Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665.
Der Bruder ist dur'chs Brudern Gifft entleibet. Allein'/ Ertz-Mörder/ ach! ich schau Dein Sinn ist allzu hart'/ und deine Brust zu wilde: Daß dir für deiner Boßheit grau'/ 30.Und ihr Gedächtnüs sich dir durch die Träum' einbilde: So drücke dir denn itzt in's Hertzens Kiselstein Diß Gift-Glaß/ dise Glutt der Mordthat Merckmal ein. Entsätz'stu dich: Daß Bajens Lust-Gefülde Jrr-Gärthe blaßer Geister sind/ Wo doch ihr kaltes Blutt nicht rinn't? 35.Die Ferne dient der Boßheit nicht zum Schilde. Der Schatten läß't das Licht Die Kwaal den Thäter nicht/ Und Rache folg't biß an das Ziel der Erden. 40.Ein Geist mach't ihm durch Felsen Riß'/ Und Bösen muß ein Paradiß Zur Hell'/ ein Blumen-thal zur Schinder-Grube wer- den. Wiß' aber: Daß die ungeheure That/ Für der der Mond' erbleich't/ die Geister sich erröthen/ 45.Da du durch Schifbruch dich die Mutter müh'st zu töd- ten/ Mich aus der Grufft hieher getaget hat. Allein umbsonst! Die rinnenden Chrystallen/ Sind zu Vertunckelung so grimmer That zu reine. Die See kan nicht so kalt/ als deine Seele seyn/ 50Jn der nur Gifft muß statt des Bluttes wallen. Die Welle treib't an Hafen sie/ Die durch Betrug im Schiffe Schifbruch leidet. Auf! Falle für ihr auf die Knie/ Eh' als Verzug dir Gnad' und Gunst abschneidet. 55.Doch ach! zu späth'. Erschreckliche Gestalt! Verwandeln sich die Oel-Bäum' in Zipreßen? Dis Lusthauß wird der Schlangen Auffenthalt/ Jch sehe schon den Käyser Drachen fressen. Die Erde bricht/ der Abgrund krach't/ 60.Seh't: Wie die Wolken ihm nach Haupt und Zepter bli- tzen. Wer E 2
Der Bruder iſt dur’chs Brudern Gifft entleibet. Allein’/ Ertz-Moͤrder/ ach! ich ſchau Dein Sinn iſt allzu hart’/ und deine Bruſt zu wilde: Daß dir fuͤr deiner Boßheit grau’/ 30.Und ihr Gedaͤchtnuͤs ſich dir durch die Traͤum’ einbilde: So druͤcke dir denn itzt in’s Hertzens Kiſelſtein Diß Gift-Glaß/ diſe Glutt der Mordthat Merckmal ein. Entſaͤtz’ſtu dich: Daß Bajens Luſt-Gefuͤlde Jrr-Gaͤrthe blaßer Geiſter ſind/ Wo doch ihr kaltes Blutt nicht rinn’t? 35.Die Ferne dient der Boßheit nicht zum Schilde. Der Schatten laͤß’t das Licht Die Kwaal den Thaͤter nicht/ Und Rache folg’t biß an das Ziel der Erden. 40.Ein Geiſt mach’t ihm durch Felſen Riß’/ Und Boͤſen muß ein Paradiß Zur Hell’/ ein Blumen-thal zur Schinder-Grube wer- den. Wiß’ aber: Daß die ungeheure That/ Fuͤr der der Mond’ erbleich’t/ die Geiſter ſich erroͤthen/ 45.Da du durch Schifbruch dich die Mutter muͤh’ſt zu toͤd- ten/ Mich aus der Grufft hieher getaget hat. Allein umbſonſt! Die rinnenden Chryſtallen/ Sind zu Vertunckelung ſo grimmer That zu reine. Die See kan nicht ſo kalt/ als deine Seele ſeyn/ 50Jn der nur Gifft muß ſtatt des Bluttes wallen. Die Welle treib’t an Hafen ſie/ Die durch Betrug im Schiffe Schifbruch leidet. Auf! Falle fuͤr ihr auf die Knie/ Eh’ als Verzug dir Gnad’ und Gunſt abſchneidet. 55.Doch ach! zu ſpaͤth’. Erſchreckliche Geſtalt! Verwandeln ſich die Oel-Baͤum’ in Zipreßen? Dis Luſthauß wird der Schlangen Auffenthalt/ Jch ſehe ſchon den Kaͤyſer Drachen freſſen. Die Erde bricht/ der Abgrund krach’t/ 60.Seh’t: Wie die Wolken ihm nach Haupt und Zepter bli- tzen. Wer E 2
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Der Bruder iſt dur’chs Brudern Gifft entleibet.
Allein’/ Ertz-Moͤrder/ ach! ich ſchau
Dein Sinn iſt allzu hart’/ und deine Bruſt zu wilde:
Daß dir fuͤr deiner Boßheit grau’/
Und ihr Gedaͤchtnuͤs ſich dir durch die Traͤum’ einbilde:
So druͤcke dir denn itzt in’s Hertzens Kiſelſtein
Diß Gift-Glaß/ diſe Glutt der Mordthat Merckmal ein.
Entſaͤtz’ſtu dich: Daß Bajens Luſt-Gefuͤlde
Jrr-Gaͤrthe blaßer Geiſter ſind/
Wo doch ihr kaltes Blutt nicht rinn’t?
Die Ferne dient der Boßheit nicht zum Schilde.
Der Schatten laͤß’t das Licht
Die Kwaal den Thaͤter nicht/
Und Rache folg’t biß an das Ziel der Erden.
Ein Geiſt mach’t ihm durch Felſen Riß’/
Und Boͤſen muß ein Paradiß
Zur Hell’/ ein Blumen-thal zur Schinder-Grube wer-
den.
Wiß’ aber: Daß die ungeheure That/
Fuͤr der der Mond’ erbleich’t/ die Geiſter ſich erroͤthen/
Da du durch Schifbruch dich die Mutter muͤh’ſt zu toͤd-
ten/
Mich aus der Grufft hieher getaget hat.
Allein umbſonſt! Die rinnenden Chryſtallen/
Sind zu Vertunckelung ſo grimmer That zu reine.
Die See kan nicht ſo kalt/ als deine Seele ſeyn/
Jn der nur Gifft muß ſtatt des Bluttes wallen.
Die Welle treib’t an Hafen ſie/
Die durch Betrug im Schiffe Schifbruch leidet.
Auf! Falle fuͤr ihr auf die Knie/
Eh’ als Verzug dir Gnad’ und Gunſt abſchneidet.
Doch ach! zu ſpaͤth’. Erſchreckliche Geſtalt!
Verwandeln ſich die Oel-Baͤum’ in Zipreßen?
Dis Luſthauß wird der Schlangen Auffenthalt/
Jch ſehe ſchon den Kaͤyſer Drachen freſſen.
Die Erde bricht/ der Abgrund krach’t/
Seh’t: Wie die Wolken ihm nach Haupt und Zepter bli-
tzen.
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665, S. 67.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_agrippina_1665/85>, abgerufen am 29.07.2024. |