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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Leibes-Früchte zu nähren eröffnen; wie mag
man meine Grausamkeit mit dem Mangel
unfruchtbarer Weiber entschuldigen? Verge-
bens müht ihr euch auch mir eines durch diesen
Traum aufzubinden: daß die Natur für Kin-
der zwar die Nahrung/ aber nicht so genau ih-
rer Mütter erfordere. Warum geben diese fal-
sche Ausleger der natürlichen Geheimnüße
nicht auch für: es liege nichts daran/ in wessen
Leibe/ oder aus wessen Saamen Kinder zusam-
men geronnen sind? Sintemahl ja dieser von
den Lebens-Geistern in den Brüsten weiß ge-
läuterte Safft eben das Blut ist/ welches das
Kind in der Mutter genehret hat; welches die
weise Heb-Amme und Kinder-Wärterin die
Natur/ so bald sie das Kind in Mutterleibe voll-
kommen gemacht hat/ mit unbegreiflicher Kunst
in geheimen Röhren in das oberste Theil der
Mutter empor zeucht; und zu der Gebohrnen
anständigem Brod und Weine bereitet. Jst es
aber nicht wahr: daß nicht alle Speisen allen
schmecken/ oder gesund sind? daß die Natur für
einem Geträncke diesem einen Eckel/ jenem
darzu eine Lüsternheit eingepflantzt hat? habt
ihr nie gesehen/ wie neugebohrne Kinder ins
gemein an fremden Brüsten nicht saugen wol-
len? Glaubet ihr nicht: daß wie die Krafft des
Elterlichen Saamens in den Kindern die
Aehnligkeit des Leibes und Gemüthes verur-
sache; also die Mutter-Milch ihm ihre Eigen-
schafften einflösse. Machet doch die getrunckene
Schaf-Milch den Ziegen weichere Haare/ und
Ziegen-Milch bey den Schafen härtere Wolle.
Der Safft der Erde/ welcher der Bäume und
Pflantzen Milch ist/ machet in Trauben/ in
Granat-Aepffeln/ und andern Früchten einen
so grossen Unterscheid: daß niemand glauben
würde/ beydes sey aus einerley Weinstöcken/
Gesäme und Stauden entsprossen. Warum
soll nicht auch die Milch einer unedlen/ einer an
Leibe oder Gemüthe ungesunden Amme/ denen
berrlichen Eigenschafften eines edlen Kindes Ab-
[Spaltenumbruch] bruch thun? Wisset ihr wol eine vernünfftigere
Ursache/ warum mehrmahls Fürstliche Kinder
ihren Helden-Vätern/ ihren tugendhafften
Müttern/ mit keiner Ader ähnlich sind/ auffzu-
finden; Als daß man selbte einer furchtsamen
Ausländerin/ einer geilen Magd/ einer unge-
neußigen Amme zur Säugung übergeben?
Leitholde hörete dieser aus mütterlicher Liebe
her aus stossenden Ungedult mit so viel mehr
Gedult zu; weil sie wuste: daß sich undienliche
Quellen und hefftige Regungen nicht verstopf-
fen liessen/ sondern man sie auf die Seite leiten
müste. Daher hielt sie ihr/ nach dem sie selbst
zu reden auf hörte/ anfangs ein: daß sie an ihrem
Sohne keine grausamere Unbarmhertzigkeit/
als durch ihren verlangten Tod verüben könte;
ja/ wenn sie seine Entfernung hinderte/ würde
sie ihren Ehgemahl zum Vater-Mörder ihres
Kindes machen; weil die Eyversucht ihm dessen
Hinrichtung als eine gerechte Rache/ und eine
ruhmbare Vertilgung einer unächten Miß-
geburt fürbilden würde. Was könte aber
schrecklicher seyn/ als seines Kindes Scharff-
richterin werden/ und sein Ehgemahl in ab-
scheuliche Laster stürtzen. Die Gesetze der Na-
tur wären wol heilig; aber dem göttlichen Ver-
hängnüße/ welches offt davon Absätze machte/
folgen/ noch heiliger. Die für ihren Sohn be-
stimmte Amme wäre ihre eigene Tochter/ wel-
che/ wie auch ihr Ehmann/ Gertruden so wol
von Gemüthe/ als Geblüte bekandt wäre; also
dieser junge Fürst aus ihren Brüsten hoffent-
lich nichts/ was nach einer Magd oder Untu-
gend rüche/ saugen würde. Als Gertrud diesen
Vorschlag vernahm/ seuffzete sie/ und gab sich
endlich in der Anwesenden Willen/ iedoch legte
sie vorher ihren Sohn an beyde Brüste/ und ba-
dete selbten mit mehr Thränen-Saltze/ als er
Milch aus dem reichen Vorrathe ihrer Brüste
tranck; wormit sie zum minsten durch diese er-
stere Nahrung ihrer Mutter-Pflicht etlicher
massen ein Genügen thäte. Hierauff muste

nur/

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Leibes-Fruͤchte zu naͤhren eroͤffnen; wie mag
man meine Grauſamkeit mit dem Mangel
unfruchtbarer Weiber entſchuldigen? Verge-
bens muͤht ihr euch auch mir eines durch dieſen
Traum aufzubinden: daß die Natur fuͤr Kin-
der zwar die Nahrung/ aber nicht ſo genau ih-
rer Muͤtter erfordere. Warum geben dieſe fal-
ſche Ausleger der natuͤrlichen Geheimnuͤße
nicht auch fuͤr: es liege nichts daran/ in weſſen
Leibe/ oder aus weſſen Saamen Kinder zuſam-
men geronnen ſind? Sintemahl ja dieſer von
den Lebens-Geiſtern in den Bruͤſten weiß ge-
laͤuterte Safft eben das Blut iſt/ welches das
Kind in der Mutter genehret hat; welches die
weiſe Heb-Amme und Kinder-Waͤrterin die
Natur/ ſo bald ſie das Kind in Mutterleibe voll-
kommen gemacht hat/ mit unbegreiflicher Kunſt
in geheimen Roͤhren in das oberſte Theil der
Mutter empor zeucht; und zu der Gebohrnen
anſtaͤndigem Brod und Weine bereitet. Jſt es
aber nicht wahr: daß nicht alle Speiſen allen
ſchmecken/ oder geſund ſind? daß die Natur fuͤr
einem Getraͤncke dieſem einen Eckel/ jenem
darzu eine Luͤſternheit eingepflantzt hat? habt
ihr nie geſehen/ wie neugebohrne Kinder ins
gemein an fremden Bruͤſten nicht ſaugen wol-
len? Glaubet ihr nicht: daß wie die Krafft des
Elterlichen Saamens in den Kindern die
Aehnligkeit des Leibes und Gemuͤthes verur-
ſache; alſo die Mutter-Milch ihm ihre Eigen-
ſchafften einfloͤſſe. Machet doch die getrunckene
Schaf-Milch den Ziegen weichere Haare/ und
Ziegen-Milch bey den Schafen haͤrtere Wolle.
Der Safft der Erde/ welcher der Baͤume und
Pflantzen Milch iſt/ machet in Trauben/ in
Granat-Aepffeln/ und andern Fruͤchten einen
ſo groſſen Unterſcheid: daß niemand glauben
wuͤrde/ beydes ſey aus einerley Weinſtoͤcken/
Geſaͤme und Stauden entſproſſen. Warum
ſoll nicht auch die Milch einer unedlen/ einer an
Leibe oder Gemuͤthe ungeſunden Amme/ denen
berꝛlichẽ Eigenſchafften eines edlen Kindes Ab-
[Spaltenumbruch] bruch thun? Wiſſet ihr wol eine vernuͤnfftigere
Urſache/ warum mehrmahls Fuͤrſtliche Kinder
ihren Helden-Vaͤtern/ ihren tugendhafften
Muͤttern/ mit keiner Ader aͤhnlich ſind/ auffzu-
finden; Als daß man ſelbte einer furchtſamen
Auslaͤnderin/ einer geilen Magd/ einer unge-
neußigen Amme zur Saͤugung uͤbergeben?
Leitholde hoͤrete dieſer aus muͤtterlicher Liebe
her aus ſtoſſenden Ungedult mit ſo viel mehr
Gedult zu; weil ſie wuſte: daß ſich undienliche
Quellen und hefftige Regungen nicht verſtopf-
fen lieſſen/ ſondern man ſie auf die Seite leiten
muͤſte. Daher hielt ſie ihr/ nach dem ſie ſelbſt
zu reden auf hoͤrte/ anfangs ein: daß ſie an ihrem
Sohne keine grauſamere Unbarmhertzigkeit/
als durch ihren verlangten Tod veruͤben koͤnte;
ja/ wenn ſie ſeine Entfernung hinderte/ wuͤrde
ſie ihren Ehgemahl zum Vater-Moͤrder ihres
Kindes machen; weil die Eyverſucht ihm deſſen
Hinrichtung als eine gerechte Rache/ und eine
ruhmbare Vertilgung einer unaͤchten Miß-
geburt fuͤrbilden wuͤrde. Was koͤnte aber
ſchrecklicher ſeyn/ als ſeines Kindes Scharff-
richterin werden/ und ſein Ehgemahl in ab-
ſcheuliche Laſter ſtuͤrtzen. Die Geſetze der Na-
tur waͤren wol heilig; aber dem goͤttlichen Ver-
haͤngnuͤße/ welches offt davon Abſaͤtze machte/
folgen/ noch heiliger. Die fuͤr ihren Sohn be-
ſtimmte Amme waͤre ihre eigene Tochter/ wel-
che/ wie auch ihr Ehmann/ Gertruden ſo wol
von Gemuͤthe/ als Gebluͤte bekandt waͤre; alſo
dieſer junge Fuͤrſt aus ihren Bruͤſten hoffent-
lich nichts/ was nach einer Magd oder Untu-
gend ruͤche/ ſaugen wuͤrde. Als Gertrud dieſen
Vorſchlag vernahm/ ſeuffzete ſie/ und gab ſich
endlich in der Anweſenden Willen/ iedoch legte
ſie vorher ihren Sohn an beyde Bruͤſte/ und ba-
dete ſelbten mit mehr Thraͤnen-Saltze/ als er
Milch aus dem reichen Vorrathe ihrer Bruͤſte
tranck; wormit ſie zum minſten durch dieſe er-
ſtere Nahrung ihrer Mutter-Pflicht etlicher
maſſen ein Genuͤgen thaͤte. Hierauff muſte

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[1150[1152]/1214] Siebendes Buch Leibes-Fruͤchte zu naͤhren eroͤffnen; wie mag man meine Grauſamkeit mit dem Mangel unfruchtbarer Weiber entſchuldigen? Verge- bens muͤht ihr euch auch mir eines durch dieſen Traum aufzubinden: daß die Natur fuͤr Kin- der zwar die Nahrung/ aber nicht ſo genau ih- rer Muͤtter erfordere. Warum geben dieſe fal- ſche Ausleger der natuͤrlichen Geheimnuͤße nicht auch fuͤr: es liege nichts daran/ in weſſen Leibe/ oder aus weſſen Saamen Kinder zuſam- men geronnen ſind? Sintemahl ja dieſer von den Lebens-Geiſtern in den Bruͤſten weiß ge- laͤuterte Safft eben das Blut iſt/ welches das Kind in der Mutter genehret hat; welches die weiſe Heb-Amme und Kinder-Waͤrterin die Natur/ ſo bald ſie das Kind in Mutterleibe voll- kommen gemacht hat/ mit unbegreiflicher Kunſt in geheimen Roͤhren in das oberſte Theil der Mutter empor zeucht; und zu der Gebohrnen anſtaͤndigem Brod und Weine bereitet. Jſt es aber nicht wahr: daß nicht alle Speiſen allen ſchmecken/ oder geſund ſind? daß die Natur fuͤr einem Getraͤncke dieſem einen Eckel/ jenem darzu eine Luͤſternheit eingepflantzt hat? habt ihr nie geſehen/ wie neugebohrne Kinder ins gemein an fremden Bruͤſten nicht ſaugen wol- len? Glaubet ihr nicht: daß wie die Krafft des Elterlichen Saamens in den Kindern die Aehnligkeit des Leibes und Gemuͤthes verur- ſache; alſo die Mutter-Milch ihm ihre Eigen- ſchafften einfloͤſſe. Machet doch die getrunckene Schaf-Milch den Ziegen weichere Haare/ und Ziegen-Milch bey den Schafen haͤrtere Wolle. Der Safft der Erde/ welcher der Baͤume und Pflantzen Milch iſt/ machet in Trauben/ in Granat-Aepffeln/ und andern Fruͤchten einen ſo groſſen Unterſcheid: daß niemand glauben wuͤrde/ beydes ſey aus einerley Weinſtoͤcken/ Geſaͤme und Stauden entſproſſen. Warum ſoll nicht auch die Milch einer unedlen/ einer an Leibe oder Gemuͤthe ungeſunden Amme/ denen berꝛlichẽ Eigenſchafften eines edlen Kindes Ab- bruch thun? Wiſſet ihr wol eine vernuͤnfftigere Urſache/ warum mehrmahls Fuͤrſtliche Kinder ihren Helden-Vaͤtern/ ihren tugendhafften Muͤttern/ mit keiner Ader aͤhnlich ſind/ auffzu- finden; Als daß man ſelbte einer furchtſamen Auslaͤnderin/ einer geilen Magd/ einer unge- neußigen Amme zur Saͤugung uͤbergeben? Leitholde hoͤrete dieſer aus muͤtterlicher Liebe her aus ſtoſſenden Ungedult mit ſo viel mehr Gedult zu; weil ſie wuſte: daß ſich undienliche Quellen und hefftige Regungen nicht verſtopf- fen lieſſen/ ſondern man ſie auf die Seite leiten muͤſte. Daher hielt ſie ihr/ nach dem ſie ſelbſt zu reden auf hoͤrte/ anfangs ein: daß ſie an ihrem Sohne keine grauſamere Unbarmhertzigkeit/ als durch ihren verlangten Tod veruͤben koͤnte; ja/ wenn ſie ſeine Entfernung hinderte/ wuͤrde ſie ihren Ehgemahl zum Vater-Moͤrder ihres Kindes machen; weil die Eyverſucht ihm deſſen Hinrichtung als eine gerechte Rache/ und eine ruhmbare Vertilgung einer unaͤchten Miß- geburt fuͤrbilden wuͤrde. Was koͤnte aber ſchrecklicher ſeyn/ als ſeines Kindes Scharff- richterin werden/ und ſein Ehgemahl in ab- ſcheuliche Laſter ſtuͤrtzen. Die Geſetze der Na- tur waͤren wol heilig; aber dem goͤttlichen Ver- haͤngnuͤße/ welches offt davon Abſaͤtze machte/ folgen/ noch heiliger. Die fuͤr ihren Sohn be- ſtimmte Amme waͤre ihre eigene Tochter/ wel- che/ wie auch ihr Ehmann/ Gertruden ſo wol von Gemuͤthe/ als Gebluͤte bekandt waͤre; alſo dieſer junge Fuͤrſt aus ihren Bruͤſten hoffent- lich nichts/ was nach einer Magd oder Untu- gend ruͤche/ ſaugen wuͤrde. Als Gertrud dieſen Vorſchlag vernahm/ ſeuffzete ſie/ und gab ſich endlich in der Anweſenden Willen/ iedoch legte ſie vorher ihren Sohn an beyde Bruͤſte/ und ba- dete ſelbten mit mehr Thraͤnen-Saltze/ als er Milch aus dem reichen Vorrathe ihrer Bruͤſte tranck; wormit ſie zum minſten durch dieſe er- ſtere Nahrung ihrer Mutter-Pflicht etlicher maſſen ein Genuͤgen thaͤte. Hierauff muſte nur/

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1150[1152]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1214>, abgerufen am 23.11.2024.