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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] daß sie ihn für ihr Oberhaupt erkennen mu-
sten.

Wiewol nun die Helvetier unter dem
Schirm des Fürsten Ariovists/ der sich nun-
mehr einen König nennen ließ/ in gutem Wol-
stande lebten/ so thät es doch dem Adel weh: daß
zu denen Aemptern meist Alemänner befördert
wurden. Sintemahl ins gemein zwar fremde
Gewächse/ nicht aber ausländische Befehlichs-
haber angenehm sind; und der Neid oder die
Ungedult sodenn der Vollkommenheit selbst
Mängel auszustellen weiß. Jnsonderheit fraß
die Ehrsucht dem Fürsten Orgetorich das Hertz
aus; welchem die Thränen über die Backen
lieffen/ so offt er seiner Vorfahren Bilder ansa-
he/ und darmit sich erinnerte: daß er zwar aus
einem des Herrschens gewohntem Hause ge-
bohren wäre/ nunmehr aber müste gehorsamen
lernen. Gleichwol aber hielt die grosse Macht
des Königs Ariovists den Degen des Orgeto-
richs in der Scheide; und veranlaste ihn auff
ein ander Mittel zu sinnen: wie er das Hefft
wieder in die Hand bekäme. Weil nun die A-
lemänner sich täglich in Helvetien verstärckten/
und es ie länger ie mehr gedränger machten/
schlug er den Fürnehmsten und Vertrautesten
vom Adel für/ ihnen einen neuen Sitz in dem
fruchtbaren Gallien um den Fluß Garumna
einzunehmen; welches aller Muthmassung
nach Ariovist nicht hindern/ sondern vielmehr
befördern würde/ wormit seine Alemänner sich
so viel mehr auszubreiten Lufft bekämen. Nach
dem er durch seine scheinbare Fürschläge den
meisten Adel auf seine Seite gebracht hatte; er-
öffnete er diesen Anschlag auch dem Casticus/
welcher gleicher Gestalt unter Ariovistens Bot-
mäßigkeit und nach der Sequanischen Herr-
schafft seines Vaters seuffzete. Hierauf brachte
er es auch an des Divitiaks Bruder Dumno-
rich/ der die höchste Würde bey den Heduern
vertrat/ aber aus Begierde der Freyheit dem
Ariovist nicht hold/ denen Römern aber Spin-
[Spaltenumbruch] nen-feind war. Der Schein der Freyheit
brachte alle drey unschwer in ein eydliches
Bündniß; und die grosse Zuversicht zu ihren
Kräfften verhieß ihnen in weniger Zeit die Be-
herrschung des gantzen Galliens. Dieses grosse
Werck aber brach für der Zeit durch die unge-
wöhnliche Zurüstung des Fürsten Orgetorich/
und hernach durch etliche Edelleute/ denen ihr
Vaterland zu lieb war/ aus. Das Volck/ wel-
ches lieber in Sicherheit gehorsamen/ als aus
Hartneckigkeit sich in Gefahr und Verterben
stürtzen wolte/ überfiel den sichern Orgetorich
unverhofft/ stellten ihn auch in Band und Eisen
für ein Gerichte; das ihn als einen Aufwiegler
und Störer der gemeinen Ruh zum Feuer
verdammte. Er lag schon gebunden auf dem
Holtzstosse/ der Scharffrichter hielt schon die
Fackel an den Zunder/ als mehr als tausend
Mann zusammen gerottetes/ und dem reichen
Orgetorich aus Pflicht/ oder wegen genossener
Wolthaten zugethanes Volck herfür brach/ die
Nachrichter zerstreute/ den Holtzhauffen von
sammen rieß/ und den Verdammten aus dem
Rachen der Flammen errettete. Dieser Fre-
vel aber ward von der Obrigkeit durch Hülffe
der Alemannischen Besatzungen mit vielem
Blute bald gerochen/ und Orgetorich deroge-
stalt ins Gedrange bracht: daß er ihm selbst mit
Giffte vom Leben halff. Die Helvetier aber
befanden in der Höle/ darein er sich versteckt
hatte/ eine so bewegliche Betheuerung: wie er
durch sein Vorhaben drey freye Völcker in den
Glantz der alten Freyheit/ sich aber keines we-
ges auf den ihm zugedachten Stul zu setzen an-
gezielt hätte: daß auf des Fürsten Divico ver-
nünfftiges Einreden das ihn vorhin zu verbren-
nen entschlossene Volck/ welches zwischen eus-
serster Liebe und Haß kein Mittel weiß/ ihn
nunmehr von dem Scheiter-Hauffen in Him-
mel erhob; und des Orgetorichs Fürhaben
auszuführen durch schärffste Eyde sich ver-
schwor/ ja viel tausend Rauraker/ und Tulin-

ger

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] daß ſie ihn fuͤr ihr Oberhaupt erkennen mu-
ſten.

Wiewol nun die Helvetier unter dem
Schirm des Fuͤrſten Arioviſts/ der ſich nun-
mehr einen Koͤnig nennen ließ/ in gutem Wol-
ſtande lebten/ ſo thaͤt es doch dem Adel weh: daß
zu denen Aemptern meiſt Alemaͤnner befoͤrdert
wurden. Sintemahl ins gemein zwar fremde
Gewaͤchſe/ nicht aber auslaͤndiſche Befehlichs-
haber angenehm ſind; und der Neid oder die
Ungedult ſodenn der Vollkommenheit ſelbſt
Maͤngel auszuſtellen weiß. Jnſonderheit fraß
die Ehrſucht dem Fuͤrſten Orgetorich das Hertz
aus; welchem die Thraͤnen uͤber die Backen
lieffen/ ſo offt er ſeiner Vorfahren Bilder anſa-
he/ und darmit ſich erinnerte: daß er zwar aus
einem des Herrſchens gewohntem Hauſe ge-
bohren waͤre/ nunmehr aber muͤſte gehorſamen
lernen. Gleichwol aber hielt die groſſe Macht
des Koͤnigs Arioviſts den Degen des Orgeto-
richs in der Scheide; und veranlaſte ihn auff
ein ander Mittel zu ſinnen: wie er das Hefft
wieder in die Hand bekaͤme. Weil nun die A-
lemaͤnner ſich taͤglich in Helvetien verſtaͤrckten/
und es ie laͤnger ie mehr gedraͤnger machten/
ſchlug er den Fuͤrnehmſten und Vertrauteſten
vom Adel fuͤr/ ihnen einen neuen Sitz in dem
fruchtbaren Gallien um den Fluß Garumna
einzunehmen; welches aller Muthmaſſung
nach Arioviſt nicht hindern/ ſondern vielmehr
befoͤrdern wuͤrde/ wormit ſeine Alemaͤnner ſich
ſo viel mehr auszubreiten Lufft bekaͤmen. Nach
dem er durch ſeine ſcheinbare Fuͤrſchlaͤge den
meiſten Adel auf ſeine Seite gebracht hatte; er-
oͤffnete er dieſen Anſchlag auch dem Caſticus/
welcher gleicher Geſtalt unter Arioviſtens Bot-
maͤßigkeit und nach der Sequaniſchen Herr-
ſchafft ſeines Vaters ſeuffzete. Hierauf brachte
er es auch an des Divitiaks Bruder Dumno-
rich/ der die hoͤchſte Wuͤrde bey den Heduern
vertrat/ aber aus Begierde der Freyheit dem
Arioviſt nicht hold/ denen Roͤmern aber Spin-
[Spaltenumbruch] nen-feind war. Der Schein der Freyheit
brachte alle drey unſchwer in ein eydliches
Buͤndniß; und die groſſe Zuverſicht zu ihren
Kraͤfften verhieß ihnen in weniger Zeit die Be-
herꝛſchung des gantzen Galliens. Dieſes groſſe
Werck aber brach fuͤr der Zeit durch die unge-
woͤhnliche Zuruͤſtung des Fuͤrſten Orgetorich/
und hernach durch etliche Edelleute/ denen ihr
Vaterland zu lieb war/ aus. Das Volck/ wel-
ches lieber in Sicherheit gehorſamen/ als aus
Hartneckigkeit ſich in Gefahr und Verterben
ſtuͤrtzen wolte/ uͤberfiel den ſichern Orgetorich
unverhofft/ ſtellten ihn auch in Band und Eiſen
fuͤr ein Gerichte; das ihn als einen Aufwiegler
und Stoͤrer der gemeinen Ruh zum Feuer
verdammte. Er lag ſchon gebunden auf dem
Holtzſtoſſe/ der Scharffrichter hielt ſchon die
Fackel an den Zunder/ als mehr als tauſend
Mann zuſammen gerottetes/ und dem reichen
Orgetorich aus Pflicht/ oder wegen genoſſener
Wolthaten zugethanes Volck herfuͤr brach/ die
Nachrichter zerſtreute/ den Holtzhauffen von
ſammen rieß/ und den Verdammten aus dem
Rachen der Flammen errettete. Dieſer Fre-
vel aber ward von der Obrigkeit durch Huͤlffe
der Alemanniſchen Beſatzungen mit vielem
Blute bald gerochen/ und Orgetorich deroge-
ſtalt ins Gedrange bracht: daß er ihm ſelbſt mit
Giffte vom Leben halff. Die Helvetier aber
befanden in der Hoͤle/ darein er ſich verſteckt
hatte/ eine ſo bewegliche Betheuerung: wie er
durch ſein Vorhaben drey freye Voͤlcker in den
Glantz der alten Freyheit/ ſich aber keines we-
ges auf den ihm zugedachten Stul zu ſetzen an-
gezielt haͤtte: daß auf des Fuͤrſten Divico ver-
nuͤnfftiges Einreden das ihn vorhin zu verbren-
nen entſchloſſene Volck/ welches zwiſchen euſ-
ſerſter Liebe und Haß kein Mittel weiß/ ihn
nunmehr von dem Scheiter-Hauffen in Him-
mel erhob; und des Orgetorichs Fuͤrhaben
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ſchwor/ ja viel tauſend Rauraker/ und Tulin-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 988[990]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1052>, abgerufen am 23.11.2024.