immerwährend thätige, und noch jetzt in jedem Augenblicke wir- kende Kraft. Jene konnte alle möglichen Richtungen haben, nur nicht die gerade zur Erde hin, weil sonst der Mond auf die Erde gefallen wäre; diese aber hatte, und hat noch ihre Richtung gegen den Mittelpunkt der Erde. Jene allein würde den Mond in irgend einer geraden Linie im Weltraume fortgeführt, und diese allein würde ihn, ebenfalls in einer geraden, aber zur Erde ge- richteten Linie auf diese Erde geworfen haben, und beide zusam- men endlich leiten ihn in der krummen Linie, in dem Kreise hin, den er eben, wie wir sehen, um die Erde beschreibt.
Die Kraft der Erde also erscheint in ihrer Wirkung bei der Bewegung des Mondes nicht mehr rein, sondern mit der Wir- kung jener Wurfkraft, jenes Stoßes vermischt, welchen der Mond im Anfange seiner Bewegung erhalten haben muß, damit er diese Bahn, die wir an ihm beobachten, in der That beschreiben kann, und es wird daher, ehe wir an die eigentliche Auflösung unseres Problems gehen, nothwendig seyn, diese Mischung wieder aufzu- heben, und aus der so zusammengesetzten Bewegung des Mondes denjenigen Theil herauszusuchen, der, so wie jener Fall des Stei- nes, bloß der Anziehung der Erde angehört.
Zu diesem Zwecke werden wir also die Wirkung dieser An- ziehung der Erde, welche sie auf schon bewegte Körper äußert, untersuchen müssen. Glücklicher Weise können wir diese Unter- suchung auf der Oberfläche der Erde alle Tage, und ohne viel Mühe anstellen. Wir sehen den Stein, und überhaupt jeden Körper, wenn er aus der ruhenden Hand gelassen wird, senk- recht zur Erde fallen. Allein wenn er von derselben Hand ge- worfen wird, so sehen wir ihn nicht mehr in gerader Linie senkrecht fallen, sondern, gleich dem Monde, eine krumme Linie beschreiben, offenbar aus demselben Grunde, weil hier zwei Kräfte auf ihn wirken, die augenblickliche Kraft des Wurfs oder der erste Stoß der Hand, und die immer thätige Anziehungs- kraft der Erde. Wir bemerken ferner, daß die krumme Linie, die er auf diese Weise beschreibt, desto länger ist, je größer jene erste Kraft ist, mit welcher ihn die Hand geworfen hat. Die Kugeln unserer Feuergewehre geben uns davon eben so bekannte, als auf- fallende Beispiele. Diese Maschinen treiben die von ihnen gewor-
Allgemeine Schwere.
immerwährend thätige, und noch jetzt in jedem Augenblicke wir- kende Kraft. Jene konnte alle möglichen Richtungen haben, nur nicht die gerade zur Erde hin, weil ſonſt der Mond auf die Erde gefallen wäre; dieſe aber hatte, und hat noch ihre Richtung gegen den Mittelpunkt der Erde. Jene allein würde den Mond in irgend einer geraden Linie im Weltraume fortgeführt, und dieſe allein würde ihn, ebenfalls in einer geraden, aber zur Erde ge- richteten Linie auf dieſe Erde geworfen haben, und beide zuſam- men endlich leiten ihn in der krummen Linie, in dem Kreiſe hin, den er eben, wie wir ſehen, um die Erde beſchreibt.
Die Kraft der Erde alſo erſcheint in ihrer Wirkung bei der Bewegung des Mondes nicht mehr rein, ſondern mit der Wir- kung jener Wurfkraft, jenes Stoßes vermiſcht, welchen der Mond im Anfange ſeiner Bewegung erhalten haben muß, damit er dieſe Bahn, die wir an ihm beobachten, in der That beſchreiben kann, und es wird daher, ehe wir an die eigentliche Auflöſung unſeres Problems gehen, nothwendig ſeyn, dieſe Miſchung wieder aufzu- heben, und aus der ſo zuſammengeſetzten Bewegung des Mondes denjenigen Theil herauszuſuchen, der, ſo wie jener Fall des Stei- nes, bloß der Anziehung der Erde angehört.
Zu dieſem Zwecke werden wir alſo die Wirkung dieſer An- ziehung der Erde, welche ſie auf ſchon bewegte Körper äußert, unterſuchen müſſen. Glücklicher Weiſe können wir dieſe Unter- ſuchung auf der Oberfläche der Erde alle Tage, und ohne viel Mühe anſtellen. Wir ſehen den Stein, und überhaupt jeden Körper, wenn er aus der ruhenden Hand gelaſſen wird, ſenk- recht zur Erde fallen. Allein wenn er von derſelben Hand ge- worfen wird, ſo ſehen wir ihn nicht mehr in gerader Linie ſenkrecht fallen, ſondern, gleich dem Monde, eine krumme Linie beſchreiben, offenbar aus demſelben Grunde, weil hier zwei Kräfte auf ihn wirken, die augenblickliche Kraft des Wurfs oder der erſte Stoß der Hand, und die immer thätige Anziehungs- kraft der Erde. Wir bemerken ferner, daß die krumme Linie, die er auf dieſe Weiſe beſchreibt, deſto länger iſt, je größer jene erſte Kraft iſt, mit welcher ihn die Hand geworfen hat. Die Kugeln unſerer Feuergewehre geben uns davon eben ſo bekannte, als auf- fallende Beiſpiele. Dieſe Maſchinen treiben die von ihnen gewor-
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Allgemeine Schwere.
immerwährend thätige, und noch jetzt in jedem Augenblicke wir-
kende Kraft. Jene konnte alle möglichen Richtungen haben, nur
nicht die gerade zur Erde hin, weil ſonſt der Mond auf die Erde
gefallen wäre; dieſe aber hatte, und hat noch ihre Richtung gegen
den Mittelpunkt der Erde. Jene allein würde den Mond in
irgend einer geraden Linie im Weltraume fortgeführt, und dieſe
allein würde ihn, ebenfalls in einer geraden, aber zur Erde ge-
richteten Linie auf dieſe Erde geworfen haben, und beide zuſam-
men endlich leiten ihn in der krummen Linie, in dem Kreiſe
hin, den er eben, wie wir ſehen, um die Erde beſchreibt.
Die Kraft der Erde alſo erſcheint in ihrer Wirkung bei der
Bewegung des Mondes nicht mehr rein, ſondern mit der Wir-
kung jener Wurfkraft, jenes Stoßes vermiſcht, welchen der Mond
im Anfange ſeiner Bewegung erhalten haben muß, damit er dieſe
Bahn, die wir an ihm beobachten, in der That beſchreiben kann,
und es wird daher, ehe wir an die eigentliche Auflöſung unſeres
Problems gehen, nothwendig ſeyn, dieſe Miſchung wieder aufzu-
heben, und aus der ſo zuſammengeſetzten Bewegung des Mondes
denjenigen Theil herauszuſuchen, der, ſo wie jener Fall des Stei-
nes, bloß der Anziehung der Erde angehört.
Zu dieſem Zwecke werden wir alſo die Wirkung dieſer An-
ziehung der Erde, welche ſie auf ſchon bewegte Körper äußert,
unterſuchen müſſen. Glücklicher Weiſe können wir dieſe Unter-
ſuchung auf der Oberfläche der Erde alle Tage, und ohne viel
Mühe anſtellen. Wir ſehen den Stein, und überhaupt jeden
Körper, wenn er aus der ruhenden Hand gelaſſen wird, ſenk-
recht zur Erde fallen. Allein wenn er von derſelben Hand ge-
worfen wird, ſo ſehen wir ihn nicht mehr in gerader Linie
ſenkrecht fallen, ſondern, gleich dem Monde, eine krumme
Linie beſchreiben, offenbar aus demſelben Grunde, weil hier
zwei Kräfte auf ihn wirken, die augenblickliche Kraft des Wurfs
oder der erſte Stoß der Hand, und die immer thätige Anziehungs-
kraft der Erde. Wir bemerken ferner, daß die krumme Linie, die
er auf dieſe Weiſe beſchreibt, deſto länger iſt, je größer jene erſte
Kraft iſt, mit welcher ihn die Hand geworfen hat. Die Kugeln
unſerer Feuergewehre geben uns davon eben ſo bekannte, als auf-
fallende Beiſpiele. Dieſe Maſchinen treiben die von ihnen gewor-
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/57>, abgerufen am 25.07.2024.
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