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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] nicht der Obrigkeit selbst/ wenn sie es schon im
Schilde führen; sondern nur etlichen Gliedern
oder Beampteten derselben die Stirne bieten/
da sie anders einen Beyfall der Gemeine ver-
langen. Sintemahl dieses nicht behertzigt:
daß Jrrthümern und Schwachheiten unter-
worffene Menschen in Aemptern sitzen/ und
die Amptleute durch Auffruhr oder auch durch
ihre Verwechselung selten verbessert werden;
ja die Häupter des Aufruhrs meist die laster haff-
testen Leute sind/ welche durch diese gifftige Artz-
ney andern ab/ und ihnen in Sattel helffen wol-
len; wormit sie wie der Scorpion im Himmel
dem Lande so viel mehr Schaden anfügen kön-
nen. Dahero selten ein Wütterich gestürtzt
worden; es haben die Werckzeuge hernach sich
selbst um seinen Stab gezancket/ und einen
Bluthund ausgebrütet. Wenn nun aber die
Aufrührer das Volck so weit verleitet: daß sie ih-
ren Fürsten ihm durch schwere Mißhandlung
unversöhnlich gemacht; so greiffen sie ihm als-
denn selbst nach der Gurgel. Dieses erfolgte
auch bey dem Reichs-Rathe der Hermundurer.
Denn als gleich die beschuldigten Glieder sich
aus dem Staube machten; weil sie mehrmahls
selbst im Rathe gehört hatten: Wie ein Mensch/
der sich selbst zu erhalten im Gewissen verbun-
den ist/ nichts minder für einen Selbst-Mörder
zu halten wäre/ wenn er nicht das von dem kal-
ten Brande angesteckte Glied absegete; als der
sich durch Hunger tödtet; also verwahrlosete
auch eine Obrigkeit/ bey welcher das gemeine
Heil das oberste Gesetze wäre/ das gemeine We-
sen/ wenn sie einen oder den andern darfür ab-
zuschlachten allzu barmhertzig wäre/ nichts
minder als die in einem Schiffe lieber ins ge-
samt er hungerten/ als einen einigen Menschen
zur Speise verbrauchten. Dennoch war das
Kriegs-Heer mit dieser flüchtigen Unrathe
nicht vergnügt; sondern ie mehr es sich von dem
Rathe gefürchtet/ oder seinem Begehren gewill-
fahret sahe; ie höher spannte es den Bogen sei-
[Spaltenumbruch] ner Forderungen; suchte der in der Stadt Ca-
legia liegenden Besatzung ihre eigene Kriegs-
Häupter fürzusetzen/ und rückte endlich selbst
darfür; also: daß der Reichs-Rath/ um zwischen
dem Hertzoge Britton und dem Kriegs-Heere
Argwohn und Zwytracht zu stifften/ Brittons
andern Sohn Obiak zu seinem Haupte erklärte.
Das Kriegs-Heer aber lachte über diesem
Kunst-Stücke/ und lösete diesen Zweifels-Kno-
ten mit der Schärffe seiner Degen auf; brachte
es also dahin: daß die Stadt dem Fack sarif selbst
die Schlüssel entgegen brachte/ und die Festung
darbey einräumte. Also zohe das gantze Heer mit
Sieges-Zweigen in die Stadt/ seine Häupter
vernichteten was der Rath eine zeitlang geschlos-
sen hatte/ erwehlten einen gantz neuen Rath/ und
setzten viel Glieder des vorigen in Gefängnüß/
schätzten die Bürgerschafft/ und richteten alles
nach ihrer Willkühr viel anders ein. Hertzog
Britton/ dem das Kriegs-Heer anfangs in seine
erste Höhe und Gewalt zu setzen weiß gemacht/
und der seine Kinder zur Hand geschafft hatte/
ward inzwischen von Facksarif und Marbod/
welche beyde von dem Fürstlichen Hause der
Hermundurer Väter des Reiches und Erlöser
des Fürsten waren ausgestrichen worden/ mit
leerer Hoffnung eines Vergleiches gespeiset/ sei-
ne getreue Diener ihm von der Seite gerissen;
und deßwegen er von einigen Vertrauten ge-
warniget: daß er sich gegen das Kriegs-Volck/
als einem tauben und hartnäckichten Thiere/
nichts guts noch friedliches zu versehen hätte/
sondern Facksariff und Marbod nunmehr um
seinen Kopff spielten. Daher er sich auf die
Flucht in das Hercinische Gebürge begab; aber
von dem/ bey dem er seine Sicher heit zu erlan-
gen verhofft hatte/ selbst angehalten ward. Hier-
auf brach der neue Rath und das Heer mit grau-
samen Beschuldigungen hersür/ hinter welche
man allererst kommen wäre; nemlich: Britton
hätte seinen Vater durch Gifft hingerichtet; die
Barden und Eubagen von den Cheruskern

nicht

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] nicht der Obrigkeit ſelbſt/ wenn ſie es ſchon im
Schilde fuͤhren; ſondern nur etlichen Gliedern
oder Beampteten derſelben die Stirne bieten/
da ſie anders einen Beyfall der Gemeine ver-
langen. Sintemahl dieſes nicht behertzigt:
daß Jrrthuͤmern und Schwachheiten unter-
worffene Menſchen in Aemptern ſitzen/ und
die Amptleute durch Auffruhr oder auch durch
ihre Verwechſelung ſelten verbeſſert werden;
ja die Haͤupter des Aufruhrs meiſt die laſter haff-
teſten Leute ſind/ welche durch dieſe gifftige Artz-
ney andern ab/ und ihnen in Sattel helffen wol-
len; wormit ſie wie der Scorpion im Himmel
dem Lande ſo viel mehr Schaden anfuͤgen koͤn-
nen. Dahero ſelten ein Wuͤtterich geſtuͤrtzt
worden; es haben die Werckzeuge hernach ſich
ſelbſt um ſeinen Stab gezancket/ und einen
Bluthund ausgebruͤtet. Wenn nun aber die
Aufruͤhrer das Volck ſo weit verleitet: daß ſie ih-
ren Fuͤrſten ihm durch ſchwere Mißhandlung
unverſoͤhnlich gemacht; ſo greiffen ſie ihm als-
denn ſelbſt nach der Gurgel. Dieſes erfolgte
auch bey dem Reichs-Rathe der Hermundurer.
Denn als gleich die beſchuldigten Glieder ſich
aus dem Staube machten; weil ſie mehrmahls
ſelbſt im Rathe gehoͤrt hatten: Wie ein Menſch/
der ſich ſelbſt zu erhalten im Gewiſſen verbun-
den iſt/ nichts minder fuͤr einen Selbſt-Moͤrder
zu halten waͤre/ wenn er nicht das von dem kal-
ten Brande angeſteckte Glied abſegete; als der
ſich durch Hunger toͤdtet; alſo verwahrloſete
auch eine Obrigkeit/ bey welcher das gemeine
Heil das oberſte Geſetze waͤre/ das gemeine We-
ſen/ wenn ſie einen oder den andern darfuͤr ab-
zuſchlachten allzu barmhertzig waͤre/ nichts
minder als die in einem Schiffe lieber ins ge-
ſamt er hungerten/ als einen einigen Menſchen
zur Speiſe verbrauchten. Dennoch war das
Kriegs-Heer mit dieſer fluͤchtigen Unrathe
nicht vergnuͤgt; ſondern ie mehr es ſich von dem
Rathe gefuͤrchtet/ oder ſeinem Begehren gewill-
fahret ſahe; ie hoͤher ſpannte es den Bogen ſei-
[Spaltenumbruch] ner Forderungen; ſuchte der in der Stadt Ca-
legia liegenden Beſatzung ihre eigene Kriegs-
Haͤupter fuͤrzuſetzen/ und ruͤckte endlich ſelbſt
darfuͤr; alſo: daß der Reichs-Rath/ um zwiſchen
dem Hertzoge Britton und dem Kriegs-Heere
Argwohn und Zwytracht zu ſtifften/ Brittons
andern Sohn Obiak zu ſeinem Haupte erklaͤrte.
Das Kriegs-Heer aber lachte uͤber dieſem
Kunſt-Stuͤcke/ und loͤſete dieſen Zweifels-Kno-
ten mit der Schaͤrffe ſeiner Degen auf; brachte
es alſo dahin: daß die Stadt dem Fack ſarif ſelbſt
die Schluͤſſel entgegen brachte/ und die Feſtung
darbey einraͤumte. Alſo zohe das gantze Heeꝛ mit
Sieges-Zweigen in die Stadt/ ſeine Haͤupter
vernichteten was der Rath eine zeitlang geſchloſ-
ſen hatte/ eꝛwehlten einen gantz neuen Rath/ und
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nach ihrer Willkuͤhr viel anders ein. Hertzog
Britton/ dem das Kriegs-Heer anfangs in ſeine
erſte Hoͤhe und Gewalt zu ſetzen weiß gemacht/
und der ſeine Kinder zur Hand geſchafft hatte/
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welche beyde von dem Fuͤrſtlichen Hauſe der
Hermundurer Vaͤter des Reiches und Erloͤſer
des Fuͤrſten waren ausgeſtrichen worden/ mit
leerer Hoffnung eines Vergleiches geſpeiſet/ ſei-
ne getreue Diener ihm von der Seite geriſſen;
und deßwegen er von einigen Vertrauten ge-
warniget: daß er ſich gegen das Kriegs-Volck/
als einem tauben und hartnaͤckichten Thiere/
nichts guts noch friedliches zu verſehen haͤtte/
ſondern Fackſariff und Marbod nunmehr um
ſeinen Kopff ſpielten. Daher er ſich auf die
Flucht in das Herciniſche Gebuͤrge begab; aber
von dem/ bey dem er ſeine Sicher heit zu erlan-
gen verhofft hatte/ ſelbſt angehalten ward. Hier-
auf brach der neue Rath und das Heer mit grau-
ſamen Beſchuldigungen herſuͤr/ hinter welche
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haͤtte ſeinen Vater durch Gifft hingerichtet; die
Barden und Eubagen von den Cheruskern

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[1076[1078]/1140] Siebendes Buch nicht der Obrigkeit ſelbſt/ wenn ſie es ſchon im Schilde fuͤhren; ſondern nur etlichen Gliedern oder Beampteten derſelben die Stirne bieten/ da ſie anders einen Beyfall der Gemeine ver- langen. Sintemahl dieſes nicht behertzigt: daß Jrrthuͤmern und Schwachheiten unter- worffene Menſchen in Aemptern ſitzen/ und die Amptleute durch Auffruhr oder auch durch ihre Verwechſelung ſelten verbeſſert werden; ja die Haͤupter des Aufruhrs meiſt die laſter haff- teſten Leute ſind/ welche durch dieſe gifftige Artz- ney andern ab/ und ihnen in Sattel helffen wol- len; wormit ſie wie der Scorpion im Himmel dem Lande ſo viel mehr Schaden anfuͤgen koͤn- nen. Dahero ſelten ein Wuͤtterich geſtuͤrtzt worden; es haben die Werckzeuge hernach ſich ſelbſt um ſeinen Stab gezancket/ und einen Bluthund ausgebruͤtet. Wenn nun aber die Aufruͤhrer das Volck ſo weit verleitet: daß ſie ih- ren Fuͤrſten ihm durch ſchwere Mißhandlung unverſoͤhnlich gemacht; ſo greiffen ſie ihm als- denn ſelbſt nach der Gurgel. Dieſes erfolgte auch bey dem Reichs-Rathe der Hermundurer. Denn als gleich die beſchuldigten Glieder ſich aus dem Staube machten; weil ſie mehrmahls ſelbſt im Rathe gehoͤrt hatten: Wie ein Menſch/ der ſich ſelbſt zu erhalten im Gewiſſen verbun- den iſt/ nichts minder fuͤr einen Selbſt-Moͤrder zu halten waͤre/ wenn er nicht das von dem kal- ten Brande angeſteckte Glied abſegete; als der ſich durch Hunger toͤdtet; alſo verwahrloſete auch eine Obrigkeit/ bey welcher das gemeine Heil das oberſte Geſetze waͤre/ das gemeine We- ſen/ wenn ſie einen oder den andern darfuͤr ab- zuſchlachten allzu barmhertzig waͤre/ nichts minder als die in einem Schiffe lieber ins ge- ſamt er hungerten/ als einen einigen Menſchen zur Speiſe verbrauchten. Dennoch war das Kriegs-Heer mit dieſer fluͤchtigen Unrathe nicht vergnuͤgt; ſondern ie mehr es ſich von dem Rathe gefuͤrchtet/ oder ſeinem Begehren gewill- fahret ſahe; ie hoͤher ſpannte es den Bogen ſei- ner Forderungen; ſuchte der in der Stadt Ca- legia liegenden Beſatzung ihre eigene Kriegs- Haͤupter fuͤrzuſetzen/ und ruͤckte endlich ſelbſt darfuͤr; alſo: daß der Reichs-Rath/ um zwiſchen dem Hertzoge Britton und dem Kriegs-Heere Argwohn und Zwytracht zu ſtifften/ Brittons andern Sohn Obiak zu ſeinem Haupte erklaͤrte. Das Kriegs-Heer aber lachte uͤber dieſem Kunſt-Stuͤcke/ und loͤſete dieſen Zweifels-Kno- ten mit der Schaͤrffe ſeiner Degen auf; brachte es alſo dahin: daß die Stadt dem Fack ſarif ſelbſt die Schluͤſſel entgegen brachte/ und die Feſtung darbey einraͤumte. Alſo zohe das gantze Heeꝛ mit Sieges-Zweigen in die Stadt/ ſeine Haͤupter vernichteten was der Rath eine zeitlang geſchloſ- ſen hatte/ eꝛwehlten einen gantz neuen Rath/ und ſetzten viel Glieder des vorigen in Gefaͤngnuͤß/ ſchaͤtzten die Buͤrgerſchafft/ und richteten alles nach ihrer Willkuͤhr viel anders ein. Hertzog Britton/ dem das Kriegs-Heer anfangs in ſeine erſte Hoͤhe und Gewalt zu ſetzen weiß gemacht/ und der ſeine Kinder zur Hand geſchafft hatte/ ward inzwiſchen von Fackſarif und Marbod/ welche beyde von dem Fuͤrſtlichen Hauſe der Hermundurer Vaͤter des Reiches und Erloͤſer des Fuͤrſten waren ausgeſtrichen worden/ mit leerer Hoffnung eines Vergleiches geſpeiſet/ ſei- ne getreue Diener ihm von der Seite geriſſen; und deßwegen er von einigen Vertrauten ge- warniget: daß er ſich gegen das Kriegs-Volck/ als einem tauben und hartnaͤckichten Thiere/ nichts guts noch friedliches zu verſehen haͤtte/ ſondern Fackſariff und Marbod nunmehr um ſeinen Kopff ſpielten. Daher er ſich auf die Flucht in das Herciniſche Gebuͤrge begab; aber von dem/ bey dem er ſeine Sicher heit zu erlan- gen verhofft hatte/ ſelbſt angehalten ward. Hier- auf brach der neue Rath und das Heer mit grau- ſamen Beſchuldigungen herſuͤr/ hinter welche man allererſt kommen waͤre; nemlich: Britton haͤtte ſeinen Vater durch Gifft hingerichtet; die Barden und Eubagen von den Cheruskern nicht

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1076[1078]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1140>, abgerufen am 23.11.2024.