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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] dem Rhein umkehrten; und etliche tausend im
Stiche liessen. Cäsar ward über so schlimmen
Anfange stutzend; sonderlich/ da die Entkom-
menen nicht genung die Stärcke und Tapffer-
keit der Catten zu rühmen wusten. Sintemahl
die Furcht ohne diß alles vergrössert um dar-
durch seine Fehler zu vermindern. Daher ließ
er bey verlautender Ankunfft der Deutschen/ in
Meynung: daß eines schwächern Heeres Ab-
zug ohne erlittenen Abbruch einem Feldherrn
Ehre genung/ ja im Wercke so viel als ein
Sieg wäre/ den funffzehenden Tag nach seiner
Uberkunfft aufpacken/ und Tag und Nacht sein
Heer zurücke über den Rhein gehen. Jedoch
übereilten die Catten noch eine zur Besetzung
der Brücke gelassene Legion/ nebst etlichen tau-
send Ubiern und Galliern/ die sie meistentheils
in Stücken hieben/ also sie mit vielen Strömen
Blutes die Brände ihrer vom Feinde eingeä-
scherter Häuser ausleschten. Ja der Catten U-
berfall geschahe so schnell: daß Cäsar Noth hat-
te die Brücke abzubrechen. Diese noch auf der
rechten Seite des Rheins gebliebene Ubier mu-
sien als einheimische/ und also verhastere Feinde
hierauf das Bad ausgiessen/ und entweder über
die Klinge springen/ oder sich der Catten Herr-
schafft unterwerffen. Denen aber/ welche mit
Cäsarn über den Rhein flohen/ räumte er in der
Condruser Gebiete unter dem Flusse Abrinca
gewisse Aecker ein.

Cäsar hatte in seinen Gedancken schon gantz
Deutschland überwunden; und daher hielt er
alles für Verlust/ was seiner unersättlichen
Ehrsucht abgieng. Von seinem empfangenen
Streiche aber ergoß sich die Galle so sehr: daß
er Tag und Nacht nachsaan diese Scharte aus-
zuwetzen/ und dardurch nicht so sehr die Freude
der Deutschen/ als seiner Wiedrigen in Rom
zu versaltzen/ oder vielmehr Gelegenheit zu ei-
nem neuen Kriege zu suchen/ wormit er vom
Römischen Rathe das Hefft so vieler Legionen
aus den Händen zu geben nicht genöthiget wür-
[Spaltenumbruch] de. Sintemahl so wol Heerfü[hrer]/ als Kriegs-
Leute lieber Sieg/ als Friede wünschen; weil
mit dem letztern jenen das Ansehen/ diesen der
Sold entfällt. Mit den Deutschen traute er
es so bald nicht wieder zu wagen; weil seinem
Heere nichts minder noch das Schrecken im
Hertzen als die Narben auf den Gliedern wa-
ren. Zu seinem Fürhaben aber gaben ihm die in
Britannien handelnden Kauff-Leute durch ih-
ren Bericht eine andere Gelegenheit an die
Hand: daß die Britannier mit einander in ei-
nem steten bürgerlichen Kriege lebten; und
durch fast angebohrne Blutstürtzungen sich ü-
beraus geschwächt; ja den Fürsten Prasutag
aus Verdacht: daß er den Venetern wieder
Cäsarn mit denen dahin gesendeten Hülffs-
Völckern nicht treulich beygestanden/ ermor-
det hätten. Diese Nachricht erfrischte in dem
Hertzen des von Cäsarn zum Fürsten der Atre-
bater gemachten Comius den alten Groll/ den
er gegen dem Britannischen Könige Caßibelin
wegen versagter Tochter bißher getragen hat-
te. Seine Rachgier verkleidete sich alsofort in
eine Staats-Klugheit/ welche Cäsarn den er-
sten Vorschlag that in Britannien zu segeln;
durch welchen Zug ihm nicht allein grosser
Ruhm/ sondern auch Rom eine nicht geringe
Vergrösserung ihres Reichs/ ohne sonderbare
Schwerigkeit zuwachsen würde. Also wird von
Räthen mehrmahls nicht allein häußliche
Gramschafft mit dem Mantel des gemeinen
besten bekleidet/ sondern auch eigner Haß mit
dem Glantze ihrer Treue/ und rühmlicher Ent-
schlüssungen ihres Fürsten beschönet. Cäsarn
stärckte in seinem Fürnehmen auch die Both-
schafft des Feldherrn Aembrich/ welcher zwar
mit den Catten in schwerem Kriege lag/ dennoch
die mächtigen Römer in Deutschland zu seinen
Gehülffen nicht begehrte; besorgende: daß die
Deutschen nicht von dem im trüben Wasser fi-
schenden Cäsar/ wie für Zelten die Selevcier
von Parthen/ die Carier vom Cyrus/ die Gri-

chen

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] dem Rhein umkehrten; und etliche tauſend im
Stiche lieſſen. Caͤſar ward uͤber ſo ſchlimmen
Anfange ſtutzend; ſonderlich/ da die Entkom-
menen nicht genung die Staͤrcke und Tapffer-
keit der Catten zu ruͤhmen wuſten. Sintemahl
die Furcht ohne diß alles vergroͤſſert um dar-
durch ſeine Fehler zu vermindern. Daher ließ
er bey verlautender Ankunfft der Deutſchen/ in
Meynung: daß eines ſchwaͤchern Heeres Ab-
zug ohne erlittenen Abbruch einem Feldherꝛn
Ehre genung/ ja im Wercke ſo viel als ein
Sieg waͤre/ den funffzehenden Tag nach ſeiner
Uberkunfft aufpacken/ und Tag und Nacht ſein
Heer zuruͤcke uͤber den Rhein gehen. Jedoch
uͤbereilten die Catten noch eine zur Beſetzung
der Bruͤcke gelaſſene Legion/ nebſt etlichen tau-
ſend Ubiern und Galliern/ die ſie meiſtentheils
in Stuͤcken hieben/ alſo ſie mit vielen Stroͤmen
Blutes die Braͤnde ihrer vom Feinde eingeaͤ-
ſcherter Haͤuſer ausleſchten. Ja der Catten U-
berfall geſchahe ſo ſchnell: daß Caͤſar Noth hat-
te die Bruͤcke abzubrechen. Dieſe noch auf der
rechten Seite des Rheins gebliebene Ubier mu-
ſien als einheimiſche/ und alſo verhaſtere Feinde
hierauf das Bad ausgieſſen/ und entweder uͤber
die Klinge ſpringen/ oder ſich der Catten Herꝛ-
ſchafft unterwerffen. Denen aber/ welche mit
Caͤſarn uͤber den Rhein flohen/ raͤumte er in der
Condruſer Gebiete unter dem Fluſſe Abrinca
gewiſſe Aecker ein.

Caͤſar hatte in ſeinen Gedancken ſchon gantz
Deutſchland uͤberwunden; und daher hielt er
alles fuͤr Verluſt/ was ſeiner unerſaͤttlichen
Ehrſucht abgieng. Von ſeinem empfangenen
Streiche aber ergoß ſich die Galle ſo ſehr: daß
er Tag und Nacht nachſaan dieſe Scharte aus-
zuwetzen/ und dardurch nicht ſo ſehr die Freude
der Deutſchen/ als ſeiner Wiedrigen in Rom
zu verſaltzen/ oder vielmehr Gelegenheit zu ei-
nem neuen Kriege zu ſuchen/ wormit er vom
Roͤmiſchen Rathe das Hefft ſo vieler Legionen
aus den Haͤnden zu geben nicht genoͤthiget wuͤr-
[Spaltenumbruch] de. Sintemahl ſo wol Heerfuͤ[hrer]/ als Kriegs-
Leute lieber Sieg/ als Friede wuͤnſchen; weil
mit dem letztern jenen das Anſehen/ dieſen der
Sold entfaͤllt. Mit den Deutſchen traute er
es ſo bald nicht wieder zu wagen; weil ſeinem
Heere nichts minder noch das Schrecken im
Hertzen als die Narben auf den Gliedern wa-
ren. Zu ſeinem Fuͤrhaben aber gaben ihm die in
Britannien handelnden Kauff-Leute durch ih-
ren Bericht eine andere Gelegenheit an die
Hand: daß die Britannier mit einander in ei-
nem ſteten buͤrgerlichen Kriege lebten; und
durch faſt angebohrne Blutſtuͤrtzungen ſich uͤ-
beraus geſchwaͤcht; ja den Fuͤrſten Praſutag
aus Verdacht: daß er den Venetern wieder
Caͤſarn mit denen dahin geſendeten Huͤlffs-
Voͤlckern nicht treulich beygeſtanden/ ermor-
det haͤtten. Dieſe Nachricht erfriſchte in dem
Hertzen des von Caͤſarn zum Fuͤrſten der Atre-
bater gemachten Comius den alten Groll/ den
er gegen dem Britanniſchen Koͤnige Caßibelin
wegen verſagter Tochter bißher getragen hat-
te. Seine Rachgier verkleidete ſich alſofort in
eine Staats-Klugheit/ welche Caͤſarn den er-
ſten Vorſchlag that in Britannien zu ſegeln;
durch welchen Zug ihm nicht allein groſſer
Ruhm/ ſondern auch Rom eine nicht geringe
Vergroͤſſerung ihres Reichs/ ohne ſonderbare
Schwerigkeit zuwachſen wuͤrde. Alſo wird von
Raͤthen mehrmahls nicht allein haͤußliche
Gramſchafft mit dem Mantel des gemeinen
beſten bekleidet/ ſondern auch eigner Haß mit
dem Glantze ihrer Treue/ und ruͤhmlicher Ent-
ſchluͤſſungen ihres Fuͤrſten beſchoͤnet. Caͤſarn
ſtaͤrckte in ſeinem Fuͤrnehmen auch die Both-
ſchafft des Feldherꝛn Aembrich/ welcher zwar
mit den Catten in ſchwerem Kriege lag/ dennoch
die maͤchtigen Roͤmer in Deutſchland zu ſeinen
Gehuͤlffen nicht begehrte; beſorgende: daß die
Deutſchen nicht von dem im truͤben Waſſer fi-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1015[1017]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1079>, abgerufen am 23.11.2024.