wuſten: daß eine geheime Liebes- Urſache den Koͤnig Marbod im Zaume hielt/ die weiter ſehenden aber urtheilten: daß Mar- bod/ welcher alle ſeine Laͤnder durch Recht der Waffen erobert/ und daher zum Zaume ſeiner Voͤlcker mehr die Furcht/ als Liebe brauchte/ ſich nunmehr in ſich ſelbſt mehr zu befeſtigen; und ſo viel ungleich-geartete Voͤlcker unter ein- ander ſelbſt zur Vertraͤuligkeit/ gegen ſich zum Gehorſam zu verbinden noͤthig haͤtte/ ſich ohne Noth in euſſerliche Kriege nicht einflechten und zwar nicht mit demſelben Feinde anbinden koͤn- te; an dem zeither alle andere Voͤlcker ihnen den Kopff zerſtoſſen haͤtten. Alſo ſind nur des Poͤfels Anſchlaͤge allezeit hitzig/ auf Blut und groſſe Eroberungen gerichtet; ein kluger Fuͤrſt aber weiß durch ſanfftere Entſchluͤſſungen an ſich zu halten; und ein Verſtaͤndiger dem Vol- cke zu Athen wahr zuſagen: daß ſie in ihrem un- zeitigen Kriege in Cilicien nach einem Schat- ten ſchnappen/ und das unſchaͤtzbare Weſen ih- res Wolſtandes einbuͤſſen wuͤrden. Daher ließ Marbod ſich weder das Urthel des Poͤfels/ noch die verſprochenen guͤldenen Berge der Dalma- tier und Pannonier irre machen; ſondern ſorg- te nur ſich feſte in Sattel zu ſetzen; weil doch fremde Herꝛſchafft/ wie gut ſie an ſich ſelbſt iſt/ dennoch allen Voͤlckern beſchwerlich faͤllt; und der groſſen Uberwinder Siegs-Gepraͤnge meiſt ihrem Geſchlechte zu einer Blut-Banck dienet/ und den Nachkommen nur durch ihre Begraͤbnuͤs-Maale bekandt werden; auſſer wo die Gewalt des Adels uͤber Hand genommen hat; und dieſer theils zu Erhaltung der Gleich- heit unter ſich ſelbſt/ theils die Unterdruͤckung der Freyheit zu verhuͤten ſelbſt fremde und noch darzu meiſt ohnmaͤchtige Fuͤrſten erwehlet. Die Art der bezwungenen Voͤlcker iſt ins gemein ungleich; derer Sitten ſich nicht ſo/ wie die Kleider/ leicht veraͤndern laſſen. Jene werden ihnen mehr von der Beſchaffenheit des Him̃els/ ja aus Mutterleibe angebohren/ und mit der Milch eingefloͤſt/ als durch Geſetze und Ge- wonheit beygebracht. Etliche Voͤlcker ſind zur Dienſtbarkeit gebohren; daher/ wenn ſelbte in freyen Stand geſetzt werden wollen/ geraͤthet es ſo uͤbel; als mit jungen Weinſtoͤcken/ welche man bejahrten Baͤumen an die Seite ſetzt; und deßwegen neben einem ſo unanſtaͤndigen Braͤu- tigam verdorren; dahingegen ſie bey jungen Pflantzen wol gerathen. Etlichen hingegen iſt die Freyheit ſo eigen/ und ſie unter das Joch der Dienſtbarkeit ſo ſchwer/ als die Schweffel- Duͤnſte in Felſen und Ertzt einzuſperren; wel- che mit ſo viel mehr Ungeſtuͤm ihre Behaͤltnuͤß zerſprengen/ als ſie feſte verriegelt ſind. Etliche koͤnnen weder eine unumſchraͤnckte Freyheit/ noch eine Knechtiſche Dienſtbarkeit vertragen; doͤrffen daher wie gewiſſe Pferde bald der Spiß-Ruthe/ bald einer Streichelung. Die- ſemnach befließ ſich der ſchlaue Marbod iedem Volcke einen beſondern Zaum anzulegen/ und durchgehends Geſetze/ Sitten und Herꝛſchens- Art in altem Stande zu laſſen; denen Freyern mit Hoͤfligkeit; denen Niedrigern/ (welche ſchwer zu erobern/ leicht aber im Gehorſam zu halten ſind) mit Ernſte zu begegnen/ nirgends aber neue Titel zu brauchen; ſondern allenthal- ben der alten Hertzoge Anſtalten zu behalten; Niemanden vorige Begnadigungen zu entzie- hen; ſeine eigene Gebehrden derogeſtalt zu maͤſ- figen: daß ſeine Schaͤrffe der Liebe/ ſeine Leitſe- ligkeit der Hoheit keinen Abbruch that. Zu de- nen Aemptern erhob er mehr langſame/ rubige/ und mittelmaͤßige; als allzugeiſtige und hitzige Gemuͤther;

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1159[1161]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1223>, abgerufen am 23.11.2024.