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Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870.

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Blödenhauses immer mein Auge auf sie gerichtet habe, und zeitenweise sehr viel mit ihnen umgegangen bin, habe manchmal gesagt, gerade so glücklich wie andere, aber auch gerade so lasterhaft und boshaft und sündenbefleckt, kurz gerade wie andere seien sie, nur unter einen niedrigeren und engeren Horizont. Daß ich nun gerade auf die Blöden verfallen bin, und ohne sie eigentlich besonders elend zu finden, sie doch so an und aufgenommen habe, als wären sie besonders erbarmenswürdig, daß ich ihr Elend zu dem ersten gemacht habe, an welchem sich meine Diaconissen abmühen, üben und plagen sollten, das halte ich rein für eine göttliche Führung; dem Herrn hat es eben gefallen, das hiesige Haus zunächst an den Freuden und Leiden der Blöden vorüberzuführen. Das war sein Wille und ist dahier sein Werk.

Hier lebte ein großer und stattlicher Mann von besonderer Art, Ortsvorsteher und angesehen: er hatte keine Kinder, nur einen einzigen Sohn, und der war blöde. Wenn man den Vater ansah, seine Art und sein Wesen, dazu auch Art und Wesen seiner Frau, so konnte man bei aller practischen Begabung, die er hatte, sich doch leicht denken, wie der zu einem blöden Sohn kam, und daß auch sonst in seiner weiteren Verwandtschaft blödsinniges Wesen wahrzunehmen war, das konnte man begreifen, ehe man nur nach Gründen und Ursachen gesucht hatte, die man jedoch auch ganz leicht ausspüren konnte. Der Mann erbarmte sich immer seines Sohnes, und so oft er seinen Pfarrer sah, reizte er ihn zum Mitleid mit dem Sohne und muthete ihm zu, sich demselben fleißiger zu widmen. Dieser Sohn war es, zu dem Gott das Herz des Pfarrers neigte, und der es ihm ganz ernstlich nahe brachte, mit dem Diaconissenhaus ein Blödenhaus zu verbinden. Aber nicht blos er zog Aufmerksamkeit und Mitleid auf sich, wenn er, groß und schlank gewachsen, wie er war, fast in die Kniee

Blödenhauses immer mein Auge auf sie gerichtet habe, und zeitenweise sehr viel mit ihnen umgegangen bin, habe manchmal gesagt, gerade so glücklich wie andere, aber auch gerade so lasterhaft und boshaft und sündenbefleckt, kurz gerade wie andere seien sie, nur unter einen niedrigeren und engeren Horizont. Daß ich nun gerade auf die Blöden verfallen bin, und ohne sie eigentlich besonders elend zu finden, sie doch so an und aufgenommen habe, als wären sie besonders erbarmenswürdig, daß ich ihr Elend zu dem ersten gemacht habe, an welchem sich meine Diaconissen abmühen, üben und plagen sollten, das halte ich rein für eine göttliche Führung; dem Herrn hat es eben gefallen, das hiesige Haus zunächst an den Freuden und Leiden der Blöden vorüberzuführen. Das war sein Wille und ist dahier sein Werk.

Hier lebte ein großer und stattlicher Mann von besonderer Art, Ortsvorsteher und angesehen: er hatte keine Kinder, nur einen einzigen Sohn, und der war blöde. Wenn man den Vater ansah, seine Art und sein Wesen, dazu auch Art und Wesen seiner Frau, so konnte man bei aller practischen Begabung, die er hatte, sich doch leicht denken, wie der zu einem blöden Sohn kam, und daß auch sonst in seiner weiteren Verwandtschaft blödsinniges Wesen wahrzunehmen war, das konnte man begreifen, ehe man nur nach Gründen und Ursachen gesucht hatte, die man jedoch auch ganz leicht ausspüren konnte. Der Mann erbarmte sich immer seines Sohnes, und so oft er seinen Pfarrer sah, reizte er ihn zum Mitleid mit dem Sohne und muthete ihm zu, sich demselben fleißiger zu widmen. Dieser Sohn war es, zu dem Gott das Herz des Pfarrers neigte, und der es ihm ganz ernstlich nahe brachte, mit dem Diaconissenhaus ein Blödenhaus zu verbinden. Aber nicht blos er zog Aufmerksamkeit und Mitleid auf sich, wenn er, groß und schlank gewachsen, wie er war, fast in die Kniee

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[96/0096] Blödenhauses immer mein Auge auf sie gerichtet habe, und zeitenweise sehr viel mit ihnen umgegangen bin, habe manchmal gesagt, gerade so glücklich wie andere, aber auch gerade so lasterhaft und boshaft und sündenbefleckt, kurz gerade wie andere seien sie, nur unter einen niedrigeren und engeren Horizont. Daß ich nun gerade auf die Blöden verfallen bin, und ohne sie eigentlich besonders elend zu finden, sie doch so an und aufgenommen habe, als wären sie besonders erbarmenswürdig, daß ich ihr Elend zu dem ersten gemacht habe, an welchem sich meine Diaconissen abmühen, üben und plagen sollten, das halte ich rein für eine göttliche Führung; dem Herrn hat es eben gefallen, das hiesige Haus zunächst an den Freuden und Leiden der Blöden vorüberzuführen. Das war sein Wille und ist dahier sein Werk. Hier lebte ein großer und stattlicher Mann von besonderer Art, Ortsvorsteher und angesehen: er hatte keine Kinder, nur einen einzigen Sohn, und der war blöde. Wenn man den Vater ansah, seine Art und sein Wesen, dazu auch Art und Wesen seiner Frau, so konnte man bei aller practischen Begabung, die er hatte, sich doch leicht denken, wie der zu einem blöden Sohn kam, und daß auch sonst in seiner weiteren Verwandtschaft blödsinniges Wesen wahrzunehmen war, das konnte man begreifen, ehe man nur nach Gründen und Ursachen gesucht hatte, die man jedoch auch ganz leicht ausspüren konnte. Der Mann erbarmte sich immer seines Sohnes, und so oft er seinen Pfarrer sah, reizte er ihn zum Mitleid mit dem Sohne und muthete ihm zu, sich demselben fleißiger zu widmen. Dieser Sohn war es, zu dem Gott das Herz des Pfarrers neigte, und der es ihm ganz ernstlich nahe brachte, mit dem Diaconissenhaus ein Blödenhaus zu verbinden. Aber nicht blos er zog Aufmerksamkeit und Mitleid auf sich, wenn er, groß und schlank gewachsen, wie er war, fast in die Kniee

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Zitationshilfe: Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/loehe_neuendettelsau_1870/96>, abgerufen am 28.11.2024.