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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Leiche köstlicher/ als Ambra rüchen; Und wenn
seine Asche schon nicht in güldene Todten-
Töpffe solte verwahret werden; würde sie die
Nachwelt doch in ihre unversehrliche Hertzen
aufheben.

Der Einsiedler hörte den Ritter Lichtenstein
wol aus; sieng hierauf an: Es ist wahr: daß
man deßhalben lebe/ wormit man nimmer-
mehr sterbe. Jch gebe nach: daß die nach dem
Tode nicht leben können; die/ ehe sie gestorben/
wie Todte gelebt haben. Aber wie es ein grosser
Unterscheid ist zwischen einem unsterblichen
Nachruhme/ und einer ewigen Schande; also
wird Marbod durch seine Ehrsucht zwar in
diese verfallen/ jene aber mit keinem Finger er-
reichen. Ein tugendhafft Leben balsamt allhier
unsern Athem/ nach dem Tode die Asche ein;
wormit jener uns täglich erquicke; diese aber
unverweßlich sey/ so gar auch den Verläumdern
nicht stincken möge; wie die/ welche sich lebend
im Blute gebadet/ mit Winde gespeiset/ im
Kothe der Laster geweltzet/ und weil sie die Pest
der Lebenden gewesen/ nichts als ein Aaß unter
den Todten seyn können. Marbod/ Marbod/
lasse dir diesen Zufall eine Warnigung seyn/
und überrede dich selbst nicht: daß deine Macht
so vielen Feinden gewachsen sey; und daß
menschlicher Witz die Streiche des Verhäng-
nüßes versetzen könne. Sey nur versichert:
daß kein Orion so groß und mächtig sey/ welchen
nicht ein kleiner Scorpion entseelen könne.
Wärestu in deiner Mittelmäßigkeit blieben/
würdestu so wenig/ als Anteus/ so lange er mit
seinen Füssen die Erde erreichte/ überwunden
worden seyn. So aber hat die Eitelkeit der
Erhöhung beyden einen tödtlichen Streich
versetzt. Trachtestu dich zu verewigen; so wisse:
daß alle nach der Erde rüchende Thaten mit
ins Grab verscharrt; die aber alleine verewiget
werden; welche der Tugend verwand/ und
dem Brunnen der Ewigkeit angenehm sind.
Ubermäßige Ruhmsucht ist eine grössere
[Spaltenumbruch] Schwachheit/ als jenes Menschen/ der sich über
der Kürtze seines Schattens betrübte/ über der
Länge aber erfreute. Darzu weistu nicht: daß
dieser Schatten die Verfolgenden fleucht/ denen
fliehenden aber nachfolgt. Bilde dir nicht ein:
daß die Ehre allezeit der Tugend Schatten sey.
Es giebt offt Schattenwerck ohne Leib/ und
Ruhmsprüche ohne Verdienste; welche keinem
Dinge ähnlicher sind/ als denen auf leere Grä-
ber geetzten Grabe-Schrifften. Das Glücke
setzet mehrmals die Unwürdigsten auf die höch-
ste Staffel der Ehren und Gewalt/ wie die ver-
schmitzten Baumeister die unvollkommensten
Bilder in die obersten Gadem/ und ausser dem
genauern Urtheil naher Augen. Warlich/ es
ist dein grosser Schade: daß die Welt so viel von
dir weiß. Denn hierdurch hastu dein eigen
Erkäntnüß vergessen. Wärestu nicht so mäch-
tig worden/ so hätte dich niemahls eine solche
Ohnmacht deines Gemüthes entkräfftet; und
du wärest der lobwürdigste Herr in der Welt
blieben/ wenn du über dich die Gewalt behalten
hättest niemanden unrecht zu thun. Als dieser
Ehrwürdige Alte solches mit unverwendeten
Augen gegen den König Marbod ausredete;
kam dieser in die Gedancken: es müsse eine in
ihm steckende Göttliche Würckung ihm/ wer er
wäre/ offenbaret haben; fiel diesemnach dem
Einsiedler mit thränenden Augen um den Hals;
und nach dem er ihn eine gute Weile geküsset;
sagte er: Es ist wahr/ Vater/ ich bin Marbod/
der durch die Kriegs-Flamme so viel Länder
angesteckt hat/ dem so viel Völcker tausenderley
Freuden-Feuer angezündet/ kein Mensch aber
noch ein solch Licht aufgesteckt hat; als ich durch
deine Güte in dieser tunckeln Höle in meinem
Gemüthe aufgehen sehe. Oerbärmlicher Zu-
stand der Fürsten! welche zwar durch ihre
Botmäßigkeit über ihre Unterthanen herr-
schen; ihre Diener aber durch Heucheley über
sich müssen wüten lassen! Derer blinde Eigen-
Liebe das tödtliche Gifft unverdienter Lobsprü-

che
Z z z z z z 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Leiche koͤſtlicher/ als Ambra ruͤchen; Und wenn
ſeine Aſche ſchon nicht in guͤldene Todten-
Toͤpffe ſolte verwahret werden; wuͤrde ſie die
Nachwelt doch in ihre unverſehrliche Hertzen
aufheben.

Der Einſiedler hoͤrte den Ritter Lichtenſtein
wol aus; ſieng hierauf an: Es iſt wahr: daß
man deßhalben lebe/ wormit man nimmer-
mehr ſterbe. Jch gebe nach: daß die nach dem
Tode nicht leben koͤnnen; die/ ehe ſie geſtorben/
wie Todte gelebt haben. Aber wie es ein groſſer
Unterſcheid iſt zwiſchen einem unſterblichen
Nachruhme/ und einer ewigen Schande; alſo
wird Marbod durch ſeine Ehrſucht zwar in
dieſe verfallen/ jene aber mit keinem Finger er-
reichen. Ein tugendhafft Leben balſamt allhier
unſern Athem/ nach dem Tode die Aſche ein;
wormit jener uns taͤglich erquicke; dieſe aber
unverweßlich ſey/ ſo gar auch den Verlaͤumdern
nicht ſtincken moͤge; wie die/ welche ſich lebend
im Blute gebadet/ mit Winde geſpeiſet/ im
Kothe der Laſter geweltzet/ und weil ſie die Peſt
der Lebenden geweſen/ nichts als ein Aaß unter
den Todten ſeyn koͤnnen. Marbod/ Marbod/
laſſe dir dieſen Zufall eine Warnigung ſeyn/
und uͤberrede dich ſelbſt nicht: daß deine Macht
ſo vielen Feinden gewachſen ſey; und daß
menſchlicher Witz die Streiche des Verhaͤng-
nuͤßes verſetzen koͤnne. Sey nur verſichert:
daß kein Orion ſo groß und maͤchtig ſey/ welchen
nicht ein kleiner Scorpion entſeelen koͤnne.
Waͤreſtu in deiner Mittelmaͤßigkeit blieben/
wuͤrdeſtu ſo wenig/ als Anteus/ ſo lange er mit
ſeinen Fuͤſſen die Erde erreichte/ uͤberwunden
worden ſeyn. So aber hat die Eitelkeit der
Erhoͤhung beyden einen toͤdtlichen Streich
verſetzt. Trachteſtu dich zu verewigen; ſo wiſſe:
daß alle nach der Erde ruͤchende Thaten mit
ins Grab verſcharrt; die aber alleine verewiget
werden; welche der Tugend verwand/ und
dem Brunnen der Ewigkeit angenehm ſind.
Ubermaͤßige Ruhmſucht iſt eine groͤſſere
[Spaltenumbruch] Schwachheit/ als jenes Menſchen/ der ſich uͤber
der Kuͤrtze ſeines Schattens betruͤbte/ uͤber der
Laͤnge aber erfreute. Darzu weiſtu nicht: daß
dieſer Schatten die Verfolgenden fleucht/ denen
fliehenden aber nachfolgt. Bilde dir nicht ein:
daß die Ehre allezeit der Tugend Schatten ſey.
Es giebt offt Schattenwerck ohne Leib/ und
Ruhmſpruͤche ohne Verdienſte; welche keinem
Dinge aͤhnlicher ſind/ als denen auf leere Graͤ-
ber geetzten Grabe-Schrifften. Das Gluͤcke
ſetzet mehrmals die Unwuͤrdigſten auf die hoͤch-
ſte Staffel der Ehren und Gewalt/ wie die ver-
ſchmitzten Baumeiſter die unvollkommenſten
Bilder in die oberſten Gadem/ und auſſer dem
genauern Urtheil naher Augen. Warlich/ es
iſt dein groſſer Schade: daß die Welt ſo viel von
dir weiß. Denn hierdurch haſtu dein eigen
Erkaͤntnuͤß vergeſſen. Waͤreſtu nicht ſo maͤch-
tig worden/ ſo haͤtte dich niemahls eine ſolche
Ohnmacht deines Gemuͤthes entkraͤfftet; und
du waͤreſt der lobwuͤrdigſte Herr in der Welt
blieben/ wenn du uͤber dich die Gewalt behalten
haͤtteſt niemanden unrecht zu thun. Als dieſer
Ehrwuͤrdige Alte ſolches mit unverwendeten
Augen gegen den Koͤnig Marbod ausredete;
kam dieſer in die Gedancken: es muͤſſe eine in
ihm ſteckende Goͤttliche Wuͤrckung ihm/ wer er
waͤre/ offenbaret haben; fiel dieſemnach dem
Einſiedler mit thꝛaͤnenden Augen um den Hals;
und nach dem er ihn eine gute Weile gekuͤſſet;
ſagte er: Es iſt wahr/ Vater/ ich bin Marbod/
der durch die Kriegs-Flamme ſo viel Laͤnder
angeſteckt hat/ dem ſo viel Voͤlcker tauſenderley
Freuden-Feuer angezuͤndet/ kein Menſch aber
noch ein ſolch Licht aufgeſteckt hat; als ich durch
deine Guͤte in dieſer tunckeln Hoͤle in meinem
Gemuͤthe aufgehen ſehe. Oerbaͤrmlicher Zu-
ſtand der Fuͤrſten! welche zwar durch ihre
Botmaͤßigkeit uͤber ihre Unterthanen herr-
ſchen; ihre Diener aber durch Heucheley uͤber
ſich muͤſſen wuͤten laſſen! Derer blinde Eigen-
Liebe das toͤdtliche Gifft unverdienter Lobſpruͤ-

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[1099[1101]/1163] Arminius und Thußnelda. Leiche koͤſtlicher/ als Ambra ruͤchen; Und wenn ſeine Aſche ſchon nicht in guͤldene Todten- Toͤpffe ſolte verwahret werden; wuͤrde ſie die Nachwelt doch in ihre unverſehrliche Hertzen aufheben. Der Einſiedler hoͤrte den Ritter Lichtenſtein wol aus; ſieng hierauf an: Es iſt wahr: daß man deßhalben lebe/ wormit man nimmer- mehr ſterbe. Jch gebe nach: daß die nach dem Tode nicht leben koͤnnen; die/ ehe ſie geſtorben/ wie Todte gelebt haben. Aber wie es ein groſſer Unterſcheid iſt zwiſchen einem unſterblichen Nachruhme/ und einer ewigen Schande; alſo wird Marbod durch ſeine Ehrſucht zwar in dieſe verfallen/ jene aber mit keinem Finger er- reichen. Ein tugendhafft Leben balſamt allhier unſern Athem/ nach dem Tode die Aſche ein; wormit jener uns taͤglich erquicke; dieſe aber unverweßlich ſey/ ſo gar auch den Verlaͤumdern nicht ſtincken moͤge; wie die/ welche ſich lebend im Blute gebadet/ mit Winde geſpeiſet/ im Kothe der Laſter geweltzet/ und weil ſie die Peſt der Lebenden geweſen/ nichts als ein Aaß unter den Todten ſeyn koͤnnen. Marbod/ Marbod/ laſſe dir dieſen Zufall eine Warnigung ſeyn/ und uͤberrede dich ſelbſt nicht: daß deine Macht ſo vielen Feinden gewachſen ſey; und daß menſchlicher Witz die Streiche des Verhaͤng- nuͤßes verſetzen koͤnne. Sey nur verſichert: daß kein Orion ſo groß und maͤchtig ſey/ welchen nicht ein kleiner Scorpion entſeelen koͤnne. Waͤreſtu in deiner Mittelmaͤßigkeit blieben/ wuͤrdeſtu ſo wenig/ als Anteus/ ſo lange er mit ſeinen Fuͤſſen die Erde erreichte/ uͤberwunden worden ſeyn. So aber hat die Eitelkeit der Erhoͤhung beyden einen toͤdtlichen Streich verſetzt. Trachteſtu dich zu verewigen; ſo wiſſe: daß alle nach der Erde ruͤchende Thaten mit ins Grab verſcharrt; die aber alleine verewiget werden; welche der Tugend verwand/ und dem Brunnen der Ewigkeit angenehm ſind. Ubermaͤßige Ruhmſucht iſt eine groͤſſere Schwachheit/ als jenes Menſchen/ der ſich uͤber der Kuͤrtze ſeines Schattens betruͤbte/ uͤber der Laͤnge aber erfreute. Darzu weiſtu nicht: daß dieſer Schatten die Verfolgenden fleucht/ denen fliehenden aber nachfolgt. Bilde dir nicht ein: daß die Ehre allezeit der Tugend Schatten ſey. Es giebt offt Schattenwerck ohne Leib/ und Ruhmſpruͤche ohne Verdienſte; welche keinem Dinge aͤhnlicher ſind/ als denen auf leere Graͤ- ber geetzten Grabe-Schrifften. Das Gluͤcke ſetzet mehrmals die Unwuͤrdigſten auf die hoͤch- ſte Staffel der Ehren und Gewalt/ wie die ver- ſchmitzten Baumeiſter die unvollkommenſten Bilder in die oberſten Gadem/ und auſſer dem genauern Urtheil naher Augen. Warlich/ es iſt dein groſſer Schade: daß die Welt ſo viel von dir weiß. Denn hierdurch haſtu dein eigen Erkaͤntnuͤß vergeſſen. Waͤreſtu nicht ſo maͤch- tig worden/ ſo haͤtte dich niemahls eine ſolche Ohnmacht deines Gemuͤthes entkraͤfftet; und du waͤreſt der lobwuͤrdigſte Herr in der Welt blieben/ wenn du uͤber dich die Gewalt behalten haͤtteſt niemanden unrecht zu thun. Als dieſer Ehrwuͤrdige Alte ſolches mit unverwendeten Augen gegen den Koͤnig Marbod ausredete; kam dieſer in die Gedancken: es muͤſſe eine in ihm ſteckende Goͤttliche Wuͤrckung ihm/ wer er waͤre/ offenbaret haben; fiel dieſemnach dem Einſiedler mit thꝛaͤnenden Augen um den Hals; und nach dem er ihn eine gute Weile gekuͤſſet; ſagte er: Es iſt wahr/ Vater/ ich bin Marbod/ der durch die Kriegs-Flamme ſo viel Laͤnder angeſteckt hat/ dem ſo viel Voͤlcker tauſenderley Freuden-Feuer angezuͤndet/ kein Menſch aber noch ein ſolch Licht aufgeſteckt hat; als ich durch deine Guͤte in dieſer tunckeln Hoͤle in meinem Gemuͤthe aufgehen ſehe. Oerbaͤrmlicher Zu- ſtand der Fuͤrſten! welche zwar durch ihre Botmaͤßigkeit uͤber ihre Unterthanen herr- ſchen; ihre Diener aber durch Heucheley uͤber ſich muͤſſen wuͤten laſſen! Derer blinde Eigen- Liebe das toͤdtliche Gifft unverdienter Lobſpruͤ- che Z z z z z z 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1099[1101]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1163>, abgerufen am 23.11.2024.