Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Allgemeine Schwere.
mußten, um die Richtigkeit der ihnen zu Grunde gelegten Hypo-
thesen zu bestätigen, die genaue Kenntniß der Größe des Erd-
halbmessers voraussetzten, und eben diese war es, die ihm fehlte.
Er nahm, wie wir oben gesagt haben, den Halbmesser der Erde
gleich 17031230 Fuß, also viel zu klein an, daher er auch den
Bogen AM gleich 2721,59, also ebenfalls zu klein gefunden hatte.
Nach diesen Annahmen wird also der Fall des Mondes während
einer Sekunde gleich dem Quadrate von 2721,59, dividirt durch
das Produkt von 60,16 in 34062460, das heißt, gleich 0,00361 Fuß
seyn. Es sollte aber, wenn die Voraussetzung richtig ist, gleich
0,00414, also nahe ein Siebentheil größer seyn. Diese Differenz
war aber zu beträchtlich, als daß sie zugelassen werden konnte.

Man sieht dieß in der That besser, wenn man aus dieser,
von Newton gefundenen Größe von BM = 0,00361 wieder auf
den Fall der Körper über der Oberfläche der Erde rückwärts
schließt. Da nämlich die Entfernung des Mondes von der Erde
60,16 Halbmesser der Erde beträgt, so müßte, wenn Newtons
Bestimmung der Größe BM auch nur beinahe richtig gewesen
wäre, der Fall der Körper auf der Oberfläche der Erde während
einer Sekunde gleich dem Quadrate von 60,16 multiplicirt in diese
Zahl 0,00361, das heißt, er müßte nahe gleich 13,065 Fuß seyn.
Allein unseren Beobachtungen zu Folge, beträgt dieser Fall 15
Fuß, und diese Bestimmung ist, wie Newton sehr wohl wußte, so
genau, daß sie kaum ein Zehntheil eines Fußes, nicht aber bei-
nahe volle zwei Fuß von der Wahrheit abweichen konnte.

§. 35. (Folgen, die er aus dieser Differenz ableitete.) Newton
hätte vielleicht aus dieser Nichtübereinstimmung seiner Rechnung
mit den Beobachtungen den Schluß ziehen können, daß irgend
eines der seinen Rechnungen zu Grunde gelegten Elemente, der
Halbmesser der Erde oder die Umlaufszeit oder die Entfernung
des Monds in Erdhalbmessern ausgedrückt, nicht ganz richtig
seyn, und daher noch einer Verbesserung bedürfen könne. Allein
unglücklicher Weise vertraute er diesen von andern geborgten Re-
sultaten zu sehr, und setzte dafür das Mißtrauen, welches sie ver-
dient hätten, bloß auf seine Schlüsse oder vielmehr auf die Hy-
pothese, die er seinen Schlüssen zu Grunde legte, und von der
er sich, wie er nun einzusehen glaubte, zu viel versprochen hatte.

Allgemeine Schwere.
mußten, um die Richtigkeit der ihnen zu Grunde gelegten Hypo-
theſen zu beſtätigen, die genaue Kenntniß der Größe des Erd-
halbmeſſers vorausſetzten, und eben dieſe war es, die ihm fehlte.
Er nahm, wie wir oben geſagt haben, den Halbmeſſer der Erde
gleich 17031230 Fuß, alſo viel zu klein an, daher er auch den
Bogen AM gleich 2721,59, alſo ebenfalls zu klein gefunden hatte.
Nach dieſen Annahmen wird alſo der Fall des Mondes während
einer Sekunde gleich dem Quadrate von 2721,59, dividirt durch
das Produkt von 60,16 in 34062460, das heißt, gleich 0,00361 Fuß
ſeyn. Es ſollte aber, wenn die Vorausſetzung richtig iſt, gleich
0,00414, alſo nahe ein Siebentheil größer ſeyn. Dieſe Differenz
war aber zu beträchtlich, als daß ſie zugelaſſen werden konnte.

Man ſieht dieß in der That beſſer, wenn man aus dieſer,
von Newton gefundenen Größe von BM = 0,00361 wieder auf
den Fall der Körper über der Oberfläche der Erde rückwärts
ſchließt. Da nämlich die Entfernung des Mondes von der Erde
60,16 Halbmeſſer der Erde beträgt, ſo müßte, wenn Newtons
Beſtimmung der Größe BM auch nur beinahe richtig geweſen
wäre, der Fall der Körper auf der Oberfläche der Erde während
einer Sekunde gleich dem Quadrate von 60,16 multiplicirt in dieſe
Zahl 0,00361, das heißt, er müßte nahe gleich 13,065 Fuß ſeyn.
Allein unſeren Beobachtungen zu Folge, beträgt dieſer Fall 15
Fuß, und dieſe Beſtimmung iſt, wie Newton ſehr wohl wußte, ſo
genau, daß ſie kaum ein Zehntheil eines Fußes, nicht aber bei-
nahe volle zwei Fuß von der Wahrheit abweichen konnte.

§. 35. (Folgen, die er aus dieſer Differenz ableitete.) Newton
hätte vielleicht aus dieſer Nichtübereinſtimmung ſeiner Rechnung
mit den Beobachtungen den Schluß ziehen können, daß irgend
eines der ſeinen Rechnungen zu Grunde gelegten Elemente, der
Halbmeſſer der Erde oder die Umlaufszeit oder die Entfernung
des Monds in Erdhalbmeſſern ausgedrückt, nicht ganz richtig
ſeyn, und daher noch einer Verbeſſerung bedürfen könne. Allein
unglücklicher Weiſe vertraute er dieſen von andern geborgten Re-
ſultaten zu ſehr, und ſetzte dafür das Mißtrauen, welches ſie ver-
dient hätten, bloß auf ſeine Schlüſſe oder vielmehr auf die Hy-
potheſe, die er ſeinen Schlüſſen zu Grunde legte, und von der
er ſich, wie er nun einzuſehen glaubte, zu viel verſprochen hatte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0062" n="50"/><fw place="top" type="header">Allgemeine Schwere.</fw><lb/>
mußten, um die Richtigkeit der ihnen zu Grunde gelegten Hypo-<lb/>
the&#x017F;en zu be&#x017F;tätigen, die genaue Kenntniß der Größe des Erd-<lb/>
halbme&#x017F;&#x017F;ers voraus&#x017F;etzten, und eben die&#x017F;e war es, die ihm fehlte.<lb/>
Er nahm, wie wir oben ge&#x017F;agt haben, den Halbme&#x017F;&#x017F;er der Erde<lb/>
gleich 17031230 Fuß, al&#x017F;o viel zu klein an, daher er auch den<lb/>
Bogen <hi rendition="#aq">AM</hi> gleich 2721,<hi rendition="#sub">59</hi>, al&#x017F;o ebenfalls zu klein gefunden hatte.<lb/>
Nach die&#x017F;en Annahmen wird al&#x017F;o der Fall des Mondes während<lb/>
einer Sekunde gleich dem Quadrate von 2721,<hi rendition="#sub">59</hi>, dividirt durch<lb/>
das Produkt von 60,<hi rendition="#sub">16</hi> in 34062460, das heißt, gleich 0,<hi rendition="#sub">00361</hi> Fuß<lb/>
&#x017F;eyn. Es &#x017F;ollte aber, wenn die Voraus&#x017F;etzung richtig i&#x017F;t, gleich<lb/>
0,<hi rendition="#sub">00414</hi>, al&#x017F;o nahe ein Siebentheil größer &#x017F;eyn. Die&#x017F;e Differenz<lb/>
war aber zu beträchtlich, als daß &#x017F;ie zugela&#x017F;&#x017F;en werden konnte.</p><lb/>
              <p>Man &#x017F;ieht dieß in der That be&#x017F;&#x017F;er, wenn man aus die&#x017F;er,<lb/>
von Newton gefundenen Größe von <hi rendition="#aq">BM</hi> = 0,<hi rendition="#sub">00361</hi> wieder auf<lb/>
den Fall der Körper über der Oberfläche der Erde rückwärts<lb/>
&#x017F;chließt. Da nämlich die Entfernung des Mondes von der Erde<lb/>
60,<hi rendition="#sub">16</hi> Halbme&#x017F;&#x017F;er der Erde beträgt, &#x017F;o müßte, wenn Newtons<lb/>
Be&#x017F;timmung der Größe <hi rendition="#aq">BM</hi> auch nur beinahe richtig gewe&#x017F;en<lb/>
wäre, der Fall der Körper auf der Oberfläche der Erde während<lb/>
einer Sekunde gleich dem Quadrate von 60,<hi rendition="#sub">16</hi> multiplicirt in die&#x017F;e<lb/>
Zahl 0,<hi rendition="#sub">00361</hi>, das heißt, er müßte nahe gleich 13,<hi rendition="#sub">065</hi> Fuß &#x017F;eyn.<lb/>
Allein un&#x017F;eren Beobachtungen zu Folge, beträgt die&#x017F;er Fall 15<lb/>
Fuß, und die&#x017F;e Be&#x017F;timmung i&#x017F;t, wie Newton &#x017F;ehr wohl wußte, &#x017F;o<lb/>
genau, daß &#x017F;ie kaum ein Zehntheil eines Fußes, nicht aber bei-<lb/>
nahe volle zwei Fuß von der Wahrheit abweichen konnte.</p><lb/>
              <p>§. 35. (Folgen, die er aus die&#x017F;er Differenz ableitete.) Newton<lb/>
hätte vielleicht aus die&#x017F;er Nichtüberein&#x017F;timmung &#x017F;einer Rechnung<lb/>
mit den Beobachtungen den Schluß ziehen können, daß irgend<lb/>
eines der &#x017F;einen Rechnungen zu Grunde gelegten Elemente, der<lb/>
Halbme&#x017F;&#x017F;er der Erde oder die Umlaufszeit oder die Entfernung<lb/>
des Monds in Erdhalbme&#x017F;&#x017F;ern ausgedrückt, nicht ganz richtig<lb/>
&#x017F;eyn, und daher noch einer Verbe&#x017F;&#x017F;erung bedürfen könne. Allein<lb/>
unglücklicher Wei&#x017F;e vertraute er die&#x017F;en von andern geborgten Re-<lb/>
&#x017F;ultaten zu &#x017F;ehr, und &#x017F;etzte dafür das Mißtrauen, welches &#x017F;ie ver-<lb/>
dient hätten, bloß auf &#x017F;eine Schlü&#x017F;&#x017F;e oder vielmehr auf die Hy-<lb/>
pothe&#x017F;e, die er &#x017F;einen Schlü&#x017F;&#x017F;en zu Grunde legte, und von der<lb/>
er &#x017F;ich, wie er nun einzu&#x017F;ehen glaubte, zu viel ver&#x017F;prochen hatte.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0062] Allgemeine Schwere. mußten, um die Richtigkeit der ihnen zu Grunde gelegten Hypo- theſen zu beſtätigen, die genaue Kenntniß der Größe des Erd- halbmeſſers vorausſetzten, und eben dieſe war es, die ihm fehlte. Er nahm, wie wir oben geſagt haben, den Halbmeſſer der Erde gleich 17031230 Fuß, alſo viel zu klein an, daher er auch den Bogen AM gleich 2721,59, alſo ebenfalls zu klein gefunden hatte. Nach dieſen Annahmen wird alſo der Fall des Mondes während einer Sekunde gleich dem Quadrate von 2721,59, dividirt durch das Produkt von 60,16 in 34062460, das heißt, gleich 0,00361 Fuß ſeyn. Es ſollte aber, wenn die Vorausſetzung richtig iſt, gleich 0,00414, alſo nahe ein Siebentheil größer ſeyn. Dieſe Differenz war aber zu beträchtlich, als daß ſie zugelaſſen werden konnte. Man ſieht dieß in der That beſſer, wenn man aus dieſer, von Newton gefundenen Größe von BM = 0,00361 wieder auf den Fall der Körper über der Oberfläche der Erde rückwärts ſchließt. Da nämlich die Entfernung des Mondes von der Erde 60,16 Halbmeſſer der Erde beträgt, ſo müßte, wenn Newtons Beſtimmung der Größe BM auch nur beinahe richtig geweſen wäre, der Fall der Körper auf der Oberfläche der Erde während einer Sekunde gleich dem Quadrate von 60,16 multiplicirt in dieſe Zahl 0,00361, das heißt, er müßte nahe gleich 13,065 Fuß ſeyn. Allein unſeren Beobachtungen zu Folge, beträgt dieſer Fall 15 Fuß, und dieſe Beſtimmung iſt, wie Newton ſehr wohl wußte, ſo genau, daß ſie kaum ein Zehntheil eines Fußes, nicht aber bei- nahe volle zwei Fuß von der Wahrheit abweichen konnte. §. 35. (Folgen, die er aus dieſer Differenz ableitete.) Newton hätte vielleicht aus dieſer Nichtübereinſtimmung ſeiner Rechnung mit den Beobachtungen den Schluß ziehen können, daß irgend eines der ſeinen Rechnungen zu Grunde gelegten Elemente, der Halbmeſſer der Erde oder die Umlaufszeit oder die Entfernung des Monds in Erdhalbmeſſern ausgedrückt, nicht ganz richtig ſeyn, und daher noch einer Verbeſſerung bedürfen könne. Allein unglücklicher Weiſe vertraute er dieſen von andern geborgten Re- ſultaten zu ſehr, und ſetzte dafür das Mißtrauen, welches ſie ver- dient hätten, bloß auf ſeine Schlüſſe oder vielmehr auf die Hy- potheſe, die er ſeinen Schlüſſen zu Grunde legte, und von der er ſich, wie er nun einzuſehen glaubte, zu viel verſprochen hatte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/62
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/62>, abgerufen am 26.11.2024.