Löwenfeld, Leopold: Student und Alkohol. München, 1910.durch Unvorsichtigkeit schwere Verletzungen sich zuziehen, selbst ums Leben kommen, ist bekannt. Allein auch die Nachwirkungen von Alkoholexzessen führen oft zu einer Vernachlässigung von Vorsichtsmaßregeln und damit zu Unfällen, und darauf ist es zurückzuführen, daß in industriellen Etablissements an Montagen die Zahl der Unfälle am größten ist. Auch der sogenannte mäßige Genuß geistiger Getränke ist nicht ohne Einfluß auf die Herbeiführung von Unfällen, und unsere Verkehrsverwaltung hat sicher weise gehandelt, indem sie dem Zugpersonale den Konsum geistiger Getränke während der Fahrzeit untersagte. Könnte man den Schaden, den der Alkohol direkt und indirekt an Gesundheit und Leben herbeiführt, genauer umgrenzen, es würde sich ein Tatbestand ergeben, der auch viele Alkoholfreunde erschrecken müßte. Und dabei ist noch besonders bedauerlich, daß der Alkohol nicht lediglich in den unteren Volksklassen, der Masse der Ungebildeten, seine Opfer findet. Auch in den Kreisen der intellektuell Höherstehenden und Gebildeten, bei denen man mehr Einsicht und Selbstzucht erwarten sollte, führt der unglückliche Hang für Alkoholfreuden, die Liebhaberei für feucht-fröhliche Geselligkeit keineswegs selten zu Siechtum und Tod. Dazu kommt nun noch, daß der gesundheitliche Schaden, den der Trinker sich zufügt, sich nicht auf seine Person beschränkt. Es ist zur Genüge bekannt, daß die Nachkommenschaft der Trinker zum großen Teile mit körperlichen und geistigen Defekten behaftet, schwächlich, kränklich und einem frühen Untergange geweiht ist. Selbst ein einmaliger Rausch kann für den in diesem Zustand erzeugten Sprößling verhängnisvoll werden. Einen anderen Abschnitt in dem Verzeichnisse des Elends, das der Alkohol der Menschheit beschert, bildet der Anteil desselben an der Kriminalität. Ich kann mich in bezug auf diesen Punkt kurz fassen. Man hat berechnet, daß bei etwa 1/3 aller Straftaten, die im Deutschen Reiche alljährlich zur Verurteilung gelangen, das ist bei etwa 180000 Delikten, der Alkohol eine Rolle spielte. Was diese Verurteilungen an materiellem und moralischem Schaden für die betreffenden Individuen und ihre Familien bedeuten, bedarf keiner weiteren Ausführung. Besonders prägnant zeigt sich der Einfluß des Alkohols bei den schweren Körperverletzungen, und man darf getrost behaupten, daß diese zum größten Teile mit Alkoholexzessen in Zusammenhang stehen. Der Anteil der Studentenschaft an der Kriminalität ist erfreulicherweise ein geringer, wenn man von nächtlichen Ruhestörungen, Sachbeschädigungen etc. absieht, die ja auch nicht selten recht unliebsame Folgen haben. Dafür kommt jedoch bei der Studentenschaft ein anderes sehr bedauerliches Moment in Betracht ---- das sind durch Unvorsichtigkeit schwere Verletzungen sich zuziehen, selbst ums Leben kommen, ist bekannt. Allein auch die Nachwirkungen von Alkoholexzessen führen oft zu einer Vernachlässigung von Vorsichtsmaßregeln und damit zu Unfällen, und darauf ist es zurückzuführen, daß in industriellen Etablissements an Montagen die Zahl der Unfälle am größten ist. Auch der sogenannte mäßige Genuß geistiger Getränke ist nicht ohne Einfluß auf die Herbeiführung von Unfällen, und unsere Verkehrsverwaltung hat sicher weise gehandelt, indem sie dem Zugpersonale den Konsum geistiger Getränke während der Fahrzeit untersagte. Könnte man den Schaden, den der Alkohol direkt und indirekt an Gesundheit und Leben herbeiführt, genauer umgrenzen, es würde sich ein Tatbestand ergeben, der auch viele Alkoholfreunde erschrecken müßte. Und dabei ist noch besonders bedauerlich, daß der Alkohol nicht lediglich in den unteren Volksklassen, der Masse der Ungebildeten, seine Opfer findet. Auch in den Kreisen der intellektuell Höherstehenden und Gebildeten, bei denen man mehr Einsicht und Selbstzucht erwarten sollte, führt der unglückliche Hang für Alkoholfreuden, die Liebhaberei für feucht-fröhliche Geselligkeit keineswegs selten zu Siechtum und Tod. Dazu kommt nun noch, daß der gesundheitliche Schaden, den der Trinker sich zufügt, sich nicht auf seine Person beschränkt. Es ist zur Genüge bekannt, daß die Nachkommenschaft der Trinker zum großen Teile mit körperlichen und geistigen Defekten behaftet, schwächlich, kränklich und einem frühen Untergange geweiht ist. Selbst ein einmaliger Rausch kann für den in diesem Zustand erzeugten Sprößling verhängnisvoll werden. Einen anderen Abschnitt in dem Verzeichnisse des Elends, das der Alkohol der Menschheit beschert, bildet der Anteil desselben an der Kriminalität. Ich kann mich in bezug auf diesen Punkt kurz fassen. Man hat berechnet, daß bei etwa ⅓ aller Straftaten, die im Deutschen Reiche alljährlich zur Verurteilung gelangen, das ist bei etwa 180000 Delikten, der Alkohol eine Rolle spielte. Was diese Verurteilungen an materiellem und moralischem Schaden für die betreffenden Individuen und ihre Familien bedeuten, bedarf keiner weiteren Ausführung. Besonders prägnant zeigt sich der Einfluß des Alkohols bei den schweren Körperverletzungen, und man darf getrost behaupten, daß diese zum größten Teile mit Alkoholexzessen in Zusammenhang stehen. Der Anteil der Studentenschaft an der Kriminalität ist erfreulicherweise ein geringer, wenn man von nächtlichen Ruhestörungen, Sachbeschädigungen ꝛc. absieht, die ja auch nicht selten recht unliebsame Folgen haben. Dafür kommt jedoch bei der Studentenschaft ein anderes sehr bedauerliches Moment in Betracht —— das sind <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017" n="15"/> durch Unvorsichtigkeit schwere Verletzungen sich zuziehen, selbst ums Leben kommen, ist bekannt. Allein auch die Nachwirkungen von Alkoholexzessen führen oft zu einer Vernachlässigung von Vorsichtsmaßregeln und damit zu Unfällen, und darauf ist es zurückzuführen, daß in industriellen Etablissements an Montagen die Zahl der Unfälle am größten ist. Auch der sogenannte mäßige Genuß geistiger Getränke ist nicht ohne Einfluß auf die Herbeiführung von Unfällen, und unsere Verkehrsverwaltung hat sicher weise gehandelt, indem sie dem Zugpersonale den Konsum geistiger Getränke während der Fahrzeit untersagte. Könnte man den Schaden, den der Alkohol direkt und indirekt an Gesundheit und Leben herbeiführt, genauer umgrenzen, es würde sich ein Tatbestand ergeben, der auch viele Alkoholfreunde erschrecken müßte. Und dabei ist noch besonders bedauerlich, daß der Alkohol nicht lediglich in den unteren <choice><sic>Volksklassen</sic><corr>Volksklassen,</corr></choice> der Masse der Ungebildeten, seine Opfer findet. Auch in den Kreisen der intellektuell Höherstehenden und Gebildeten, bei denen man mehr Einsicht und Selbstzucht erwarten sollte, führt der unglückliche Hang für Alkoholfreuden, die Liebhaberei für feucht-fröhliche Geselligkeit keineswegs selten zu Siechtum und Tod. Dazu kommt nun noch, daß der gesundheitliche Schaden, den der Trinker sich zufügt, sich nicht auf seine Person beschränkt. Es ist zur Genüge bekannt, daß die Nachkommenschaft der Trinker zum großen Teile mit körperlichen und geistigen Defekten behaftet, schwächlich, kränklich und einem frühen Untergange geweiht ist. Selbst ein einmaliger Rausch kann für den in diesem Zustand erzeugten Sprößling verhängnisvoll werden.</p> <p>Einen anderen Abschnitt in dem Verzeichnisse des Elends, das der Alkohol der Menschheit beschert, bildet der Anteil desselben an der Kriminalität. Ich kann mich in bezug auf diesen Punkt kurz fassen. Man hat berechnet, daß bei etwa ⅓ aller Straftaten, die im Deutschen Reiche alljährlich zur Verurteilung gelangen, das ist bei etwa 180000 Delikten, der Alkohol eine Rolle spielte. Was diese Verurteilungen an materiellem und moralischem Schaden für die betreffenden Individuen und ihre Familien bedeuten, bedarf keiner weiteren Ausführung. Besonders prägnant zeigt sich der Einfluß des Alkohols bei den schweren Körperverletzungen, und man darf getrost behaupten, daß diese zum größten Teile mit Alkoholexzessen in Zusammenhang stehen. Der Anteil der Studentenschaft an der Kriminalität ist erfreulicherweise ein geringer, wenn man von nächtlichen Ruhestörungen, Sachbeschädigungen ꝛc. absieht, die ja auch nicht selten recht unliebsame Folgen haben. Dafür kommt jedoch bei der Studentenschaft ein anderes sehr bedauerliches Moment in Betracht —— das sind </p> </div> </body> </text> </TEI> [15/0017]
durch Unvorsichtigkeit schwere Verletzungen sich zuziehen, selbst ums Leben kommen, ist bekannt. Allein auch die Nachwirkungen von Alkoholexzessen führen oft zu einer Vernachlässigung von Vorsichtsmaßregeln und damit zu Unfällen, und darauf ist es zurückzuführen, daß in industriellen Etablissements an Montagen die Zahl der Unfälle am größten ist. Auch der sogenannte mäßige Genuß geistiger Getränke ist nicht ohne Einfluß auf die Herbeiführung von Unfällen, und unsere Verkehrsverwaltung hat sicher weise gehandelt, indem sie dem Zugpersonale den Konsum geistiger Getränke während der Fahrzeit untersagte. Könnte man den Schaden, den der Alkohol direkt und indirekt an Gesundheit und Leben herbeiführt, genauer umgrenzen, es würde sich ein Tatbestand ergeben, der auch viele Alkoholfreunde erschrecken müßte. Und dabei ist noch besonders bedauerlich, daß der Alkohol nicht lediglich in den unteren Volksklassen, der Masse der Ungebildeten, seine Opfer findet. Auch in den Kreisen der intellektuell Höherstehenden und Gebildeten, bei denen man mehr Einsicht und Selbstzucht erwarten sollte, führt der unglückliche Hang für Alkoholfreuden, die Liebhaberei für feucht-fröhliche Geselligkeit keineswegs selten zu Siechtum und Tod. Dazu kommt nun noch, daß der gesundheitliche Schaden, den der Trinker sich zufügt, sich nicht auf seine Person beschränkt. Es ist zur Genüge bekannt, daß die Nachkommenschaft der Trinker zum großen Teile mit körperlichen und geistigen Defekten behaftet, schwächlich, kränklich und einem frühen Untergange geweiht ist. Selbst ein einmaliger Rausch kann für den in diesem Zustand erzeugten Sprößling verhängnisvoll werden.
Einen anderen Abschnitt in dem Verzeichnisse des Elends, das der Alkohol der Menschheit beschert, bildet der Anteil desselben an der Kriminalität. Ich kann mich in bezug auf diesen Punkt kurz fassen. Man hat berechnet, daß bei etwa ⅓ aller Straftaten, die im Deutschen Reiche alljährlich zur Verurteilung gelangen, das ist bei etwa 180000 Delikten, der Alkohol eine Rolle spielte. Was diese Verurteilungen an materiellem und moralischem Schaden für die betreffenden Individuen und ihre Familien bedeuten, bedarf keiner weiteren Ausführung. Besonders prägnant zeigt sich der Einfluß des Alkohols bei den schweren Körperverletzungen, und man darf getrost behaupten, daß diese zum größten Teile mit Alkoholexzessen in Zusammenhang stehen. Der Anteil der Studentenschaft an der Kriminalität ist erfreulicherweise ein geringer, wenn man von nächtlichen Ruhestörungen, Sachbeschädigungen ꝛc. absieht, die ja auch nicht selten recht unliebsame Folgen haben. Dafür kommt jedoch bei der Studentenschaft ein anderes sehr bedauerliches Moment in Betracht —— das sind
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