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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] versprachen nichts an ihrem Fleiße erwinden zu
lassen; alleine müsten sie ins geheim aus der
Stadt gebracht/ ihnen auch dieses Bündniß von
allen Beschwornen unterschrieben und besiegelt
ausgehändigt werden; als ohne welches ihr
Fürtrag bey ihren Landes-Leuten keinen Glau-
ben verdienen würde. Die anfangs fürsichtige
Boßheit wird nach und nach vermessen und be-
kommet Maulwurffs-Augen: daß sie andere
Leute in ihrer Auffsicht so blind zu seyn schätzet/
als sie in Ausübung gewohnter Laster ist. Die-
semnach unterschrieben die Verschwornen ohne
alles Bedencken den vom Cethegus entworffe-
nen Schluß; und befehlichten den Vulturcius:
daß er folgende Nacht die Gesandten zum Cati-
lina begleiten solte; welchem Lentulus ein hierzu
dienendes Schreiben einhändigte. Die Ge-
sandten liessen diß alles den Cicero wissen; aber
auf die bestimmte Zeit der Reise die Milvische
Brücke an der Flaminischen Strasse mit Krie-
ges-Volcke besetzen; welches die deutschen Ge-
sandten und den Vulturcius gefangen in Rom
brachte. Worauf Cicero die Verschwornen nach
und nach ins Heiligthum der Eintracht brin-
gen ließ/ sie mit ihrer Hand und Siegel über-
zeugte/ hernach im Gefängniße behielt/ und al-
so Rom von so nahem Untergange errettete.
Sintemahl die Gefangenen/ wie sehr gleich Ci-
cero für sie bat/ auf des Cato Gutbe finden im
Kercker erwürget; ja viel mitverschworne
Söhne von ihren Vätern nach dem Beyspiele
des ihnen vorgehenden Aulus Fulvius eigen-
händig getödtet/ Catilina aber mit seinem Hee-
re biß auf den letzten Mann nach unglaublicher
Gegenwehr vom Antonius erschlagen; iedoch
ihm von seinen Uberwindern nachgerühmet
ward: daß/ wenn er fürs Vaterland gefallen;
Niemand für ihm eines schönern Todes gestor-
ben wäre. Wer solte aber Rom eine solche Un-
dan[ck]barkeit zutrauen: daß sie zwar die Gesand-
ten mit helffenbeinernen Stülen/ güldenen
Stäben/ und anderem Tocken-Wercke hätten
[Spaltenumbruch] beschencken; den so treuen Allobrogern aber
nicht ein Loth ihrer unerträglichen Zentner-
Last abnehmen sollen? Welches dieses hertzhaff-
te Volck zu einer halbverzweiffelten Entschlüs-
sung brachte: daß sie die Römischen Geldägeln
erwürgten/ in das Narbonische Gallien einfie-
len/ und für ihre Freyheit alles eusserste zu wa-
gen entschlossen. Aber Cajus Pomptinius/ der
doch mit den Gesandten selbst ihrer Treue hal-
ber Unterhandlung an der Milvischen Brücke
gehabt hatte; kam ihnen unter dem Scheine ei-
nes Vermitlers so geschwinde mit einem mäch-
tigen Heere auf den Hals; und die Heduer gien-
gen ihnen mit aller ihrer Macht in Rücken; al-
so: daß sie die Allobroger auf einmahl zu ver-
schlingen schienen. Aber Noth und Tugend
rennen nicht selten auch der Unmögligkeit einen
Rang ab. Dahero ihre tapffere Gegenwehr
den Pomptinius nöthigte/ an einem vortheil-
hafften Orte bey der Stadt Acunum sein Läger
zu befestigen. Wie nun aber Pomptinius ver-
nahm: daß der Hertzog Catugnat/ nach dem er
die Römer nicht aus dem Läger zu locken ver-
mocht hatte/ bey Bantiana über den Rhodan
mit dem halben Heere gesetzt hatte um ins Nar-
bonische Gallien einzubrechen/ blieb er mit we-
nigem Volcke zur Besatzung im Läger/ ließ das
gantze Heer unter dem Manlius Lentinus des
Nachts in möglichster Stille über den Rhodan
gehen/ und hinter einem Walde den Allobrogern
wegelagern. Diese aber kriegten noch selbige
Nacht durch einen Uberläuffer von allen Um-
ständen des Anschlags Nachricht. Daher zohe
Hertzog Catugnat über Hals über Kopff sein
gantzes Heer an sich/ rückte darmit recht gegen
das ihm gestellte Fallbret; stifftete auch etliche
leichte Reuter an: daß sie voran gegen die Rö-
mer streifften/ sich mit Fleiß fangen ließen/ und
einmüthig aussagten: daß Catugnat nicht selbst
bey denen kaum zehntausend Mann starcken
Allobrogern wäre; sondern sie des Vocions
Sohn ein noch unerfahrner kühner Jüngling

führte/

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] verſprachen nichts an ihrem Fleiße erwinden zu
laſſen; alleine muͤſten ſie ins geheim aus der
Stadt gebracht/ ihnen auch dieſes Buͤndniß von
allen Beſchwornen unterſchrieben und beſiegelt
ausgehaͤndigt werden; als ohne welches ihr
Fuͤrtꝛag bey ihren Landes-Leuten keinen Glau-
ben verdienen wuͤrde. Die anfangs fuͤrſichtige
Boßheit wird nach und nach vermeſſen und be-
kommet Maulwurffs-Augen: daß ſie andere
Leute in ihrer Auffſicht ſo blind zu ſeyn ſchaͤtzet/
als ſie in Ausuͤbung gewohnter Laſter iſt. Die-
ſemnach unterſchrieben die Verſchwornen ohne
alles Bedencken den vom Cethegus entworffe-
nen Schluß; und befehlichten den Vulturcius:
daß er folgende Nacht die Geſandten zum Cati-
lina begleiten ſolte; welchem Lentulus ein hierzu
dienendes Schreiben einhaͤndigte. Die Ge-
ſandten lieſſen diß alles den Cicero wiſſen; aber
auf die beſtimmte Zeit der Reiſe die Milviſche
Bruͤcke an der Flaminiſchen Straſſe mit Krie-
ges-Volcke beſetzen; welches die deutſchen Ge-
ſandten und den Vulturcius gefangen in Rom
brachte. Worauf Cicero die Verſchwornen nach
und nach ins Heiligthum der Eintracht brin-
gen ließ/ ſie mit ihrer Hand und Siegel uͤber-
zeugte/ hernach im Gefaͤngniße behielt/ und al-
ſo Rom von ſo nahem Untergange errettete.
Sintemahl die Gefangenen/ wie ſehr gleich Ci-
cero fuͤr ſie bat/ auf des Cato Gutbe finden im
Kercker erwuͤrget; ja viel mitverſchworne
Soͤhne von ihren Vaͤtern nach dem Beyſpiele
des ihnen vorgehenden Aulus Fulvius eigen-
haͤndig getoͤdtet/ Catilina aber mit ſeinem Hee-
re biß auf den letzten Mann nach unglaublicher
Gegenwehr vom Antonius erſchlagen; iedoch
ihm von ſeinen Uberwindern nachgeruͤhmet
ward: daß/ wenn er fuͤrs Vaterland gefallen;
Niemand fuͤr ihm eines ſchoͤnern Todes geſtor-
ben waͤre. Wer ſolte aber Rom eine ſolche Un-
dan[ck]barkeit zutrauen: daß ſie zwar die Geſand-
ten mit helffenbeinernen Stuͤlen/ guͤldenen
Staͤben/ und anderem Tocken-Wercke haͤtten
[Spaltenumbruch] beſchencken; den ſo treuen Allobrogern aber
nicht ein Loth ihrer unertraͤglichen Zentner-
Laſt abnehmen ſollen? Welches dieſes hertzhaff-
te Volck zu einer halbverzweiffelten Entſchluͤſ-
ſung brachte: daß ſie die Roͤmiſchen Geldaͤgeln
erwuͤrgten/ in das Narboniſche Gallien einfie-
len/ und fuͤr ihre Freyheit alles euſſerſte zu wa-
gen entſchloſſen. Aber Cajus Pomptinius/ der
doch mit den Geſandten ſelbſt ihrer Treue hal-
ber Unterhandlung an der Milviſchen Bruͤcke
gehabt hatte; kam ihnen unter dem Scheine ei-
nes Vermitlers ſo geſchwinde mit einem maͤch-
tigen Heere auf den Hals; und die Heduer gien-
gen ihnen mit aller ihrer Macht in Ruͤcken; al-
ſo: daß ſie die Allobroger auf einmahl zu ver-
ſchlingen ſchienen. Aber Noth und Tugend
rennen nicht ſelten auch der Unmoͤgligkeit einen
Rang ab. Dahero ihre tapffere Gegenwehr
den Pomptinius noͤthigte/ an einem vortheil-
hafften Orte bey der Stadt Acunum ſein Laͤger
zu befeſtigen. Wie nun aber Pomptinius ver-
nahm: daß der Hertzog Catugnat/ nach dem er
die Roͤmer nicht aus dem Laͤger zu locken ver-
mocht hatte/ bey Bantiana uͤber den Rhodan
mit dem halben Heere geſetzt hatte um ins Nar-
boniſche Gallien einzubrechen/ blieb er mit we-
nigem Volcke zur Beſatzung im Laͤger/ ließ das
gantze Heer unter dem Manlius Lentinus des
Nachts in moͤglichſter Stille uͤber den Rhodan
gehen/ uñ hinter einem Walde den Allobrogern
wegelagern. Dieſe aber kriegten noch ſelbige
Nacht durch einen Uberlaͤuffer von allen Um-
ſtaͤnden des Anſchlags Nachricht. Daher zohe
Hertzog Catugnat uͤber Hals uͤber Kopff ſein
gantzes Heer an ſich/ ruͤckte darmit recht gegen
das ihm geſtellte Fallbret; ſtifftete auch etliche
leichte Reuter an: daß ſie voran gegen die Roͤ-
mer ſtreifften/ ſich mit Fleiß fangen ließen/ und
einmuͤthig ausſagten: daß Catugnat nicht ſelbſt
bey denen kaum zehntauſend Mann ſtarcken
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Sohn ein noch unerfahrner kuͤhner Juͤngling

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[956[958]/1018] Sechſtes Buch verſprachen nichts an ihrem Fleiße erwinden zu laſſen; alleine muͤſten ſie ins geheim aus der Stadt gebracht/ ihnen auch dieſes Buͤndniß von allen Beſchwornen unterſchrieben und beſiegelt ausgehaͤndigt werden; als ohne welches ihr Fuͤrtꝛag bey ihren Landes-Leuten keinen Glau- ben verdienen wuͤrde. Die anfangs fuͤrſichtige Boßheit wird nach und nach vermeſſen und be- kommet Maulwurffs-Augen: daß ſie andere Leute in ihrer Auffſicht ſo blind zu ſeyn ſchaͤtzet/ als ſie in Ausuͤbung gewohnter Laſter iſt. Die- ſemnach unterſchrieben die Verſchwornen ohne alles Bedencken den vom Cethegus entworffe- nen Schluß; und befehlichten den Vulturcius: daß er folgende Nacht die Geſandten zum Cati- lina begleiten ſolte; welchem Lentulus ein hierzu dienendes Schreiben einhaͤndigte. Die Ge- ſandten lieſſen diß alles den Cicero wiſſen; aber auf die beſtimmte Zeit der Reiſe die Milviſche Bruͤcke an der Flaminiſchen Straſſe mit Krie- ges-Volcke beſetzen; welches die deutſchen Ge- ſandten und den Vulturcius gefangen in Rom brachte. Worauf Cicero die Verſchwornen nach und nach ins Heiligthum der Eintracht brin- gen ließ/ ſie mit ihrer Hand und Siegel uͤber- zeugte/ hernach im Gefaͤngniße behielt/ und al- ſo Rom von ſo nahem Untergange errettete. Sintemahl die Gefangenen/ wie ſehr gleich Ci- cero fuͤr ſie bat/ auf des Cato Gutbe finden im Kercker erwuͤrget; ja viel mitverſchworne Soͤhne von ihren Vaͤtern nach dem Beyſpiele des ihnen vorgehenden Aulus Fulvius eigen- haͤndig getoͤdtet/ Catilina aber mit ſeinem Hee- re biß auf den letzten Mann nach unglaublicher Gegenwehr vom Antonius erſchlagen; iedoch ihm von ſeinen Uberwindern nachgeruͤhmet ward: daß/ wenn er fuͤrs Vaterland gefallen; Niemand fuͤr ihm eines ſchoͤnern Todes geſtor- ben waͤre. Wer ſolte aber Rom eine ſolche Un- danckbarkeit zutrauen: daß ſie zwar die Geſand- ten mit helffenbeinernen Stuͤlen/ guͤldenen Staͤben/ und anderem Tocken-Wercke haͤtten beſchencken; den ſo treuen Allobrogern aber nicht ein Loth ihrer unertraͤglichen Zentner- Laſt abnehmen ſollen? Welches dieſes hertzhaff- te Volck zu einer halbverzweiffelten Entſchluͤſ- ſung brachte: daß ſie die Roͤmiſchen Geldaͤgeln erwuͤrgten/ in das Narboniſche Gallien einfie- len/ und fuͤr ihre Freyheit alles euſſerſte zu wa- gen entſchloſſen. Aber Cajus Pomptinius/ der doch mit den Geſandten ſelbſt ihrer Treue hal- ber Unterhandlung an der Milviſchen Bruͤcke gehabt hatte; kam ihnen unter dem Scheine ei- nes Vermitlers ſo geſchwinde mit einem maͤch- tigen Heere auf den Hals; und die Heduer gien- gen ihnen mit aller ihrer Macht in Ruͤcken; al- ſo: daß ſie die Allobroger auf einmahl zu ver- ſchlingen ſchienen. Aber Noth und Tugend rennen nicht ſelten auch der Unmoͤgligkeit einen Rang ab. Dahero ihre tapffere Gegenwehr den Pomptinius noͤthigte/ an einem vortheil- hafften Orte bey der Stadt Acunum ſein Laͤger zu befeſtigen. Wie nun aber Pomptinius ver- nahm: daß der Hertzog Catugnat/ nach dem er die Roͤmer nicht aus dem Laͤger zu locken ver- mocht hatte/ bey Bantiana uͤber den Rhodan mit dem halben Heere geſetzt hatte um ins Nar- boniſche Gallien einzubrechen/ blieb er mit we- nigem Volcke zur Beſatzung im Laͤger/ ließ das gantze Heer unter dem Manlius Lentinus des Nachts in moͤglichſter Stille uͤber den Rhodan gehen/ uñ hinter einem Walde den Allobrogern wegelagern. Dieſe aber kriegten noch ſelbige Nacht durch einen Uberlaͤuffer von allen Um- ſtaͤnden des Anſchlags Nachricht. Daher zohe Hertzog Catugnat uͤber Hals uͤber Kopff ſein gantzes Heer an ſich/ ruͤckte darmit recht gegen das ihm geſtellte Fallbret; ſtifftete auch etliche leichte Reuter an: daß ſie voran gegen die Roͤ- mer ſtreifften/ ſich mit Fleiß fangen ließen/ und einmuͤthig ausſagten: daß Catugnat nicht ſelbſt bey denen kaum zehntauſend Mann ſtarcken Allobrogern waͤre; ſondern ſie des Vocions Sohn ein noch unerfahrner kuͤhner Juͤngling fuͤhrte/

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 956[958]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1018>, abgerufen am 23.11.2024.