Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Antuatuca und dem Läger gelocket/ erlegten
die Deutschen beyde Legionen mit ihren Häup-
tern; also: daß mit genauer Noth zwey Kriegs-
Knechte durch die Wälder entkamen/ und dem
Labienus die traurige Zeitung brachten. So
tapffer und klug rächete Hertzog Aembrich der
Deutschen und Belgen Unrecht; welches auch
die edelsten Gemüther aus Hoffnung künffti-
ger Vergeltung verschmertzen. Denn es ist
so wol ein Streich der Klugheit die Empfindlig-
keit nicht mercken/ als eine Zagheit sie verrau-
chen lassen. Wie es am schlimmsten ist/ die Be-
schimpffung vergessen; also ist nichts künstli-
chers/ als sie vergessen zu haben scheinen lassen.
Cäsarn schmertzte dieser Streich mehr/ als sein
Verlust. Denen Atuatikern und Nerviern
aber wuchs durch Aembrichs Sieg so weit das
Hertze: daß sie den Cicero in seinem Läger belä-
gerten; in Meynung: daß Jnduciomar mit
den Trevirern den Labienus/ und die Armori-
schen Städte den Roscius/ der Abrede nach/ an-
greiffen würden. Aembrich und Cattivulck
führten selbst die Deutschen hertzhafft an/ liessen
die Gräber mit Reiß-Heltze füllen/ die auf Rö-
mische Art gefertigten Sturm-Thürme an-
schieben; aber die verzweiffelte Gegenwehr der
Römer schlug zwey hefftige Stürme ab. Da-
hero sie bey erlangter Nachricht: daß Cäsar be-
reit unterschiedene Legionen zusammen ziehe/
[sic]h entschlossen ihr Läger gleichfalls zu um-
schantzen. Den siebenden Tag ließ der Feld-
Herr bey entstehendem starcken Winde eine
grosse Menge thönerne Kugeln glüend ma-
chen/ und selbte aus den Schleudern in das Rö-
mische Läger werffen/ w[e]lches die mit Stroh-
und Schilff-Schoben bedeckten Häuser leicht
in Brand brachte. Der Feldherr führte hierauf
zwar den dritten Sturm/ und fiel an vier Or-
ten das Römische Läger auffs grimmigste an.
Allein weil kein Römer dem Feuer zulieff; son-
dern ieder mit unverwendetem Gesichte auff
dem Walle gegen die stürmenden stehen blieb/
die Sturm-Thürme auch durch brennende
Pech-Kräntze in die Glut geriethen/ zwey
[Spaltenumbruch] Sturm-Brücken zerbrachen/ Cicero auch das
ohne diß überaus feste Läger mit vielen vortheil-
hafften Abschnitten versehen hatte/ musten nach
sechsstündigen Sturme die Deutschen doch wie-
der ablassen/ ungeachtet die Cherusker und Ner-
vier an zweyen Orten über den Wall kommen
waren; allwo zwey Römische Hauptleute Va-
renus und Pulfio/ welche ihre noch von den El-
tern ererbte Feindschafft nicht allein in eine
ruhmwürdige Eyversucht/ wie einer den an-
dern durch ritterliche Heldenthaten verkleinern
möchte/ verwandelten; sondern auch ieder dem
andern diesen Tag das Leben erhielt; und dero-
gestalt aus hartnäckichten Feinden zu vertrau-
ten Freunden wurden; um nur nicht dem Va-
terlande zu Schaden böse Kriegs-Leute abzuge-
ben. Welche vernünfftige Gemüthsmäßigung
auch des Themistocles Versöhnung mit Aristi-
den/ noch den Emilius Lepidus/ und den Livi-
us Salinator nimmermehr ver gessen lassen/ die
jener gegen den Fulvius Flaccus/ dieser gegen
den Nero ausübte/ als die Gemeinschafft eines
Amptes sie zusammen verband. Denn ob zwar
die langsame Ablegung einer gefasten Gram-
schafft eines gerechten Zornes Kennzeichen seyn
soll; so ist doch die geschwinde ein Merckmahl ei-
nes großmüthigen Hertzens/ und eines redlichen
Bürgers. Die Deutschen musten zwar dißmahl
dieser beyder Römer Tugenden weichen; gleich-
wol aber waren der Römer so vielblieben/ und
die übrigen derogestalt abgemattet: daß nicht der
zehende Mann ohne Wunden war/ und sie sich
folgenden Morgen ergeben hätten; wenn nicht
eine Schildwache an einem Thurme zwey ein-
geschossene Pfeile mit zweyen daran gebunde-
nen Briefen wahr genommen/ dieser aber durch
Cäsars eigene Handschrifft dem Cicero theils in
Grichischer Sprache/ theils mit Ziffer-Buch-
staben/ welche Tullius Tiro des Cicero Freyge-
lassener unlängst erfunden hatte/ seine Ankunfft
zu wissen gemacht hätte. Welche Nachricht Cä-
sar denn noch selbigen Abend mit Anzündung vie-
ler Feuer/ und durch ein abermahliges Schrei-
ben/ das ein Gallier Vertico durchbringen ließ/

bekräff-

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Antuatuca und dem Laͤger gelocket/ erlegten
die Deutſchen beyde Legionen mit ihren Haͤup-
tern; alſo: daß mit genauer Noth zwey Kriegs-
Knechte durch die Waͤlder entkamen/ und dem
Labienus die traurige Zeitung brachten. So
tapffer und klug raͤchete Hertzog Aembrich der
Deutſchen und Belgen Unrecht; welches auch
die edelſten Gemuͤther aus Hoffnung kuͤnffti-
ger Vergeltung verſchmertzen. Denn es iſt
ſo wol ein Streich der Klugheit die Empfindlig-
keit nicht mercken/ als eine Zagheit ſie verrau-
chen laſſen. Wie es am ſchlimmſten iſt/ die Be-
ſchimpffung vergeſſen; alſo iſt nichts kuͤnſtli-
chers/ als ſie vergeſſen zu haben ſcheinen laſſen.
Caͤſarn ſchmertzte dieſer Streich mehr/ als ſein
Verluſt. Denen Atuatikern und Nerviern
aber wuchs durch Aembrichs Sieg ſo weit das
Hertze: daß ſie den Cicero in ſeinem Laͤger belaͤ-
gerten; in Meynung: daß Jnduciomar mit
den Trevirern den Labienus/ und die Armori-
ſchen Staͤdte den Roſcius/ der Abrede nach/ an-
greiffen wuͤrden. Aembrich und Cattivulck
fuͤhrten ſelbſt die Deutſchen hertzhafft an/ lieſſen
die Graͤber mit Reiß-Heltze fuͤllen/ die auf Roͤ-
miſche Art gefertigten Sturm-Thuͤrme an-
ſchieben; aber die verzweiffelte Gegenwehr der
Roͤmer ſchlug zwey hefftige Stuͤrme ab. Da-
hero ſie bey erlangter Nachricht: daß Caͤſar be-
reit unterſchiedene Legionen zuſammen ziehe/
[ſic]h entſchloſſen ihr Laͤger gleichfalls zu um-
ſchantzen. Den ſiebenden Tag ließ der Feld-
Herr bey entſtehendem ſtarcken Winde eine
groſſe Menge thoͤnerne Kugeln gluͤend ma-
chen/ und ſelbte aus den Schleudern in das Roͤ-
miſche Laͤger werffen/ w[e]lches die mit Stroh-
und Schilff-Schoben bedeckten Haͤuſer leicht
in Brand brachte. Der Feldherꝛ fuͤhrte hierauf
zwar den dritten Sturm/ und fiel an vier Or-
ten das Roͤmiſche Laͤger auffs grimmigſte an.
Allein weil kein Roͤmer dem Feuer zulieff; ſon-
dern ieder mit unverwendetem Geſichte auff
dem Walle gegen die ſtuͤrmenden ſtehen blieb/
die Sturm-Thuͤrme auch durch brennende
Pech-Kraͤntze in die Glut geriethen/ zwey
[Spaltenumbruch] Sturm-Bruͤcken zerbrachen/ Cicero auch das
ohne diß uͤberaus feſte Laͤger mit vielen vortheil-
hafften Abſchnitten verſehen hatte/ muſten nach
ſechsſtuͤndigen Sturme die Deutſchen doch wie-
der ablaſſen/ ungeachtet die Cherusker und Ner-
vier an zweyen Orten uͤber den Wall kommen
waren; allwo zwey Roͤmiſche Hauptleute Va-
renus und Pulfio/ welche ihre noch von den El-
tern ererbte Feindſchafft nicht allein in eine
ruhmwuͤrdige Eyverſucht/ wie einer den an-
dern durch ritterliche Heldenthaten verkleinern
moͤchte/ verwandelten; ſondern auch ieder dem
andern dieſen Tag das Leben erhielt; und dero-
geſtalt aus hartnaͤckichten Feinden zu vertrau-
ten Freunden wurden; um nur nicht dem Va-
terlande zu Schaden boͤſe Kriegs-Leute abzuge-
ben. Welche vernuͤnfftige Gemuͤthsmaͤßigung
auch des Themiſtocles Verſoͤhnung mit Ariſti-
den/ noch den Emilius Lepidus/ und den Livi-
us Salinator nimmermehr ver geſſen laſſen/ die
jener gegen den Fulvius Flaccus/ dieſer gegen
den Nero ausuͤbte/ als die Gemeinſchafft eines
Amptes ſie zuſammen verband. Denn ob zwar
die langſame Ablegung einer gefaſten Gram-
ſchafft eines gerechten Zornes Kennzeichen ſeyn
ſoll; ſo iſt doch die geſchwinde ein Merckmahl ei-
nes großmuͤthigen Hertzens/ und eines redlichen
Buͤrgers. Die Deutſchen muſten zwar dißmahl
dieſer beyder Roͤmer Tugenden weichen; gleich-
wol aber waren der Roͤmer ſo vielblieben/ und
die uͤbrigen derogeſtalt abgemattet: daß nicht der
zehende Mann ohne Wunden war/ und ſie ſich
folgenden Morgen ergeben haͤtten; wenn nicht
eine Schildwache an einem Thurme zwey ein-
geſchoſſene Pfeile mit zweyen daran gebunde-
nen Briefen wahr genommen/ dieſer aber durch
Caͤſars eigene Handſchrifft dem Cicero theils in
Grichiſcher Sprache/ theils mit Ziffer-Buch-
ſtaben/ welche Tullius Tiro des Cicero Freyge-
laſſener unlaͤngſt erfunden hatte/ ſeine Ankunfft
zu wiſſen gemacht haͤtte. Welche Nachricht Caͤ-
ſar deñ noch ſelbigen Abend mit Anzuͤndung vie-
ler Feuer/ und durch ein abermahliges Schrei-
ben/ das ein Gallier Vertico durchbꝛingen ließ/

bekraͤff-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1090" n="1026[1028]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Siebendes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
Antuatuca und dem La&#x0364;ger gelocket/ erlegten<lb/>
die Deut&#x017F;chen beyde Legionen mit ihren Ha&#x0364;up-<lb/>
tern; al&#x017F;o: daß mit genauer Noth zwey Kriegs-<lb/>
Knechte durch die Wa&#x0364;lder entkamen/ und dem<lb/>
Labienus die traurige Zeitung brachten. So<lb/>
tapffer und klug ra&#x0364;chete Hertzog Aembrich der<lb/>
Deut&#x017F;chen und Belgen Unrecht; welches auch<lb/>
die edel&#x017F;ten Gemu&#x0364;ther aus Hoffnung ku&#x0364;nffti-<lb/>
ger Vergeltung ver&#x017F;chmertzen. Denn es i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o wol ein Streich der Klugheit die Empfindlig-<lb/>
keit nicht mercken/ als eine Zagheit &#x017F;ie verrau-<lb/>
chen la&#x017F;&#x017F;en. Wie es am &#x017F;chlimm&#x017F;ten i&#x017F;t/ die Be-<lb/>
&#x017F;chimpffung verge&#x017F;&#x017F;en; al&#x017F;o i&#x017F;t nichts ku&#x0364;n&#x017F;tli-<lb/>
chers/ als &#x017F;ie verge&#x017F;&#x017F;en zu haben &#x017F;cheinen la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Ca&#x0364;&#x017F;arn &#x017F;chmertzte die&#x017F;er Streich mehr/ als &#x017F;ein<lb/>
Verlu&#x017F;t. Denen Atuatikern und Nerviern<lb/>
aber wuchs durch Aembrichs Sieg &#x017F;o weit das<lb/>
Hertze: daß &#x017F;ie den Cicero in &#x017F;einem La&#x0364;ger bela&#x0364;-<lb/>
gerten; in Meynung: daß Jnduciomar mit<lb/>
den Trevirern den Labienus/ und die Armori-<lb/>
&#x017F;chen Sta&#x0364;dte den Ro&#x017F;cius/ der Abrede nach/ an-<lb/>
greiffen wu&#x0364;rden. Aembrich und Cattivulck<lb/>
fu&#x0364;hrten &#x017F;elb&#x017F;t die Deut&#x017F;chen hertzhafft an/ lie&#x017F;&#x017F;en<lb/>
die Gra&#x0364;ber mit Reiß-Heltze fu&#x0364;llen/ die auf Ro&#x0364;-<lb/>
mi&#x017F;che Art gefertigten Sturm-Thu&#x0364;rme an-<lb/>
&#x017F;chieben; aber die verzweiffelte Gegenwehr der<lb/>
Ro&#x0364;mer &#x017F;chlug zwey hefftige Stu&#x0364;rme ab. Da-<lb/>
hero &#x017F;ie bey erlangter Nachricht: daß Ca&#x0364;&#x017F;ar be-<lb/>
reit unter&#x017F;chiedene Legionen zu&#x017F;ammen ziehe/<lb/><supplied>&#x017F;ic</supplied>h ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en ihr La&#x0364;ger gleichfalls zu um-<lb/>
&#x017F;chantzen. Den &#x017F;iebenden Tag ließ der Feld-<lb/>
Herr bey ent&#x017F;tehendem &#x017F;tarcken Winde eine<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Menge tho&#x0364;nerne Kugeln glu&#x0364;end ma-<lb/>
chen/ und &#x017F;elbte aus den Schleudern in das Ro&#x0364;-<lb/>
mi&#x017F;che La&#x0364;ger werffen/ w<supplied>e</supplied>lches die mit Stroh-<lb/>
und Schilff-Schoben bedeckten Ha&#x0364;u&#x017F;er leicht<lb/>
in Brand brachte. Der Feldher&#xA75B; fu&#x0364;hrte hierauf<lb/>
zwar den dritten Sturm/ und fiel an vier Or-<lb/>
ten das Ro&#x0364;mi&#x017F;che La&#x0364;ger auffs grimmig&#x017F;te an.<lb/>
Allein weil kein Ro&#x0364;mer dem Feuer zulieff; &#x017F;on-<lb/>
dern ieder mit unverwendetem Ge&#x017F;ichte auff<lb/>
dem Walle gegen die &#x017F;tu&#x0364;rmenden &#x017F;tehen blieb/<lb/>
die Sturm-Thu&#x0364;rme auch durch brennende<lb/>
Pech-Kra&#x0364;ntze in die Glut geriethen/ zwey<lb/><cb/>
Sturm-Bru&#x0364;cken zerbrachen/ Cicero auch das<lb/>
ohne diß u&#x0364;beraus fe&#x017F;te La&#x0364;ger mit vielen vortheil-<lb/>
hafften Ab&#x017F;chnitten ver&#x017F;ehen hatte/ mu&#x017F;ten nach<lb/>
&#x017F;echs&#x017F;tu&#x0364;ndigen Sturme die Deut&#x017F;chen doch wie-<lb/>
der abla&#x017F;&#x017F;en/ ungeachtet die Cherusker und Ner-<lb/>
vier an zweyen Orten u&#x0364;ber den Wall kommen<lb/>
waren; allwo zwey Ro&#x0364;mi&#x017F;che Hauptleute Va-<lb/>
renus und Pulfio/ welche ihre noch von den El-<lb/>
tern ererbte Feind&#x017F;chafft nicht allein in eine<lb/>
ruhmwu&#x0364;rdige Eyver&#x017F;ucht/ wie einer den an-<lb/>
dern durch ritterliche Heldenthaten verkleinern<lb/>
mo&#x0364;chte/ verwandelten; &#x017F;ondern auch ieder dem<lb/>
andern die&#x017F;en Tag das Leben erhielt; und dero-<lb/>
ge&#x017F;talt aus hartna&#x0364;ckichten Feinden zu vertrau-<lb/>
ten Freunden wurden; um nur nicht dem Va-<lb/>
terlande zu Schaden bo&#x0364;&#x017F;e Kriegs-Leute abzuge-<lb/>
ben. Welche vernu&#x0364;nfftige Gemu&#x0364;thsma&#x0364;ßigung<lb/>
auch des Themi&#x017F;tocles Ver&#x017F;o&#x0364;hnung mit Ari&#x017F;ti-<lb/>
den/ noch den Emilius Lepidus/ und den Livi-<lb/>
us Salinator nimmermehr ver ge&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en/ die<lb/>
jener gegen den Fulvius Flaccus/ die&#x017F;er gegen<lb/>
den Nero ausu&#x0364;bte/ als die Gemein&#x017F;chafft eines<lb/>
Amptes &#x017F;ie zu&#x017F;ammen verband. Denn ob zwar<lb/>
die lang&#x017F;ame Ablegung einer gefa&#x017F;ten Gram-<lb/>
&#x017F;chafft eines gerechten Zornes Kennzeichen &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;oll; &#x017F;o i&#x017F;t doch die ge&#x017F;chwinde ein Merckmahl ei-<lb/>
nes großmu&#x0364;thigen Hertzens/ und eines redlichen<lb/>
Bu&#x0364;rgers. Die Deut&#x017F;chen mu&#x017F;ten zwar dißmahl<lb/>
die&#x017F;er beyder Ro&#x0364;mer Tugenden weichen; gleich-<lb/>
wol aber waren der Ro&#x0364;mer &#x017F;o vielblieben/ und<lb/>
die u&#x0364;brigen deroge&#x017F;talt abgemattet: daß nicht der<lb/>
zehende Mann ohne Wunden war/ und &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
folgenden Morgen ergeben ha&#x0364;tten; wenn nicht<lb/>
eine Schildwache an einem Thurme zwey ein-<lb/>
ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;ene Pfeile mit zweyen daran gebunde-<lb/>
nen Briefen wahr genommen/ die&#x017F;er aber durch<lb/>
Ca&#x0364;&#x017F;ars eigene Hand&#x017F;chrifft dem Cicero theils in<lb/>
Grichi&#x017F;cher Sprache/ theils mit Ziffer-Buch-<lb/>
&#x017F;taben/ welche Tullius Tiro des Cicero Freyge-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ener unla&#x0364;ng&#x017F;t erfunden hatte/ &#x017F;eine Ankunfft<lb/>
zu wi&#x017F;&#x017F;en gemacht ha&#x0364;tte. Welche Nachricht Ca&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ar den&#x0303; noch &#x017F;elbigen Abend mit Anzu&#x0364;ndung vie-<lb/>
ler Feuer/ und durch ein abermahliges Schrei-<lb/>
ben/ das ein Gallier Vertico durchb&#xA75B;ingen ließ/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bekra&#x0364;ff-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1026[1028]/1090] Siebendes Buch Antuatuca und dem Laͤger gelocket/ erlegten die Deutſchen beyde Legionen mit ihren Haͤup- tern; alſo: daß mit genauer Noth zwey Kriegs- Knechte durch die Waͤlder entkamen/ und dem Labienus die traurige Zeitung brachten. So tapffer und klug raͤchete Hertzog Aembrich der Deutſchen und Belgen Unrecht; welches auch die edelſten Gemuͤther aus Hoffnung kuͤnffti- ger Vergeltung verſchmertzen. Denn es iſt ſo wol ein Streich der Klugheit die Empfindlig- keit nicht mercken/ als eine Zagheit ſie verrau- chen laſſen. Wie es am ſchlimmſten iſt/ die Be- ſchimpffung vergeſſen; alſo iſt nichts kuͤnſtli- chers/ als ſie vergeſſen zu haben ſcheinen laſſen. Caͤſarn ſchmertzte dieſer Streich mehr/ als ſein Verluſt. Denen Atuatikern und Nerviern aber wuchs durch Aembrichs Sieg ſo weit das Hertze: daß ſie den Cicero in ſeinem Laͤger belaͤ- gerten; in Meynung: daß Jnduciomar mit den Trevirern den Labienus/ und die Armori- ſchen Staͤdte den Roſcius/ der Abrede nach/ an- greiffen wuͤrden. Aembrich und Cattivulck fuͤhrten ſelbſt die Deutſchen hertzhafft an/ lieſſen die Graͤber mit Reiß-Heltze fuͤllen/ die auf Roͤ- miſche Art gefertigten Sturm-Thuͤrme an- ſchieben; aber die verzweiffelte Gegenwehr der Roͤmer ſchlug zwey hefftige Stuͤrme ab. Da- hero ſie bey erlangter Nachricht: daß Caͤſar be- reit unterſchiedene Legionen zuſammen ziehe/ ſich entſchloſſen ihr Laͤger gleichfalls zu um- ſchantzen. Den ſiebenden Tag ließ der Feld- Herr bey entſtehendem ſtarcken Winde eine groſſe Menge thoͤnerne Kugeln gluͤend ma- chen/ und ſelbte aus den Schleudern in das Roͤ- miſche Laͤger werffen/ welches die mit Stroh- und Schilff-Schoben bedeckten Haͤuſer leicht in Brand brachte. Der Feldherꝛ fuͤhrte hierauf zwar den dritten Sturm/ und fiel an vier Or- ten das Roͤmiſche Laͤger auffs grimmigſte an. Allein weil kein Roͤmer dem Feuer zulieff; ſon- dern ieder mit unverwendetem Geſichte auff dem Walle gegen die ſtuͤrmenden ſtehen blieb/ die Sturm-Thuͤrme auch durch brennende Pech-Kraͤntze in die Glut geriethen/ zwey Sturm-Bruͤcken zerbrachen/ Cicero auch das ohne diß uͤberaus feſte Laͤger mit vielen vortheil- hafften Abſchnitten verſehen hatte/ muſten nach ſechsſtuͤndigen Sturme die Deutſchen doch wie- der ablaſſen/ ungeachtet die Cherusker und Ner- vier an zweyen Orten uͤber den Wall kommen waren; allwo zwey Roͤmiſche Hauptleute Va- renus und Pulfio/ welche ihre noch von den El- tern ererbte Feindſchafft nicht allein in eine ruhmwuͤrdige Eyverſucht/ wie einer den an- dern durch ritterliche Heldenthaten verkleinern moͤchte/ verwandelten; ſondern auch ieder dem andern dieſen Tag das Leben erhielt; und dero- geſtalt aus hartnaͤckichten Feinden zu vertrau- ten Freunden wurden; um nur nicht dem Va- terlande zu Schaden boͤſe Kriegs-Leute abzuge- ben. Welche vernuͤnfftige Gemuͤthsmaͤßigung auch des Themiſtocles Verſoͤhnung mit Ariſti- den/ noch den Emilius Lepidus/ und den Livi- us Salinator nimmermehr ver geſſen laſſen/ die jener gegen den Fulvius Flaccus/ dieſer gegen den Nero ausuͤbte/ als die Gemeinſchafft eines Amptes ſie zuſammen verband. Denn ob zwar die langſame Ablegung einer gefaſten Gram- ſchafft eines gerechten Zornes Kennzeichen ſeyn ſoll; ſo iſt doch die geſchwinde ein Merckmahl ei- nes großmuͤthigen Hertzens/ und eines redlichen Buͤrgers. Die Deutſchen muſten zwar dißmahl dieſer beyder Roͤmer Tugenden weichen; gleich- wol aber waren der Roͤmer ſo vielblieben/ und die uͤbrigen derogeſtalt abgemattet: daß nicht der zehende Mann ohne Wunden war/ und ſie ſich folgenden Morgen ergeben haͤtten; wenn nicht eine Schildwache an einem Thurme zwey ein- geſchoſſene Pfeile mit zweyen daran gebunde- nen Briefen wahr genommen/ dieſer aber durch Caͤſars eigene Handſchrifft dem Cicero theils in Grichiſcher Sprache/ theils mit Ziffer-Buch- ſtaben/ welche Tullius Tiro des Cicero Freyge- laſſener unlaͤngſt erfunden hatte/ ſeine Ankunfft zu wiſſen gemacht haͤtte. Welche Nachricht Caͤ- ſar deñ noch ſelbigen Abend mit Anzuͤndung vie- ler Feuer/ und durch ein abermahliges Schrei- ben/ das ein Gallier Vertico durchbꝛingen ließ/ bekraͤff-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1090
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1026[1028]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1090>, abgerufen am 23.11.2024.