Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch
[Spaltenumbruch] nicht vermocht/ mit demüthiger Begegnung be-
sänftigen solte. Fürst Malovend aber/ und
Apronius ein Römischer Oberster/ welchen nebst
vielen andern über der Entwafnung so vieler
tapfern Kriegs-Leute die Augen übergiengen/
und dahero des Cejonius kleinmüthige und
schimpfliche Entschlüssung verdammten/ hatten
aus Verdruß zwar ihrer eigenen Wolfarth/
nicht aber des noch übrigen Römischen Adlers
vergessen. Dahero eilten sie zum Emilian/ der
ihn in seiner Verwahrung hatte/ hielten ihm die
ihnen allen daraus erwachsende Schande ein/
da dieses güldne Kleinod und Zeichen der Römi-
schen Hoheit in die Hände des Feindes geliefert
würde; worden also schlüssig/ solchen in einen
im Läger befindlichen Sumpf zu verstecken.

Hertzog Herrmann wolte bey so glücklichen
Begebenheiten weder einige Zeit verlieren/ noch
Gelegenheit versäumen/ gab alsobald Befehl/
daß die Reiterey/ und ein Theil des Fuß-Volcks
ins Läger rücken/ die vier Pforten/ ihre Thür-
me/ das in der Mitte auf einem Hügel stehen-
de und gleich einem Tempel mit einem Opfer-
Tische versehene Haupt-Zelt des Feldherrn/
welches von Seide und Goldstück war/ auch ge-
würffelte Persische Teppichte zum Fuß-Boden
hatte/ das Zeug-Haus nebst andern vornehmen
Plätzen besetzen/ und die Waffen der Belägerten
in Verwahrung nehmen solte. Als nun diß
alles in genungsame Sicherheit gebracht/ ritte
er unter der Begleitung Hertzog Jnguiomers/
des Cattischen und anderer Fürsten ins Läger;
welchen Cejonius für der Pforte begegnete/ dem
Feldherrn die Schlüssel fußfällig überlieferte/
ihn auch für sich und die Ergebenen umb eine
leidliche Gefängnüß und Beschirmung für den
gemeinen Kriegs-Knechten anflehete. Sinte-
mal diese schwerlich reine Hände behalten kön-
ten/ wo der Sieg ihnen zugleich den Werckzeug
zur Rache/ und Gelegenheit zur Beute dar-
reckte. Die Großmüthigkeit eines so grossen
Uberwinders liesse sie nichts widriges besorgen/
[Spaltenumbruch] weil so denn weder Menschen noch Götter ihm
den herrlichen Sieg mißgönnen könten. Die
vorigen Merckmale seiner Gütigkeit hätten sie
beredet/ daß sie ihre Ergebung einer verzwei-
felten Gegenwehr fürgezogen hätten/ weil sie
glaubten/ es würden sie so wenig der Deutschen
Bothmässigkeit/ als ihn ihrer demüthigen Un-
terwerffung gereuen. Der Feldherr versetzte
ihm: Man würde nach denen Gesetzen des Va-
terlandes/ nach dem Beyspiel der über die Deut-
schen ehmals siegenden Römer/ und nach Maaß-
gebung der Kriegs-Rechte gegen sie verfahren.
Worauf Cejonius/ Fürst Malovend/ Arbogast
und alle Grossen in Fessel geschlagen/ die ge-
meinen Kriegs-Knechte aber ie zehn und zehn
aneinander gekoppelt/ und nebst der gefundenen
reichen Beute unter die Uberwinder eingethei-
let/ die ins Läger zurückgebrachte Schriften des
Varus und alle andere Geheimnüsse sorgfältig
auffgesucht und auffgehoben worden. Es hätte
einen Stein in der Erden jammern mögen/ das
erbärmliche Winseln der Gefangenen/ welche
an Stricken gleich als Heerden unvernünfti-
gen Viehes fortgetrieben wurden/ und nun al-
lererst ihre Zagheit zu bereuen/ des Cejonius aber
zu verfluchen anfingen.

Wiewol nun Hertzog Herrmann und andere
Fürsten ihr Volck mehrmals ermahnten/ sie sol-
ten sich mit der Beute vergnügen/ hingegen un-
barmhertziger Blutstürtzung enthalten; denn
es würde den Schirm-Göttern Deutschlandes
schon ein austrägliches/ und die allgemeine Ra-
che vergnügendes Antheil aufgeopfert werden;
so war es doch unmöglich über so viel tausend ein
nichts übersehendes Auge zu haben/ und in ihren
kriegerischen Gemüthern das Gedächtnüß so
mannigfaltigen Unrechts/ als einen leicht fan-
genden Zunder der so süssen Rache zu vertilgen.
Denn etliche stelleten ihre Gefangene auf der ab-
gehauenen Bäume Stöcke empor/ und liessen
ihre Knaben nach ihnen mit Pfeilen zum Ziel
schüssen. Viel spisseten die Schädel der Todten

auf

Erſtes Buch
[Spaltenumbruch] nicht vermocht/ mit demuͤthiger Begegnung be-
ſaͤnftigen ſolte. Fuͤrſt Malovend aber/ und
Apronius ein Roͤmiſcher Oberſter/ welchen nebſt
vielen andern uͤber der Entwafnung ſo vieler
tapfern Kriegs-Leute die Augen uͤbergiengen/
und dahero des Cejonius kleinmuͤthige und
ſchimpfliche Entſchluͤſſung verdammten/ hatten
aus Verdruß zwar ihrer eigenen Wolfarth/
nicht aber des noch uͤbrigen Roͤmiſchen Adlers
vergeſſen. Dahero eilten ſie zum Emilian/ der
ihn in ſeiner Verwahrung hatte/ hielten ihm die
ihnen allen daraus erwachſende Schande ein/
da dieſes guͤldne Kleinod und Zeichen der Roͤmi-
ſchen Hoheit in die Haͤnde des Feindes geliefert
wuͤrde; worden alſo ſchluͤſſig/ ſolchen in einen
im Laͤger befindlichen Sumpf zu verſtecken.

Hertzog Herrmann wolte bey ſo gluͤcklichen
Begebenheiten weder einige Zeit verlieren/ noch
Gelegenheit verſaͤumen/ gab alſobald Befehl/
daß die Reiterey/ und ein Theil des Fuß-Volcks
ins Laͤger ruͤcken/ die vier Pforten/ ihre Thuͤr-
me/ das in der Mitte auf einem Huͤgel ſtehen-
de und gleich einem Tempel mit einem Opfer-
Tiſche verſehene Haupt-Zelt des Feldherrn/
welches von Seide und Goldſtuͤck war/ auch ge-
wuͤrffelte Perſiſche Teppichte zum Fuß-Boden
hatte/ das Zeug-Haus nebſt andern vornehmen
Plaͤtzen beſetzen/ und die Waffen der Belaͤgerten
in Verwahrung nehmen ſolte. Als nun diß
alles in genungſame Sicherheit gebracht/ ritte
er unter der Begleitung Hertzog Jnguiomers/
des Cattiſchen und anderer Fuͤrſten ins Laͤger;
welchen Cejonius fuͤr der Pforte begegnete/ dem
Feldherrn die Schluͤſſel fußfaͤllig uͤberlieferte/
ihn auch fuͤr ſich und die Ergebenen umb eine
leidliche Gefaͤngnuͤß und Beſchirmung fuͤr den
gemeinen Kriegs-Knechten anflehete. Sinte-
mal dieſe ſchwerlich reine Haͤnde behalten koͤn-
ten/ wo der Sieg ihnen zugleich den Werckzeug
zur Rache/ und Gelegenheit zur Beute dar-
reckte. Die Großmuͤthigkeit eines ſo groſſen
Uberwinders lieſſe ſie nichts widriges beſorgen/
[Spaltenumbruch] weil ſo denn weder Menſchen noch Goͤtter ihm
den herrlichen Sieg mißgoͤnnen koͤnten. Die
vorigen Merckmale ſeiner Guͤtigkeit haͤtten ſie
beredet/ daß ſie ihre Ergebung einer verzwei-
felten Gegenwehr fuͤrgezogen haͤtten/ weil ſie
glaubten/ es wuͤrden ſie ſo wenig der Deutſchen
Bothmaͤſſigkeit/ als ihn ihrer demuͤthigen Un-
terwerffung gereuen. Der Feldherr verſetzte
ihm: Man wuͤrde nach denen Geſetzen des Va-
terlandes/ nach dem Beyſpiel der uͤber die Deut-
ſchen ehmals ſiegenden Roͤmer/ und nach Maaß-
gebung der Kriegs-Rechte gegen ſie verfahren.
Worauf Cejonius/ Fuͤrſt Malovend/ Arbogaſt
und alle Groſſen in Feſſel geſchlagen/ die ge-
meinen Kriegs-Knechte aber ie zehn und zehn
aneinander gekoppelt/ und nebſt der gefundenen
reichen Beute unter die Uberwinder eingethei-
let/ die ins Laͤger zuruͤckgebrachte Schriften des
Varus und alle andere Geheimnuͤſſe ſorgfaͤltig
auffgeſucht und auffgehoben worden. Es haͤtte
einen Stein in der Erden jammern moͤgen/ das
erbaͤrmliche Winſeln der Gefangenen/ welche
an Stricken gleich als Heerden unvernuͤnfti-
gen Viehes fortgetrieben wurden/ und nun al-
lererſt ihre Zagheit zu bereuen/ des Cejonius aber
zu verfluchen anfingen.

Wiewol nun Hertzog Herrmann und andere
Fuͤrſten ihr Volck mehrmals ermahnten/ ſie ſol-
ten ſich mit der Beute vergnuͤgen/ hingegen un-
barmhertziger Blutſtuͤrtzung enthalten; denn
es wuͤrde den Schirm-Goͤttern Deutſchlandes
ſchon ein austraͤgliches/ und die allgemeine Ra-
che vergnuͤgendes Antheil aufgeopfert werden;
ſo war es doch unmoͤglich uͤber ſo viel tauſend ein
nichts uͤberſehendes Auge zu haben/ und in ihren
kriegeriſchen Gemuͤthern das Gedaͤchtnuͤß ſo
mannigfaltigen Unrechts/ als einen leicht fan-
genden Zunder der ſo ſuͤſſen Rache zu vertilgen.
Deñ etliche ſtelleten ihre Gefangene auf der ab-
gehauenen Baͤume Stoͤcke empor/ und lieſſen
ihre Knaben nach ihnen mit Pfeilen zum Ziel
ſchuͤſſen. Viel ſpiſſeten die Schaͤdel der Todten

auf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0108" n="60"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
nicht vermocht/ mit demu&#x0364;thiger Begegnung be-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;nftigen &#x017F;olte. Fu&#x0364;r&#x017F;t Malovend aber/ und<lb/>
Apronius ein Ro&#x0364;mi&#x017F;cher Ober&#x017F;ter/ welchen neb&#x017F;t<lb/>
vielen andern u&#x0364;ber der Entwafnung &#x017F;o vieler<lb/>
tapfern Kriegs-Leute die Augen u&#x0364;bergiengen/<lb/>
und dahero des Cejonius kleinmu&#x0364;thige und<lb/>
&#x017F;chimpfliche Ent&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung verdammten/ hatten<lb/>
aus Verdruß zwar ihrer eigenen Wolfarth/<lb/>
nicht aber des noch u&#x0364;brigen Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Adlers<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en. Dahero eilten &#x017F;ie zum Emilian/ der<lb/>
ihn in &#x017F;einer Verwahrung hatte/ hielten ihm die<lb/>
ihnen allen daraus erwach&#x017F;ende Schande ein/<lb/>
da die&#x017F;es gu&#x0364;ldne Kleinod und Zeichen der Ro&#x0364;mi-<lb/>
&#x017F;chen Hoheit in die Ha&#x0364;nde des Feindes geliefert<lb/>
wu&#x0364;rde; worden al&#x017F;o &#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig/ &#x017F;olchen in einen<lb/>
im La&#x0364;ger befindlichen Sumpf zu ver&#x017F;tecken.</p><lb/>
          <p>Hertzog Herrmann wolte bey &#x017F;o glu&#x0364;cklichen<lb/>
Begebenheiten weder einige Zeit verlieren/ noch<lb/>
Gelegenheit ver&#x017F;a&#x0364;umen/ gab al&#x017F;obald Befehl/<lb/>
daß die Reiterey/ und ein Theil des Fuß-Volcks<lb/>
ins La&#x0364;ger ru&#x0364;cken/ die vier Pforten/ ihre Thu&#x0364;r-<lb/>
me/ das in der Mitte auf einem Hu&#x0364;gel &#x017F;tehen-<lb/>
de und gleich einem Tempel mit einem Opfer-<lb/>
Ti&#x017F;che ver&#x017F;ehene Haupt-Zelt des Feldherrn/<lb/>
welches von Seide und Gold&#x017F;tu&#x0364;ck war/ auch ge-<lb/>
wu&#x0364;rffelte Per&#x017F;i&#x017F;che Teppichte zum Fuß-Boden<lb/>
hatte/ das Zeug-Haus neb&#x017F;t andern vornehmen<lb/>
Pla&#x0364;tzen be&#x017F;etzen/ und die Waffen der Bela&#x0364;gerten<lb/>
in Verwahrung nehmen &#x017F;olte. Als nun diß<lb/>
alles in genung&#x017F;ame Sicherheit gebracht/ ritte<lb/>
er unter der Begleitung Hertzog Jnguiomers/<lb/>
des Catti&#x017F;chen und anderer Fu&#x0364;r&#x017F;ten ins La&#x0364;ger;<lb/>
welchen Cejonius fu&#x0364;r der Pforte begegnete/ dem<lb/>
Feldherrn die Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el fußfa&#x0364;llig u&#x0364;berlieferte/<lb/>
ihn auch fu&#x0364;r &#x017F;ich und die Ergebenen umb eine<lb/>
leidliche Gefa&#x0364;ngnu&#x0364;ß und Be&#x017F;chirmung fu&#x0364;r den<lb/>
gemeinen Kriegs-Knechten anflehete. Sinte-<lb/>
mal die&#x017F;e &#x017F;chwerlich reine Ha&#x0364;nde behalten ko&#x0364;n-<lb/>
ten/ wo der Sieg ihnen zugleich den Werckzeug<lb/>
zur Rache/ und Gelegenheit zur Beute dar-<lb/>
reckte. Die Großmu&#x0364;thigkeit eines &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Uberwinders lie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie nichts widriges be&#x017F;orgen/<lb/><cb/>
weil &#x017F;o denn weder Men&#x017F;chen noch Go&#x0364;tter ihm<lb/>
den herrlichen Sieg mißgo&#x0364;nnen ko&#x0364;nten. Die<lb/>
vorigen Merckmale &#x017F;einer Gu&#x0364;tigkeit ha&#x0364;tten &#x017F;ie<lb/>
beredet/ daß &#x017F;ie ihre Ergebung einer verzwei-<lb/>
felten Gegenwehr fu&#x0364;rgezogen ha&#x0364;tten/ weil &#x017F;ie<lb/>
glaubten/ es wu&#x0364;rden &#x017F;ie &#x017F;o wenig der Deut&#x017F;chen<lb/>
Bothma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit/ als ihn ihrer demu&#x0364;thigen Un-<lb/>
terwerffung gereuen. Der Feldherr ver&#x017F;etzte<lb/>
ihm: Man wu&#x0364;rde nach denen Ge&#x017F;etzen des Va-<lb/>
terlandes/ nach dem Bey&#x017F;piel der u&#x0364;ber die Deut-<lb/>
&#x017F;chen ehmals &#x017F;iegenden Ro&#x0364;mer/ und nach Maaß-<lb/>
gebung der Kriegs-Rechte gegen &#x017F;ie verfahren.<lb/>
Worauf Cejonius/ Fu&#x0364;r&#x017F;t Malovend/ Arboga&#x017F;t<lb/>
und alle Gro&#x017F;&#x017F;en in Fe&#x017F;&#x017F;el ge&#x017F;chlagen/ die ge-<lb/>
meinen Kriegs-Knechte aber ie zehn und zehn<lb/>
aneinander gekoppelt/ und neb&#x017F;t der gefundenen<lb/>
reichen Beute unter die Uberwinder eingethei-<lb/>
let/ die ins La&#x0364;ger zuru&#x0364;ckgebrachte Schriften des<lb/>
Varus und alle andere Geheimnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;orgfa&#x0364;ltig<lb/>
auffge&#x017F;ucht und auffgehoben worden. Es ha&#x0364;tte<lb/>
einen Stein in der Erden jammern mo&#x0364;gen/ das<lb/>
erba&#x0364;rmliche Win&#x017F;eln der Gefangenen/ welche<lb/>
an Stricken gleich als Heerden unvernu&#x0364;nfti-<lb/>
gen Viehes fortgetrieben wurden/ und nun al-<lb/>
lerer&#x017F;t ihre Zagheit zu bereuen/ des Cejonius aber<lb/>
zu verfluchen anfingen.</p><lb/>
          <p>Wiewol nun Hertzog Herrmann und andere<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten ihr Volck mehrmals ermahnten/ &#x017F;ie &#x017F;ol-<lb/>
ten &#x017F;ich mit der Beute vergnu&#x0364;gen/ hingegen un-<lb/>
barmhertziger Blut&#x017F;tu&#x0364;rtzung enthalten; denn<lb/>
es wu&#x0364;rde den Schirm-Go&#x0364;ttern Deut&#x017F;chlandes<lb/>
&#x017F;chon ein austra&#x0364;gliches/ und die allgemeine Ra-<lb/>
che vergnu&#x0364;gendes Antheil aufgeopfert werden;<lb/>
&#x017F;o war es doch unmo&#x0364;glich u&#x0364;ber &#x017F;o viel tau&#x017F;end ein<lb/>
nichts u&#x0364;ber&#x017F;ehendes Auge zu haben/ und in ihren<lb/>
kriegeri&#x017F;chen Gemu&#x0364;thern das Geda&#x0364;chtnu&#x0364;ß &#x017F;o<lb/>
mannigfaltigen Unrechts/ als einen leicht fan-<lb/>
genden Zunder der &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Rache zu vertilgen.<lb/>
Den&#x0303; etliche &#x017F;telleten ihre Gefangene auf der ab-<lb/>
gehauenen Ba&#x0364;ume Sto&#x0364;cke empor/ und lie&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ihre Knaben nach ihnen mit Pfeilen zum Ziel<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Viel &#x017F;pi&#x017F;&#x017F;eten die Scha&#x0364;del der Todten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">auf</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0108] Erſtes Buch nicht vermocht/ mit demuͤthiger Begegnung be- ſaͤnftigen ſolte. Fuͤrſt Malovend aber/ und Apronius ein Roͤmiſcher Oberſter/ welchen nebſt vielen andern uͤber der Entwafnung ſo vieler tapfern Kriegs-Leute die Augen uͤbergiengen/ und dahero des Cejonius kleinmuͤthige und ſchimpfliche Entſchluͤſſung verdammten/ hatten aus Verdruß zwar ihrer eigenen Wolfarth/ nicht aber des noch uͤbrigen Roͤmiſchen Adlers vergeſſen. Dahero eilten ſie zum Emilian/ der ihn in ſeiner Verwahrung hatte/ hielten ihm die ihnen allen daraus erwachſende Schande ein/ da dieſes guͤldne Kleinod und Zeichen der Roͤmi- ſchen Hoheit in die Haͤnde des Feindes geliefert wuͤrde; worden alſo ſchluͤſſig/ ſolchen in einen im Laͤger befindlichen Sumpf zu verſtecken. Hertzog Herrmann wolte bey ſo gluͤcklichen Begebenheiten weder einige Zeit verlieren/ noch Gelegenheit verſaͤumen/ gab alſobald Befehl/ daß die Reiterey/ und ein Theil des Fuß-Volcks ins Laͤger ruͤcken/ die vier Pforten/ ihre Thuͤr- me/ das in der Mitte auf einem Huͤgel ſtehen- de und gleich einem Tempel mit einem Opfer- Tiſche verſehene Haupt-Zelt des Feldherrn/ welches von Seide und Goldſtuͤck war/ auch ge- wuͤrffelte Perſiſche Teppichte zum Fuß-Boden hatte/ das Zeug-Haus nebſt andern vornehmen Plaͤtzen beſetzen/ und die Waffen der Belaͤgerten in Verwahrung nehmen ſolte. Als nun diß alles in genungſame Sicherheit gebracht/ ritte er unter der Begleitung Hertzog Jnguiomers/ des Cattiſchen und anderer Fuͤrſten ins Laͤger; welchen Cejonius fuͤr der Pforte begegnete/ dem Feldherrn die Schluͤſſel fußfaͤllig uͤberlieferte/ ihn auch fuͤr ſich und die Ergebenen umb eine leidliche Gefaͤngnuͤß und Beſchirmung fuͤr den gemeinen Kriegs-Knechten anflehete. Sinte- mal dieſe ſchwerlich reine Haͤnde behalten koͤn- ten/ wo der Sieg ihnen zugleich den Werckzeug zur Rache/ und Gelegenheit zur Beute dar- reckte. Die Großmuͤthigkeit eines ſo groſſen Uberwinders lieſſe ſie nichts widriges beſorgen/ weil ſo denn weder Menſchen noch Goͤtter ihm den herrlichen Sieg mißgoͤnnen koͤnten. Die vorigen Merckmale ſeiner Guͤtigkeit haͤtten ſie beredet/ daß ſie ihre Ergebung einer verzwei- felten Gegenwehr fuͤrgezogen haͤtten/ weil ſie glaubten/ es wuͤrden ſie ſo wenig der Deutſchen Bothmaͤſſigkeit/ als ihn ihrer demuͤthigen Un- terwerffung gereuen. Der Feldherr verſetzte ihm: Man wuͤrde nach denen Geſetzen des Va- terlandes/ nach dem Beyſpiel der uͤber die Deut- ſchen ehmals ſiegenden Roͤmer/ und nach Maaß- gebung der Kriegs-Rechte gegen ſie verfahren. Worauf Cejonius/ Fuͤrſt Malovend/ Arbogaſt und alle Groſſen in Feſſel geſchlagen/ die ge- meinen Kriegs-Knechte aber ie zehn und zehn aneinander gekoppelt/ und nebſt der gefundenen reichen Beute unter die Uberwinder eingethei- let/ die ins Laͤger zuruͤckgebrachte Schriften des Varus und alle andere Geheimnuͤſſe ſorgfaͤltig auffgeſucht und auffgehoben worden. Es haͤtte einen Stein in der Erden jammern moͤgen/ das erbaͤrmliche Winſeln der Gefangenen/ welche an Stricken gleich als Heerden unvernuͤnfti- gen Viehes fortgetrieben wurden/ und nun al- lererſt ihre Zagheit zu bereuen/ des Cejonius aber zu verfluchen anfingen. Wiewol nun Hertzog Herrmann und andere Fuͤrſten ihr Volck mehrmals ermahnten/ ſie ſol- ten ſich mit der Beute vergnuͤgen/ hingegen un- barmhertziger Blutſtuͤrtzung enthalten; denn es wuͤrde den Schirm-Goͤttern Deutſchlandes ſchon ein austraͤgliches/ und die allgemeine Ra- che vergnuͤgendes Antheil aufgeopfert werden; ſo war es doch unmoͤglich uͤber ſo viel tauſend ein nichts uͤberſehendes Auge zu haben/ und in ihren kriegeriſchen Gemuͤthern das Gedaͤchtnuͤß ſo mannigfaltigen Unrechts/ als einen leicht fan- genden Zunder der ſo ſuͤſſen Rache zu vertilgen. Deñ etliche ſtelleten ihre Gefangene auf der ab- gehauenen Baͤume Stoͤcke empor/ und lieſſen ihre Knaben nach ihnen mit Pfeilen zum Ziel ſchuͤſſen. Viel ſpiſſeten die Schaͤdel der Todten auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/108
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/108>, abgerufen am 23.11.2024.