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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch]
Gleichwol laug so Lieb als Zierbe
Zum Veraltern gleichfalls nicht.
Sch[ön]heit ist ein schwindend Licht.
Wohnt in Runtzeln gleich Begierde/
Klebt ihr doch Verschmähung an.
Denn sie brennt/ und steckt nicht an;
Sie gebiehrt nicht bey viel Wieben/
Und erfriert bey Glut und [L]ieben.
Aber dieser Kern der Jahre
Jst gleich recht zu dem Gebrauch.
Drum erkiese dir nun auch
Eine nicht verleg'ne Waare/
Welche lieb ist und verliebt/
Und nicht to die Küsse giebt.
Denn nichts süssers ist zu finden
Als zwey Seelen auf zwey Münden.
Küsse' sind der Liebe Knoten/
Ang- und Aegeln/ die sich müh'n
Unsre Seel' in sich zu ziehin.
Doch beseel'n sie auch die Todten.
Und der Liebe Pein schafft Lust/
Ja es soll'n/ wenn deine Brust
Gleich wird keine Seele tragen/
Doch in dir zwey Hertzen schlagen.

Diese singende Frauen hätten allem Anse-
hen nach dieser aller Zuschauer Augen und
Hertz raubenden Jungfrauen noch bewegli-
cher die Liebe eingelobt; wenn sich nicht eine
wol aufgeputzte Gesellschafft allerhand junger
Mannschafft mit einem anmuthigen Gethöne
diesem Kreiße genähert/ und dardurch so wol
das Stillschweigen der Frauen/ als noch meh-
rern Zulauf des Volckes verursacht hätte. Die-
ser Aufzug war in unterschiedene Hauffen zer-
theilet/ welche nach der Reye ihrer Ankunfft die
Frauen rings umher besetzten. Jm ersten wa-
ren eitel Weber/ welche mit der schönsten Lein-
wand gekleidet/ mit Tannen-Kräntzen auf ge-
putzt waren; und von dem glättesten Ahorn-
Holtze flaserne Wurfften und Weber-Bäume
trugen. Der alleransehnlichste unter ihnen
drang sich in den Kreiß der Frauen/ kniete für
der Jungfrau nieder/ legte Wurffte und We-
ber-Baum ihr zu Füssen/ und fieng nach aller
Anwesenden tieffem Stillschweigen folgender
Weise zu singen an:

[Spaltenumbruch]
Verschmähe/ Göttin/ doch mein lodernd Hertze nicht/
Da Land und Stadt Lob meiner Kunst-Hand giebet;
Da iede Frau ist in mein Werck verliebet/
Und mir steckt zu/ was sie ihr selbst am Leib' abbricht/
Da was mein Webe[r]baum gewehret/
Die Welt unmöglich schier entbehret.
Es ist ja die Natur selbst eine Weberin/
Sie webt's Gestirn' in schwartzen Flor der Nächte/
Das Blumwerck ist auch ihrer Hand Gemächte/
Das sie auf den Damast der Wiesen streuet hin.
Ja daß du athmest/ und ich lebe/
Jst des Verhängnüßes Gewebe.
Das Glücke schiebt bald Gold/ bald schwartze Fädem' ein
Doch eh man's meint/ trennt es des Todes Schere.
Steht nun kein Tag dir nicht für die Gewchre/
Wie mag dein Schönheits-Garn denn sonder Webe seyn?
Jn deiner Hand steh'ts: Tod und Leben/
Gelück und Unfall mir zu weben.
Nicht zweissle: daß die Lieb' auch selbst ein Weber sey;
Sie hat aus dem Gespinste der Gedancken
Dein Bild gewürckt in meiner Seele Schrancken/
Das keine Zeit vertilgt/ kein Unfall reißt entzwey.
Wie magstu mir zu Pein und Lei[d]en/
Denn selbst dein eigen Bild zerschneiden?
Der Gold-Drat deiner Haar' hat wol mein Hertz umwebt/
Doch lacht es andrer Liebe Spinnen-Weben.
Soll meine Seel' hier gleich den Geist aufgeben;
So ist's ihr Trost: daß sie viel edler sich begräbt
Als Würmer/ die nur Se[i]de spinnen/
Ein köstlich Grab Maal zu gewinnen.
Gewiß der Geist/ der uns den Lebens-Fadem dreht/
Kan nichts als Gold und gü[l]d'ne Zeit mir weben/
Wo deine Gunst hierzu den F[l]achs wird geben.
Ja wo sie Göttin mich zu lieben nicht versch meht/
So wird mein Würcken und ihr Schlüssen
Ein Webe zieh'n mit Händ und Füssen.

Die mit Rosen gekräntzte Jungfrau blieb so
unbewegt gegen dieses Lied/ als der Stein/ auf
dem sie saß. Daher der schönste unter den Fi-
schern; welche alle von Wasser-Lilgen und an-
dern in Sümpffen wachsenden Blumen Krän-
tze auff dem Haupte/ um den mitlern Leib ge-
flochtene Senden-Kleider/ um den Hals Mu-
scheln/ auf der Achsel einen Hamen mit Fischen
hatten/ herfür trat; und nach gleichmäßigem
Niederknien die unbarmhertzige um ihre Liebe
mit folgenden Reymen anflehete:

Wo
Siebendes Buch
[Spaltenumbruch]
Gleichwol laug ſo Lieb als Zierbe
Zum Veraltern gleichfalls nicht.
Sch[oͤn]heit iſt ein ſchwindend Licht.
Wohnt in Runtzeln gleich Begierde/
Klebt ihr doch Verſchmaͤhung an.
Denn ſie brennt/ und ſteckt nicht an;
Sie gebiehrt nicht bey viel Wieben/
Und erfriert bey Glut und [L]ieben.
Aber dieſer Kern der Jahre
Jſt gleich recht zu dem Gebrauch.
Drum erkieſe dir nun auch
Eine nicht verleg’ne Waare/
Welche lieb iſt und verliebt/
Und nicht to die Kuͤſſe giebt.
Denn nichts ſuͤſſers iſt zu finden
Als zwey Seelen auf zwey Muͤnden.
Kuͤſſe’ ſind der Liebe Knoten/
Ang- und Aegeln/ die ſich muͤh’n
Unſre Seel’ in ſich zu ziehin.
Doch beſeel’n ſie auch die Todten.
Und der Liebe Pein ſchafft Luſt/
Ja es ſoll’n/ wenn deine Bruſt
Gleich wird keine Seele tragen/
Doch in dir zwey Hertzen ſchlagen.

Dieſe ſingende Frauen haͤtten allem Anſe-
hen nach dieſer aller Zuſchauer Augen und
Hertz raubenden Jungfrauen noch bewegli-
cher die Liebe eingelobt; wenn ſich nicht eine
wol aufgeputzte Geſellſchafft allerhand junger
Mannſchafft mit einem anmuthigen Gethoͤne
dieſem Kreiße genaͤhert/ und dardurch ſo wol
das Stillſchweigen der Frauen/ als noch meh-
rern Zulauf des Volckes verurſacht haͤtte. Die-
ſer Aufzug war in unterſchiedene Hauffen zer-
theilet/ welche nach der Reye ihrer Ankunfft die
Frauen rings umher beſetzten. Jm erſten wa-
ren eitel Weber/ welche mit der ſchoͤnſten Lein-
wand gekleidet/ mit Tannen-Kraͤntzen auf ge-
putzt waren; und von dem glaͤtteſten Ahorn-
Holtze flaſerne Wurfften und Weber-Baͤume
trugen. Der alleranſehnlichſte unter ihnen
drang ſich in den Kreiß der Frauen/ kniete fuͤr
der Jungfrau nieder/ legte Wurffte und We-
ber-Baum ihr zu Fuͤſſen/ und fieng nach aller
Anweſenden tieffem Stillſchweigen folgender
Weiſe zu ſingen an:

[Spaltenumbruch]
Verſchmaͤhe/ Goͤttin/ doch mein lodernd Hertze nicht/
Da Land und Stadt Lob meiner Kunſt-Hand giebet;
Da iede Frau iſt in mein Werck verliebet/
Und mir ſteckt zu/ was ſie ihr ſelbſt am Leib’ abbricht/
Da was mein Webe[r]baum gewehret/
Die Welt unmoͤglich ſchier entbehret.
Es iſt ja die Natur ſelbſt eine Weberin/
Sie webt’s Geſtirn’ in ſchwartzen Flor der Naͤchte/
Das Blumwerck iſt auch ihrer Hand Gemaͤchte/
Das ſie auf den Damaſt der Wieſen ſtreuet hin.
Ja daß du athmeſt/ und ich lebe/
Jſt des Verhaͤngnuͤßes Gewebe.
Das Gluͤcke ſchiebt bald Gold/ bald ſchwartze Faͤdem’ ein
Doch eh man’s meint/ trennt es des Todes Schere.
Steht nun kein Tag dir nicht fuͤr die Gewchre/
Wie mag dein Schoͤnheits-Garn denn ſonder Webe ſeyn?
Jn deiner Hand ſteh’ts: Tod und Leben/
Geluͤck und Unfall mir zu weben.
Nicht zweiſſle: daß die Lieb’ auch ſelbſt ein Weber ſey;
Sie hat aus dem Geſpinſte der Gedancken
Dein Bild gewuͤrckt in meiner Seele Schrancken/
Das keine Zeit vertilgt/ kein Unfall reißt entzwey.
Wie magſtu mir zu Pein und Lei[d]en/
Denn ſelbſt dein eigen Bild zerſchneiden?
Der Gold-Drat deiner Haar’ hat wol mein Hertz umwebt/
Doch lacht es andrer Liebe Spinnen-Weben.
Soll meine Seel’ hier gleich den Geiſt aufgeben;
So iſt’s ihr Troſt: daß ſie viel edler ſich begraͤbt
Als Wuͤrmer/ die nur Se[i]de ſpinnen/
Ein koͤſtlich Grab Maal zu gewinnen.
Gewiß der Geiſt/ der uns den Lebens-Fadem dreht/
Kan nichts als Gold und guͤ[l]d’ne Zeit mir weben/
Wo deine Gunſt hierzu den F[l]achs wird geben.
Ja wo ſie Goͤttin mich zu lieben nicht verſch meht/
So wird mein Wuͤrcken und ihr Schluͤſſen
Ein Webe zieh’n mit Haͤnd und Fuͤſſen.

Die mit Roſen gekraͤntzte Jungfrau blieb ſo
unbewegt gegen dieſes Lied/ als der Stein/ auf
dem ſie ſaß. Daher der ſchoͤnſte unter den Fi-
ſchern; welche alle von Waſſer-Lilgen und an-
dern in Suͤmpffen wachſenden Blumen Kraͤn-
tze auff dem Haupte/ um den mitlern Leib ge-
flochtene Senden-Kleider/ um den Hals Mu-
ſcheln/ auf der Achſel einen Hamen mit Fiſchen
hatten/ herfuͤr trat; und nach gleichmaͤßigem
Niederknien die unbarmhertzige um ihre Liebe
mit folgenden Reymen anflehete:

Wo
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[1128[1130]/1192] Siebendes Buch Gleichwol laug ſo Lieb als Zierbe Zum Veraltern gleichfalls nicht. Schoͤnheit iſt ein ſchwindend Licht. Wohnt in Runtzeln gleich Begierde/ Klebt ihr doch Verſchmaͤhung an. Denn ſie brennt/ und ſteckt nicht an; Sie gebiehrt nicht bey viel Wieben/ Und erfriert bey Glut und Lieben. Aber dieſer Kern der Jahre Jſt gleich recht zu dem Gebrauch. Drum erkieſe dir nun auch Eine nicht verleg’ne Waare/ Welche lieb iſt und verliebt/ Und nicht to die Kuͤſſe giebt. Denn nichts ſuͤſſers iſt zu finden Als zwey Seelen auf zwey Muͤnden. Kuͤſſe’ ſind der Liebe Knoten/ Ang- und Aegeln/ die ſich muͤh’n Unſre Seel’ in ſich zu ziehin. Doch beſeel’n ſie auch die Todten. Und der Liebe Pein ſchafft Luſt/ Ja es ſoll’n/ wenn deine Bruſt Gleich wird keine Seele tragen/ Doch in dir zwey Hertzen ſchlagen. Dieſe ſingende Frauen haͤtten allem Anſe- hen nach dieſer aller Zuſchauer Augen und Hertz raubenden Jungfrauen noch bewegli- cher die Liebe eingelobt; wenn ſich nicht eine wol aufgeputzte Geſellſchafft allerhand junger Mannſchafft mit einem anmuthigen Gethoͤne dieſem Kreiße genaͤhert/ und dardurch ſo wol das Stillſchweigen der Frauen/ als noch meh- rern Zulauf des Volckes verurſacht haͤtte. Die- ſer Aufzug war in unterſchiedene Hauffen zer- theilet/ welche nach der Reye ihrer Ankunfft die Frauen rings umher beſetzten. Jm erſten wa- ren eitel Weber/ welche mit der ſchoͤnſten Lein- wand gekleidet/ mit Tannen-Kraͤntzen auf ge- putzt waren; und von dem glaͤtteſten Ahorn- Holtze flaſerne Wurfften und Weber-Baͤume trugen. Der alleranſehnlichſte unter ihnen drang ſich in den Kreiß der Frauen/ kniete fuͤr der Jungfrau nieder/ legte Wurffte und We- ber-Baum ihr zu Fuͤſſen/ und fieng nach aller Anweſenden tieffem Stillſchweigen folgender Weiſe zu ſingen an: Verſchmaͤhe/ Goͤttin/ doch mein lodernd Hertze nicht/ Da Land und Stadt Lob meiner Kunſt-Hand giebet; Da iede Frau iſt in mein Werck verliebet/ Und mir ſteckt zu/ was ſie ihr ſelbſt am Leib’ abbricht/ Da was mein Weberbaum gewehret/ Die Welt unmoͤglich ſchier entbehret. Es iſt ja die Natur ſelbſt eine Weberin/ Sie webt’s Geſtirn’ in ſchwartzen Flor der Naͤchte/ Das Blumwerck iſt auch ihrer Hand Gemaͤchte/ Das ſie auf den Damaſt der Wieſen ſtreuet hin. Ja daß du athmeſt/ und ich lebe/ Jſt des Verhaͤngnuͤßes Gewebe. Das Gluͤcke ſchiebt bald Gold/ bald ſchwartze Faͤdem’ ein Doch eh man’s meint/ trennt es des Todes Schere. Steht nun kein Tag dir nicht fuͤr die Gewchre/ Wie mag dein Schoͤnheits-Garn denn ſonder Webe ſeyn? Jn deiner Hand ſteh’ts: Tod und Leben/ Geluͤck und Unfall mir zu weben. Nicht zweiſſle: daß die Lieb’ auch ſelbſt ein Weber ſey; Sie hat aus dem Geſpinſte der Gedancken Dein Bild gewuͤrckt in meiner Seele Schrancken/ Das keine Zeit vertilgt/ kein Unfall reißt entzwey. Wie magſtu mir zu Pein und Leiden/ Denn ſelbſt dein eigen Bild zerſchneiden? Der Gold-Drat deiner Haar’ hat wol mein Hertz umwebt/ Doch lacht es andrer Liebe Spinnen-Weben. Soll meine Seel’ hier gleich den Geiſt aufgeben; So iſt’s ihr Troſt: daß ſie viel edler ſich begraͤbt Als Wuͤrmer/ die nur Seide ſpinnen/ Ein koͤſtlich Grab Maal zu gewinnen. Gewiß der Geiſt/ der uns den Lebens-Fadem dreht/ Kan nichts als Gold und guͤld’ne Zeit mir weben/ Wo deine Gunſt hierzu den Flachs wird geben. Ja wo ſie Goͤttin mich zu lieben nicht verſch meht/ So wird mein Wuͤrcken und ihr Schluͤſſen Ein Webe zieh’n mit Haͤnd und Fuͤſſen. Die mit Roſen gekraͤntzte Jungfrau blieb ſo unbewegt gegen dieſes Lied/ als der Stein/ auf dem ſie ſaß. Daher der ſchoͤnſte unter den Fi- ſchern; welche alle von Waſſer-Lilgen und an- dern in Suͤmpffen wachſenden Blumen Kraͤn- tze auff dem Haupte/ um den mitlern Leib ge- flochtene Senden-Kleider/ um den Hals Mu- ſcheln/ auf der Achſel einen Hamen mit Fiſchen hatten/ herfuͤr trat; und nach gleichmaͤßigem Niederknien die unbarmhertzige um ihre Liebe mit folgenden Reymen anflehete: Wo

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1128[1130]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1192>, abgerufen am 23.11.2024.