Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
den Alemannischen Aufzug durch blosse Kriegs-Listen vernichtet hatte/ fand an statt eines Siegs-Gepränges diese traurige Zeilen in sei- nem geheimsten Schrancken: Die den Tod für die gröste Würckung der Die erste Nachricht von Asblastens Entwei- Bey Entfallung dieser Seule/ welche des Soh- Erster Theil. Q q q q q q
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
den Alemanniſchen Aufzug durch bloſſe Kriegs-Liſten vernichtet hatte/ fand an ſtatt eines Siegs-Gepraͤnges dieſe traurige Zeilen in ſei- nem geheimſten Schrancken: Die den Tod fuͤr die groͤſte Wuͤrckung der Die erſte Nachricht von Asblaſtens Entwei- Bey Entfallung dieſer Seule/ welche des Soh- Erſter Theil. Q q q q q q
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Arminius und Thußnelda.
den Alemanniſchen Aufzug durch bloſſe Kriegs-
Liſten vernichtet hatte/ fand an ſtatt eines
Siegs-Gepraͤnges dieſe traurige Zeilen in ſei-
nem geheimſten Schrancken:
Die den Tod fuͤr die groͤſte Wuͤrckung der
Liebe halten/ haben entweder ihre edelſte Kraft
nicht ergruͤndet/ oder ihr groſſe Unvollkom-
menheit zugeeignet; wo nicht gar ein Jrrlicht
fuͤr einen Stern erkieſet. Es iſt leichter/ und
darff nur einen behertzten Schnitt/ oder die
Pein eines Augenblicks fuͤr den geliebten ſein
Blut abzoͤpffen; die Ausſtehung aber vieler
der Seele zuſetzenden Gemuͤths-Regungen iſt
etwas uͤbermenſchliches. Dieſes traue ich mir
ausgeuͤbt zu haben/ wenn ich der tugendhafften
Vocione das nur zur Helffte verlangte Bette
meines unſchaͤtzbaren Segimers gantz einraͤu-
me/ ihm aber durch meine Anweſenheit keine
Unmoͤgligkeit auffbuͤrde ſeine Liebe ſo zu thei-
len: daß die Wagſchale nicht hier oder dort uͤ-
berſchlage. Der Natur iſt es unmoͤglich mit
Feuer zu leſchen/ und mit Waſſer anzuzuͤnden/
aber nicht der Liebe. Dieſe verzehret in mir
ſelbſt die lodernden Flammen; und meine an-
genommene Kaͤlte ſtecket das Hertze meines un-
vergleichlichen Segimers gegen der Fuͤrſtin
Vocione an; welcher ich deßhalben nicht gram
ſeyn kan/ weil ſie der liebet/ dem ich mein Hertze
fuͤrlaͤngſt tauſendmahl aufgeopffert habe. Lebe
dieſemnach wol/ Segimer! und betheile Vocio-
nen mit deiner gantzen Liebe/ deine ungluͤckſe-
lige Asblaſten aber nur mit einem wenigen dei-
nes Andenckens.
Die erſte Nachricht von Asblaſtens Entwei-
chung hatte Segimern in Verzweiffelung ver-
ſetzt; dieſer Brieff aber machte ihn gleichſam
gantz raſend. Endlich als alle menſchliche
Mittel ſein Gemuͤthe zu beſaͤnftigen vergebens
waren/ verlohr ſich Fuͤrſt Segimer zu ſeines
verlebten Vaters und des unruhigen Vater-
landes hoͤchſter Beſtuͤrtzung nicht nur vom Ho-
fe/ ſondern aus gantz Deutſchland.
Bey Entfallung dieſer Seule/ welche des
nunmehr verlebten Feldherꝛn Aembrichs
ſchwache Achſeln unterſtuͤtzte/ fiengen die Che-
ruskiſchen Kraͤften wieder an zu ſincken; die un-
ter ihres Gebluͤtes Fuͤrſten zeither geſtandene
Eburoner und Moriner fielen durch einen ge-
waltſamen Aufſtand ab/ und erwehlten jene
ein Kind von drey Monaten Arabars Sohn/
dieſe aber einen Fuͤrſten/ der nur dem muͤtterli-
chen Stamm-Baume nach von Cheruskiſchem
Gebluͤte herkam/ zu ihrem Oberhaupte. Aem-
brich gerieth ſelbſt mit vielen Fuͤrſten Deutſch-
landes auf einer Reichs-Verſammlung in der
Stadt Caſurgis in nicht geringe Gefahr; weil
die Catten mit einem maͤchtigen Heere ſelbte
unverhofft umgaben. Wiewol nun dieſe un-
gemeine Noth alle Kraͤfften der Cherusker und
Ubier eilfertig zuſammen brachte/ und den
Feind nicht allein aus dem gantzen Bojiſchen
und Hermunduriſchen Gebiete trieb; ſo wen-
dete ſich doch bald das Blat. Obymal der Che-
ruskiſche Feldhauptmañ ward von Arabarn in
dem Gebiete der Uſipier geſchlagen/ er ſelbſt
gefangen. Aribert/ ein Hertzog der Angeln/
welcher nach des Fuͤrſten Gotarts Tode auf die
Cheruskiſche Seite getreten war/ weil man ihm
in der Feldhauptmannſchafft den Ritter Stor-
deſten fuͤrgezogen hatte/ ward unter dem Su-
detiſchen Gebuͤrge mit ſeinem gantzen Heere er-
legt; und kurtz darauff Loͤwenmuth Aembrichs
ander Sohn auff eben der Stelle/ wo Koͤnig
Gotart ſeinen erſten Sieg erlangt hatte/ mit
faſt nicht geringerm Verluſt aus dem Felde ge-
ſchlagen. Alſo bindet das Verhaͤngnuͤß nicht
nur einerley Zufaͤlle an gewiſſe Tage und Na-
men; ſondern auch an etliche Oerter. Hertzog
Aembrich legte hieruͤber mit ſeinem Leben auch
die Sorgen ſeiner Herꝛſchafft und die Bekuͤm-
mernuͤß uͤber ſein zerruͤttetes Vaterland und
die Entfernung des Fuͤrſten Segimers ab; ver-
ließ alſo inzwiſchen die Verwaltung des Reichs
und die Aufferziehung ſeines nur einjaͤhrigen
Soh-
Erſter Theil. Q q q q q q
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