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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Springen zuerkennt ward. Die Preiße wa-
ren etliche schöne Pferde/ etliche Rüstungen/
schöne Bogen und Pfeile; und iedem ward von
Hedwigen/ (also hieß des Ritter Schaffes
Braut) ein zierlicher Krantz auffgesetzt. Wie
nun Marbod mit freyem Anlitze für der schö-
nen Hedwig erschien/ seinen Preiß zu empfan-
gen/ erkennte ihn zu allem Unglücke Erdmann
der Semnonische Fürst; welcher unter des ent-
haupteten Fürsten Britton Heere tausend Reu-
ter geführet hatte. Marbod hatte nur mit ge-
bührender Ehrerbietigkeit sich nach empfange-
nem Krantze umgewendet; als Erdmann zu sei-
nem Nachbar sagte: dieses wäre Marbod. Der
Ritter versetzte: wie diß möglich wäre: daß ein
solcher König sich allein in ein so fremdes Land
mit nicht geringer Gefahr wagen solte? Erd-
mann aber blieb beständig: Er kennte ihn all-
zu eigen; und weil verlautete: daß Gottwald
mit den Bojen wieder ihn einen Auffstand er-
regt hätte; wäre möglich: daß er über das Ge-
bürge sich gerettet hätte. So muß man denn/
sagte Promnitz/ diesen Fürsten-Mörder/ und
welcher gantz Deutschland in Verwirrung ge-
setzt/ beym Kopffe nehmen/ und an ihm eine
Rache ausüben; welche durch ihre Grausam-
keit allen so übelgesinnten Unterthanen ein
Schrecken einjage. Die Sache gehet alle
Fürsten an; und ist einem ieden daran gelegen
zu verhüten: daß der/ welcher gehorsamen soll/
nicht verstehen lerne: daß er seinem Gebieter
könne zu Kopffe wachsen. Nostitz fiel ein:
Ritter Schaf dörffte es nicht wol aufnehmen;
oder zum minsten es für kein gutes Zeichen hal-
ten: daß er in seinem Hochzeit-Feyer solte in
Gefangenschafft verfallen. Promnitz melde-
te hier auff: wir müssen es gleichwol dem Bräu-
tigam nicht verschweigen; und zum minsten auf
diesen Wütterich acht haben: daß wir uns sei-
ner in der Nähe bemächtigen. Vannius
hörte dieses Gespräche mit an; und nach dem
[Spaltenumbruch] er ein wenig nachgedacht/ ließ er seinen Preiß
im Stiche/ folgte dem Marbod; und sagte im
Vorbeyreiten zu ihm: Folge mir/ Marbod/
oder du bist verlohren. So bald Vannius
nun aus den Schrancken kommen war/ gab er
seinem Pferde die Sporen; und rennte/ so
sehr er nur konte/ Westwerts dem nechsten
Walde zu. König Marbod/ der aus des
Vannius wenigen Worten seine grosse Ge-
fahr genungsam ermessen konte/ gab dem auff
der Seite haltenden Lichtenstein und Tannen-
berg einen Winck/ und folgte dem Vannius;
welcher in dem Walde ihm seine Erkäntnüs;
und daß er unzweiffelbar verfolgt werden
würde/ umständlich entdeckte. Sintemahl
alle Semnonische und Marsingische Fürsten
dem Fürsten Britton mit naher Bluts-
Freundschafft verwandt wären. Weil er ihm
nun Anlaß gegeben/ diese Ritter-Spiele zu
besuchen/ und also in diese Gefahr zu verfal-
len; wolte er lieber sein Leben einbüssen/ als
den übeln Nachklang haben: daß er eine Ur-
sache seines Verterbens wäre. Wiewol nun
König Marbod nach möglichster Dancksa-
gung für so unverdiente Treue und Wolthat
ihn bereden wolte/ daß er zurück bleiben/ ihm
und den Seinigen nicht unausleschlichen Haß
zuziehen solte; wolte sich doch Vannius nicht
halten lassen; weil ihnen die Wege unbekandt
wären/ sie also nicht allein desto ehe ereilet wer-
den/ sondern auch bey denen Semnonern in
neue Gefahr verfallen möchten. Diesemnach
führte sie Vannius über viel Berge und durch
dicke Wälder selbigen Tag noch biß an die
Kweiß-Bach/ welche die Marsinger und
Semnoner unter scheidet. Sie wolten da-
selbst gleich absteigen und ein wenig verbla-
sen; als sie hinter sich ein Geräusche von
Pferden vernahmen. Diesemnach sie zu ih-
ren Waffen grieffen; und auch alsofort
von zehen Gewaffneten angefallen wurden.

Wie-
D d d d d d d 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Springen zuerkennt ward. Die Preiße wa-
ren etliche ſchoͤne Pferde/ etliche Ruͤſtungen/
ſchoͤne Bogen und Pfeile; und iedem ward von
Hedwigen/ (alſo hieß des Ritter Schaffes
Braut) ein zierlicher Krantz auffgeſetzt. Wie
nun Marbod mit freyem Anlitze fuͤr der ſchoͤ-
nen Hedwig erſchien/ ſeinen Preiß zu empfan-
gen/ erkennte ihn zu allem Ungluͤcke Erdmann
der Semnoniſche Fuͤrſt; welcher unter des ent-
haupteten Fuͤrſten Britton Heere tauſend Reu-
ter gefuͤhret hatte. Marbod hatte nur mit ge-
buͤhrender Ehrerbietigkeit ſich nach empfange-
nem Krantze umgewendet; als Erdmann zu ſei-
nem Nachbar ſagte: dieſes waͤre Marbod. Der
Ritter verſetzte: wie diß moͤglich waͤre: daß ein
ſolcher Koͤnig ſich allein in ein ſo fremdes Land
mit nicht geringer Gefahr wagen ſolte? Erd-
mann aber blieb beſtaͤndig: Er kennte ihn all-
zu eigen; und weil verlautete: daß Gottwald
mit den Bojen wieder ihn einen Auffſtand er-
regt haͤtte; waͤre moͤglich: daß er uͤber das Ge-
buͤrge ſich gerettet haͤtte. So muß man denn/
ſagte Promnitz/ dieſen Fuͤrſten-Moͤrder/ und
welcher gantz Deutſchland in Verwirrung ge-
ſetzt/ beym Kopffe nehmen/ und an ihm eine
Rache ausuͤben; welche durch ihre Grauſam-
keit allen ſo uͤbelgeſinnten Unterthanen ein
Schrecken einjage. Die Sache gehet alle
Fuͤrſten an; und iſt einem ieden daran gelegen
zu verhuͤten: daß der/ welcher gehorſamen ſoll/
nicht verſtehen lerne: daß er ſeinem Gebieter
koͤnne zu Kopffe wachſen. Noſtitz fiel ein:
Ritter Schaf doͤrffte es nicht wol aufnehmen;
oder zum minſten es fuͤr kein gutes Zeichen hal-
ten: daß er in ſeinem Hochzeit-Feyer ſolte in
Gefangenſchafft verfallen. Promnitz melde-
te hier auff: wir muͤſſen es gleichwol dem Braͤu-
tigam nicht verſchweigen; und zum minſten auf
dieſen Wuͤtterich acht haben: daß wir uns ſei-
ner in der Naͤhe bemaͤchtigen. Vannius
hoͤrte dieſes Geſpraͤche mit an; und nach dem
[Spaltenumbruch] er ein wenig nachgedacht/ ließ er ſeinen Preiß
im Stiche/ folgte dem Marbod; und ſagte im
Vorbeyreiten zu ihm: Folge mir/ Marbod/
oder du biſt verlohren. So bald Vannius
nun aus den Schrancken kommen war/ gab er
ſeinem Pferde die Sporen; und rennte/ ſo
ſehr er nur konte/ Weſtwerts dem nechſten
Walde zu. Koͤnig Marbod/ der aus des
Vannius wenigen Worten ſeine groſſe Ge-
fahr genungſam ermeſſen konte/ gab dem auff
der Seite haltenden Lichtenſtein und Tannen-
berg einen Winck/ und folgte dem Vannius;
welcher in dem Walde ihm ſeine Erkaͤntnuͤs;
und daß er unzweiffelbar verfolgt werden
wuͤrde/ umſtaͤndlich entdeckte. Sintemahl
alle Semnoniſche und Marſingiſche Fuͤrſten
dem Fuͤrſten Britton mit naher Bluts-
Freundſchafft verwandt waͤren. Weil er ihm
nun Anlaß gegeben/ dieſe Ritter-Spiele zu
beſuchen/ und alſo in dieſe Gefahr zu verfal-
len; wolte er lieber ſein Leben einbuͤſſen/ als
den uͤbeln Nachklang haben: daß er eine Ur-
ſache ſeines Verterbens waͤre. Wiewol nun
Koͤnig Marbod nach moͤglichſter Danckſa-
gung fuͤr ſo unverdiente Treue und Wolthat
ihn bereden wolte/ daß er zuruͤck bleiben/ ihm
und den Seinigen nicht unausleſchlichen Haß
zuziehen ſolte; wolte ſich doch Vannius nicht
halten laſſen; weil ihnen die Wege unbekandt
waͤren/ ſie alſo nicht allein deſto ehe ereilet wer-
den/ ſondern auch bey denen Semnonern in
neue Gefahr verfallen moͤchten. Dieſemnach
fuͤhrte ſie Vannius uͤber viel Berge und durch
dicke Waͤlder ſelbigen Tag noch biß an die
Kweiß-Bach/ welche die Marſinger und
Semnoner unter ſcheidet. Sie wolten da-
ſelbſt gleich abſteigen und ein wenig verbla-
ſen; als ſie hinter ſich ein Geraͤuſche von
Pferden vernahmen. Dieſemnach ſie zu ih-
ren Waffen grieffen; und auch alſofort
von zehen Gewaffneten angefallen wurden.

Wie-
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[1133[1135]/1197] Arminius und Thußnelda. Springen zuerkennt ward. Die Preiße wa- ren etliche ſchoͤne Pferde/ etliche Ruͤſtungen/ ſchoͤne Bogen und Pfeile; und iedem ward von Hedwigen/ (alſo hieß des Ritter Schaffes Braut) ein zierlicher Krantz auffgeſetzt. Wie nun Marbod mit freyem Anlitze fuͤr der ſchoͤ- nen Hedwig erſchien/ ſeinen Preiß zu empfan- gen/ erkennte ihn zu allem Ungluͤcke Erdmann der Semnoniſche Fuͤrſt; welcher unter des ent- haupteten Fuͤrſten Britton Heere tauſend Reu- ter gefuͤhret hatte. Marbod hatte nur mit ge- buͤhrender Ehrerbietigkeit ſich nach empfange- nem Krantze umgewendet; als Erdmann zu ſei- nem Nachbar ſagte: dieſes waͤre Marbod. Der Ritter verſetzte: wie diß moͤglich waͤre: daß ein ſolcher Koͤnig ſich allein in ein ſo fremdes Land mit nicht geringer Gefahr wagen ſolte? Erd- mann aber blieb beſtaͤndig: Er kennte ihn all- zu eigen; und weil verlautete: daß Gottwald mit den Bojen wieder ihn einen Auffſtand er- regt haͤtte; waͤre moͤglich: daß er uͤber das Ge- buͤrge ſich gerettet haͤtte. So muß man denn/ ſagte Promnitz/ dieſen Fuͤrſten-Moͤrder/ und welcher gantz Deutſchland in Verwirrung ge- ſetzt/ beym Kopffe nehmen/ und an ihm eine Rache ausuͤben; welche durch ihre Grauſam- keit allen ſo uͤbelgeſinnten Unterthanen ein Schrecken einjage. Die Sache gehet alle Fuͤrſten an; und iſt einem ieden daran gelegen zu verhuͤten: daß der/ welcher gehorſamen ſoll/ nicht verſtehen lerne: daß er ſeinem Gebieter koͤnne zu Kopffe wachſen. Noſtitz fiel ein: Ritter Schaf doͤrffte es nicht wol aufnehmen; oder zum minſten es fuͤr kein gutes Zeichen hal- ten: daß er in ſeinem Hochzeit-Feyer ſolte in Gefangenſchafft verfallen. Promnitz melde- te hier auff: wir muͤſſen es gleichwol dem Braͤu- tigam nicht verſchweigen; und zum minſten auf dieſen Wuͤtterich acht haben: daß wir uns ſei- ner in der Naͤhe bemaͤchtigen. Vannius hoͤrte dieſes Geſpraͤche mit an; und nach dem er ein wenig nachgedacht/ ließ er ſeinen Preiß im Stiche/ folgte dem Marbod; und ſagte im Vorbeyreiten zu ihm: Folge mir/ Marbod/ oder du biſt verlohren. So bald Vannius nun aus den Schrancken kommen war/ gab er ſeinem Pferde die Sporen; und rennte/ ſo ſehr er nur konte/ Weſtwerts dem nechſten Walde zu. Koͤnig Marbod/ der aus des Vannius wenigen Worten ſeine groſſe Ge- fahr genungſam ermeſſen konte/ gab dem auff der Seite haltenden Lichtenſtein und Tannen- berg einen Winck/ und folgte dem Vannius; welcher in dem Walde ihm ſeine Erkaͤntnuͤs; und daß er unzweiffelbar verfolgt werden wuͤrde/ umſtaͤndlich entdeckte. Sintemahl alle Semnoniſche und Marſingiſche Fuͤrſten dem Fuͤrſten Britton mit naher Bluts- Freundſchafft verwandt waͤren. Weil er ihm nun Anlaß gegeben/ dieſe Ritter-Spiele zu beſuchen/ und alſo in dieſe Gefahr zu verfal- len; wolte er lieber ſein Leben einbuͤſſen/ als den uͤbeln Nachklang haben: daß er eine Ur- ſache ſeines Verterbens waͤre. Wiewol nun Koͤnig Marbod nach moͤglichſter Danckſa- gung fuͤr ſo unverdiente Treue und Wolthat ihn bereden wolte/ daß er zuruͤck bleiben/ ihm und den Seinigen nicht unausleſchlichen Haß zuziehen ſolte; wolte ſich doch Vannius nicht halten laſſen; weil ihnen die Wege unbekandt waͤren/ ſie alſo nicht allein deſto ehe ereilet wer- den/ ſondern auch bey denen Semnonern in neue Gefahr verfallen moͤchten. Dieſemnach fuͤhrte ſie Vannius uͤber viel Berge und durch dicke Waͤlder ſelbigen Tag noch biß an die Kweiß-Bach/ welche die Marſinger und Semnoner unter ſcheidet. Sie wolten da- ſelbſt gleich abſteigen und ein wenig verbla- ſen; als ſie hinter ſich ein Geraͤuſche von Pferden vernahmen. Dieſemnach ſie zu ih- ren Waffen grieffen; und auch alſofort von zehen Gewaffneten angefallen wurden. Wie- D d d d d d d 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1133[1135]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1197>, abgerufen am 23.11.2024.