Löwenfeld, Leopold: Student und Alkohol. München, 1910.Anstalten verpflegten Irren bei etwa 50000 der Alkohol als Krankheitsursache allein oder neben anderen Momenten wirksam war. In der hiesigen psychiatrischen Klinik fanden im Jahre 1905 1373 Personen Aufnahme, darunter 836 Männer, 537 Frauen; die alkoholischen Psychosen betrugen bei den Männern 30,3, bei den Frauen 5,6% der Gesamterkrankungen. Das Delirium tremens war nur in 10% der Alkoholpsychosen vertreten. Wie auf das Gehirn übt der Alkohol auch auf das Rückenmark und die peripheren Nerven seinen schädigenden und zerstörenden Einfluß aus, und so begreift es sich, daß neben den Geistesstörungen und Neurosen (Epilepsie) alkoholischer Provenienz, auch viele andere Nervenkrankheiten gleichen Ursprungs vorkommen. Neben dem Nervensystem unterliegen der Verdauungsapparat, das Cirkulationssystem und die Niere ungemein häufig schweren und schwersten Schädigungen durch den Alkohol, die zum großen Teile zum tötlichen Ausgange führen. Im Magen und Darm kommt es unter dem Einflusse des Alkoholmißbrauches zu tiefgreifenden und überaus hartnäckigen katarrhalischen Zuständen, die Leber erkrankt in Form einer chronischen in Schrumpfung ausgehenden Entzündung, die schweres Siechtum und schließlich den Tod herbeiführt. Das Herz wird von Hypertrophie und Entartung befallen, eine Veränderung, die wie wir schon erwähnten, besonders häufig in unserem lieben München gefunden wurde (das Bierherz Bollingers), die Gefäße unterliegen der als Verkalkung gemeinhin bezeichneten Erkrankung, die durch Schlaganfälle oft zu frühem Ende führt. Die Nieren werden wie die Leber Sitz einer chronischen unheilbaren Entzündung, die den gleichen Ausgang wie das Leberleiden zur Folge hat. Auch an der Verursachung der Stoffwechselkrankheiten, der Gicht und Fettsucht, insbesondere aber auch der Zuckerkrankheit, hat der Alkohol einen großen Anteil. Damit ist jedoch die körperliche Schädigung, welche der Alkoholmißbrauch bedingt, noch nicht umgrenzt. Bei den Trinkern finden wir in der Regel eine verminderte Widerstandsfähigkeit des Gesamtorganismus, die sich bei interkurrenten Erkrankungen verschiedenster Art, insbesondere fieberhaften, bei Wunden und operativen Eingriffen, sowie in erhöhter Disposition zu Infektionen, speziell zur Tuberkulose kundgibt. Trinker sind durch ernstere Erkrankungen jeder Art mehr gefährdet als nüchterne Individuen, sie überstehen Narkosen und Operationen schwerer und verfallen der Tuberkulose häufiger. Der Mißbrauch des Alkohols hat aber auch noch andere Gefahren für Gesundheit und Leben im Gefolge. Er spielt unter den Ursachen der Unfälle eine ganz hervorragende Rolle. Wie häufig Angetrunkene Anstalten verpflegten Irren bei etwa 50000 der Alkohol als Krankheitsursache allein oder neben anderen Momenten wirksam war. In der hiesigen psychiatrischen Klinik fanden im Jahre 1905 1373 Personen Aufnahme, darunter 836 Männer, 537 Frauen; die alkoholischen Psychosen betrugen bei den Männern 30,3, bei den Frauen 5,6% der Gesamterkrankungen. Das Delirium tremens war nur in 10% der Alkoholpsychosen vertreten. Wie auf das Gehirn übt der Alkohol auch auf das Rückenmark und die peripheren Nerven seinen schädigenden und zerstörenden Einfluß aus, und so begreift es sich, daß neben den Geistesstörungen und Neurosen (Epilepsie) alkoholischer Provenienz, auch viele andere Nervenkrankheiten gleichen Ursprungs vorkommen. Neben dem Nervensystem unterliegen der Verdauungsapparat, das Cirkulationssystem und die Niere ungemein häufig schweren und schwersten Schädigungen durch den Alkohol, die zum großen Teile zum tötlichen Ausgange führen. Im Magen und Darm kommt es unter dem Einflusse des Alkoholmißbrauches zu tiefgreifenden und überaus hartnäckigen katarrhalischen Zuständen, die Leber erkrankt in Form einer chronischen in Schrumpfung ausgehenden Entzündung, die schweres Siechtum und schließlich den Tod herbeiführt. Das Herz wird von Hypertrophie und Entartung befallen, eine Veränderung, die wie wir schon erwähnten, besonders häufig in unserem lieben München gefunden wurde (das Bierherz Bollingers), die Gefäße unterliegen der als Verkalkung gemeinhin bezeichneten Erkrankung, die durch Schlaganfälle oft zu frühem Ende führt. Die Nieren werden wie die Leber Sitz einer chronischen unheilbaren Entzündung, die den gleichen Ausgang wie das Leberleiden zur Folge hat. Auch an der Verursachung der Stoffwechselkrankheiten, der Gicht und Fettsucht, insbesondere aber auch der Zuckerkrankheit, hat der Alkohol einen großen Anteil. Damit ist jedoch die körperliche Schädigung, welche der Alkoholmißbrauch bedingt, noch nicht umgrenzt. Bei den Trinkern finden wir in der Regel eine verminderte Widerstandsfähigkeit des Gesamtorganismus, die sich bei interkurrenten Erkrankungen verschiedenster Art, insbesondere fieberhaften, bei Wunden und operativen Eingriffen, sowie in erhöhter Disposition zu Infektionen, speziell zur Tuberkulose kundgibt. Trinker sind durch ernstere Erkrankungen jeder Art mehr gefährdet als nüchterne Individuen, sie überstehen Narkosen und Operationen schwerer und verfallen der Tuberkulose häufiger. Der Mißbrauch des Alkohols hat aber auch noch andere Gefahren für Gesundheit und Leben im Gefolge. Er spielt unter den Ursachen der Unfälle eine ganz hervorragende Rolle. Wie häufig Angetrunkene <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="14"/> Anstalten verpflegten Irren bei etwa 50000 der Alkohol als Krankheitsursache allein oder neben anderen Momenten wirksam war. In der hiesigen psychiatrischen Klinik fanden im Jahre <choice><sic>1905,</sic><corr>1905</corr></choice> 1373 Personen Aufnahme, darunter 836 Männer, 537 Frauen; die alkoholischen Psychosen betrugen bei den Männern 30,3, bei den Frauen 5,6% der Gesamterkrankungen. Das <foreign xml:lang="la"><hi rendition="#aq">Delirium tremens</hi></foreign> war nur in 10% der Alkoholpsychosen vertreten.</p> <p>Wie auf das Gehirn übt der Alkohol auch auf das Rückenmark und die peripheren Nerven seinen schädigenden und zerstörenden Einfluß aus, und so begreift es sich, daß neben den Geistesstörungen und Neurosen (<hi rendition="#g">Epilepsie</hi>) alkoholischer Provenienz, auch viele andere Nervenkrankheiten gleichen Ursprungs vorkommen. Neben dem Nervensystem unterliegen der Verdauungsapparat, das Cirkulationssystem und die Niere ungemein häufig schweren und schwersten Schädigungen durch den Alkohol, die zum großen Teile zum tötlichen Ausgange führen. Im Magen und Darm kommt es unter dem Einflusse des Alkoholmißbrauches zu tiefgreifenden und überaus hartnäckigen katarrhalischen Zuständen, die Leber erkrankt in Form einer chronischen in Schrumpfung ausgehenden Entzündung, die schweres Siechtum und schließlich den Tod herbeiführt. Das Herz wird von Hypertrophie und Entartung befallen, eine Veränderung, die wie wir schon erwähnten, besonders häufig in unserem lieben München gefunden wurde (das Bierherz Bollingers), die Gefäße unterliegen der als Verkalkung gemeinhin bezeichneten Erkrankung, die durch Schlaganfälle oft zu frühem Ende führt. Die Nieren werden wie die Leber Sitz einer chronischen unheilbaren Entzündung, die den gleichen Ausgang wie das Leberleiden zur Folge hat.</p> <p>Auch an der Verursachung der Stoffwechselkrankheiten, der Gicht und Fettsucht, insbesondere aber auch der Zuckerkrankheit, hat der Alkohol einen großen Anteil. Damit ist jedoch die körperliche Schädigung, welche der Alkoholmißbrauch bedingt, noch nicht umgrenzt. Bei den Trinkern finden wir in der Regel eine verminderte Widerstandsfähigkeit des Gesamtorganismus, die sich bei interkurrenten Erkrankungen verschiedenster Art, insbesondere fieberhaften, bei Wunden und operativen Eingriffen, sowie in erhöhter Disposition zu Infektionen, speziell zur Tuberkulose kundgibt. Trinker sind durch ernstere Erkrankungen jeder Art mehr gefährdet als nüchterne Individuen, sie überstehen Narkosen und Operationen schwerer und verfallen der Tuberkulose häufiger.</p> <p>Der Mißbrauch des Alkohols hat aber auch noch andere Gefahren für Gesundheit und Leben im Gefolge. Er spielt unter den Ursachen der Unfälle eine ganz hervorragende Rolle. Wie häufig Angetrunkene </p> </div> </body> </text> </TEI> [14/0016]
Anstalten verpflegten Irren bei etwa 50000 der Alkohol als Krankheitsursache allein oder neben anderen Momenten wirksam war. In der hiesigen psychiatrischen Klinik fanden im Jahre 1905 1373 Personen Aufnahme, darunter 836 Männer, 537 Frauen; die alkoholischen Psychosen betrugen bei den Männern 30,3, bei den Frauen 5,6% der Gesamterkrankungen. Das Delirium tremens war nur in 10% der Alkoholpsychosen vertreten.
Wie auf das Gehirn übt der Alkohol auch auf das Rückenmark und die peripheren Nerven seinen schädigenden und zerstörenden Einfluß aus, und so begreift es sich, daß neben den Geistesstörungen und Neurosen (Epilepsie) alkoholischer Provenienz, auch viele andere Nervenkrankheiten gleichen Ursprungs vorkommen. Neben dem Nervensystem unterliegen der Verdauungsapparat, das Cirkulationssystem und die Niere ungemein häufig schweren und schwersten Schädigungen durch den Alkohol, die zum großen Teile zum tötlichen Ausgange führen. Im Magen und Darm kommt es unter dem Einflusse des Alkoholmißbrauches zu tiefgreifenden und überaus hartnäckigen katarrhalischen Zuständen, die Leber erkrankt in Form einer chronischen in Schrumpfung ausgehenden Entzündung, die schweres Siechtum und schließlich den Tod herbeiführt. Das Herz wird von Hypertrophie und Entartung befallen, eine Veränderung, die wie wir schon erwähnten, besonders häufig in unserem lieben München gefunden wurde (das Bierherz Bollingers), die Gefäße unterliegen der als Verkalkung gemeinhin bezeichneten Erkrankung, die durch Schlaganfälle oft zu frühem Ende führt. Die Nieren werden wie die Leber Sitz einer chronischen unheilbaren Entzündung, die den gleichen Ausgang wie das Leberleiden zur Folge hat.
Auch an der Verursachung der Stoffwechselkrankheiten, der Gicht und Fettsucht, insbesondere aber auch der Zuckerkrankheit, hat der Alkohol einen großen Anteil. Damit ist jedoch die körperliche Schädigung, welche der Alkoholmißbrauch bedingt, noch nicht umgrenzt. Bei den Trinkern finden wir in der Regel eine verminderte Widerstandsfähigkeit des Gesamtorganismus, die sich bei interkurrenten Erkrankungen verschiedenster Art, insbesondere fieberhaften, bei Wunden und operativen Eingriffen, sowie in erhöhter Disposition zu Infektionen, speziell zur Tuberkulose kundgibt. Trinker sind durch ernstere Erkrankungen jeder Art mehr gefährdet als nüchterne Individuen, sie überstehen Narkosen und Operationen schwerer und verfallen der Tuberkulose häufiger.
Der Mißbrauch des Alkohols hat aber auch noch andere Gefahren für Gesundheit und Leben im Gefolge. Er spielt unter den Ursachen der Unfälle eine ganz hervorragende Rolle. Wie häufig Angetrunkene
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von gutenberg.org.
(2013-03-18T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
gutenberg.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-03-18T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-03-18T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |