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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] und daß den Willen im Zaume zu halten die al-
lersch impflichste Dienstbarkeit wäre. Diesem-
nach denn die Herrschafft eines einigen solchen
Menschen nichts anders/ als das Elend des
gantzen Volckes nach sich ziehen könte; als mit
dessen Unlust er alleine seine Lust zu büssen ver-
meinte. Zwar weil bey einer gemeinen Herr-
schafft die Belohnungen so groß nicht wären/
als bey der Fürstlichen/ findete diese mehr/ als
jene Lobsprecher; und/ weil allhierkeine so grosse
Abgötter ans Bret kämen/ wie an den Höfen/
in diesen auch den Lastern mehr durch die Fin-
ger gesehen/ und mehr das Geblüte als die Tu-
gend in acht genommen/ ja durchgehends da-
selbst/ wo beym Volcke die Gewalt besteht/ man
minder das Gute empfindete/ als des Bösen
entübrigt wäre/ so wären die Ehrsüchtigen
meist nach der einköpfichten Herrschafft lüstern;
und zwar meist darum/ weil sie mit ihrem
Wachsthum andere Bürger zu verdämpffen
hofften. Ja so gar ein vernünfftiger und von
Natur guter Fürst müsse seiner Sicherheit hal-
ber gleichsam aus dem Geschirre schlagen/ und
dahin arbeiten: daß niemand so reich und mäch-
tig werde/ für dem er sich zu fürchten habe; daß
niemand durch Tugend sich beym Volcke be-
liebt/ und auf den Nothfall einen Anhang ma-
che; daß kein treuer Stadthalter lange einem
Orte fürstehe/ und keine Stadt unzwingbar
werde. Weßwegen so viel tugendhaffte Leute
Zepter und Krone mit Füssen von sich gestossen/
wormit sie mit selbten nicht eine böse Unart an
sich nehmen/ und aus fetten Oel-süssen Feigen-
bäumen und erquickenden Weinstöxken/ sich in
unfruchtbare und stachlichte Dorn-Hecken ver-
wandeln/ mit ihrem Schatten so viel Unkraut
bedecken/ und ins gemein Gifft zu ihrer Erhal-
tungs-Artzney brauchen dörfften. Denn Für-
sten sehen ihren Dienern durch die Finger; wor-
mit sie denen Unterthanen das ihnen verhaste
Vermögen wie Blutägeln aussaugten. Weil
auch die am geschicksten zum Gehorsam wären/
[Spaltenumbruch] die nicht recht ihre gemeinen Sinnen verste-
hen; drückten sie alle Wissenschafften um halb
viehische Unterthanen zu haben; ja die Unwis-
senheit muste ihren eigenen Kindern ein Kap-
Zaum seyn: daß sie nicht zu zeitlich die Süßig-
keit des Herrschens erkennten. Vielmahl fin-
gen sie ohne Noth und Hoffnung des Obsieges
Krieg an/ nur: daß sie ihren Unterthanen kön-
ten zur Ader lassen. Aber Leute/ welche ihrer
Begier den Meister wären/ schmecken die Süs-
sigkeit der gemeinen Freyheit und der durch-
dringenden Gleichheit. Alle Beschwerden wä-
ren hier gleiche und unempfindlich; denn der
sie auflegte/ müste sie eben so wol auf seiner Ach-
sel tragen. Die Kräfften eines Reiches näh-
men durchgehends zu/ wie Rom nach Austrei-
bung seiner Könige/ Athen nach Befreyung
vom Pisistratus/ und die Friesen selbst/ seit dem
sie mit so viel Blut ihre Freyheit erfochten/ dien-
ten zum herrlichen Beyspiele/ allen Nachbarn
zu rühmlicher Nachfolge. Bey bürgerlicher
Herrschafft wäre ein ieder seines Besitzthums
versichert. Die Würden und Aempter würden
abgewechselt; also hätte keiner Zeit sich mächti-
ger zu machen/ als das Volck wäre. Die Künste
und Handlungen wären hier in der Blüte; denn
sie würden nicht vom Adel gedrückt; und aller
Gewinn käme dem arbeitenden/ nicht dem Für-
sten heim. Zum Gewinnen Krieg zu führen
wäre freyen Völckern nicht anständig/ aber sich
zu beschirmen pflegten sie nach Art der Sagun-
tiner und Numantier wie Löwen zu fechten/
weil es um das edelste Kleinod der Freyheit zu
thun wäre. Und weil allhier ieder was zu ver-
lieren hätte/ eckelte allen für Unruh; also genüs-
sen sie des güldenen Friedens desto länger. Alle
Rathschläge zielten hier auf den Wolstand des
Volckes; dort aber wäre des Fürsten Vergrös-
serung der einige Angel-Stern/ wohin alle
Rathschläge wie Magnet-Nageln sich wende-
ten. Der Friesische Gesandte wendete zwar
ein: daß schlimmer Fürsten und eines tugend-

hafften

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] und daß den Willen im Zaume zu halten die al-
lerſch impflichſte Dienſtbarkeit waͤre. Dieſem-
nach denn die Herꝛſchafft eines einigen ſolchen
Menſchen nichts anders/ als das Elend des
gantzen Volckes nach ſich ziehen koͤnte; als mit
deſſen Unluſt er alleine ſeine Luſt zu buͤſſen ver-
meinte. Zwar weil bey einer gemeinen Herꝛ-
ſchafft die Belohnungen ſo groß nicht waͤren/
als bey der Fuͤrſtlichen/ findete dieſe mehr/ als
jene Lobſprecher; und/ weil allhierkeine ſo groſſe
Abgoͤtter ans Bret kaͤmen/ wie an den Hoͤfen/
in dieſen auch den Laſtern mehr durch die Fin-
ger geſehen/ und mehr das Gebluͤte als die Tu-
gend in acht genommen/ ja durchgehends da-
ſelbſt/ wo beym Volcke die Gewalt beſteht/ man
minder das Gute empfindete/ als des Boͤſen
entuͤbrigt waͤre/ ſo waͤren die Ehrſuͤchtigen
meiſt nach der einkoͤpfichten Herꝛſchafft luͤſtern;
und zwar meiſt darum/ weil ſie mit ihrem
Wachsthum andere Buͤrger zu verdaͤmpffen
hofften. Ja ſo gar ein vernuͤnfftiger und von
Natur guter Fuͤrſt muͤſſe ſeiner Sicherheit hal-
ber gleichſam aus dem Geſchirre ſchlagen/ und
dahin arbeiten: daß niemand ſo reich und maͤch-
tig werde/ fuͤr dem er ſich zu fuͤrchten habe; daß
niemand durch Tugend ſich beym Volcke be-
liebt/ und auf den Nothfall einen Anhang ma-
che; daß kein treuer Stadthalter lange einem
Orte fuͤrſtehe/ und keine Stadt unzwingbar
werde. Weßwegen ſo viel tugendhaffte Leute
Zepter und Krone mit Fuͤſſen von ſich geſtoſſen/
wormit ſie mit ſelbten nicht eine boͤſe Unart an
ſich nehmen/ und aus fetten Oel-ſuͤſſen Feigen-
baͤumen und erquickenden Weinſtoͤxken/ ſich in
unfruchtbare und ſtachlichte Dorn-Hecken ver-
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bedecken/ und ins gemein Gifft zu ihrer Erhal-
tungs-Artzney brauchen doͤrfften. Denn Fuͤr-
ſten ſehen ihren Dienern durch die Finger; wor-
mit ſie denen Unterthanen das ihnen verhaſte
Vermoͤgen wie Blutaͤgeln ausſaugten. Weil
auch die am geſchickſten zum Gehorſam waͤren/
[Spaltenumbruch] die nicht recht ihre gemeinen Sinnen verſte-
hen; druͤckten ſie alle Wiſſenſchafften um halb
viehiſche Unterthanen zu haben; ja die Unwiſ-
ſenheit muſte ihren eigenen Kindern ein Kap-
Zaum ſeyn: daß ſie nicht zu zeitlich die Suͤßig-
keit des Herꝛſchens erkennten. Vielmahl fin-
gen ſie ohne Noth und Hoffnung des Obſieges
Krieg an/ nur: daß ſie ihren Unterthanen koͤn-
ten zur Ader laſſen. Aber Leute/ welche ihrer
Begier den Meiſter waͤren/ ſchmecken die Suͤſ-
ſigkeit der gemeinen Freyheit und der durch-
dringenden Gleichheit. Alle Beſchwerden waͤ-
ren hier gleiche und unempfindlich; denn der
ſie auflegte/ muͤſte ſie eben ſo wol auf ſeiner Ach-
ſel tragen. Die Kraͤfften eines Reiches naͤh-
men durchgehends zu/ wie Rom nach Austrei-
bung ſeiner Koͤnige/ Athen nach Befreyung
vom Piſiſtratus/ und die Frieſen ſelbſt/ ſeit dem
ſie mit ſo viel Blut ihre Freyheit erfochten/ dien-
ten zum herꝛlichen Beyſpiele/ allen Nachbarn
zu ruͤhmlicher Nachfolge. Bey buͤrgerlicher
Herꝛſchafft waͤre ein ieder ſeines Beſitzthums
verſichert. Die Wuͤrden und Aempter wuͤrden
abgewechſelt; alſo haͤtte keiner Zeit ſich maͤchti-
ger zu machen/ als das Volck waͤre. Die Kuͤnſte
und Handlungen waͤren hier in der Bluͤte; deñ
ſie wuͤrden nicht vom Adel gedruͤckt; und aller
Gewiñ kaͤme dem arbeitenden/ nicht dem Fuͤr-
ſten heim. Zum Gewinnen Krieg zu fuͤhren
waͤre freyen Voͤlckern nicht anſtaͤndig/ aber ſich
zu beſchirmen pflegten ſie nach Art der Sagun-
tiner und Numantier wie Loͤwen zu fechten/
weil es um das edelſte Kleinod der Freyheit zu
thun waͤre. Und weil allhier ieder was zu ver-
lieren haͤtte/ eckelte allen fuͤr Unruh; alſo genuͤſ-
ſen ſie des guͤldenen Friedens deſto laͤnger. Alle
Rathſchlaͤge zielten hier auf den Wolſtand des
Volckes; dort aber waͤre des Fuͤrſten Vergroͤſ-
ſerung der einige Angel-Stern/ wohin alle
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ein: daß ſchlimmer Fuͤrſten und eines tugend-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1080[1082]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1144>, abgerufen am 23.11.2024.