Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
daß Menschen sich vernünfftige Thiere zu seynrühmen; da sie doch selten der Richtschnur der Vernunfft folgen; sondern ins gemein den Ab- sätzen ihrer rasenden Begierde nachhängen; Unter welchen die Ehrsucht die grausamste ist. Alle andere Laster haben ihren Stillestand; die Schwelgerey wird ersättigt/ die Wollust über- drüßig/ die Grausamkeit ermüdet/ der Zorn abgekühlet; die Ehrsucht aber ist das Feuer/ welches von seiner Nahrung wol vergrössert/ keinmahl aber satt wird. Da doch eine weite Herrschafft die beschwerlichste Dienstbarkeit ist; und die/ welche über viel tausend gebieten/ nicht Herren über sich selbst sind; in welchem letztern doch die eigentliche Herrschafft bestehet. Der Wollüstige ist ein Sclave eines Antlitzes/ der geitzige eines gläntzenden Erd-Klumpens/ der Ehrsüchtige ein Knecht der Knechte; für welchen sich dieselben demüthigen/ welche über Herren gebieten wollen. Das gröste Königreich aber ist die Freyheit seines Hertzens; welches an nichts/ als an seinem Uhrsprunge dem Himmel hengt; welches keinen Menschen beleidiget/ Gott nicht erzürnet; welches alle andere Stän- de ihm für unanständig hält; darein ihn das Verhängnüß nicht gesetzt hat/ und den Begier- den alsbald einen Riegel fürscheubt; wenn sich ihnen irgendswo ein Abweg zeiget; auf wel- chem die Lüsternen Hals und Kopff brechen; ob er schon im Eingange mit Lilgen und Jasmi- nen bestreuet ist; wie euch das Beyspiel eures Marbods den gestrigen Tag fürgebildet hat; o- der/ welches mir glaublicher/ der künfftige durch einen viel merckwürdigern Fall aller Welt für Augen stellen wird. Sintemahl die durch Laster an sich gezogene Gewalt eben so wenig/ als der Schnee an der Sonnen/ und das Wachs im Feuer tauern kan. Marbod färbte und entfärbte sich unterschiedene mahl über der nachdrücklichen Gewissensrührung dieses frommen Alten; er sahe bald den Tan- nenberg/ bald den Lichtenstein an/ sie gleichsam fragende: ob sie auch in ihrem Gemüthe die [Spaltenumbruch] Stiche fühleten/ welche so empfindlich sein Hertz träffen. Worüber der Einsiedler alsbald eine Muthmassung faste: daß diß König Marbod wol selbst seyn dörffte. Sintemahl eben so wenig eine Larve einen Fürsten/ als eine Wolcke die Sonne völlig bergen kan. Lichten- stein aber/ um entweder seinen Fürsten so viel möglich zu rechtfertigen/ oder dem Alten mehr Anlaß zu fernerm Unterricht zu geben/ sätzte ihm entgegen: Es gebe so wenig Menschen oh- ne Fehler/ als Tiger ohne Flecken. Jeder Grundzeug der Natur wäre ein Behältnüß wilder Thiere/ und ein Auffenthalt menschlicher Gebrechen. Die Hoffart hätte ihr Leben gleich- sam in der Lufft/ der Zorn im Feuer/ der Geitz in der Erde/ die Selbst-Liebe im Wasser; Die Ehrsucht aber schlüge ihr Gezelt schier unter den Sternen auf/ und hätte an sich etwas himmli- sches/ und darum so viel weniger Rauch und scheltbares. Alle Arten der Thiere hätten unter sich gifftige/ und fürnehmlich die Kriechenden. Keinem Vogel alleine klebte einig Gifft an. Daher hielter die/ welche sich von dem Miste des Pöfels erhieben/ und über andere durch grosse Thaten empor schwingen/ für die reineste Sünde/ wormit sich Menschen befleckten. Jhm wäre zwar etlicher Weisen Meinung nicht un- bekandt: daß man aus blosser Liebe der Tu- gend/ nicht aus Begierde der Ehren gutes thun solte; und daß die letztere sonst die Tugend in Ei- telkeit verwandelte; ja daß die Tugend sodenn ihr höchstes Ziel erreichte; wenn sie nicht nur alles Ruhms entblöst/ sondern gar mit Schmach/ Schande und Verachtung verstellet würde. Er wüste wol: daß einige den Pithias beschuldigten/ seine Freundschafft gegen den Damon hätte nicht die Liebe/ sondern Eitelkeit zum Grunde gehabt. Scipio hätte sich der schönen Gefan- genen nicht aus Liebe/ sondern aus Staats- sucht; Curius der Eitelkeiten aus Eitel- keit enthalten. Alleine heist das nicht Helf- fenbeinerne Bilder mit Kohlen überfirn- sen/ und die Sonne mit Gewölcke schöner machen Erster Theil. Z z z z z z
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
daß Menſchen ſich vernuͤnfftige Thiere zu ſeynruͤhmen; da ſie doch ſelten der Richtſchnur der Vernunfft folgen; ſondern ins gemein den Ab- ſaͤtzen ihrer raſenden Begierde nachhaͤngen; Unter welchen die Ehrſucht die grauſamſte iſt. Alle andere Laſter haben ihren Stilleſtand; die Schwelgerey wird erſaͤttigt/ die Wolluſt uͤber- druͤßig/ die Grauſamkeit ermuͤdet/ der Zorn abgekuͤhlet; die Ehrſucht aber iſt das Feuer/ welches von ſeiner Nahrung wol vergroͤſſert/ keinmahl aber ſatt wird. Da doch eine weite Herꝛſchafft die beſchwerlichſte Dienſtbarkeit iſt; und die/ welche uͤber viel tauſend gebieten/ nicht Herꝛen uͤber ſich ſelbſt ſind; in welchem letztern doch die eigentliche Herꝛſchafft beſtehet. Der Wolluͤſtige iſt ein Sclave eines Antlitzes/ der geitzige eines glaͤntzenden Erd-Klumpens/ der Ehrſuͤchtige ein Knecht der Knechte; fuͤr welchen ſich dieſelben demuͤthigen/ welche uͤber Herꝛen gebieten wollen. Das groͤſte Koͤnigreich aber iſt die Freyheit ſeines Hertzens; welches an nichts/ als an ſeinem Uhrſprunge dem Him̃el hengt; welches keinen Menſchen beleidiget/ Gott nicht erzuͤrnet; welches alle andere Staͤn- de ihm fuͤr unanſtaͤndig haͤlt; darein ihn das Verhaͤngnuͤß nicht geſetzt hat/ und den Begier- den alsbald einen Riegel fuͤrſcheubt; wenn ſich ihnen irgendswo ein Abweg zeiget; auf wel- chem die Luͤſternen Hals und Kopff brechen; ob er ſchon im Eingange mit Lilgen und Jaſmi- nen beſtreuet iſt; wie euch das Beyſpiel eures Marbods den geſtrigen Tag fuͤrgebildet hat; o- der/ welches mir glaublicher/ der kuͤnfftige durch einen viel merckwuͤrdigern Fall aller Welt fuͤr Augen ſtellen wird. Sintemahl die durch Laſter an ſich gezogene Gewalt eben ſo wenig/ als der Schnee an der Sonnen/ und das Wachs im Feuer tauern kan. Marbod faͤrbte und entfaͤrbte ſich unterſchiedene mahl uͤber der nachdruͤcklichen Gewiſſensruͤhrung dieſes frommen Alten; er ſahe bald den Tan- nenberg/ bald den Lichtenſtein an/ ſie gleichſam fragende: ob ſie auch in ihrem Gemuͤthe die [Spaltenumbruch] Stiche fuͤhleten/ welche ſo empfindlich ſein Hertz traͤffen. Woruͤber der Einſiedler alsbald eine Muthmaſſung faſte: daß diß Koͤnig Marbod wol ſelbſt ſeyn doͤrffte. Sintemahl eben ſo wenig eine Larve einen Fuͤrſten/ als eine Wolcke die Sonne voͤllig bergen kan. Lichten- ſtein aber/ um entweder ſeinen Fuͤrſten ſo viel moͤglich zu rechtfertigen/ oder dem Alten mehr Anlaß zu fernerm Unterricht zu geben/ ſaͤtzte ihm entgegen: Es gebe ſo wenig Menſchen oh- ne Fehler/ als Tiger ohne Flecken. Jeder Grundzeug der Natur waͤre ein Behaͤltnuͤß wilder Thiere/ und ein Auffenthalt menſchlicher Gebrechen. Die Hoffart haͤtte ihr Leben gleich- ſam in der Lufft/ der Zorn im Feuer/ der Geitz in der Erde/ die Selbſt-Liebe im Waſſer; Die Ehrſucht aber ſchluͤge ihr Gezelt ſchier unter den Sternen auf/ und haͤtte an ſich etwas him̃li- ſches/ und darum ſo viel weniger Rauch und ſcheltbares. Alle Arten der Thiere haͤtten unter ſich gifftige/ und fuͤrnehmlich die Kriechenden. Keinem Vogel alleine klebte einig Gifft an. Daher hielter die/ welche ſich von dem Miſte des Poͤfels erhieben/ und uͤber andere durch groſſe Thaten empor ſchwingen/ fuͤr die reineſte Suͤnde/ wormit ſich Menſchen befleckten. Jhm waͤre zwar etlicher Weiſen Meinung nicht un- bekandt: daß man aus bloſſer Liebe der Tu- gend/ nicht aus Begierde der Ehren gutes thun ſolte; und daß die letztere ſonſt die Tugend in Ei- telkeit verwandelte; ja daß die Tugend ſodeñ ihr hoͤchſtes Ziel erreichte; wenn ſie nicht nur alles Ruhms entbloͤſt/ ſondern gar mit Schmach/ Schande und Verachtung verſtellet wuͤrde. Er wuͤſte wol: daß einige den Pithias beſchuldigten/ ſeine Freundſchafft gegen den Damon haͤtte nicht die Liebe/ ſondern Eitelkeit zum Grunde gehabt. Scipio haͤtte ſich der ſchoͤnen Gefan- genen nicht aus Liebe/ ſondern aus Staats- ſucht; Curius der Eitelkeiten aus Eitel- keit enthalten. Alleine heiſt das nicht Helf- fenbeinerne Bilder mit Kohlen uͤberfirn- ſen/ und die Sonne mit Gewoͤlcke ſchoͤner machen Erſter Theil. Z z z z z z
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Arminius und Thußnelda.
daß Menſchen ſich vernuͤnfftige Thiere zu ſeyn
ruͤhmen; da ſie doch ſelten der Richtſchnur der
Vernunfft folgen; ſondern ins gemein den Ab-
ſaͤtzen ihrer raſenden Begierde nachhaͤngen;
Unter welchen die Ehrſucht die grauſamſte iſt.
Alle andere Laſter haben ihren Stilleſtand; die
Schwelgerey wird erſaͤttigt/ die Wolluſt uͤber-
druͤßig/ die Grauſamkeit ermuͤdet/ der Zorn
abgekuͤhlet; die Ehrſucht aber iſt das Feuer/
welches von ſeiner Nahrung wol vergroͤſſert/
keinmahl aber ſatt wird. Da doch eine weite
Herꝛſchafft die beſchwerlichſte Dienſtbarkeit iſt;
und die/ welche uͤber viel tauſend gebieten/
nicht Herꝛen uͤber ſich ſelbſt ſind; in welchem
letztern doch die eigentliche Herꝛſchafft beſtehet.
Der Wolluͤſtige iſt ein Sclave eines Antlitzes/
der geitzige eines glaͤntzenden Erd-Klumpens/
der Ehrſuͤchtige ein Knecht der Knechte; fuͤr
welchen ſich dieſelben demuͤthigen/ welche uͤber
Herꝛen gebieten wollen. Das groͤſte Koͤnigreich
aber iſt die Freyheit ſeines Hertzens; welches an
nichts/ als an ſeinem Uhrſprunge dem Him̃el
hengt; welches keinen Menſchen beleidiget/
Gott nicht erzuͤrnet; welches alle andere Staͤn-
de ihm fuͤr unanſtaͤndig haͤlt; darein ihn das
Verhaͤngnuͤß nicht geſetzt hat/ und den Begier-
den alsbald einen Riegel fuͤrſcheubt; wenn ſich
ihnen irgendswo ein Abweg zeiget; auf wel-
chem die Luͤſternen Hals und Kopff brechen; ob
er ſchon im Eingange mit Lilgen und Jaſmi-
nen beſtreuet iſt; wie euch das Beyſpiel eures
Marbods den geſtrigen Tag fuͤrgebildet hat; o-
der/ welches mir glaublicher/ der kuͤnfftige
durch einen viel merckwuͤrdigern Fall aller
Welt fuͤr Augen ſtellen wird. Sintemahl die
durch Laſter an ſich gezogene Gewalt eben ſo
wenig/ als der Schnee an der Sonnen/ und
das Wachs im Feuer tauern kan. Marbod
faͤrbte und entfaͤrbte ſich unterſchiedene mahl
uͤber der nachdruͤcklichen Gewiſſensruͤhrung
dieſes frommen Alten; er ſahe bald den Tan-
nenberg/ bald den Lichtenſtein an/ ſie gleichſam
fragende: ob ſie auch in ihrem Gemuͤthe die
Stiche fuͤhleten/ welche ſo empfindlich ſein Hertz
traͤffen. Woruͤber der Einſiedler alsbald eine
Muthmaſſung faſte: daß diß Koͤnig Marbod
wol ſelbſt ſeyn doͤrffte. Sintemahl eben ſo
wenig eine Larve einen Fuͤrſten/ als eine
Wolcke die Sonne voͤllig bergen kan. Lichten-
ſtein aber/ um entweder ſeinen Fuͤrſten ſo viel
moͤglich zu rechtfertigen/ oder dem Alten mehr
Anlaß zu fernerm Unterricht zu geben/ ſaͤtzte
ihm entgegen: Es gebe ſo wenig Menſchen oh-
ne Fehler/ als Tiger ohne Flecken. Jeder
Grundzeug der Natur waͤre ein Behaͤltnuͤß
wilder Thiere/ und ein Auffenthalt menſchlicher
Gebrechen. Die Hoffart haͤtte ihr Leben gleich-
ſam in der Lufft/ der Zorn im Feuer/ der Geitz
in der Erde/ die Selbſt-Liebe im Waſſer; Die
Ehrſucht aber ſchluͤge ihr Gezelt ſchier unter
den Sternen auf/ und haͤtte an ſich etwas him̃li-
ſches/ und darum ſo viel weniger Rauch und
ſcheltbares. Alle Arten der Thiere haͤtten unter
ſich gifftige/ und fuͤrnehmlich die Kriechenden.
Keinem Vogel alleine klebte einig Gifft an.
Daher hielter die/ welche ſich von dem Miſte
des Poͤfels erhieben/ und uͤber andere durch
groſſe Thaten empor ſchwingen/ fuͤr die reineſte
Suͤnde/ wormit ſich Menſchen befleckten. Jhm
waͤre zwar etlicher Weiſen Meinung nicht un-
bekandt: daß man aus bloſſer Liebe der Tu-
gend/ nicht aus Begierde der Ehren gutes thun
ſolte; und daß die letztere ſonſt die Tugend in Ei-
telkeit verwandelte; ja daß die Tugend ſodeñ ihr
hoͤchſtes Ziel erreichte; wenn ſie nicht nur alles
Ruhms entbloͤſt/ ſondern gar mit Schmach/
Schande und Verachtung verſtellet wuͤrde. Er
wuͤſte wol: daß einige den Pithias beſchuldigten/
ſeine Freundſchafft gegen den Damon haͤtte
nicht die Liebe/ ſondern Eitelkeit zum Grunde
gehabt. Scipio haͤtte ſich der ſchoͤnen Gefan-
genen nicht aus Liebe/ ſondern aus Staats-
ſucht; Curius der Eitelkeiten aus Eitel-
keit enthalten. Alleine heiſt das nicht Helf-
fenbeinerne Bilder mit Kohlen uͤberfirn-
ſen/ und die Sonne mit Gewoͤlcke ſchoͤner
machen
Erſter Theil. Z z z z z z
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1097[1099]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1161>, abgerufen am 01.07.2024. |