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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] sen. Der Feldherr Aembrich meinte hierdurch
zwar genungsame Ursache mit den Römern zu
brechen überkommen zu haben; iedoch weil er
seiner einheimischen Feinde sich noch nicht gar
entledigt hatte/ und er ohne gründliche Nach-
richt von der Römer Absehen/ aus blossem Ver-
dacht wieder sie einen Krieg anzufangen dem
Rechte der Völcker nicht gemäß zu seyn achtete;
schickte er eine Gesandschafft an Cäsarn seine
Beschwerden ihm einzuhalten. Dieser aber
versicherte den Feldherrn seiner beständigen
Freundschafft: daß er nichts wieder die Königin
Boudicea/ sondern seinen selbst eigenen Feind
Caßibelin/ und auf Bitte des vertriebenen Für-
sten Mandubrat/ dessen Vater Jmanuent vom
Caßibelin unschuldiger Weise wäre durchs
Beil hingerichtet worden/ einen Zug in Bri-
tannien für hätte; daß er sich des Cingetorichs
Fürhaben nicht anmaste; daß Dumnorich durch
Antrieb seines Ehweibes des Orgetorichs Toch-
ter viel Verrätherey wieder die Römer ange-
sponnen/ sein Bruder Divitiak ihm auch selbst
schon etliche mahl den Hals abgesprochen/ ja er
wieder Cäsars Willen im Scharmützel das Le-
ben eingebüßt hätte. Nicht so wol die Erheb-
ligkeit dieses Vorwands/ als die noch innerli-
che Unruh hielt Hertzog Aembrichs Schwerdt
in der Scheide; und er für eine unvergebliche
Sünde wieder die Herrschens-Kunst/ wenn
auch der mächtigste Fürst ohne Noth mit zwey-
en Feinden zugleich anbindet. Welchen Feh-
ler die vermessene Stadt Athen allzutheuer be-
zahlte; in dem sie in Sicilien einzufallen sich
wagte/ da sie doch in den Peloponnesischen Krieg
eingewickelt war. Es reitzte ihn zwar sein Hertze
an den Römern die Beleidigung zu rächen; sei-
ne Vernunfft aber sagte ihm: daß empfangenes
Unrecht der Beleidigten Untergang sey/ wenn
sie den Eyver für ihre Ehre nicht mit der Klug-
heit vereinbaren; das schon vergangene Ubel
rächen wollen/ sich aber in neues Elend stürtzen/
und aus einem Fehler/ den sie verbessern wol-
[Spaltenumbruch] len/ tausend machen. Nebst dem überlegte er:
daß Fürst Dumnorich nicht wieder lebendig ge-
macht werden könte. Denn wer unwieder-
bringliche Sachen wieder in ersten Stand zu
setzen meinet/ mißt ihm mehr Gewalt zu/ als
GOtt hat; und verspielet Müh und Kosten
darüber mit Schaden/ was keiner Glückselig-
keit mehr als der Vergessenheit fähig ist. Bey
dieser Entschlüssung brachte er nicht alleine fast
gantz Deutschland auff seine Seite; sondern die
Fürsten erklärten auch auf seinen Todesfall de[n]
tapfferen Segimer zu seinem Nachfolger; un-
geachtet sonst freyen Völckern nichts unge-
wöhnlicher/ oder dem Wahl-Rechte abbrüchi-
ger ist; als bey Lebzeiten ihres erwehlten Haup-
tes sich schon einem künfftigen unterwerffen;
sonderlich wenn dieser jenem mit Geblüte zu-
gethan ist/ oder viel Herrscher aus einem Hause
genommen werden.

Als aber Cäsar nach Verlust vieler Schiffe
und Volcks sonder andere Frucht/ als daß er
den verjagten Mandubrat denen Trinobanten
wieder zum Fürsten eingesetzt hatte/ in Gallien
zurück kam; legte er den Quintus Cicero den
Nerviern/ den Fabius den Morinern/ den La-
bienus den Trevirern mit einer/ den Sabinus
und Cotta den Eburonen mit zwey Legionen
auf den Hals. Wie nun der Feldherr Aembrich
Cäsarn auf Anhalten seines Bruders Catti-
volck und des Fürsten Jnduciomar vergebens
um Entlastung seiner Freunde anflehete/ die
Carnuter/ welche den ihnen von Cäsarn auff-
gedrungenen Fürsten Taßget erschlagen/ die
Senones/ welche gleichfalls den Cavarin aus
dem Lande gejagt/ und andere Gallier den
Feldherrn Aembrich um Errettung von den
grausamen Römern/ welche doch auch schon
Deutschland zu überziehen im Schilde führten/
anfleheten; gieng er endlich mit zwantzig tau-
send Mann über den Rhein/ zohe seinen Bru-
der Cattivolck an sich; und nach dem dieser den
Sabinus und Cotta durch List aus der Festung

Antua-
Erster Theil. O o o o o o

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſen. Der Feldherꝛ Aembrich meinte hierdurch
zwar genungſame Urſache mit den Roͤmern zu
brechen uͤberkommen zu haben; iedoch weil er
ſeiner einheimiſchen Feinde ſich noch nicht gar
entledigt hatte/ und er ohne gruͤndliche Nach-
richt von der Roͤmer Abſehen/ aus bloſſem Ver-
dacht wieder ſie einen Krieg anzufangen dem
Rechte der Voͤlcker nicht gemaͤß zu ſeyn achtete;
ſchickte er eine Geſandſchafft an Caͤſarn ſeine
Beſchwerden ihm einzuhalten. Dieſer aber
verſicherte den Feldherꝛn ſeiner beſtaͤndigen
Freundſchafft: daß er nichts wieder die Koͤnigin
Boudicea/ ſondern ſeinen ſelbſt eigenen Feind
Caßibelin/ und auf Bitte des vertriebenen Fuͤr-
ſten Mandubrat/ deſſen Vater Jmanuent vom
Caßibelin unſchuldiger Weiſe waͤre durchs
Beil hingerichtet worden/ einen Zug in Bri-
tannien fuͤr haͤtte; daß er ſich des Cingetorichs
Fuͤrhaben nicht anmaſte; daß Dumnorich duꝛch
Antrieb ſeines Ehweibes des Orgetorichs Toch-
ter viel Verraͤtherey wieder die Roͤmer ange-
ſponnen/ ſein Bruder Divitiak ihm auch ſelbſt
ſchon etliche mahl den Hals abgeſprochen/ ja er
wieder Caͤſars Willen im Scharmuͤtzel das Le-
ben eingebuͤßt haͤtte. Nicht ſo wol die Erheb-
ligkeit dieſes Vorwands/ als die noch innerli-
che Unruh hielt Hertzog Aembrichs Schwerdt
in der Scheide; und er fuͤr eine unvergebliche
Suͤnde wieder die Herꝛſchens-Kunſt/ wenn
auch der maͤchtigſte Fuͤrſt ohne Noth mit zwey-
en Feinden zugleich anbindet. Welchen Feh-
ler die vermeſſene Stadt Athen allzutheuer be-
zahlte; in dem ſie in Sicilien einzufallen ſich
wagte/ da ſie doch in den Pelopoñeſiſchen Krieg
eingewickelt war. Es reitzte ihn zwar ſein Hertze
an den Roͤmern die Beleidigung zu raͤchen; ſei-
ne Vernunfft aber ſagte ihm: daß empfangenes
Unrecht der Beleidigten Untergang ſey/ wenn
ſie den Eyver fuͤr ihre Ehre nicht mit der Klug-
heit vereinbaren; das ſchon vergangene Ubel
raͤchen wollen/ ſich aber in neues Elend ſtuͤrtzen/
und aus einem Fehler/ den ſie verbeſſern wol-
[Spaltenumbruch] len/ tauſend machen. Nebſt dem uͤberlegte er:
daß Fuͤrſt Dumnorich nicht wieder lebendig ge-
macht werden koͤnte. Denn wer unwieder-
bringliche Sachen wieder in erſten Stand zu
ſetzen meinet/ mißt ihm mehr Gewalt zu/ als
GOtt hat; und verſpielet Muͤh und Koſten
daruͤber mit Schaden/ was keiner Gluͤckſelig-
keit mehr als der Vergeſſenheit faͤhig iſt. Bey
dieſer Entſchluͤſſung brachte er nicht alleine faſt
gantz Deutſchland auff ſeine Seite; ſondern die
Fuͤrſten erklaͤrten auch auf ſeinen Todesfall de[n]
tapfferen Segimer zu ſeinem Nachfolger; un-
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woͤhnlicher/ oder dem Wahl-Rechte abbruͤchi-
ger iſt; als bey Lebzeiten ihres erwehlten Haup-
tes ſich ſchon einem kuͤnfftigen unterwerffen;
ſonderlich wenn dieſer jenem mit Gebluͤte zu-
gethan iſt/ oder viel Herrſcher aus einem Hauſe
genommen werden.

Als aber Caͤſar nach Verluſt vieler Schiffe
und Volcks ſonder andere Frucht/ als daß er
den verjagten Mandubrat denen Trinobanten
wieder zum Fuͤrſten eingeſetzt hatte/ in Gallien
zuruͤck kam; legte er den Quintus Cicero den
Nerviern/ den Fabius den Morinern/ den La-
bienus den Trevirern mit einer/ den Sabinus
und Cotta den Eburonen mit zwey Legionen
auf den Hals. Wie nun der Feldherꝛ Aembrich
Caͤſarn auf Anhalten ſeines Bruders Catti-
volck und des Fuͤrſten Jnduciomar vergebens
um Entlaſtung ſeiner Freunde anflehete/ die
Carnuter/ welche den ihnen von Caͤſarn auff-
gedrungenen Fuͤrſten Taßget erſchlagen/ die
Senones/ welche gleichfalls den Cavarin aus
dem Lande gejagt/ und andere Gallier den
Feldherꝛn Aembrich um Errettung von den
grauſamen Roͤmern/ welche doch auch ſchon
Deutſchland zu uͤberziehen im Schilde fuͤhrten/
anfleheten; gieng er endlich mit zwantzig tau-
ſend Mann uͤber den Rhein/ zohe ſeinen Bru-
der Cattivolck an ſich; und nach dem dieſer den
Sabinus und Cotta durch Liſt aus der Feſtung

Antua-
Erſter Theil. O o o o o o
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1025[1027]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1089>, abgerufen am 23.11.2024.