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Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665.

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So| siht man: Daß sein Durst nach stärckerm Nectat
lächs't.
Mein Schatz/ es sätig't nicht des Küssens reitzend Kosen.
Die Purper-Lippen sind die rechten Zukker-Rosen/
Darunter stets die Zung' als eine Natter wach't/
140.Biß uns ihr züngelnd Stich hat Brand und Gifft bey-
bracht/
Den nur der glatte Schnee der Schooß weiß abzukühlen.
Warumb denn lissestu mich deinen Liebreitz fühlen/
Wenn du dein Labsal mir zeuchst für dem Munde weg?
Ach! so erkwick' uns doch der Libeletzter Zweck!
145.Die Anmuth ladet uns selbst auf diß Purper-bette.
Nero. Ja/ Mutter/ wenn mich nicht die Schooß getragen
hätte.
Agrip. Die Brüste/ die du oft geküß't hast/ säugten dich:
Was hat nun Brust und Schoos für Unterscheid in sich?
Nero. Es hält uns die Natur selbst bey dem letzten wie-
der
150.
Agrip. Wirf/ was die Freyheit hemm't/ der Thorheit
Kap-zaum nider/
Der für den Pösel nur/ für Sclaven ist erdacht.
Wenn der Begierden Pferd uns Bügel-loß gemacht/
So muß ihm die Vernunfft den Zügel lassen schüßen/
Biß sich's nach Müdigkeit selbst wider ein läß't schlüßen/
155.Wenn es nicht stürtzen sol.
Nero. Man sorge/ wenn es
spring't:
Daß uns der Wille nicht einst aus dem Bügel bring't.
Denn sol man allererst den Zügel ihm enthengen/
Kan's über Stock und Stein uns leicht in Abgrund spren-
gen.
Agrip. Was für ein Abgrund kan hier wol befürchtet
seyn?
160.
Nero. Die Sünde.
Agrip. Bilde dir solch alber Ding
nicht ein.
Wer unter Satzung leb't/ kan nur Verbrechen üben.
Wer aber hat Gesätz' je Fürsten vorgeschriben?
Nero. Mein't sie: Daß Göttern nicht die Sünde mißge-
fällt?
Agrip.
So| ſiht man: Daß ſein Durſt nach ſtaͤrckerm Nectat
laͤchſ’t.
Mein Schatz/ es ſaͤtig’t nicht des Kuͤſſens reitzend Koſen.
Die Purper-Lippen ſind die rechten Zukker-Roſen/
Darunter ſtets die Zung’ als eine Natter wach’t/
140.Biß uns ihr zuͤngelnd Stich hat Brand und Gifft bey-
bracht/
Den nur der glatte Schnee der Schooß weiß abzukuͤhlen.
Warumb denn liſſeſtu mich deinen Liebreitz fuͤhlen/
Wenn du dein Labſal mir zeuchſt fuͤr dem Munde weg?
Ach! ſo erkwick’ uns doch der Libeletzter Zweck!
145.Die Anmuth ladet uns ſelbſt auf diß Purper-bette.
Nero. Ja/ Mutter/ wenn mich nicht die Schooß getragen
haͤtte.
Agrip. Die Bruͤſte/ die du oft gekuͤß’t haſt/ ſaͤugten dich:
Was hat nun Bruſt und Schoos fuͤr Unterſcheid in ſich?
Nero. Es haͤlt uns die Natur ſelbſt bey dem letzten wie-
der
150.
Agrip. Wirf/ was die Freyheit hemm’t/ der Thorheit
Kap-zaum nider/
Der fuͤr den Poͤſel nur/ fuͤr Sclaven iſt erdacht.
Wenn der Begierden Pferd uns Buͤgel-loß gemacht/
So muß ihm die Vernunfft den Zuͤgel laſſen ſchuͤßen/
Biß ſich’s nach Muͤdigkeit ſelbſt wider ein laͤß’t ſchluͤßen/
155.Wenn es nicht ſtuͤrtzen ſol.
Nero. Man ſorge/ wenn es
ſpring’t:
Daß uns der Wille nicht einſt aus dem Buͤgel bring’t.
Denn ſol man allererſt den Zuͤgel ihm enthengen/
Kan’s uͤber Stock und Stein uns leicht in Abgrund ſpren-
gen.
Agrip. Was fuͤr ein Abgrund kan hier wol befuͤrchtet
ſeyn?
160.
Nero. Die Suͤnde.
Agrip. Bilde dir ſolch alber Ding
nicht ein.
Wer unter Satzung leb’t/ kan nur Verbrechen uͤben.
Wer aber hat Geſaͤtz’ je Fuͤrſten vorgeſchriben?
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[52./0070] So| ſiht man: Daß ſein Durſt nach ſtaͤrckerm Nectat laͤchſ’t. Mein Schatz/ es ſaͤtig’t nicht des Kuͤſſens reitzend Koſen. Die Purper-Lippen ſind die rechten Zukker-Roſen/ Darunter ſtets die Zung’ als eine Natter wach’t/ Biß uns ihr zuͤngelnd Stich hat Brand und Gifft bey- bracht/ Den nur der glatte Schnee der Schooß weiß abzukuͤhlen. Warumb denn liſſeſtu mich deinen Liebreitz fuͤhlen/ Wenn du dein Labſal mir zeuchſt fuͤr dem Munde weg? Ach! ſo erkwick’ uns doch der Libeletzter Zweck! Die Anmuth ladet uns ſelbſt auf diß Purper-bette. Nero. Ja/ Mutter/ wenn mich nicht die Schooß getragen haͤtte. Agrip. Die Bruͤſte/ die du oft gekuͤß’t haſt/ ſaͤugten dich: Was hat nun Bruſt und Schoos fuͤr Unterſcheid in ſich? Nero. Es haͤlt uns die Natur ſelbſt bey dem letzten wie- der Agrip. Wirf/ was die Freyheit hemm’t/ der Thorheit Kap-zaum nider/ Der fuͤr den Poͤſel nur/ fuͤr Sclaven iſt erdacht. Wenn der Begierden Pferd uns Buͤgel-loß gemacht/ So muß ihm die Vernunfft den Zuͤgel laſſen ſchuͤßen/ Biß ſich’s nach Muͤdigkeit ſelbſt wider ein laͤß’t ſchluͤßen/ Wenn es nicht ſtuͤrtzen ſol. Nero. Man ſorge/ wenn es ſpring’t: Daß uns der Wille nicht einſt aus dem Buͤgel bring’t. Denn ſol man allererſt den Zuͤgel ihm enthengen/ Kan’s uͤber Stock und Stein uns leicht in Abgrund ſpren- gen. Agrip. Was fuͤr ein Abgrund kan hier wol befuͤrchtet ſeyn? Nero. Die Suͤnde. Agrip. Bilde dir ſolch alber Ding nicht ein. Wer unter Satzung leb’t/ kan nur Verbrechen uͤben. Wer aber hat Geſaͤtz’ je Fuͤrſten vorgeſchriben? Nero. Mein’t ſie: Daß Goͤttern nicht die Suͤnde mißge- faͤllt? Agrip.

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665, S. 52.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_agrippina_1665/70>, abgerufen am 24.11.2024.