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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Kräntzen einen loß machte/ selbten dem Mar-
bod auffsetzte/ und ihn noch darzu mit dem De-
gen des damahls erlegten König Bojorichs be-
schenckte; meldende: Er und sein Vater hätten
sich um Rom so sehr verdient: daß er billich die-
ses seines großmüthigen Landes-Mannes De-
gen zurück bekäme. Er ward hierauf ein Haupt-
mann über die Deutsche Leib-Wache/ und mu-
ste wegen seiner Annehmligkeit täglich bey
Hofe seyn. Jnsonderheit aber stand er mit dem
Tiberius in verträulicher Freundschafft/ weil
er ihn in dem Cantabrischen Kriege/ darinnen
er die erste Kriegs-Würde/ als Oberster/ er-
langte/ aus augenscheinlicher Lebens-Gefahr
errettet hatte. Bey dieser Gemeinschafft ge-
rieth Marbod auch in Kundschafft mit des Kay-
sers Tochter Julia/ damahls des Agrippa Eh-
Weibe. Diese entbrannte durch hefftige Liebe
gegen den schönen und tapfferen Marbod de-
rogestalt: daß als Agrippa einsmahls des Kay-
sers Geburts-Tag in denen von ihm dem Nep-
tunus zu Ehren gebauten Spatzier-Sälen be-
gieng/ sie ihr Gelegenheit nahm den Marbod
zu der Argonauten in Alabaster künstlich ge-
hauenen Geschichten zu führen; und mit mehr-
mahls entfärbtem Antlitze ihn um sein Gut-
achten über der Bildung Jasons und Medeens
zu befragen. Wie dieser nun so wol die Erfin-
dung/ als den Meißel des Bildhauers überaus
lobte/ und meldete: daß er dieses Bild weit über
die unvollkommene Medea des Timimachus
schätzte/ welche Kayser Julius für achzig Talent
gekaufft/ und in der gebährenden Venus Tem-
pel gesetzt hätte; fieng sie an: Es ist wol wahr:
daß mein sonst so bäuerischer Ehmann diese
Medea von den Cyzizenern viel theuerer er-
kaufft; Meine wenigste Sorge aber ist um die-
se todten Steine. Alleine was urtheilestu von
der Liebe dieser schönen Fürstin? Marbod nahm
zwar Juliens Veränderung in ihrem feurigen
Antlitze wahr/ ließ ihm aber ihr Absehen nicht
[tr]äumen; antwortete also: Er hielte sie für eine
[Spaltenumbruch] der treusten und hefftigsten dieser Welt; son-
derlich/ da sie den Glantz der väterlichen Krone
und Zepters ausser Augen gesetzt hätte/ und ei-
nem unbekandten Ausländer über Klippen und
Wellen gefolget wäre. Julia zwang hierüber
alle ihr Annehmligkeiten zusammen/ und fieng
mit einem gleichsam zauberischen Liebreitze an:
Glaube mir/ Marbod/ wenn ich auch wüste:
daß du mir eine Glauce an die Seite legen/ oder
mit mir grimmiger als Jason handeln woltest;
würde ich meines Vaters Kayserthum und
meines Ehmanns Glücke doch in Wind schla-
gen/ und durch Flammen und Schnee dir in
dein raues Deutschland nachziehen. Marbod
ward durch diese unvermuthete Erklärung
nicht nur seiner Sprache/ sondern gleichsam der
Vernunfft beraubet. Weil aber Tiberius an
einer/ Terentia und Vipsania Agrippina des
Tiberius Ehfrau an der andern Ecke des Spa-
tzier ganges eintraten/ gieng Julia diesen/ Mar-
bod aber jenem entgegen. Dieser konte seine
Gemüths-Veränderung derogestalt nicht ver-
decken: daß Tiberius sie ihm nicht also gleich
an Augen angesehen hätte. Daher lenckte er
alsofort in das nechste Blumenstücke des Gar-
tens mit ihm ab/ und ersuchte ihn: Er möchte
ihm die Ursache seiner Verstellung nicht ver-
schweigen. Marbod machte sie ihm anfangs
zwar gantz fremde; hernach bediente er sich ei-
nes andern Vorwands; aber der schlaue Tibe-
rius wolte sich weder eines noch das andere be-
reden lassen; sondern/ als er wol merckte: daß
Marbod schwerlich selbst mit einer so gefährli-
chen Eröfnung würde heraus wollen/ beschwur
er ihn bey ihrer beyder Freundschafft: daß/ da-
fern er es erriethe/ Marbod ihm die Warheit
nicht verschweigen wolte. Als dieser es ihm in
Meynung der Unmögligkeit auff so seltzame
Begebenheit zu kommen angelobte/ fieng Ti-
berius an: Die Liebe ist eine Schwäche der grö-
sten Leute/ und die Röthe ihr Verräther; da-
her muthmasse ich: es werde Julia dir was von

ihrer

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Kraͤntzen einen loß machte/ ſelbten dem Mar-
bod auffſetzte/ und ihn noch darzu mit dem De-
gen des damahls erlegten Koͤnig Bojorichs be-
ſchenckte; meldende: Er und ſein Vater haͤtten
ſich um Rom ſo ſehr verdient: daß er billich die-
ſes ſeines großmuͤthigen Landes-Mannes De-
gen zuruͤck bekaͤme. Er ward hierauf ein Haupt-
mann uͤber die Deutſche Leib-Wache/ und mu-
ſte wegen ſeiner Annehmligkeit taͤglich bey
Hofe ſeyn. Jnſonderheit aber ſtand er mit dem
Tiberius in vertraͤulicher Freundſchafft/ weil
er ihn in dem Cantabriſchen Kriege/ darinnen
er die erſte Kriegs-Wuͤrde/ als Oberſter/ er-
langte/ aus augenſcheinlicher Lebens-Gefahr
errettet hatte. Bey dieſer Gemeinſchafft ge-
rieth Marbod auch in Kundſchafft mit des Kay-
ſers Tochter Julia/ damahls des Agrippa Eh-
Weibe. Dieſe entbrannte durch hefftige Liebe
gegen den ſchoͤnen und tapfferen Marbod de-
rogeſtalt: daß als Agrippa einsmahls des Kay-
ſers Geburts-Tag in denen von ihm dem Nep-
tunus zu Ehren gebauten Spatzier-Saͤlen be-
gieng/ ſie ihr Gelegenheit nahm den Marbod
zu der Argonauten in Alabaſter kuͤnſtlich ge-
hauenen Geſchichten zu fuͤhren; und mit mehr-
mahls entfaͤrbtem Antlitze ihn um ſein Gut-
achten uͤber der Bildung Jaſons und Medeens
zu befragen. Wie dieſer nun ſo wol die Erfin-
dung/ als den Meißel des Bildhauers uͤberaus
lobte/ und meldete: daß er dieſes Bild weit uͤber
die unvollkommene Medea des Timimachus
ſchaͤtzte/ welche Kayſer Julius fuͤr achzig Talent
gekaufft/ und in der gebaͤhrenden Venus Tem-
pel geſetzt haͤtte; fieng ſie an: Es iſt wol wahr:
daß mein ſonſt ſo baͤueriſcher Ehmann dieſe
Medea von den Cyzizenern viel theuerer er-
kaufft; Meine wenigſte Sorge aber iſt um die-
ſe todten Steine. Alleine was urtheileſtu von
der Liebe dieſer ſchoͤnen Fuͤrſtin? Marbod nahm
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Antlitze wahr/ ließ ihm aber ihr Abſehen nicht
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derlich/ da ſie den Glantz der vaͤterlichen Krone
und Zepters auſſer Augen geſetzt haͤtte/ und ei-
nem unbekandten Auslaͤnder uͤber Klippen und
Wellen gefolget waͤre. Julia zwang hieruͤber
alle ihr Annehmligkeiten zuſammen/ und fieng
mit einem gleichſam zauberiſchen Liebreitze an:
Glaube mir/ Marbod/ wenn ich auch wuͤſte:
daß du mir eine Glauce an die Seite legen/ oder
mit mir grimmiger als Jaſon handeln wolteſt;
wuͤrde ich meines Vaters Kayſerthum und
meines Ehmanns Gluͤcke doch in Wind ſchla-
gen/ und durch Flammen und Schnee dir in
dein raues Deutſchland nachziehen. Marbod
ward durch dieſe unvermuthete Erklaͤrung
nicht nur ſeiner Sprache/ ſondern gleichſam der
Vernunfft beraubet. Weil aber Tiberius an
einer/ Terentia und Vipſania Agrippina des
Tiberius Ehfrau an der andern Ecke des Spa-
tzier ganges eintraten/ gieng Julia dieſen/ Mar-
bod aber jenem entgegen. Dieſer konte ſeine
Gemuͤths-Veraͤnderung derogeſtalt nicht ver-
decken: daß Tiberius ſie ihm nicht alſo gleich
an Augen angeſehen haͤtte. Daher lenckte er
alſofort in das nechſte Blumenſtuͤcke des Gar-
tens mit ihm ab/ und erſuchte ihn: Er moͤchte
ihm die Urſache ſeiner Verſtellung nicht ver-
ſchweigen. Marbod machte ſie ihm anfangs
zwar gantz fremde; hernach bediente er ſich ei-
nes andern Vorwands; aber der ſchlaue Tibe-
rius wolte ſich weder eines noch das andere be-
reden laſſen; ſondern/ als er wol merckte: daß
Marbod ſchwerlich ſelbſt mit einer ſo gefaͤhrli-
chen Eroͤfnung wuͤrde heraus wollen/ beſchwur
er ihn bey ihrer beyder Freundſchafft: daß/ da-
fern er es erriethe/ Marbod ihm die Warheit
nicht verſchweigen wolte. Als dieſer es ihm in
Meynung der Unmoͤgligkeit auff ſo ſeltzame
Begebenheit zu kommen angelobte/ fieng Ti-
berius an: Die Liebe iſt eine Schwaͤche der groͤ-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1070[1072]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1134>, abgerufen am 23.11.2024.