Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
welchen das Fuß-Volck nach und nach folgte/und/ weil die Noth auch im stockfinstern sehende Augen hat/ geschwinder und ohne wenigere Vermerckung des Feindes/ als ihm Asprenas selbst eingebildet hatte/ durch den holen und en- gen Weg/ der durch selbigen Wald führte/ auf das flache Feld gegen Alison gerieth. Worauf Asprenas die Feuer nach und nach von sich selbst verleschen/ das Geräusche in Wäldern sich ver- mindern ließ/ und mit der zurückbliebenen Rei- terey eilfertig nachfolgete. Hertzog Herrmann hatte inzwischen Nachricht erlangt/ daß Catu- mer mit seinem Hauffen auf Malovenden der Marsen Hertzog auff der andern Seite der Lip- pe getroffen hätte/ dieser aber dennoch mit etli- chen Tausenden theils Reiterey/ theils Fuß- Volck in das Römische Läger durchgedrungen sey; Catumer also ein Theil zu Beschlüssung des Lägers daselbst gelassen/ und weil ihm etliche Gefangenen entdecket/ daß vorhergehende Nacht Lucius Asprenas mit seiner Kriegs- Macht bey Alison über die Lippe gesetzt hätte/ mit dem grösten Theile auch diese Festung zu sperren/ und den Feind zu einer Zertrennung zu nöthigen/ an der Lippe seinen Zug fortgesetzt habe. Ob nun zwar der Feldherr endlich beym Abzuge der Reiterey die Flucht des Feindes durch etliche Kundschaffter erfuhr/ so dorfte er doch/ theils wegen Müdigkeit seines Volcks/ theils wegen vernommener Verstärckung des Lägers/ theils wegen grosser Finsternüß sich durch die gefährlichen Moräste und Wälder/ allwo er von dem listigen Feinde leicht hätte um- ringet und überfallen werden können/ den Feind zu verfolgen nicht wagen/ sondern muste mit dem lichten Morgen neue Entschlüssungen er- warten. Mit anbrechendem Tage sahen die Deut- Der Feldherr führte das Heer bey so gestalten Da- Erster Theil. H
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
welchen das Fuß-Volck nach und nach folgte/und/ weil die Noth auch im ſtockfinſtern ſehende Augen hat/ geſchwinder und ohne wenigere Vermerckung des Feindes/ als ihm Aſprenas ſelbſt eingebildet hatte/ durch den holen und en- gen Weg/ der durch ſelbigen Wald fuͤhrte/ auf das flache Feld gegen Aliſon gerieth. Worauf Aſprenas die Feuer nach und nach von ſich ſelbſt verleſchen/ das Geraͤuſche in Waͤldern ſich ver- mindern ließ/ und mit der zuruͤckbliebenen Rei- terey eilfertig nachfolgete. Hertzog Herrmann hatte inzwiſchen Nachricht erlangt/ daß Catu- mer mit ſeinem Hauffen auf Malovenden der Marſen Hertzog auff der andern Seite der Lip- pe getroffen haͤtte/ dieſer aber dennoch mit etli- chen Tauſenden theils Reiterey/ theils Fuß- Volck in das Roͤmiſche Laͤger durchgedrungen ſey; Catumer alſo ein Theil zu Beſchluͤſſung des Laͤgers daſelbſt gelaſſen/ und weil ihm etliche Gefangenen entdecket/ daß vorhergehende Nacht Lucius Aſprenas mit ſeiner Kriegs- Macht bey Aliſon uͤber die Lippe geſetzt haͤtte/ mit dem groͤſten Theile auch dieſe Feſtung zu ſperren/ und den Feind zu einer Zertrennung zu noͤthigen/ an der Lippe ſeinen Zug fortgeſetzt habe. Ob nun zwar der Feldherr endlich beym Abzuge der Reiterey die Flucht des Feindes durch etliche Kundſchaffter erfuhr/ ſo dorfte er doch/ theils wegen Muͤdigkeit ſeines Volcks/ theils wegen vernommener Verſtaͤrckung des Laͤgers/ theils wegen groſſer Finſternuͤß ſich durch die gefaͤhrlichen Moraͤſte und Waͤlder/ allwo er von dem liſtigen Feinde leicht haͤtte um- ringet und uͤberfallen werden koͤnnen/ den Feind zu verfolgen nicht wagen/ ſondern muſte mit dem lichten Morgen neue Entſchluͤſſungen er- warten. Mit anbrechendem Tage ſahen die Deut- Der Feldherr fuͤhrte das Heer bey ſo geſtalten Da- Erſter Theil. H
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Arminius und Thußnelda.
welchen das Fuß-Volck nach und nach folgte/
und/ weil die Noth auch im ſtockfinſtern ſehende
Augen hat/ geſchwinder und ohne wenigere
Vermerckung des Feindes/ als ihm Aſprenas
ſelbſt eingebildet hatte/ durch den holen und en-
gen Weg/ der durch ſelbigen Wald fuͤhrte/ auf
das flache Feld gegen Aliſon gerieth. Worauf
Aſprenas die Feuer nach und nach von ſich ſelbſt
verleſchen/ das Geraͤuſche in Waͤldern ſich ver-
mindern ließ/ und mit der zuruͤckbliebenen Rei-
terey eilfertig nachfolgete. Hertzog Herrmann
hatte inzwiſchen Nachricht erlangt/ daß Catu-
mer mit ſeinem Hauffen auf Malovenden der
Marſen Hertzog auff der andern Seite der Lip-
pe getroffen haͤtte/ dieſer aber dennoch mit etli-
chen Tauſenden theils Reiterey/ theils Fuß-
Volck in das Roͤmiſche Laͤger durchgedrungen
ſey; Catumer alſo ein Theil zu Beſchluͤſſung
des Laͤgers daſelbſt gelaſſen/ und weil ihm etliche
Gefangenen entdecket/ daß vorhergehende
Nacht Lucius Aſprenas mit ſeiner Kriegs-
Macht bey Aliſon uͤber die Lippe geſetzt haͤtte/
mit dem groͤſten Theile auch dieſe Feſtung zu
ſperren/ und den Feind zu einer Zertrennung
zu noͤthigen/ an der Lippe ſeinen Zug fortgeſetzt
habe. Ob nun zwar der Feldherr endlich beym
Abzuge der Reiterey die Flucht des Feindes
durch etliche Kundſchaffter erfuhr/ ſo dorfte er
doch/ theils wegen Muͤdigkeit ſeines Volcks/
theils wegen vernommener Verſtaͤrckung des
Laͤgers/ theils wegen groſſer Finſternuͤß ſich
durch die gefaͤhrlichen Moraͤſte und Waͤlder/
allwo er von dem liſtigen Feinde leicht haͤtte um-
ringet und uͤberfallen werden koͤnnen/ den Feind
zu verfolgen nicht wagen/ ſondern muſte mit dem
lichten Morgen neue Entſchluͤſſungen er-
warten.
Mit anbrechendem Tage ſahen die Deut-
ſchen/ daß Aſprenas voͤllig das Feld geraͤumt
hatte. Und ob wol ein Theil der Reiterey un-
ter Hertzog Ganaſchen (denn mit dem gantzen
Heere ihn zu verfolgen ſchiene bey ſo ungeſtuͤ-
mem Wetter und ſchlimmen Wegen weder
rathſam noch moͤglich) biß an die Feſtung Aliſon
den Feind verfolgte/ auch von denen/ welche in
ſo ſchnellem Zuge ſo eilfertig nicht hatten folgen
koͤnnen/ ein ziemliches Theil uͤbereilte und er-
legte/ ſo muſten ſie doch endlich den Aſprenas/
welcher in die Feſtung Aliſon alles Heer-Geraͤ-
the abgelegt hatte/ durch die Tencterer gegen den
Rhein/ allwo einige Voͤlcker auch ſchon Aufſtand
zu machen anfingen/ entſchlippen laſſen.
Der Feldherr fuͤhrte das Heer bey ſo geſtalten
Sachen wieder fuͤr das Laͤger/ allwo Hertzog
Jnguiomer die an zweyen Orten/ bey waͤhren-
dem Treffen mit dem Aſprenas/ ausfallenden
Belaͤgerten/ welche Fuͤrſt Malovend tapfer an-
fuͤhrte/ mit groſſem Verluſt zuruͤck getrieben/
und ſo wol in Verwirrung als Schrecken veꝛſetzt
hatte. Bey ſo ſieghafter Zuruͤckkunft des gan-
tzen Heeres/ und zerronnener Huͤlffe des Aſpre-
nas/ und da kaum ſo viel Kriegs-Leute als Zelten
verhanden waren/ in derer iedem ihrer ſonſt eylf
zu ſeyn pflegen/ geriethen ſie in aͤuſerſte Ver-
zweifelung/ ſonderlich da die Deutſchen die de-
nen erſchlagenen Roͤmern abgeſchnittene Koͤpfe
auf ihre Spiſſe geſteckt hatten/ und ſelbte theils
in die Graben warffen/ theils uͤber die Waͤlle
ins Laͤger ſchleuderten/ theils nach dem Beyſpie-
le der Kayſerlichen Kriegs-Knechte fuͤr Munda/
als Pompejus die Pharſaliſche Schlacht ver-
lohren hatte/ ihnen von derogleichen Koͤpfen
Bruſtwehren und Bruͤcken machten; und wie
Hannibal nach der Schlacht bey Cannas fuͤr
keine gemeine Rache hielten/ wenn ſie uͤber die
Baͤuche der Roͤmer zu Sturme lauffen koͤnten.
Ob nun wol der Feldherr die Unvermoͤgenheit
der Roͤmer ihr Laͤger zu beſchuͤtzen wahrnahm;
ſo erwog er doch/ daß die Schlangen auch nach
zerknirſchtem Kopfe ſich mit dem Schwantze
wehren/ und einem verzweifelten Feinde ehe ei-
ne goldene Bruͤcke zu ſeinem Abzuge zu bau-
en/ als ein erlangter Sieg durch angemaßte
Vertilgung deſſelbten in Gefahr zu ſetzen ſey.
Da-
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