Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665.
Die Wärmbde/ die ihr itzt noch steig't aus Blutt und 205.Wund' 200.Hat so viel Kraft in sich: daß unser Zung und Mund Empfinden Hitz und Durst. Reich't uns ein Glaß mit Weine. Nun aber ist es noth: Daß man mit guttem Scheine Dem großen Rath' in Rom den Zufall bringe bey: Wie Agrippinens Schuld selbst ihr Verterben sey. Anic. Man sprenge kühnlich aus: Jhr höchst befleck't Ge- 210.wissen Sey Gegentheil gewest; Die Hände hätten müssen Jhr eigen Hencker seyn. Paris. Dis ist kein thulich Rath. Jedwedre Dienst-Magd kan/ die sich verlauffen hat Eröffnen: Daß sie sey durch frembde Faust erblasset. Senec. Was darf die/ die vorhin ist aller Welt verhasset Mehr für Beschuldigung? Es ist genug gethan: Streicht nur ihr altes Thun mit neuen Farben an. Wie sie den Claudius gleich als ein Kind verleitet/ Daß sie der Unschuld Straff' und Elend zu bereitet/ 215.Daß sie bei'm Käyserthum des Nero sich bemüh't Des Käysers Haupt zu seyn/ das Glücke/ das itzt blüht/ Des Reiches/ die Gewalt des Rathes/ den Soldaten Den Sold/ des Pöfels Korn zu mindern eingerathen. Daß sie des Heeres Theil bestochen durch ihr Geld/ 220.Des Käysers Regiment viel Mängel außgestell't/ Den Pöfel dort und dar zu Aufruhr angefrischet/ Jn alle Händel sich vorwitzig eingemischet/ Daß sie Verläumbdungen stets freyen Zaum verhäng't/ Den Käyser für den Brund des Schiffbruchs außgespreng't/ 225.Die Mord-Lust habe sie auch endlich so verblendet: Daß sie den Agerin zum Käyser außgesendet/ Der/ als er Stich und Todt ihm wollen bringen bey/ Mit einem gift' gen Dolch ergriffen worden sey. Nero. Wir loben deinen Rath. Du solst die Schrift ver- 230.fassen. Burrh. Wil ihre Majestät nicht auch beim Heere lassen Die milde Hand verspür'n/ beim Volcke Gnad' und Hold? Durch Gaben bindet man die Götter/ Stahl durch Gold. Der Käyser wird hierdurch sie ihm so sehr verbinden: Daß
Die Waͤrmbde/ die ihr itzt noch ſteig’t aus Blutt und 205.Wund’ 200.Hat ſo viel Kraft in ſich: daß unſer Zung und Mund Empfindẽ Hitz uñ Durſt. Reich’t uns ein Glaß mit Weine. Nun aber iſt es noth: Daß man mit guttem Scheine Dem großen Rath’ in Rom den Zufall bringe bey: Wie Agrippinens Schuld ſelbſt ihr Verterben ſey. Anic. Man ſprenge kuͤhnlich aus: Jhr hoͤchſt befleck’t Ge- 210.wiſſen Sey Gegentheil geweſt; Die Haͤnde haͤtten muͤſſen Jhr eigen Hencker ſeyn. Paris. Dis iſt kein thulich Rath. Jedwedre Dienſt-Magd kan/ die ſich verlauffen hat Eroͤffnen: Daß ſie ſey durch frembde Fauſt erblaſſet. Senec. Was darf die/ die vorhin iſt aller Welt verhaſſet Mehr fuͤr Beſchuldigung? Es iſt genug gethan: Streicht nur ihr altes Thun mit neuen Farben an. Wie ſie den Claudius gleich als ein Kind verleitet/ Daß ſie der Unſchuld Straff’ und Elend zu bereitet/ 215.Daß ſie bei’m Kaͤyſerthum des Nero ſich bemuͤh’t Des Kaͤyſers Haupt zu ſeyn/ das Gluͤcke/ das itzt bluͤht/ Des Reiches/ die Gewalt des Rathes/ den Soldaten Den Sold/ des Poͤfels Korn zu mindern eingerathen. Daß ſie des Heeres Theil beſtochen durch ihr Geld/ 220.Des Kaͤyſers Regiment viel Maͤngel außgeſtell’t/ Den Poͤfel dort und dar zu Aufruhr angefriſchet/ Jn alle Haͤndel ſich vorwitzig eingemiſchet/ Daß ſie Verlaͤumbdungen ſtets freyen Zaum verhaͤng’t/ Den Kaͤyſer fuͤr den Bruñ des Schiffbruchs außgeſpreng’t/ 225.Die Mord-Luſt habe ſie auch endlich ſo verblendet: Daß ſie den Agerin zum Kaͤyſer außgeſendet/ Der/ als er Stich und Todt ihm wollen bringen bey/ Mit einem gift’ gen Dolch ergriffen worden ſey. Nero. Wir loben deinen Rath. Du ſolſt die Schrift ver- 230.faſſen. Burrh. Wil ihre Majeſtaͤt nicht auch beim Heere laſſen Die milde Hand verſpuͤr’n/ beim Volcke Gnad’ und Hold? Durch Gaben bindet man die Goͤtter/ Stahl durch Gold. Der Kaͤyſer wird hierdurch ſie ihm ſo ſehr verbinden: Daß
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Die Waͤrmbde/ die ihr itzt noch ſteig’t aus Blutt und
Wund’
Hat ſo viel Kraft in ſich: daß unſer Zung und Mund
Empfindẽ Hitz uñ Durſt. Reich’t uns ein Glaß mit Weine.
Nun aber iſt es noth: Daß man mit guttem Scheine
Dem großen Rath’ in Rom den Zufall bringe bey:
Wie Agrippinens Schuld ſelbſt ihr Verterben ſey.
Anic. Man ſprenge kuͤhnlich aus: Jhr hoͤchſt befleck’t Ge-
wiſſen
Sey Gegentheil geweſt; Die Haͤnde haͤtten muͤſſen
Jhr eigen Hencker ſeyn. Paris. Dis iſt kein thulich Rath.
Jedwedre Dienſt-Magd kan/ die ſich verlauffen hat
Eroͤffnen: Daß ſie ſey durch frembde Fauſt erblaſſet.
Senec. Was darf die/ die vorhin iſt aller Welt verhaſſet
Mehr fuͤr Beſchuldigung? Es iſt genug gethan:
Streicht nur ihr altes Thun mit neuen Farben an.
Wie ſie den Claudius gleich als ein Kind verleitet/
Daß ſie der Unſchuld Straff’ und Elend zu bereitet/
Daß ſie bei’m Kaͤyſerthum des Nero ſich bemuͤh’t
Des Kaͤyſers Haupt zu ſeyn/ das Gluͤcke/ das itzt bluͤht/
Des Reiches/ die Gewalt des Rathes/ den Soldaten
Den Sold/ des Poͤfels Korn zu mindern eingerathen.
Daß ſie des Heeres Theil beſtochen durch ihr Geld/
Des Kaͤyſers Regiment viel Maͤngel außgeſtell’t/
Den Poͤfel dort und dar zu Aufruhr angefriſchet/
Jn alle Haͤndel ſich vorwitzig eingemiſchet/
Daß ſie Verlaͤumbdungen ſtets freyen Zaum verhaͤng’t/
Den Kaͤyſer fuͤr den Bruñ des Schiffbruchs außgeſpreng’t/
Die Mord-Luſt habe ſie auch endlich ſo verblendet:
Daß ſie den Agerin zum Kaͤyſer außgeſendet/
Der/ als er Stich und Todt ihm wollen bringen bey/
Mit einem gift’ gen Dolch ergriffen worden ſey.
Nero. Wir loben deinen Rath. Du ſolſt die Schrift ver-
faſſen.
Burrh. Wil ihre Majeſtaͤt nicht auch beim Heere laſſen
Die milde Hand verſpuͤr’n/ beim Volcke Gnad’ und Hold?
Durch Gaben bindet man die Goͤtter/ Stahl durch Gold.
Der Kaͤyſer wird hierdurch ſie ihm ſo ſehr verbinden:
Daß
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665, S. 90.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_agrippina_1665/108>, abgerufen am 29.07.2024. |