Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Die Welt hat eine Perl'/ und eine Sonn' an dir; So soltestu nun zwar in Purpur-Schalen/ Ja nur an dem Saphirnen Himmel pralen; Allein die Sonne schläfft auch neben Ochs' und Stier; Und die beperlten Muscheln schämen/ Sich nicht in Sand und Schilff zu sämen. Du wirst mein liebstes Schaf/ und ich dein Hirte seyn; Jch werde dich mit Milch und Honig pflegen; Den Mund dir auf/ die Hand dir unterlegen/ Die Schaare kommt zwar offt/ doch bleibt der Nutz gemein/ Und alle Müh dich zu vergnügen Wird nur auff meinen Hüfften liegen. Bey währendem Singen streichelte sie an- Weil Spinnen auch Gewebe ziehen/ Weil ieder Fischer Arglist braucht/ Jedwe des Feuer schwärtzt und raucht/ Dorn und Napel in Gärten blühen; Weil Unschuld nur wohnt Schaffen bey/ Erkies' ich mir die Schäfferey. Hiermit faste sie mit beyden Händen des zwar D d d d d d d 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Die Welt hat eine Perl’/ und eine Sonn’ an dir; So ſolteſtu nun zwar in Purpur-Schalen/ Ja nur an dem Saphirnen Himmel pralen; Allein die Sonne ſchlaͤfft auch neben Ochſ’ und Stier; Und die beperlten Muſcheln ſchaͤmen/ Sich nicht in Sand und Schilff zu ſaͤmen. Du wirſt mein liebſtes Schaf/ und ich dein Hirte ſeyn; Jch werde dich mit Milch und Honig pflegen; Den Mund dir auf/ die Hand dir unterlegen/ Die Schaare kommt zwar offt/ doch bleibt der Nutz gemein/ Und alle Muͤh dich zu vergnuͤgen Wird nur auff meinen Huͤfften liegen. Bey waͤhrendem Singen ſtreichelte ſie an- Weil Spinnen auch Gewebe ziehen/ Weil ieder Fiſcher Argliſt braucht/ Jedwe des Feuer ſchwaͤrtzt und raucht/ Dorn und Napel in Gaͤrten bluͤhen; Weil Unſchuld nur wohnt Schaffen bey/ Erkieſ’ ich mir die Schaͤfferey. Hiermit faſte ſie mit beyden Haͤnden des zwar D d d d d d d 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f1195" n="1131[1133]"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi> </fw><lb/> <cb/> <lg n="5"> <l>Die Welt hat eine Perl’/ und eine Sonn’ an dir;</l><lb/> <l>So ſolteſtu nun zwar in Purpur-Schalen/</l><lb/> <l>Ja nur an dem Saphirnen Himmel pralen;</l><lb/> <l>Allein die Sonne ſchlaͤfft auch neben Ochſ’ und Stier;</l><lb/> <l>Und die beperlten Muſcheln ſchaͤmen/</l><lb/> <l>Sich nicht in Sand und Schilff zu ſaͤmen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Du wirſt mein liebſtes Schaf/ und ich dein Hirte ſeyn;</l><lb/> <l>Jch werde dich mit Milch und Honig pflegen;</l><lb/> <l>Den Mund dir auf/ die Hand dir unterlegen/</l><lb/> <l>Die Schaare kommt zwar offt/ doch bleibt der Nutz gemein/</l><lb/> <l>Und alle Muͤh dich zu vergnuͤgen</l><lb/> <l>Wird nur auff meinen Huͤfften liegen.</l> </lg> </lg><lb/> <p>Bey waͤhrendem Singen ſtreichelte ſie an-<lb/> fangs das Lamm mit den Haͤnden/ hernach<lb/> hob ſie es gar auff die Schoos. Sie faͤrbte und<lb/> entfaͤrbte mehrmahls das Antlitz; die Bruͤſte<lb/> ſchwelleten ſich zum oͤfftern von tieffem Athem-<lb/> holen auf; ja man konte genau wahrnehmen:<lb/> wie ihr Hertze ſchneller/ als vorhin zu ſchlagen<lb/> anfieng/ und ihr Gemuͤthe mit neuen Regun-<lb/> gen beunruhigt ward. Unterdeſſen verwen-<lb/> dete ſie doch kein Auge von dem knienden Schaͤ-<lb/> fer; aus’ welchen nunmehr auch eine Anzahl<lb/> milder Thraͤnen herfuͤr brach; gleich als wenn<lb/> ſie ſelbte vollkommen denen Steinen aͤhnlich<lb/> machen wolte; aus welchen ſo wol Waſſer her-<lb/> fuͤr zu quellen; als man daraus Feuer zu ſchla-<lb/> gen pfleget. Sie aber nunmehr den mit ihren<lb/> Zaͤhren kuͤhlen wolte/ den ſie vorher mit den<lb/> Strahlen angeſteckt hatte. So bald aber dieſer<lb/> Schaͤffer ſein Lied endigte/ und gleichſam zwi-<lb/> ſchen Furcht und Hoffnung ſein Todes- oder<lb/> Lebens-Urthel erwartete; hob ſie mit einer<lb/> gleichſam Seele und Marck durchdringenden<lb/> Stimme zu ſingen an:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Weil Spinnen auch Gewebe ziehen/</l><lb/> <l>Weil ieder Fiſcher Argliſt braucht/</l><lb/> <l>Jedwe des Feuer ſchwaͤrtzt und raucht/</l><lb/> <l>Dorn und Napel in Gaͤrten bluͤhen;</l><lb/> <l>Weil Unſchuld nur wohnt Schaffen bey/</l><lb/> <l>Erkieſ’ ich mir die Schaͤfferey.</l> </lg><lb/> <p>Hiermit faſte ſie mit beyden Haͤnden des<lb/> knienden Schaͤffers Haupt/ kuͤſte ihn auff die<lb/> Stirne; ſtand auf/ ergrieff den fuͤr ihr liegen-<lb/><cb/> den Schaͤffer-Stab; und noͤthigte den Schaͤ-<lb/> fer ſich auch wieder auf die Beine zu machen;<lb/> welcher ſchier unbeweglich worden war/ weil er<lb/> ſeine Gluͤckſeligkeit nicht begreiffen konte; und<lb/> die Zunge nicht mehr zu ruͤhren vermochte/ in-<lb/> dem nichts minder ungemeine Freude/ als uͤ-<lb/> bermaͤßige Beſtuͤrtzung dieſes bewegliche Glied<lb/> zu hemmen vermag. Die anweſenden Schaͤ-<lb/> fer umgaben dieſe zwey Neulinge in der Liebe;<lb/> erfuͤllten die Lufft mit einem unglaublichen<lb/> Freuden-Geſchrey/ unzehlbaren Lobſpruͤchen<lb/> beyder Verliebten/ und inbruͤnſtigen Gluͤck-<lb/> wuͤnſchungen. Ja welches denen Zuſchauern<lb/> am wunderlichſten fuͤrkam; verwandelten die<lb/> Neben-Buhler ihre vorige Liebe in Gewogen-<lb/> heit gegen den verliebten Schaͤffer; und an ſtatt<lb/> der vermutheten Eyverſucht/ urtheilten ſie ihn<lb/> alleine wuͤrdig dieſe Perle des Landes zu beſiz-<lb/> zen. Sie verſicherten ihn: daß ihr Hertz durch<lb/> uͤbermaͤßige Liebe bereit in todte Aſche verkehrt<lb/> worden/ alſo ſelbtes keiner fernern Flamme faͤ-<lb/> hig waͤre. Zwiſchen dieſem allgemeinen Fro-<lb/> locken ward von vier ſchneeweißen Pferden ein<lb/> in Geſtalt einer rundten Muſchel gefertigter<lb/> Wagen herzu gefuͤhret; auff welchen ſich die<lb/> Verliebten ſetzten. Dieſem folgten noch viel<lb/> andere mit Laub und Blumen uͤber und uͤber<lb/> bewundene Wagen; welche die Frauen und<lb/> alle Neben-Buhler aufnahmen/ und gegen ei-<lb/> nem kaum zweytauſend Schritte davon auf ei-<lb/> nem gaͤhen Felſen liegenden Schloſſe fort-<lb/> brachten. Marbod und ſeine zwey Ritter hat-<lb/> ten bey dieſem Gedraͤnge den guten Wurtzel-<lb/> Mann verlohren; und/ weil ſie nicht begreif-<lb/> fen konten: wie in dieſem Lande von Leuten ſo<lb/> niedriger Ankunfft ſo hoͤfliche und geſchickte<lb/> Bezeugungen aus geuͤbt/ und ſo praͤchtige Auf-<lb/> zuͤge erſchwungen werden koͤnten; erſuchten ſie<lb/> einen/ den ſie fuͤr einen Edlen des Landes an-<lb/> ſahen/ um die Auslegung. Dieſer bezeigte<lb/> gegen ſie als Fremdlinge groſſe Freundligkeit;<lb/> und vermeldete: daß bey den Marſingern/ und<lb/> <fw place="bottom" type="sig">D d d d d d d 2</fw><fw place="bottom" type="catch">zwar</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1131[1133]/1195]
Arminius und Thußnelda.
Die Welt hat eine Perl’/ und eine Sonn’ an dir;
So ſolteſtu nun zwar in Purpur-Schalen/
Ja nur an dem Saphirnen Himmel pralen;
Allein die Sonne ſchlaͤfft auch neben Ochſ’ und Stier;
Und die beperlten Muſcheln ſchaͤmen/
Sich nicht in Sand und Schilff zu ſaͤmen.
Du wirſt mein liebſtes Schaf/ und ich dein Hirte ſeyn;
Jch werde dich mit Milch und Honig pflegen;
Den Mund dir auf/ die Hand dir unterlegen/
Die Schaare kommt zwar offt/ doch bleibt der Nutz gemein/
Und alle Muͤh dich zu vergnuͤgen
Wird nur auff meinen Huͤfften liegen.
Bey waͤhrendem Singen ſtreichelte ſie an-
fangs das Lamm mit den Haͤnden/ hernach
hob ſie es gar auff die Schoos. Sie faͤrbte und
entfaͤrbte mehrmahls das Antlitz; die Bruͤſte
ſchwelleten ſich zum oͤfftern von tieffem Athem-
holen auf; ja man konte genau wahrnehmen:
wie ihr Hertze ſchneller/ als vorhin zu ſchlagen
anfieng/ und ihr Gemuͤthe mit neuen Regun-
gen beunruhigt ward. Unterdeſſen verwen-
dete ſie doch kein Auge von dem knienden Schaͤ-
fer; aus’ welchen nunmehr auch eine Anzahl
milder Thraͤnen herfuͤr brach; gleich als wenn
ſie ſelbte vollkommen denen Steinen aͤhnlich
machen wolte; aus welchen ſo wol Waſſer her-
fuͤr zu quellen; als man daraus Feuer zu ſchla-
gen pfleget. Sie aber nunmehr den mit ihren
Zaͤhren kuͤhlen wolte/ den ſie vorher mit den
Strahlen angeſteckt hatte. So bald aber dieſer
Schaͤffer ſein Lied endigte/ und gleichſam zwi-
ſchen Furcht und Hoffnung ſein Todes- oder
Lebens-Urthel erwartete; hob ſie mit einer
gleichſam Seele und Marck durchdringenden
Stimme zu ſingen an:
Weil Spinnen auch Gewebe ziehen/
Weil ieder Fiſcher Argliſt braucht/
Jedwe des Feuer ſchwaͤrtzt und raucht/
Dorn und Napel in Gaͤrten bluͤhen;
Weil Unſchuld nur wohnt Schaffen bey/
Erkieſ’ ich mir die Schaͤfferey.
Hiermit faſte ſie mit beyden Haͤnden des
knienden Schaͤffers Haupt/ kuͤſte ihn auff die
Stirne; ſtand auf/ ergrieff den fuͤr ihr liegen-
den Schaͤffer-Stab; und noͤthigte den Schaͤ-
fer ſich auch wieder auf die Beine zu machen;
welcher ſchier unbeweglich worden war/ weil er
ſeine Gluͤckſeligkeit nicht begreiffen konte; und
die Zunge nicht mehr zu ruͤhren vermochte/ in-
dem nichts minder ungemeine Freude/ als uͤ-
bermaͤßige Beſtuͤrtzung dieſes bewegliche Glied
zu hemmen vermag. Die anweſenden Schaͤ-
fer umgaben dieſe zwey Neulinge in der Liebe;
erfuͤllten die Lufft mit einem unglaublichen
Freuden-Geſchrey/ unzehlbaren Lobſpruͤchen
beyder Verliebten/ und inbruͤnſtigen Gluͤck-
wuͤnſchungen. Ja welches denen Zuſchauern
am wunderlichſten fuͤrkam; verwandelten die
Neben-Buhler ihre vorige Liebe in Gewogen-
heit gegen den verliebten Schaͤffer; und an ſtatt
der vermutheten Eyverſucht/ urtheilten ſie ihn
alleine wuͤrdig dieſe Perle des Landes zu beſiz-
zen. Sie verſicherten ihn: daß ihr Hertz durch
uͤbermaͤßige Liebe bereit in todte Aſche verkehrt
worden/ alſo ſelbtes keiner fernern Flamme faͤ-
hig waͤre. Zwiſchen dieſem allgemeinen Fro-
locken ward von vier ſchneeweißen Pferden ein
in Geſtalt einer rundten Muſchel gefertigter
Wagen herzu gefuͤhret; auff welchen ſich die
Verliebten ſetzten. Dieſem folgten noch viel
andere mit Laub und Blumen uͤber und uͤber
bewundene Wagen; welche die Frauen und
alle Neben-Buhler aufnahmen/ und gegen ei-
nem kaum zweytauſend Schritte davon auf ei-
nem gaͤhen Felſen liegenden Schloſſe fort-
brachten. Marbod und ſeine zwey Ritter hat-
ten bey dieſem Gedraͤnge den guten Wurtzel-
Mann verlohren; und/ weil ſie nicht begreif-
fen konten: wie in dieſem Lande von Leuten ſo
niedriger Ankunfft ſo hoͤfliche und geſchickte
Bezeugungen aus geuͤbt/ und ſo praͤchtige Auf-
zuͤge erſchwungen werden koͤnten; erſuchten ſie
einen/ den ſie fuͤr einen Edlen des Landes an-
ſahen/ um die Auslegung. Dieſer bezeigte
gegen ſie als Fremdlinge groſſe Freundligkeit;
und vermeldete: daß bey den Marſingern/ und
zwar
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