Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] weder weil dieselben/ welche aus dem Aberglau-
ben ihren Vortheil zu suchen vermeinen/ der
Neuerung eines Glaubens alle Handreichung
thun; oder/ weil die Gemüther ja so gar die
eusserlichen Sinnen eines Volckes durch nichts
leichter als durch einen scheinbaren Gottes-
dienst verrückt werden. Daher die verblände-
ten Hispanie[r] denen Phöniciern mit sehenden
Augen zugelassen: daß sie unter dem Schein
eines dem Hercules gewiedmeten Tempels eine
Festung gebauet; Die Trojaner aber das Ge-
räusche der geharnischten Grichen/ welche in
das der Pallas gewiedmete höltzerne Pferd ge-
steckt waren/ nicht gehöret haben/ als sie es über
den Grauß ihrer eingebrochenen Mauern
mühsam in die Stadt schlepten. Mit einem
Worte: der scheinheilige Fürwand des Gottes-
dienstes ist die schönste Schmincke der Stirne/
und das schädlichste Gifft der Seele. Jhren
ersten Grund legten die Druyden so wol in
Gallien als Deutschland/ allwo man doch für
heiliger hielt von Gott etwas gewisses zu glau-
ben/ als dessen Grund zu ergrübeln/ auf die
Freyheit dieser Völcker; welche nicht nur in
zeitlichen/ sondern auch in Gewissens-Sachen
keinem weltlichen Zwange unterworffen seyn
könte. Zumahl auch kein Erb-Fürst über seine
Unterthanen/ kein Herr über seinen Knecht sich
dieser GOtt allein zustehenden Herrschafft an-
zumassen berechtigt wäre.

Hierwieder warffen zwar einige weitschende
ein: kein Feldmässer ließe ihm die Gründe sei-
ner Kunst zweiffelhafft machen; mit was für
Fug dörffte sich denn ein Unterthan erkühnen
seines Königs Gottesdienst zu verwerffen? Die
Natur pflantzte gleichsam die Liebe des väterli-
chen Gottesdienstes ein; desselbten Unterschied
verursachte Zwytracht des Volckes/ und Auf-
stand gegen die Obrigkeit. Ja ein vom Aber-
glauben eingenommenes Gemüthe könte der
Gottesfurcht nicht hold seyn. Daher alle kluge
Völcker/ insonderheit die Römer die Vereh-
[Spaltenumbruch] rung fremder Götter/ oder auch nur der Alten
auf eine neue Art sorgfältigst verhütet; nach der
Niederlage bey Canna die abergläubischen
Frauen aus den Tempeln getrieben; alle Bü-
cher des Egyptischen und Jüdischen Gottes-
dienstes verbrennet hätten; wolwissende: daß
der Aberglaube niemahls ruhig seyn könne;
und die Veränderung des Gottesdienstes ins
gemein Aufruhr/ und die Verkehrung der
Herrschafft nach sich ziehe; selbter aber schwerer
als tieff-eingewurtzelte Hecken mit Schwerdt
und Feuer auszurotten wäre/ ja seine Hartne-
ckigkeit von dem versprützten Blute nicht an-
ders als der Anteische Riese von Berührung der
Erde neue Kräfften bekäme. Es wäre GOtt
ein einiges unveränderliches Wesen. Daher
müsse aus zweyen wiedrigen Verehrungen
ihm eine als irrig mißfallen. Die Gemein-
schafft eines Gottesdienstes wäre der festeste
Leim/ der die Gemüther eines Reichs zusam-
men kleibete/ und eine unzerbrechliche Kette/
welche die Kräfften einer Herrschafft beysam-
men hielte; hingegen zerspaltete der Unterscheid
nicht nur die Liebe der Landes-Leute/ sondern
des Vaterlandes und der Eltern. Sintemahl
ein gewissenhaffter mit dem keine verträuliche
Freundschafft machen kan/ den er für einen
Feind und Verächter seines Gottes hält. Weß-
wegen einige Staatskluge die Duldung vieler-
ley Gottesdienstes für einen Fallstrick derselben
Fürsten gehalten hätten/ welche ihrem freyen
Volcke durch erregte Trennung den Kapzaum
strenger Dienstbarkeit anlegen wollen. Alleine
es überwog alle diese Erinnerungen die wiedri-
ge Meynung: daß der Glaube freyer seyn solte/
als der Wille. Denn ein gezwungener Wille
wäre wol ein Wille; aber eine gezwungene An-
dacht nichts weniger als ein Gottesdienst; ja ei-
ne Gott-verhaste Heucheley; weil er so wenig als
Menschen von gezwungenen Leuten verehret
wissen wil. Auf welche Heuchler und halb-Men-
schen sonder Zweifel der Jüdische Gesetzgeber

Moses

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] weder weil dieſelben/ welche aus dem Aberglau-
ben ihren Vortheil zu ſuchen vermeinen/ der
Neuerung eines Glaubens alle Handreichung
thun; oder/ weil die Gemuͤther ja ſo gar die
euſſerlichen Sinnen eines Volckes durch nichts
leichter als durch einen ſcheinbaren Gottes-
dienſt verruͤckt werden. Daher die verblaͤnde-
ten Hiſpanie[r] denen Phoͤniciern mit ſehenden
Augen zugelaſſen: daß ſie unter dem Schein
eines dem Hercules gewiedmeten Tempels eine
Feſtung gebauet; Die Trojaner aber das Ge-
raͤuſche der geharniſchten Grichen/ welche in
das der Pallas gewiedmete hoͤltzerne Pferd ge-
ſteckt waren/ nicht gehoͤret haben/ als ſie es uͤber
den Grauß ihrer eingebrochenen Mauern
muͤhſam in die Stadt ſchlepten. Mit einem
Worte: der ſcheinheilige Fuͤrwand des Gottes-
dienſtes iſt die ſchoͤnſte Schmincke der Stirne/
und das ſchaͤdlichſte Gifft der Seele. Jhren
erſten Grund legten die Druyden ſo wol in
Gallien als Deutſchland/ allwo man doch fuͤr
heiliger hielt von Gott etwas gewiſſes zu glau-
ben/ als deſſen Grund zu ergruͤbeln/ auf die
Freyheit dieſer Voͤlcker; welche nicht nur in
zeitlichen/ ſondern auch in Gewiſſens-Sachen
keinem weltlichen Zwange unterworffen ſeyn
koͤnte. Zumahl auch kein Erb-Fuͤrſt uͤber ſeine
Unterthanen/ kein Herr uͤber ſeinen Knecht ſich
dieſer GOtt allein zuſtehenden Herrſchafft an-
zumaſſen berechtigt waͤre.

Hierwieder warffen zwar einige weitſchende
ein: kein Feldmaͤſſer ließe ihm die Gruͤnde ſei-
ner Kunſt zweiffelhafft machen; mit was fuͤr
Fug doͤrffte ſich denn ein Unterthan erkuͤhnen
ſeines Koͤnigs Gottesdienſt zu verwerffen? Die
Natur pflantzte gleichſam die Liebe des vaͤterli-
chen Gottesdienſtes ein; deſſelbten Unterſchied
verurſachte Zwytracht des Volckes/ und Auf-
ſtand gegen die Obrigkeit. Ja ein vom Aber-
glauben eingenommenes Gemuͤthe koͤnte der
Gottesfurcht nicht hold ſeyn. Daher alle kluge
Voͤlcker/ inſonderheit die Roͤmer die Vereh-
[Spaltenumbruch] rung fremder Goͤtter/ oder auch nur der Alten
auf eine neue Art ſorgfaͤltigſt verhuͤtet; nach der
Niederlage bey Canna die aberglaͤubiſchen
Frauen aus den Tempeln getrieben; alle Buͤ-
cher des Egyptiſchen und Juͤdiſchen Gottes-
dienſtes verbrennet haͤtten; wolwiſſende: daß
der Aberglaube niemahls ruhig ſeyn koͤnne;
und die Veraͤnderung des Gottesdienſtes ins
gemein Aufruhr/ und die Verkehrung der
Herrſchafft nach ſich ziehe; ſelbter aber ſchwerer
als tieff-eingewurtzelte Hecken mit Schwerdt
und Feuer auszurotten waͤre/ ja ſeine Hartne-
ckigkeit von dem verſpruͤtzten Blute nicht an-
ders als der Anteiſche Rieſe von Beruͤhrung der
Erde neue Kraͤfften bekaͤme. Es waͤre GOtt
ein einiges unveraͤnderliches Weſen. Daher
muͤſſe aus zweyen wiedrigen Verehrungen
ihm eine als irrig mißfallen. Die Gemein-
ſchafft eines Gottesdienſtes waͤre der feſteſte
Leim/ der die Gemuͤther eines Reichs zuſam-
men kleibete/ und eine unzerbrechliche Kette/
welche die Kraͤfften einer Herrſchafft beyſam-
men hielte; hingegen zerſpaltete der Unterſcheid
nicht nur die Liebe der Landes-Leute/ ſondern
des Vaterlandes und der Eltern. Sintemahl
ein gewiſſenhaffter mit dem keine vertraͤuliche
Freundſchafft machen kan/ den er fuͤr einen
Feind und Veraͤchter ſeines Gottes haͤlt. Weß-
wegen einige Staatskluge die Duldung vieler-
ley Gottesdienſtes fuͤr einen Fallſtrick derſelben
Fuͤrſten gehalten haͤtten/ welche ihrem freyen
Volcke durch erregte Trennung den Kapzaum
ſtrenger Dienſtbarkeit anlegen wollen. Alleine
es uͤberwog alle dieſe Erinnerungen die wiedri-
ge Meynung: daß der Glaube freyer ſeyn ſolte/
als der Wille. Denn ein gezwungener Wille
waͤre wol ein Wille; aber eine gezwungene An-
dacht nichts weniger als ein Gottesdienſt; ja ei-
ne Gott-verhaſte Heucheley; weil er ſo wenig als
Menſchen von gezwungenen Leuten verehret
wiſſen wil. Auf welche Heuchleꝛ und halb-Men-
ſchen ſonder Zweifel der Juͤdiſche Geſetzgeber

Moſes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1039" n="975[977]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
weder weil die&#x017F;elben/ welche aus dem Aberglau-<lb/>
ben ihren Vortheil zu &#x017F;uchen vermeinen/ der<lb/>
Neuerung eines Glaubens alle Handreichung<lb/>
thun; oder/ weil die Gemu&#x0364;ther ja &#x017F;o gar die<lb/>
eu&#x017F;&#x017F;erlichen Sinnen eines Volckes durch nichts<lb/>
leichter als durch einen &#x017F;cheinbaren Gottes-<lb/>
dien&#x017F;t verru&#x0364;ckt werden. Daher die verbla&#x0364;nde-<lb/>
ten Hi&#x017F;panie<supplied>r</supplied> denen Pho&#x0364;niciern mit &#x017F;ehenden<lb/>
Augen zugela&#x017F;&#x017F;en: daß &#x017F;ie unter dem Schein<lb/>
eines dem Hercules gewiedmeten Tempels eine<lb/>
Fe&#x017F;tung gebauet; Die Trojaner aber das Ge-<lb/>
ra&#x0364;u&#x017F;che der geharni&#x017F;chten Grichen/ welche in<lb/>
das der Pallas gewiedmete ho&#x0364;ltzerne Pferd ge-<lb/>
&#x017F;teckt waren/ nicht geho&#x0364;ret haben/ als &#x017F;ie es u&#x0364;ber<lb/>
den Grauß ihrer eingebrochenen Mauern<lb/>
mu&#x0364;h&#x017F;am in die Stadt &#x017F;chlepten. Mit einem<lb/>
Worte: der &#x017F;cheinheilige Fu&#x0364;rwand des Gottes-<lb/>
dien&#x017F;tes i&#x017F;t die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Schmincke der Stirne/<lb/>
und das &#x017F;cha&#x0364;dlich&#x017F;te Gifft der Seele. Jhren<lb/>
er&#x017F;ten Grund legten die Druyden &#x017F;o wol in<lb/>
Gallien als Deut&#x017F;chland/ allwo man doch fu&#x0364;r<lb/>
heiliger hielt von Gott etwas gewi&#x017F;&#x017F;es zu glau-<lb/>
ben/ als de&#x017F;&#x017F;en Grund zu ergru&#x0364;beln/ auf die<lb/>
Freyheit die&#x017F;er Vo&#x0364;lcker; welche nicht nur in<lb/>
zeitlichen/ &#x017F;ondern auch in Gewi&#x017F;&#x017F;ens-Sachen<lb/>
keinem weltlichen Zwange unterworffen &#x017F;eyn<lb/>
ko&#x0364;nte. Zumahl auch kein Erb-Fu&#x0364;r&#x017F;t u&#x0364;ber &#x017F;eine<lb/>
Unterthanen/ kein Herr u&#x0364;ber &#x017F;einen Knecht &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;er GOtt allein zu&#x017F;tehenden Herr&#x017F;chafft an-<lb/>
zuma&#x017F;&#x017F;en berechtigt wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Hierwieder warffen zwar einige weit&#x017F;chende<lb/>
ein: kein Feldma&#x0364;&#x017F;&#x017F;er ließe ihm die Gru&#x0364;nde &#x017F;ei-<lb/>
ner Kun&#x017F;t zweiffelhafft machen; mit was fu&#x0364;r<lb/>
Fug do&#x0364;rffte &#x017F;ich denn ein Unterthan erku&#x0364;hnen<lb/>
&#x017F;eines Ko&#x0364;nigs Gottesdien&#x017F;t zu verwerffen? Die<lb/>
Natur pflantzte gleich&#x017F;am die Liebe des va&#x0364;terli-<lb/>
chen Gottesdien&#x017F;tes ein; de&#x017F;&#x017F;elbten Unter&#x017F;chied<lb/>
verur&#x017F;achte Zwytracht des Volckes/ und Auf-<lb/>
&#x017F;tand gegen die Obrigkeit. Ja ein vom Aber-<lb/>
glauben eingenommenes Gemu&#x0364;the ko&#x0364;nte der<lb/>
Gottesfurcht nicht hold &#x017F;eyn. Daher alle kluge<lb/>
Vo&#x0364;lcker/ in&#x017F;onderheit die Ro&#x0364;mer die Vereh-<lb/><cb/>
rung fremder Go&#x0364;tter/ oder auch nur der Alten<lb/>
auf eine neue Art &#x017F;orgfa&#x0364;ltig&#x017F;t verhu&#x0364;tet; nach der<lb/>
Niederlage bey Canna die abergla&#x0364;ubi&#x017F;chen<lb/>
Frauen aus den Tempeln getrieben; alle Bu&#x0364;-<lb/>
cher des Egypti&#x017F;chen und Ju&#x0364;di&#x017F;chen Gottes-<lb/>
dien&#x017F;tes verbrennet ha&#x0364;tten; wolwi&#x017F;&#x017F;ende: daß<lb/>
der Aberglaube niemahls ruhig &#x017F;eyn ko&#x0364;nne;<lb/>
und die Vera&#x0364;nderung des Gottesdien&#x017F;tes ins<lb/>
gemein Aufruhr/ und die Verkehrung der<lb/>
Herr&#x017F;chafft nach &#x017F;ich ziehe; &#x017F;elbter aber &#x017F;chwerer<lb/>
als tieff-eingewurtzelte Hecken mit Schwerdt<lb/>
und Feuer auszurotten wa&#x0364;re/ ja &#x017F;eine Hartne-<lb/>
ckigkeit von dem ver&#x017F;pru&#x0364;tzten Blute nicht an-<lb/>
ders als der Antei&#x017F;che Rie&#x017F;e von Beru&#x0364;hrung der<lb/>
Erde neue Kra&#x0364;fften beka&#x0364;me. Es wa&#x0364;re GOtt<lb/>
ein einiges unvera&#x0364;nderliches We&#x017F;en. Daher<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e aus zweyen wiedrigen Verehrungen<lb/>
ihm eine als irrig mißfallen. Die Gemein-<lb/>
&#x017F;chafft eines Gottesdien&#x017F;tes wa&#x0364;re der fe&#x017F;te&#x017F;te<lb/>
Leim/ der die Gemu&#x0364;ther eines Reichs zu&#x017F;am-<lb/>
men kleibete/ und eine unzerbrechliche Kette/<lb/>
welche die Kra&#x0364;fften einer Herr&#x017F;chafft bey&#x017F;am-<lb/>
men hielte; hingegen zer&#x017F;paltete der Unter&#x017F;cheid<lb/>
nicht nur die Liebe der Landes-Leute/ &#x017F;ondern<lb/>
des Vaterlandes und der Eltern. Sintemahl<lb/>
ein gewi&#x017F;&#x017F;enhaffter mit dem keine vertra&#x0364;uliche<lb/>
Freund&#x017F;chafft machen kan/ den er fu&#x0364;r einen<lb/>
Feind und Vera&#x0364;chter &#x017F;eines Gottes ha&#x0364;lt. Weß-<lb/>
wegen einige Staatskluge die Duldung vieler-<lb/>
ley Gottesdien&#x017F;tes fu&#x0364;r einen Fall&#x017F;trick der&#x017F;elben<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten gehalten ha&#x0364;tten/ welche ihrem freyen<lb/>
Volcke durch erregte Trennung den Kapzaum<lb/>
&#x017F;trenger Dien&#x017F;tbarkeit anlegen wollen. Alleine<lb/>
es u&#x0364;berwog alle die&#x017F;e Erinnerungen die wiedri-<lb/>
ge Meynung: daß der Glaube freyer &#x017F;eyn &#x017F;olte/<lb/>
als der Wille. Denn ein gezwungener Wille<lb/>
wa&#x0364;re wol ein Wille; aber eine gezwungene An-<lb/>
dacht nichts weniger als ein Gottesdien&#x017F;t; ja ei-<lb/>
ne Gott-verha&#x017F;te Heucheley; weil er &#x017F;o wenig als<lb/>
Men&#x017F;chen von gezwungenen Leuten verehret<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en wil. Auf welche Heuchle&#xA75B; und halb-Men-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;onder Zweifel der Ju&#x0364;di&#x017F;che Ge&#x017F;etzgeber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Mo&#x017F;es</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[975[977]/1039] Arminius und Thußnelda. weder weil dieſelben/ welche aus dem Aberglau- ben ihren Vortheil zu ſuchen vermeinen/ der Neuerung eines Glaubens alle Handreichung thun; oder/ weil die Gemuͤther ja ſo gar die euſſerlichen Sinnen eines Volckes durch nichts leichter als durch einen ſcheinbaren Gottes- dienſt verruͤckt werden. Daher die verblaͤnde- ten Hiſpanier denen Phoͤniciern mit ſehenden Augen zugelaſſen: daß ſie unter dem Schein eines dem Hercules gewiedmeten Tempels eine Feſtung gebauet; Die Trojaner aber das Ge- raͤuſche der geharniſchten Grichen/ welche in das der Pallas gewiedmete hoͤltzerne Pferd ge- ſteckt waren/ nicht gehoͤret haben/ als ſie es uͤber den Grauß ihrer eingebrochenen Mauern muͤhſam in die Stadt ſchlepten. Mit einem Worte: der ſcheinheilige Fuͤrwand des Gottes- dienſtes iſt die ſchoͤnſte Schmincke der Stirne/ und das ſchaͤdlichſte Gifft der Seele. Jhren erſten Grund legten die Druyden ſo wol in Gallien als Deutſchland/ allwo man doch fuͤr heiliger hielt von Gott etwas gewiſſes zu glau- ben/ als deſſen Grund zu ergruͤbeln/ auf die Freyheit dieſer Voͤlcker; welche nicht nur in zeitlichen/ ſondern auch in Gewiſſens-Sachen keinem weltlichen Zwange unterworffen ſeyn koͤnte. Zumahl auch kein Erb-Fuͤrſt uͤber ſeine Unterthanen/ kein Herr uͤber ſeinen Knecht ſich dieſer GOtt allein zuſtehenden Herrſchafft an- zumaſſen berechtigt waͤre. Hierwieder warffen zwar einige weitſchende ein: kein Feldmaͤſſer ließe ihm die Gruͤnde ſei- ner Kunſt zweiffelhafft machen; mit was fuͤr Fug doͤrffte ſich denn ein Unterthan erkuͤhnen ſeines Koͤnigs Gottesdienſt zu verwerffen? Die Natur pflantzte gleichſam die Liebe des vaͤterli- chen Gottesdienſtes ein; deſſelbten Unterſchied verurſachte Zwytracht des Volckes/ und Auf- ſtand gegen die Obrigkeit. Ja ein vom Aber- glauben eingenommenes Gemuͤthe koͤnte der Gottesfurcht nicht hold ſeyn. Daher alle kluge Voͤlcker/ inſonderheit die Roͤmer die Vereh- rung fremder Goͤtter/ oder auch nur der Alten auf eine neue Art ſorgfaͤltigſt verhuͤtet; nach der Niederlage bey Canna die aberglaͤubiſchen Frauen aus den Tempeln getrieben; alle Buͤ- cher des Egyptiſchen und Juͤdiſchen Gottes- dienſtes verbrennet haͤtten; wolwiſſende: daß der Aberglaube niemahls ruhig ſeyn koͤnne; und die Veraͤnderung des Gottesdienſtes ins gemein Aufruhr/ und die Verkehrung der Herrſchafft nach ſich ziehe; ſelbter aber ſchwerer als tieff-eingewurtzelte Hecken mit Schwerdt und Feuer auszurotten waͤre/ ja ſeine Hartne- ckigkeit von dem verſpruͤtzten Blute nicht an- ders als der Anteiſche Rieſe von Beruͤhrung der Erde neue Kraͤfften bekaͤme. Es waͤre GOtt ein einiges unveraͤnderliches Weſen. Daher muͤſſe aus zweyen wiedrigen Verehrungen ihm eine als irrig mißfallen. Die Gemein- ſchafft eines Gottesdienſtes waͤre der feſteſte Leim/ der die Gemuͤther eines Reichs zuſam- men kleibete/ und eine unzerbrechliche Kette/ welche die Kraͤfften einer Herrſchafft beyſam- men hielte; hingegen zerſpaltete der Unterſcheid nicht nur die Liebe der Landes-Leute/ ſondern des Vaterlandes und der Eltern. Sintemahl ein gewiſſenhaffter mit dem keine vertraͤuliche Freundſchafft machen kan/ den er fuͤr einen Feind und Veraͤchter ſeines Gottes haͤlt. Weß- wegen einige Staatskluge die Duldung vieler- ley Gottesdienſtes fuͤr einen Fallſtrick derſelben Fuͤrſten gehalten haͤtten/ welche ihrem freyen Volcke durch erregte Trennung den Kapzaum ſtrenger Dienſtbarkeit anlegen wollen. Alleine es uͤberwog alle dieſe Erinnerungen die wiedri- ge Meynung: daß der Glaube freyer ſeyn ſolte/ als der Wille. Denn ein gezwungener Wille waͤre wol ein Wille; aber eine gezwungene An- dacht nichts weniger als ein Gottesdienſt; ja ei- ne Gott-verhaſte Heucheley; weil er ſo wenig als Menſchen von gezwungenen Leuten verehret wiſſen wil. Auf welche Heuchleꝛ und halb-Men- ſchen ſonder Zweifel der Juͤdiſche Geſetzgeber Moſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1039
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 975[977]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1039>, abgerufen am 23.11.2024.