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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] nen klugen Staats-Mann abgab; in dem er
dem Semnonischen Adel grössere Freyheiten
enträumte; wolwissende: daß wenn man die
Köpffe abschneiden will/ die Glieder gestreichelt
und eingeschläfft werden müssen. Eben zur
selbten Zeit hatten die Lygier und Burgundier
wieder die Burier und Marsinger einen bluti-
gen Krieg angehoben. Die Verbitterung war
zwischen ihnen so viel grösser/ weil sie einander
verwand/ und allesamt Scherben eines für Zei-
ten grossen Reiches waren; Die Lygier aber al-
le Gefangenen ihrem bey den Naharvalen in
einem Heyne verehrten Gotte gewiedmet hat-
ten; in welchem Falle nicht nur die Feinde/ son-
dern so gar auch die Pferde müssen abgeschlach-
tet werden. Der Vorwand war: daß die Ly-
gier von denen an dem obersten Jader-Flusse
gelegenen Osen einem dahin eingesessenen
Pannonischen Volcke die Marsinger keine jähr-
kiche Schatzung mehr erheben lassen; diese aber
solche den Lygiern nicht enthängen wolten.
Marbod schickte deßhalben den daselbst bekand-
ten Vannius zu den Marsingern und Buri-
ern/ und bot ihnen so viel Hülffs-Völcker an/
als sie verlangten. Dieser brachte es durch seine
kluge Handlung so weit: daß alle Marsingische
und Burische Fürsten; welche nach vieljähri-
ger Zwietracht nichts minder der zertheilten
Ober-Herrschafft/ als der blutigen Kriege über-
drüßig waren/ den König Marbod für ihren
Schutz-Herrn annahmen; und ihre Länder
gleichsam dem Bojischen Reiche einverleibten.
Hier auff vereinbarten Marbod und alle diese
Fürsten ihre Waffen/ trieben die Lygier und
Burgundier nicht allein zurücke/ sondern fie-
len auch mit dreyen mächtigen Heeren bey den
Burgundiern/ Lygiern und Logionen ein; wel-
che alle die Länder an der lincken Seite der
Weichsel bewohnen; und noch ferner in die
Arier/ Helvekoner/ Manimer/ Elysier/ und
Naharvaler eingetheilet werden. Diese Völ-
cker liesserten zwar unter dem Aschenburgischen
[Spaltenumbruch] Gebürge dem Könige Marbod mit grosser
Hertzhafftigkeit eine Schlacht; weil sie aber nur
unordentlich zu scharmützeln/ Marbods Völ-
cker aber nach Römischer Kriegs-Art mit ge-
schlossenen Hauffen allenthalben durch zubre-
chen gewohnt waren; zohen jene den Kürtzern/
und blieben zwey Fürsten der Lygier mit acht
tausend Kriegs-Leuten auf der Wallstatt. Wor-
auf sie sich in ihre Wälder verkrochen/ ihre ei-
gene Dörffer anzündeten/ dem Feinde die Le-
bens-Mittel abzuschneiden/ und nur durch
vielfältige Einfälle ihren Feind ermüdeten.
Weil nun die Lygier durch keine Kriegs-List
aus ihrem Vortheil zu locken waren; rieth
Vannius mit der grösten Macht bey den Na-
harvalen einzudringen/ weil alle diese Völcker
mit denen angräntzenden Peucinen bey der
Stadt Carrodun in einem hochheiligen Heyne
zwey Jünglinge/ wie die Griechen den Castor
und Pollux Göttlich verehrten; welches der ge-
meinen Meinung nach zwey ver götterte Für-
sten der Marsinger und Lygier gewest/ und
zwar in einer Schlacht von den einbrechenden
Scythen erschlagen/ gleich wol aber diese bey ih-
rem blutigen Siege von jenen derogestalt ge-
schwächet worden seyn sollen: daß sie mit Furcht
und Schrecken sich wieder über den Fluß Ta-
nais geflüchtet/ und zur Beute nichts/ als viel
Säcke abgeschnittener Ohren zurücke gebracht;
hingegen wol hundert tausend Menschen im
Stiche gelassen hätten. Gleichwol aber würden
diese heiligen Helden in keinem Bildnüsse ver-
ehret. Der Priester dieses Heiligthums verrich-
tete die Opffer nach Art der Assyrischen Venus-
Priester in Weibes-Kleidern; welche dieser
zweyen Fürsten Mutter getragen haben soll/
und zugleich alldar verehret wird. Weil dieser
Heyn nun ihr gröstes Heiligthum ist; kein Ding
aber auf der Welt ehe als Aber glauben mensch-
liche Gemüther zu verzweifelten Entschlüssun-
gen bringet; würden diese Völcker bey fürge-
nommener Ausrottung dieses Heyns zweiffels-

frey

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] nen klugen Staats-Mann abgab; in dem er
dem Semnoniſchen Adel groͤſſere Freyheiten
entraͤumte; wolwiſſende: daß wenn man die
Koͤpffe abſchneiden will/ die Glieder geſtreichelt
und eingeſchlaͤfft werden muͤſſen. Eben zur
ſelbten Zeit hatten die Lygier und Burgundier
wieder die Burier und Marſinger einen bluti-
gen Krieg angehoben. Die Verbitterung war
zwiſchen ihnen ſo viel groͤſſer/ weil ſie einander
verwand/ und alleſamt Scherben eines fuͤr Zei-
ten groſſen Reiches waren; Die Lygier aber al-
le Gefangenen ihrem bey den Naharvalen in
einem Heyne verehrten Gotte gewiedmet hat-
ten; in welchem Falle nicht nur die Feinde/ ſon-
dern ſo gar auch die Pferde muͤſſen abgeſchlach-
tet werden. Der Vorwand war: daß die Ly-
gier von denen an dem oberſten Jader-Fluſſe
gelegenen Oſen einem dahin eingeſeſſenen
Pañoniſchen Volcke die Marſinger keine jaͤhr-
kiche Schatzung mehr erheben laſſen; dieſe aber
ſolche den Lygiern nicht enthaͤngen wolten.
Marbod ſchickte deßhalben den daſelbſt bekand-
ten Vannius zu den Marſingern und Buri-
ern/ und bot ihnen ſo viel Huͤlffs-Voͤlcker an/
als ſie verlangten. Dieſer brachte es durch ſeine
kluge Handlung ſo weit: daß alle Marſingiſche
und Buriſche Fuͤrſten; welche nach vieljaͤhri-
ger Zwietracht nichts minder der zertheilten
Ober-Herꝛſchafft/ als der blutigen Kriege uͤber-
druͤßig waren/ den Koͤnig Marbod fuͤr ihren
Schutz-Herꝛn annahmen; und ihre Laͤnder
gleichſam dem Bojiſchen Reiche einverleibten.
Hier auff vereinbarten Marbod und alle dieſe
Fuͤrſten ihre Waffen/ trieben die Lygier und
Burgundier nicht allein zuruͤcke/ ſondern fie-
len auch mit dreyen maͤchtigen Heeren bey den
Burgundiern/ Lygiern und Logionen ein; wel-
che alle die Laͤnder an der lincken Seite der
Weichſel bewohnen; und noch ferner in die
Arier/ Helvekoner/ Manimer/ Elyſier/ und
Naharvaler eingetheilet werden. Dieſe Voͤl-
cker lieſſerten zwar unter dem Aſchenburgiſchen
[Spaltenumbruch] Gebuͤrge dem Koͤnige Marbod mit groſſer
Hertzhafftigkeit eine Schlacht; weil ſie aber nur
unordentlich zu ſcharmuͤtzeln/ Marbods Voͤl-
cker aber nach Roͤmiſcher Kriegs-Art mit ge-
ſchloſſenen Hauffen allenthalben durch zubre-
chen gewohnt waren; zohen jene den Kuͤrtzern/
und blieben zwey Fuͤrſten der Lygier mit acht
tauſend Kriegs-Leuten auf der Wallſtatt. Wor-
auf ſie ſich in ihre Waͤlder verkrochen/ ihre ei-
gene Doͤrffer anzuͤndeten/ dem Feinde die Le-
bens-Mittel abzuſchneiden/ und nur durch
vielfaͤltige Einfaͤlle ihren Feind ermuͤdeten.
Weil nun die Lygier durch keine Kriegs-Liſt
aus ihrem Vortheil zu locken waren; rieth
Vannius mit der groͤſten Macht bey den Na-
harvalen einzudringen/ weil alle dieſe Voͤlcker
mit denen angraͤntzenden Peucinen bey der
Stadt Carrodun in einem hochheiligen Heyne
zwey Juͤnglinge/ wie die Griechen den Caſtor
und Pollux Goͤttlich verehrten; welches der ge-
meinen Meinung nach zwey ver goͤtterte Fuͤr-
ſten der Marſinger und Lygier geweſt/ und
zwar in einer Schlacht von den einbrechenden
Scythen erſchlagen/ gleich wol aber dieſe bey ih-
rem blutigen Siege von jenen derogeſtalt ge-
ſchwaͤchet worden ſeyn ſollen: daß ſie mit Furcht
und Schrecken ſich wieder uͤber den Fluß Ta-
nais gefluͤchtet/ und zur Beute nichts/ als viel
Saͤcke abgeſchnittener Ohren zuruͤcke gebracht;
hingegen wol hundert tauſend Menſchen im
Stiche gelaſſen haͤtten. Gleichwol aber wuͤrden
dieſe heiligen Helden in keinem Bildnuͤſſe ver-
ehret. Der Prieſter dieſes Heiligthums verrich-
tete die Opffer nach Art der Aſſyriſchen Venus-
Prieſter in Weibes-Kleidern; welche dieſer
zweyen Fuͤrſten Mutter getragen haben ſoll/
und zugleich alldar verehret wird. Weil dieſer
Heyn nun ihr groͤſtes Heiligthum iſt; kein Ding
aber auf der Welt ehe als Aber glauben menſch-
liche Gemuͤther zu verzweifelten Entſchluͤſſun-
gen bringet; wuͤrden dieſe Voͤlcker bey fuͤrge-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1140[1142]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1204>, abgerufen am 23.11.2024.