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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] ben sich dieser Ehre entschütten wolte; wormit
er nach Art des schönen Frauen-Zimmers/ wel-
ches durch angekleibte Mahle ihre schneeweisse
Haut zeigen wil/ durch eines andern Mängel
nur seine Vollkommenheit desto herrlicher ma-
chen möchte. Nach dem aber Hertzog Rheme-
talces und Zeno ihn seines Versprechens erin-
nerten/ Adgandester fürschützte: daß seine Erzeh-
lung für den Cheruskischen Stamm/ unter des-
sen Schatten er so viel Gutes genossen hätte/
vielleicht in einem und dem andern verdächtig
fallen dürffte; und die Gräfin von der Lippe
des Feld-Herrn und der Heldin Thusnelde
Liebes-Geschichte beyzusetzen einheischig ward;
schickte sich Malovend darein/ und/ nach dem
sie sich alle in einen Kreyß nieder gelassen/ fieng
er folgende Erzehlung an:

Der Gottesdienst ist bey den alten Deut-
schen von denen Fürsten verrichtet worden/ und
im Tuisco mit der Königlichen auch die Prie-
sterliche Würde vermählet gewest. Nach der
Zeit aber hat entweder die unachtsame Sicher-
heit der Herrscher/ oder die Ubermaß der Ge-
schäffte den Priesterlichen Stab/ den so festen
Ancker der Königlichen Hoheit in andere Hän-
de kommen lassen; also: daß der Feld-Herr A-
lemann sich zwar aber vergebens bemühte/ mit
der andern Hand den hohen Priester-Stab
wieder zu umfassen. Mit dieser geistlichen Wür-
de bekamen anfangs die Priester/ welche sie
Barden hiessen/ und von allem Volcke für sehr
heilig geachtet wurden/ zwar die Freyheit von
allen bürgerlichen Beschwerden in Gaben und
Aemptern/ den Vorsitz über den Adel/ die Un-
versehrligkeit auch unter den Feinden/ und die
Gewalt strittige Rechts-Händel zu entscheiden.
Ja die Fürsten brauchten sie zu Reichs-Räthen/
zu Gesandten; liessen durch sie Bündnüße be-
handeln/ Aufrührer besänfftigen/ ihre Kinder
in der natürlichen und Sitten-Weißheit un-
terrichten; über die Laster Straffen aussetzen;
Zwistigkeiten der benachbarten Fürsten unter-
[Spaltenumbruch] nehmen/ und das Kriegs-Volck in Schlachten
zur Tapfferkeit anfrischen. Wiewol nun die-
se Macht allbereit der Weltlichen grossen Ab-
bruch that; so blieb sie doch noch in den Schran-
cken der Erträgligkeit; und/ weil sie sich mit ed-
len Jungfrauen verehlichen mochten/ verknipf-
ten sie ihnen hierdurch so wol das Geblüte als
die Gewogenheit des Adels; durch die Andacht
aber den Pöfel. Denn der Gottesdienst ist
nicht nur der sicherste Kapzaum/ wormit Für-
sten ihre Unterthanen in einem Faden leiten;
sondern auch die Priester das Volck zu dienst-
baren Knechten machen können.

Es war aber in Britannien eine Art gewis-
ser Weisen/ die sich Druyden nennen/ und aus
Aßyrien ihren Uhrsprung haben/ aus Britan-
nien aber/ oder Calidonien/ wo der König Fyn-
nan selbte zum ersten unterhalten haben soll/ in
das benachbarte Gallien kommen sind. Jhre
Tracht ist zwar einfältig und arm/ ihre Gebähr-
den demüthig/ nachdem sie baarfüßig auf fünff-
eckichten höltzernen Schuhen/ und mit blossem
Haupte/ in einem härenen weißen Rocke/ eine
Tasche an der Seite/ einen gekrümten Stab in
der Hand/ und einen getheilten Bart biß unter
den Nabel/ in welchem ein sonderlich Pfand ih-
rer Verschwiegenheit versteckt seyn soll/ anher
ziehen/ allezeit die Stirne ernsthafft runtzeln/
die Augen nieder zur Erde schlagen/ und sich
meist in Eich-Wäldern aufhalten; welches
Holtz die Griechen nur alleine zu den Bildern
der Götter/ die Herulen und Gothen zu Auf-
henckung ihrer Leichen/ die Druyden aber allei-
ne zu Verbrennung der Opffer/ und die Zwei-
ge zum Spreng-Wasser und Zierath der Altä-
re brauchen/ weil sie sich den Menschen durch
das Anschauen eines einigen hohen oder alten
Baumes/ ja seines blossen Schattens überzeugt
zu seyn achten: daß ein GOtt sey/ und ihr Geist
in der Einsamkeit am leichtesten zu GOtt ent-
zückt würde. Alleine ihre Gewalt übersteiget
dort die Königliche. Denn nicht nur alles

Volck/

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] ben ſich dieſer Ehre entſchuͤtten wolte; wormit
er nach Art des ſchoͤnen Frauen-Zimmers/ wel-
ches durch angekleibte Mahle ihre ſchneeweiſſe
Haut zeigen wil/ durch eines andern Maͤngel
nur ſeine Vollkommenheit deſto herrlicher ma-
chen moͤchte. Nach dem aber Hertzog Rheme-
talces und Zeno ihn ſeines Verſprechens erin-
nerten/ Adgandeſter fuͤrſchuͤtzte: daß ſeine Erzeh-
lung fuͤr den Cheruskiſchen Stamm/ unter deſ-
ſen Schatten er ſo viel Gutes genoſſen haͤtte/
vielleicht in einem und dem andern verdaͤchtig
fallen duͤrffte; und die Graͤfin von der Lippe
des Feld-Herrn und der Heldin Thusnelde
Liebes-Geſchichte beyzuſetzen einheiſchig ward;
ſchickte ſich Malovend darein/ und/ nach dem
ſie ſich alle in einen Kreyß nieder gelaſſen/ fieng
er folgende Erzehlung an:

Der Gottesdienſt iſt bey den alten Deut-
ſchen von denen Fuͤrſten verrichtet worden/ und
im Tuiſco mit der Koͤniglichen auch die Prie-
ſterliche Wuͤrde vermaͤhlet geweſt. Nach der
Zeit aber hat entweder die unachtſame Sicher-
heit der Herrſcher/ oder die Ubermaß der Ge-
ſchaͤffte den Prieſterlichen Stab/ den ſo feſten
Ancker der Koͤniglichen Hoheit in andere Haͤn-
de kommen laſſen; alſo: daß der Feld-Herr A-
lemann ſich zwar aber vergebens bemuͤhte/ mit
der andern Hand den hohen Prieſter-Stab
wieder zu umfaſſen. Mit dieſer geiſtlichen Wuͤꝛ-
de bekamen anfangs die Prieſter/ welche ſie
Barden hieſſen/ und von allem Volcke fuͤr ſehr
heilig geachtet wurden/ zwar die Freyheit von
allen buͤrgerlichen Beſchwerden in Gaben und
Aemptern/ den Vorſitz uͤber den Adel/ die Un-
verſehrligkeit auch unter den Feinden/ und die
Gewalt ſtrittige Rechts-Haͤndel zu entſcheiden.
Ja die Fuͤrſten brauchten ſie zu Reichs-Raͤthen/
zu Geſandten; lieſſen durch ſie Buͤndnuͤße be-
handeln/ Aufruͤhrer beſaͤnfftigen/ ihre Kinder
in der natuͤrlichen und Sitten-Weißheit un-
terrichten; uͤber die Laſter Straffen ausſetzen;
Zwiſtigkeiten der benachbarten Fuͤrſten unter-
[Spaltenumbruch] nehmen/ und das Kriegs-Volck in Schlachten
zur Tapfferkeit anfriſchen. Wiewol nun die-
ſe Macht allbereit der Weltlichen groſſen Ab-
bruch that; ſo blieb ſie doch noch in den Schran-
cken der Ertraͤgligkeit; und/ weil ſie ſich mit ed-
len Jungfrauen verehlichen mochten/ verknipf-
ten ſie ihnen hierdurch ſo wol das Gebluͤte als
die Gewogenheit des Adels; durch die Andacht
aber den Poͤfel. Denn der Gottesdienſt iſt
nicht nur der ſicherſte Kapzaum/ wormit Fuͤr-
ſten ihre Unterthanen in einem Faden leiten;
ſondern auch die Prieſter das Volck zu dienſt-
baren Knechten machen koͤnnen.

Es war aber in Britannien eine Art gewiſ-
ſer Weiſen/ die ſich Druyden nennen/ und aus
Aßyrien ihren Uhrſprung haben/ aus Britan-
nien aber/ oder Calidonien/ wo der Koͤnig Fyn-
nan ſelbte zum erſten unterhalten haben ſoll/ in
das benachbarte Gallien kommen ſind. Jhre
Tracht iſt zwar einfaͤltig und arm/ ihre Gebaͤhr-
den demuͤthig/ nachdem ſie baarfuͤßig auf fuͤnff-
eckichten hoͤltzernen Schuhen/ und mit bloſſem
Haupte/ in einem haͤrenen weißen Rocke/ eine
Taſche an der Seite/ einen gekruͤmten Stab in
der Hand/ und einen getheilten Bart biß unter
den Nabel/ in welchem ein ſonderlich Pfand ih-
rer Verſchwiegenheit verſteckt ſeyn ſoll/ anher
ziehen/ allezeit die Stirne ernſthafft runtzeln/
die Augen nieder zur Erde ſchlagen/ und ſich
meiſt in Eich-Waͤldern aufhalten; welches
Holtz die Griechen nur alleine zu den Bildern
der Goͤtter/ die Herulen und Gothen zu Auf-
henckung ihrer Leichen/ die Druyden aber allei-
ne zu Verbrennung der Opffer/ und die Zwei-
ge zum Spreng-Waſſer und Zierath der Altaͤ-
re brauchen/ weil ſie ſich den Menſchen durch
das Anſchauen eines einigen hohen oder alten
Baumes/ ja ſeines bloſſen Schattens uͤberzeugt
zu ſeyn achten: daß ein GOtt ſey/ und ihr Geiſt
in der Einſamkeit am leichteſten zu GOtt ent-
zuͤckt wuͤrde. Alleine ihre Gewalt uͤberſteiget
dort die Koͤnigliche. Denn nicht nur alles

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[970[972]/1034] Siebendes Buch ben ſich dieſer Ehre entſchuͤtten wolte; wormit er nach Art des ſchoͤnen Frauen-Zimmers/ wel- ches durch angekleibte Mahle ihre ſchneeweiſſe Haut zeigen wil/ durch eines andern Maͤngel nur ſeine Vollkommenheit deſto herrlicher ma- chen moͤchte. Nach dem aber Hertzog Rheme- talces und Zeno ihn ſeines Verſprechens erin- nerten/ Adgandeſter fuͤrſchuͤtzte: daß ſeine Erzeh- lung fuͤr den Cheruskiſchen Stamm/ unter deſ- ſen Schatten er ſo viel Gutes genoſſen haͤtte/ vielleicht in einem und dem andern verdaͤchtig fallen duͤrffte; und die Graͤfin von der Lippe des Feld-Herrn und der Heldin Thusnelde Liebes-Geſchichte beyzuſetzen einheiſchig ward; ſchickte ſich Malovend darein/ und/ nach dem ſie ſich alle in einen Kreyß nieder gelaſſen/ fieng er folgende Erzehlung an: Der Gottesdienſt iſt bey den alten Deut- ſchen von denen Fuͤrſten verrichtet worden/ und im Tuiſco mit der Koͤniglichen auch die Prie- ſterliche Wuͤrde vermaͤhlet geweſt. Nach der Zeit aber hat entweder die unachtſame Sicher- heit der Herrſcher/ oder die Ubermaß der Ge- ſchaͤffte den Prieſterlichen Stab/ den ſo feſten Ancker der Koͤniglichen Hoheit in andere Haͤn- de kommen laſſen; alſo: daß der Feld-Herr A- lemann ſich zwar aber vergebens bemuͤhte/ mit der andern Hand den hohen Prieſter-Stab wieder zu umfaſſen. Mit dieſer geiſtlichen Wuͤꝛ- de bekamen anfangs die Prieſter/ welche ſie Barden hieſſen/ und von allem Volcke fuͤr ſehr heilig geachtet wurden/ zwar die Freyheit von allen buͤrgerlichen Beſchwerden in Gaben und Aemptern/ den Vorſitz uͤber den Adel/ die Un- verſehrligkeit auch unter den Feinden/ und die Gewalt ſtrittige Rechts-Haͤndel zu entſcheiden. Ja die Fuͤrſten brauchten ſie zu Reichs-Raͤthen/ zu Geſandten; lieſſen durch ſie Buͤndnuͤße be- handeln/ Aufruͤhrer beſaͤnfftigen/ ihre Kinder in der natuͤrlichen und Sitten-Weißheit un- terrichten; uͤber die Laſter Straffen ausſetzen; Zwiſtigkeiten der benachbarten Fuͤrſten unter- nehmen/ und das Kriegs-Volck in Schlachten zur Tapfferkeit anfriſchen. Wiewol nun die- ſe Macht allbereit der Weltlichen groſſen Ab- bruch that; ſo blieb ſie doch noch in den Schran- cken der Ertraͤgligkeit; und/ weil ſie ſich mit ed- len Jungfrauen verehlichen mochten/ verknipf- ten ſie ihnen hierdurch ſo wol das Gebluͤte als die Gewogenheit des Adels; durch die Andacht aber den Poͤfel. Denn der Gottesdienſt iſt nicht nur der ſicherſte Kapzaum/ wormit Fuͤr- ſten ihre Unterthanen in einem Faden leiten; ſondern auch die Prieſter das Volck zu dienſt- baren Knechten machen koͤnnen. Es war aber in Britannien eine Art gewiſ- ſer Weiſen/ die ſich Druyden nennen/ und aus Aßyrien ihren Uhrſprung haben/ aus Britan- nien aber/ oder Calidonien/ wo der Koͤnig Fyn- nan ſelbte zum erſten unterhalten haben ſoll/ in das benachbarte Gallien kommen ſind. Jhre Tracht iſt zwar einfaͤltig und arm/ ihre Gebaͤhr- den demuͤthig/ nachdem ſie baarfuͤßig auf fuͤnff- eckichten hoͤltzernen Schuhen/ und mit bloſſem Haupte/ in einem haͤrenen weißen Rocke/ eine Taſche an der Seite/ einen gekruͤmten Stab in der Hand/ und einen getheilten Bart biß unter den Nabel/ in welchem ein ſonderlich Pfand ih- rer Verſchwiegenheit verſteckt ſeyn ſoll/ anher ziehen/ allezeit die Stirne ernſthafft runtzeln/ die Augen nieder zur Erde ſchlagen/ und ſich meiſt in Eich-Waͤldern aufhalten; welches Holtz die Griechen nur alleine zu den Bildern der Goͤtter/ die Herulen und Gothen zu Auf- henckung ihrer Leichen/ die Druyden aber allei- ne zu Verbrennung der Opffer/ und die Zwei- ge zum Spreng-Waſſer und Zierath der Altaͤ- re brauchen/ weil ſie ſich den Menſchen durch das Anſchauen eines einigen hohen oder alten Baumes/ ja ſeines bloſſen Schattens uͤberzeugt zu ſeyn achten: daß ein GOtt ſey/ und ihr Geiſt in der Einſamkeit am leichteſten zu GOtt ent- zuͤckt wuͤrde. Alleine ihre Gewalt uͤberſteiget dort die Koͤnigliche. Denn nicht nur alles Volck/

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 970[972]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1034>, abgerufen am 23.11.2024.