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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Reiches; weil er sich nicht allenthalben hin selbst
traute; ja auch in den Rath niemahls ohne Pan-
tzer kam. Wiewol ich gestehe: daß Agrippa/
und nebst ihm Mecenas sich um den Kayser so
hoch/ als noch zur Zeit kein ander Staats-Rath
um seinen Fürsten verdient/ und das Gewich-
te aller Vergeltung überwogen/ also dieser von
jenem dem Kayser nicht weniger klug/ als ge-
treu eingerathen habe: Er müsse den Agrippa
entweder tödten oder zum Eydame machen.
Wie es denn August zu seiner Verbindung
nicht genung hielt: daß er vorher mit seiner
Schwester Tochter vermählt war/ sondern er
muste diese verstossen/ wormit er des Kaysers ei-
gene Tochter Julia heyrathen konte. Er ver-
zuckerte den der Freyheit gewohnten Römern
die neue Dienstbarkeit; er setzte durch seine
Siege des Kaysers Waffen in Ansehen bey den
Bundgenossen/ und gieng gleichwol mit denen
Uberwundenen so um: daß der Welt die so sehr
gefürchtete Gewalt annehmlich ward. Jn
Rathschlägen zeigte er eine durchtriebene
Scharffsichtigkeit/ und einen feurigen Eyver in
derselben Ausübung. Wo er des Kaysers Zu-
neigung befördern solte; sahe er sein Absehen
ihm in Augen an. Wo es um sein Ansehen zu
thun war/ grieff er nichts ohne seinen Befehl
an/ wormit nicht er/ sondern der Kayser die Eh-
re davon trüge; wo ein zweiffelhaffter Ausschlag
zu besorgen/ nahm er die vermutheten Ent-
schlüssungen des Kaysers auff seine Achsel und
Gefahr. Eben dieses wagte er/ wie ihm August
die Verwaltung über gantz Gallien anvertrau-
te. Denn wiewol der Kayser mit den Deutschen
anzubinden Lust hatte; stand er doch wegen des
ungewissen Ausschlags an/ dieses gefährliche
Feuer aufzurühren. Daher nahm es Agrippa
auf sich; wormit/ wenn es mißriethe/ ihm die
Schande/ wenn er aber seinen Zweck erreichte/
dem Kayser der Ruhm zuwüchse. Der ausser
dem Narbonischen Gallien wohnende Adel/
[Spaltenumbruch] und insonderheit die um die Römer so hoch ver-
dienten Heduer nahmen es übel auf: daß nur
aus jenen/ nicht aber aus ihnen einige zu Rö-
mischen Raths-Herren erkieset wurden/ und
daher gaben sie dem vom Geld schmeltzenden
Licinius ohne diß ausgemergelten Volcke ins
Geheim Anlaß zum Auffstande; welches vorhin
überaus schwürig war: daß der Kayser so viel
Römer in Gallien versetzte/ denen sie ohne Ent-
gelt und Wiederrede ihr väterlich Erbtheil ab-
treten musten; da sie doch sonst nichts verschuldet
hatten/ als daß sie fruchtbares Erdreich besäs-
sen. Also mangelte ihnen nichts als ein Haupt
den Römern die Stirne zu bieten. Dieses
fanden sie endlich an des Feldherrn Segimers
Bruder/ dem Fürsten Jngviomer/ einem jun-
gen abgefundenen Herrn; welcher/ um die Che-
ruskischen Kräffte durch Theilung nicht zu
schwächen/ sich selbst seines väterlichen Erb-
theils verzieh/ und mit dem Degen sein Glücke
zu suchen sich entschloß. Wie er nun der Gal-
lier Gemüther ausgeholet; kam er mit fünfhun-
dert jungen Edelleuten und etlichen tausend dort
und dar zusammen gelesener Mannschafft in
Gallien; brachte von Heduern/ Trevirern/ Se-
quanern und Mediomatrichern unter dem jun-
gen Fürsten Divitiack ein ziemliches Heer zu-
sammen/ mit dem Vorsatze den Galliern ihre
Freyheit wieder zu erwerben. Agrippa hielt diß
anfangs für eine gewünschte Gelegenheit den
Deutschen in die Haare zu kommen; er erfuhr
aber bald: daß noch etliche tausend Catten zu
den Galliern gestossen/ und also die Feinde stär-
cker wären als die Römischen Kräfte in Gallien
zu bestreiten vermöchten. Daher muste er mit
seinen dreyen Legionen durch allerhand Kriegs-
Lift den Jngviomer aufhalten; biß er aus Hi-
spanien und Jtalien mit noch drey andern ver-
stärckt ward. Worauff es denn bey der Stadt
Divodur zu einer blutigen Schlacht kam/
in welcher Jngviomer die Hertzhafftigkeit

eines
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Reiches; weil er ſich nicht allenthalben hin ſelbſt
traute; ja auch in den Rath niemahls ohne Pan-
tzer kam. Wiewol ich geſtehe: daß Agrippa/
und nebſt ihm Mecenas ſich um den Kayſer ſo
hoch/ als noch zur Zeit kein ander Staats-Rath
um ſeinen Fuͤrſten verdient/ und das Gewich-
te aller Vergeltung uͤberwogen/ alſo dieſer von
jenem dem Kayſer nicht weniger klug/ als ge-
treu eingerathen habe: Er muͤſſe den Agrippa
entweder toͤdten oder zum Eydame machen.
Wie es denn Auguſt zu ſeiner Verbindung
nicht genung hielt: daß er vorher mit ſeiner
Schweſter Tochter vermaͤhlt war/ ſondern er
muſte dieſe verſtoſſen/ wormit er des Kayſers ei-
gene Tochter Julia heyrathen konte. Er ver-
zuckerte den der Freyheit gewohnten Roͤmern
die neue Dienſtbarkeit; er ſetzte durch ſeine
Siege des Kayſers Waffen in Anſehen bey den
Bundgenoſſen/ und gieng gleichwol mit denen
Uberwundenen ſo um: daß der Welt die ſo ſehr
gefuͤrchtete Gewalt annehmlich ward. Jn
Rathſchlaͤgen zeigte er eine durchtriebene
Scharffſichtigkeit/ und einen feurigen Eyver in
derſelben Ausuͤbung. Wo er des Kayſers Zu-
neigung befoͤrdern ſolte; ſahe er ſein Abſehen
ihm in Augen an. Wo es um ſein Anſehen zu
thun war/ grieff er nichts ohne ſeinen Befehl
an/ wormit nicht er/ ſondern der Kayſer die Eh-
re davon truͤge; wo ein zweiffelhaffter Ausſchlag
zu beſorgen/ nahm er die vermutheten Ent-
ſchluͤſſungen des Kayſers auff ſeine Achſel und
Gefahr. Eben dieſes wagte er/ wie ihm Auguſt
die Verwaltung uͤber gantz Gallien anvertrau-
te. Denn wiewol der Kayſer mit den Deutſchen
anzubinden Luſt hatte; ſtand er doch wegen des
ungewiſſen Ausſchlags an/ dieſes gefaͤhrliche
Feuer aufzuruͤhren. Daher nahm es Agrippa
auf ſich; wormit/ wenn es mißriethe/ ihm die
Schande/ wenn er aber ſeinen Zweck erreichte/
dem Kayſer der Ruhm zuwuͤchſe. Der auſſer
dem Narboniſchen Gallien wohnende Adel/
[Spaltenumbruch] und inſonderheit die um die Roͤmer ſo hoch ver-
dienten Heduer nahmen es uͤbel auf: daß nur
aus jenen/ nicht aber aus ihnen einige zu Roͤ-
miſchen Raths-Herren erkieſet wurden/ und
daher gaben ſie dem vom Geld ſchmeltzenden
Licinius ohne diß ausgemergelten Volcke ins
Geheim Anlaß zum Auffſtande; welches vorhin
uͤberaus ſchwuͤrig war: daß der Kayſer ſo viel
Roͤmer in Gallien verſetzte/ denen ſie ohne Ent-
gelt und Wiederrede ihr vaͤterlich Erbtheil ab-
treten muſten; da ſie doch ſonſt nichts verſchuldet
hatten/ als daß ſie fruchtbares Erdreich beſaͤſ-
ſen. Alſo mangelte ihnen nichts als ein Haupt
den Roͤmern die Stirne zu bieten. Dieſes
fanden ſie endlich an des Feldherrn Segimers
Bruder/ dem Fuͤrſten Jngviomer/ einem jun-
gen abgefundenen Herrn; welcher/ um die Che-
ruskiſchen Kraͤffte durch Theilung nicht zu
ſchwaͤchen/ ſich ſelbſt ſeines vaͤterlichen Erb-
theils verzieh/ und mit dem Degen ſein Gluͤcke
zu ſuchen ſich entſchloß. Wie er nun der Gal-
lier Gemuͤther ausgeholet; kam er mit fuͤnfhun-
dert jungen Edelleuten und etlichen tauſend dort
und dar zuſammen geleſener Mannſchafft in
Gallien; brachte von Heduern/ Trevirern/ Se-
quanern und Mediomatrichern unter dem jun-
gen Fuͤrſten Divitiack ein ziemliches Heer zu-
ſammen/ mit dem Vorſatze den Galliern ihre
Freyheit wieder zu erwerben. Agrippa hielt diß
anfangs fuͤr eine gewuͤnſchte Gelegenheit den
Deutſchen in die Haare zu kommen; er erfuhr
aber bald: daß noch etliche tauſend Catten zu
den Galliern geſtoſſen/ und alſo die Feinde ſtaͤr-
cker waͤren als die Roͤmiſchen Kraͤfte in Gallien
zu beſtreiten vermoͤchten. Daher muſte er mit
ſeinen dreyen Legionen durch allerhand Kriegs-
Lift den Jngviomer aufhalten; biß er aus Hi-
ſpanien und Jtalien mit noch drey andern ver-
ſtaͤrckt ward. Worauff es denn bey der Stadt
Divodur zu einer blutigen Schlacht kam/
in welcher Jngviomer die Hertzhafftigkeit

eines
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[1061[1063]/1125] Arminius und Thußnelda. Reiches; weil er ſich nicht allenthalben hin ſelbſt traute; ja auch in den Rath niemahls ohne Pan- tzer kam. Wiewol ich geſtehe: daß Agrippa/ und nebſt ihm Mecenas ſich um den Kayſer ſo hoch/ als noch zur Zeit kein ander Staats-Rath um ſeinen Fuͤrſten verdient/ und das Gewich- te aller Vergeltung uͤberwogen/ alſo dieſer von jenem dem Kayſer nicht weniger klug/ als ge- treu eingerathen habe: Er muͤſſe den Agrippa entweder toͤdten oder zum Eydame machen. Wie es denn Auguſt zu ſeiner Verbindung nicht genung hielt: daß er vorher mit ſeiner Schweſter Tochter vermaͤhlt war/ ſondern er muſte dieſe verſtoſſen/ wormit er des Kayſers ei- gene Tochter Julia heyrathen konte. Er ver- zuckerte den der Freyheit gewohnten Roͤmern die neue Dienſtbarkeit; er ſetzte durch ſeine Siege des Kayſers Waffen in Anſehen bey den Bundgenoſſen/ und gieng gleichwol mit denen Uberwundenen ſo um: daß der Welt die ſo ſehr gefuͤrchtete Gewalt annehmlich ward. Jn Rathſchlaͤgen zeigte er eine durchtriebene Scharffſichtigkeit/ und einen feurigen Eyver in derſelben Ausuͤbung. Wo er des Kayſers Zu- neigung befoͤrdern ſolte; ſahe er ſein Abſehen ihm in Augen an. Wo es um ſein Anſehen zu thun war/ grieff er nichts ohne ſeinen Befehl an/ wormit nicht er/ ſondern der Kayſer die Eh- re davon truͤge; wo ein zweiffelhaffter Ausſchlag zu beſorgen/ nahm er die vermutheten Ent- ſchluͤſſungen des Kayſers auff ſeine Achſel und Gefahr. Eben dieſes wagte er/ wie ihm Auguſt die Verwaltung uͤber gantz Gallien anvertrau- te. Denn wiewol der Kayſer mit den Deutſchen anzubinden Luſt hatte; ſtand er doch wegen des ungewiſſen Ausſchlags an/ dieſes gefaͤhrliche Feuer aufzuruͤhren. Daher nahm es Agrippa auf ſich; wormit/ wenn es mißriethe/ ihm die Schande/ wenn er aber ſeinen Zweck erreichte/ dem Kayſer der Ruhm zuwuͤchſe. Der auſſer dem Narboniſchen Gallien wohnende Adel/ und inſonderheit die um die Roͤmer ſo hoch ver- dienten Heduer nahmen es uͤbel auf: daß nur aus jenen/ nicht aber aus ihnen einige zu Roͤ- miſchen Raths-Herren erkieſet wurden/ und daher gaben ſie dem vom Geld ſchmeltzenden Licinius ohne diß ausgemergelten Volcke ins Geheim Anlaß zum Auffſtande; welches vorhin uͤberaus ſchwuͤrig war: daß der Kayſer ſo viel Roͤmer in Gallien verſetzte/ denen ſie ohne Ent- gelt und Wiederrede ihr vaͤterlich Erbtheil ab- treten muſten; da ſie doch ſonſt nichts verſchuldet hatten/ als daß ſie fruchtbares Erdreich beſaͤſ- ſen. Alſo mangelte ihnen nichts als ein Haupt den Roͤmern die Stirne zu bieten. Dieſes fanden ſie endlich an des Feldherrn Segimers Bruder/ dem Fuͤrſten Jngviomer/ einem jun- gen abgefundenen Herrn; welcher/ um die Che- ruskiſchen Kraͤffte durch Theilung nicht zu ſchwaͤchen/ ſich ſelbſt ſeines vaͤterlichen Erb- theils verzieh/ und mit dem Degen ſein Gluͤcke zu ſuchen ſich entſchloß. Wie er nun der Gal- lier Gemuͤther ausgeholet; kam er mit fuͤnfhun- dert jungen Edelleuten und etlichen tauſend dort und dar zuſammen geleſener Mannſchafft in Gallien; brachte von Heduern/ Trevirern/ Se- quanern und Mediomatrichern unter dem jun- gen Fuͤrſten Divitiack ein ziemliches Heer zu- ſammen/ mit dem Vorſatze den Galliern ihre Freyheit wieder zu erwerben. Agrippa hielt diß anfangs fuͤr eine gewuͤnſchte Gelegenheit den Deutſchen in die Haare zu kommen; er erfuhr aber bald: daß noch etliche tauſend Catten zu den Galliern geſtoſſen/ und alſo die Feinde ſtaͤr- cker waͤren als die Roͤmiſchen Kraͤfte in Gallien zu beſtreiten vermoͤchten. Daher muſte er mit ſeinen dreyen Legionen durch allerhand Kriegs- Lift den Jngviomer aufhalten; biß er aus Hi- ſpanien und Jtalien mit noch drey andern ver- ſtaͤrckt ward. Worauff es denn bey der Stadt Divodur zu einer blutigen Schlacht kam/ in welcher Jngviomer die Hertzhafftigkeit eines S s s s s s 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1061[1063]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1125>, abgerufen am 23.11.2024.