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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Volck/ sondern die Könige selbst müssen ihnen
zu Gebote leben. Sintemahl diese mehr ver-
wechselt/ und bey sich ereignendem Mißwachse
oder Ungewitter/ gleich als wenn er daran
Schuld trüge/ von den Priestern abgesetzt wer-
den; jene aber bleiben hingegen unverändert.
Und ungeachtet die Druyden auf dem Raasen/
Fürsten auf Gold und Helffenbein sitzen/ jene
in holen Bäumen/ diese zwischen Seyde und
Perlen wohnen/ dennoch ihre Knechte seyn.
Sie sind im Kriege von so grossem Ansehen: daß
wenn sie bey ihren Völckern zwischen zwey
streitende Heere lauffen; selbte nichts minder
als bezauberte Thiere oder unbewegliche Mar-
mel-Bilder vom Gefechte nachlassen. Für ih-
ren Hölen stecken sie einen grünen Lorber-
Zweig empor/ in welchen auch die zum Tode
verdammten Sicherheit finden. Ja wenn der-
gleichen Missethäter ihnen ungefähr begegnen;
sind sie aller Straffe frey/ und dürffen sie nicht
allererst wie die Vestalischen Jungfrauen zu
Rom beschweren: daß sie nicht vorsätzlich dem
Verdammten entgegen kommen. Sie selbst
sind weder den Zufällen des Glücks/ noch der
Bothmäßigkeit einiges Richters unterworffen;
außer ihres einigen Oberhauptes in Britanien;
welcher nicht/ wie sonst weltliche Fürsten/ nur
in den Gräntzen selbigen Reiches/ sondern auch
über alle Druyden/ die sich in die gantze Welt
vertheilet haben/ zu gebieten hat. Sintemahl
der Versamlung nicht unverborgen ist: daß
selbte nicht allein in Gallien kommen/ und in
denen Carnutischen Eich-Wäldern ihr gröstes
Heiligthum gestifftet haben/ sondern auch in Hi-
spanien/ Asien/ Africa/ und nach Rom gedrun-
gen sind; allwo Kayser August für etlichen 20.
Jahren den Römischen Bürgern der Druyden
Gottesdienst/ weil sie in selbtem die Gefange-
nen zu opffern eingeführt/ bey Lebens-Straffe
verboten hat. Wormit auch das Ansehn ihres
Oberhaupts so viel mehr unverrückt bliebe/ rei-
senalle Druyden/ theils daselbst die Geheim-
[Spaltenumbruch] nüße desto besser zu begreiffen/ theils durch seine
demüthigste Verehrung eine besondere Heim-
ligkeit zu erlangen in die Stadt Cantium; all-
wo die andern Druyden ihm den neunden
Theil aller ihrer Einkünffte senden; und zu ih-
rer ersten Einsegnung einen eichenen Stab
um so viel Goldes erkauffen müssen. Das O-
berhaupt wird nicht von Königen eingesetzt/ son-
dern von den obersten Druyden erwehlet. Wie-
wohl die Wahl offt auf zwey und mehr sällt; al-
so: daß einer zu Cantium/ der ander in dem Car-
nutischen Walde/ der dritte zu Londen seinen
Sitz erkieset; die Druyden aber/ welche doch
sonst nicht mit in Krieg ziehen/ hierüber selbst
gegen einander die Waffen ergreiffen. Wo
diese Weisen einmahl ans Bret kommen/ darff
außer ihnen niemand die Weißheit lehren; und
also halten sich allezeit eine unglaubliche Men-
ge der geschicksten Jünglinge in ihren Hölen
auf; welche bey ihnen gantzer zwantzig Jahr in
der Lehre bleiben müssen. Wiewol sie auch kei-
nen aus dem Pöfel/ sondern alleine den für-
nehmsten Adel ihrer Weißheit würdig sehätzen.
Und es kan in Britannien und Gallien so we-
nig als in Persien und Egypten einer zur Kro-
ne kommen/ der nicht vorher ein Lehrling dieser
Weisen gewest ist. Jhre Schüler müssen ei-
nen theuren Eyd ablegen: daß sie die Geheim-
nüsse keinem Weltlichen entdecken/ der Druy-
den Aufnehmen mehr als ihr eigenes befördern/
ihre Lehrmeister mehr als ihre Eltern ehren/
mit ihnen Leben und Vermögen theilen wol-
len. Sie sind insonderheit auch in der Grichi-
schen Sprache erfahren/ und brauchen ihre
Buchstaben in zu schreiben zuläßlichen Sachen
auch in der deutschen Mutter-Sprache; unge-
achtet die Deutschen noch ehe/ als selbte Cad-
mus in Grichenland/ und Evander in Jtalien
gebracht/ die von ihrem Thuisco erfundene eige-
ne Schrifft gehabt; welche bey den Gothen an
vielen Stein-Felsen und Leichsteinen von etli-
chen tausend Jahren her zu sehen ist. Jhrer

Heilig-
G g g g g g 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Volck/ ſondern die Koͤnige ſelbſt muͤſſen ihnen
zu Gebote leben. Sintemahl dieſe mehr ver-
wechſelt/ und bey ſich ereignendem Mißwachſe
oder Ungewitter/ gleich als wenn er daran
Schuld truͤge/ von den Prieſtern abgeſetzt wer-
den; jene aber bleiben hingegen unveraͤndert.
Und ungeachtet die Druyden auf dem Raaſen/
Fuͤrſten auf Gold und Helffenbein ſitzen/ jene
in holen Baͤumen/ dieſe zwiſchen Seyde und
Perlen wohnen/ dennoch ihre Knechte ſeyn.
Sie ſind im Kriege von ſo groſſem Anſehen: daß
wenn ſie bey ihren Voͤlckern zwiſchen zwey
ſtreitende Heere lauffen; ſelbte nichts minder
als bezauberte Thiere oder unbewegliche Mar-
mel-Bilder vom Gefechte nachlaſſen. Fuͤr ih-
ren Hoͤlen ſtecken ſie einen gruͤnen Lorber-
Zweig empor/ in welchen auch die zum Tode
verdammten Sicherheit finden. Ja wenn der-
gleichen Miſſethaͤter ihnen ungefaͤhr begegnen;
ſind ſie aller Straffe frey/ und duͤrffen ſie nicht
allererſt wie die Veſtaliſchen Jungfrauen zu
Rom beſchweren: daß ſie nicht vorſaͤtzlich dem
Verdammten entgegen kommen. Sie ſelbſt
ſind weder den Zufaͤllen des Gluͤcks/ noch der
Bothmaͤßigkeit einiges Richters unterworffen;
außer ihres einigen Oberhauptes in Britanien;
welcher nicht/ wie ſonſt weltliche Fuͤrſten/ nur
in den Graͤntzen ſelbigen Reiches/ ſondern auch
uͤber alle Druyden/ die ſich in die gantze Welt
vertheilet haben/ zu gebieten hat. Sintemahl
der Verſamlung nicht unverborgen iſt: daß
ſelbte nicht allein in Gallien kommen/ und in
denen Carnutiſchen Eich-Waͤldern ihr groͤſtes
Heiligthum geſtifftet haben/ ſondern auch in Hi-
ſpanien/ Aſien/ Africa/ und nach Rom gedrun-
gen ſind; allwo Kayſer Auguſt fuͤr etlichen 20.
Jahren den Roͤmiſchen Buͤrgern der Druyden
Gottesdienſt/ weil ſie in ſelbtem die Gefange-
nen zu opffern eingefuͤhrt/ bey Lebens-Straffe
verboten hat. Wormit auch das Anſehn ihres
Oberhaupts ſo viel mehr unverruͤckt bliebe/ rei-
ſenalle Druyden/ theils daſelbſt die Geheim-
[Spaltenumbruch] nuͤße deſto beſſer zu begreiffen/ theils durch ſeine
demuͤthigſte Verehrung eine beſondere Heim-
ligkeit zu erlangen in die Stadt Cantium; all-
wo die andern Druyden ihm den neunden
Theil aller ihrer Einkuͤnffte ſenden; und zu ih-
rer erſten Einſegnung einen eichenen Stab
um ſo viel Goldes erkauffen muͤſſen. Das O-
berhaupt wird nicht von Koͤnigen eingeſetzt/ ſon-
dern von den oberſten Druyden erwehlet. Wie-
wohl die Wahl offt auf zwey und mehr ſaͤllt; al-
ſo: daß einer zu Cantium/ der ander in dem Car-
nutiſchen Walde/ der dritte zu Londen ſeinen
Sitz erkieſet; die Druyden aber/ welche doch
ſonſt nicht mit in Krieg ziehen/ hieruͤber ſelbſt
gegen einander die Waffen ergreiffen. Wo
dieſe Weiſen einmahl ans Bret kommen/ darff
außer ihnen niemand die Weißheit lehren; und
alſo halten ſich allezeit eine unglaubliche Men-
ge der geſchickſten Juͤnglinge in ihren Hoͤlen
auf; welche bey ihnen gantzer zwantzig Jahr in
der Lehre bleiben muͤſſen. Wiewol ſie auch kei-
nen aus dem Poͤfel/ ſondern alleine den fuͤr-
nehmſten Adel ihrer Weißheit wuͤrdig ſehaͤtzen.
Und es kan in Britannien und Gallien ſo we-
nig als in Perſien und Egypten einer zur Kro-
ne kommen/ der nicht vorher ein Lehrling dieſer
Weiſen geweſt iſt. Jhre Schuͤler muͤſſen ei-
nen theuren Eyd ablegen: daß ſie die Geheim-
nuͤſſe keinem Weltlichen entdecken/ der Druy-
den Aufnehmen mehr als ihr eigenes befoͤrdern/
ihre Lehrmeiſter mehr als ihre Eltern ehren/
mit ihnen Leben und Vermoͤgen theilen wol-
len. Sie ſind inſonderheit auch in der Grichi-
ſchen Sprache erfahren/ und brauchen ihre
Buchſtaben in zu ſchreiben zulaͤßlichen Sachen
auch in der deutſchen Mutter-Sprache; unge-
achtet die Deutſchen noch ehe/ als ſelbte Cad-
mus in Grichenland/ und Evander in Jtalien
gebracht/ die von ihrem Thuiſco erfundene eige-
ne Schrifft gehabt; welche bey den Gothen an
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chen tauſend Jahren her zu ſehen iſt. Jhrer

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 971[973]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1035>, abgerufen am 23.11.2024.