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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] würden diese kluge und heilige Leute dem gemei-
nen Wesen am nützlichsten fürstehen.

Rhemetalces brach ein: Eure Cimbern schei-
nen desselbten Weltweisen Meynung gewesen
zu seyn/ daß dasselbe Reich nur glück selig zu ach-
ten wäre/ darinnen die Weltweisen herrschten.
Alleine diese Hoffnung hat nicht selten Schiff-
bruch gelitten; und haben offt die gelehrtesten
Fürsten die einfältigsten Fehler begangen; oder
das Glücke mühet sich zum minsten ehe diesen/
als andern/ welche nicht ihre Vernunfft/ son-
dern alleine sie zu ihrer Leiterin erkiesen/ ein
Bein unterzuschlagen. Unter den Griechischen
Helden für Troja wäre keiner gelehrter/ aber
auch niemand unglücklicher als Palamedes ge-
west. Er war wol geschickt vier neue Buchsta-
ben zu erfinden; aber nicht sich aus der ihm vom
Ulyßes fälschlich angetichteten Verrätherey zu
wickeln. Etliche andere haben sich durch Be-
trachtung der Gestirne im Himmel so verstie-
gen: daß sie die Erde aus dem Gesichte/ und den
Wolstand in ihrem Reiche verlohren. Grie-
chenland hat keine grimmigere Wütteriche ge-
habt/ als die/ welche aus den sieben Weltweisen
geherrscht haben. Athen und Sparta hat al-
lemahl geblutet oder geseuffzet; wenn einer mit
dem Mantel des Pythagoras oder des Plato
auf dem Stule gesessen. Daher Diocles der
schlauste Hertzog der Sicambern seinen Sohn
mehr nicht als diesen Griechischen Spruch: der
Fürsten Wille ist ihr Recht/ lernen ließ; und
dem Priester Theocalus/ dem sein Groß-Vater
fast die Helffte seiner Gewalt eingeräumet hat-
te/ seine Macht gäntzlich beschnitt. König An-
tiochus und Lysimachus wolten die Weisen nicht
einst zu Bürgern haben/ jagten sie aus ihrem
Reiche/ und hiessen die freyen Künste ein Gifft
des gemeinen Wesens. Und die Scythen über
dem Rypheischen Gebürge können noch nicht
gestatten: daß ihre Unterthanen mehr/ als ihre
unwissende Herrscher verstehen sellen. Ob ich
nun zwar das letzte nicht billiche/ und wol weiß:
[Spaltenumbruch] daß die Weißheit an ihr selbst nichts böses hat;
ja ohne ihre Hülffe schwerlich ein Reich bestehen
kan; Weil die Unwissenheit nicht nur ein Man-
gel des Guten/ sondern wesentlich etwas böses;
und ein unverständiger Fürst ein lahmer Ober-
Herr ist; für welchem der wahrsagende Apollo
die Stadt Sparta so sehr gewarniget hat; über
diß die glücklichen Fürsten Pericles/ Alcibia-
des/ Epaminondas/ Numa/ Philip in Mace-
donien/ und Kayser Julius nicht geringere
Weltweisen als Helden gewesen; So bin ich
doch der beständigen Meynung: daß die/ welche
von Künsten und Wissenschafften gleichsam ein
Handwerck machen/ oder schon ihr Leben gleich-
sam der nachdenckenden Welt-Weißheit ge-
wiedmet haben/ sich zur Herrschafft nicht schi-
cken. Sintemahl sie daraus eine solche Süs-
sigkeit schmecken; welche ihnen die Sorgen für
das gemeine Heil zu Wermuth und Galle
macht. Daher Prometheus/ Empedocles und
Heraclitus ihre Fürsten-Hüte eigenbeweglich
abgenommen/ um in einer Einsamkeit der
Weltweißheit unverhindert abzuwarten. Zeno
antwortete: diese wolgegründete Meynung
des Fürsten Rhemetalces hielte nichts mehres/
als eine Verdammung des Mißbrauchs/ nicht
aber der Weltweißheit selbst in sich; von welcher
König Phraotes recht Fürstlich geurtheilet hät-
te: Es wäre nichts Königlicher als die Weiß-
heit; ja ihre Besitzer wären noch etwas mehr
als Könige. Allein es stünde nicht die Weiß-
heit/ sondern andere wichtige Ursachen den
Geistlichen am Wege; warum man selbten die
Oberherrschafft einzuräumen billich anstehen
solte. Denn weil sie eines strengen Lebens
vorher gewohnt/ wolten sie aller Unterge-
bener Sitten und Leben nach ihrem Mäß-
Stabe richten; und daher verfielen sie in
eine gefährliche Schärffe der Herrschafft.
Sie legten mit ihrem ersten Stande nie-
mahls die Liebe gegen denselben ab;
und deßhalben enträumten sie nicht nur

der
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] wuͤꝛden dieſe kluge und heilige Leute dem gemei-
nen Weſen am nuͤtzlichſten fuͤrſtehen.

Rhemetalces brach ein: Eure Cimbern ſchei-
nen deſſelbten Weltweiſen Meynung geweſen
zu ſeyn/ daß daſſelbe Reich nur gluͤck ſelig zu ach-
ten waͤre/ darinnen die Weltweiſen herrſchten.
Alleine dieſe Hoffnung hat nicht ſelten Schiff-
bruch gelitten; und haben offt die gelehrteſten
Fuͤrſten die einfaͤltigſten Fehler begangen; oder
das Gluͤcke muͤhet ſich zum minſten ehe dieſen/
als andern/ welche nicht ihre Vernunfft/ ſon-
dern alleine ſie zu ihrer Leiterin erkieſen/ ein
Bein unterzuſchlagen. Unter den Griechiſchen
Helden fuͤr Troja waͤre keiner gelehrter/ aber
auch niemand ungluͤcklicher als Palamedes ge-
weſt. Er war wol geſchickt vier neue Buchſta-
ben zu erfinden; aber nicht ſich aus der ihm vom
Ulyßes faͤlſchlich angetichteten Verraͤtherey zu
wickeln. Etliche andere haben ſich durch Be-
trachtung der Geſtirne im Himmel ſo verſtie-
gen: daß ſie die Erde aus dem Geſichte/ und den
Wolſtand in ihrem Reiche verlohren. Grie-
chenland hat keine grimmigere Wuͤtteriche ge-
habt/ als die/ welche aus den ſieben Weltweiſen
geherrſcht haben. Athen und Sparta hat al-
lemahl geblutet oder geſeuffzet; wenn einer mit
dem Mantel des Pythagoras oder des Plato
auf dem Stule geſeſſen. Daher Diocles der
ſchlauſte Hertzog der Sicambern ſeinen Sohn
mehr nicht als dieſen Griechiſchen Spruch: der
Fuͤrſten Wille iſt ihr Recht/ lernen ließ; und
dem Prieſter Theocalus/ dem ſein Groß-Vateꝛ
faſt die Helffte ſeiner Gewalt eingeraͤumet hat-
te/ ſeine Macht gaͤntzlich beſchnitt. Koͤnig An-
tiochus und Lyſimachus wolten die Weiſen nicht
einſt zu Buͤrgern haben/ jagten ſie aus ihrem
Reiche/ und hieſſen die freyen Kuͤnſte ein Gifft
des gemeinen Weſens. Und die Scythen uͤber
dem Rypheiſchen Gebuͤrge koͤnnen noch nicht
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unwiſſende Herrſcher verſtehen ſellen. Ob ich
nun zwar das letzte nicht billiche/ und wol weiß:
[Spaltenumbruch] daß die Weißheit an ihr ſelbſt nichts boͤſes hat;
ja ohne ihre Huͤlffe ſchwerlich ein Reich beſtehen
kan; Weil die Unwiſſenheit nicht nur ein Man-
gel des Guten/ ſondern weſentlich etwas boͤſes;
und ein unverſtaͤndiger Fuͤrſt ein lahmer Ober-
Herr iſt; fuͤr welchem der wahrſagende Apollo
die Stadt Sparta ſo ſehr gewarniget hat; uͤber
diß die gluͤcklichen Fuͤrſten Pericles/ Alcibia-
des/ Epaminondas/ Numa/ Philip in Mace-
donien/ und Kayſer Julius nicht geringere
Weltweiſen als Helden geweſen; So bin ich
doch der beſtaͤndigen Meynung: daß die/ welche
von Kuͤnſten und Wiſſenſchafften gleichſam ein
Handwerck machen/ oder ſchon ihr Leben gleich-
ſam der nachdenckenden Welt-Weißheit ge-
wiedmet haben/ ſich zur Herrſchafft nicht ſchi-
cken. Sintemahl ſie daraus eine ſolche Suͤſ-
ſigkeit ſchmecken; welche ihnen die Sorgen fuͤr
das gemeine Heil zu Wermuth und Galle
macht. Daher Prometheus/ Empedocles und
Heraclitus ihre Fuͤrſten-Huͤte eigenbeweglich
abgenommen/ um in einer Einſamkeit der
Weltweißheit unverhindert abzuwarten. Zeno
antwortete: dieſe wolgegruͤndete Meynung
des Fuͤrſten Rhemetalces hielte nichts mehres/
als eine Verdammung des Mißbrauchs/ nicht
aber der Weltweißheit ſelbſt in ſich; von welcher
Koͤnig Phraotes recht Fuͤrſtlich geurtheilet haͤt-
te: Es waͤre nichts Koͤniglicher als die Weiß-
heit; ja ihre Beſitzer waͤren noch etwas mehr
als Koͤnige. Allein es ſtuͤnde nicht die Weiß-
heit/ ſondern andere wichtige Urſachen den
Geiſtlichen am Wege; warum man ſelbten die
Oberherrſchafft einzuraͤumen billich anſtehen
ſolte. Denn weil ſie eines ſtrengen Lebens
vorher gewohnt/ wolten ſie aller Unterge-
bener Sitten und Leben nach ihrem Maͤß-
Stabe richten; und daher verfielen ſie in
eine gefaͤhrliche Schaͤrffe der Herrſchafft.
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mahls die Liebe gegen denſelben ab;
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 981[983]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1045>, abgerufen am 23.11.2024.