Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
hingab, um nur dadurch seine Lust zu büßen, in der Zukunft zu lesen und das Unmögliche möglich zu machen.
Den Grund einer so betrübenden und so allgemeinen Erschei- nung müssen wir wohl in derselben inneren Einrichtung unseres We- sens, in jener geistigen Physiologie suchen, die dort anfängt, wo unsere materielle Physiologie aufhört, und die ohne Zweifel, so wie diese, bestimmten Gesetzen unterworfen ist, deren nähere Kenntniß uns daher nicht anders als höchst interessant seyn kann. Schon hat man es versucht, einige dieser Erscheinungen aus dem Dunkel her- vorzuziehen, in welchem sie bisher verborgen waren, und auf sie die Wahrscheinlichkeitsrechnung anzuwenden. Aber diese Ver- suche sind noch zu neu und die Untersuchungen selbst vielleicht zu schwer, als daß man sobald schon ihrer Vollendung entgegen sehen sollte. Hier wird es genügen, nur einige der vorzüglichsten dersel- ben kurz anzudeuten.
§. 69. (Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf das öffent liche Leben.) Da auf das Zusammenleben der Menschen in gan- zen Völkerschaften so viele äußere und innere Ursachen einwirken, so wird es selbst dem scharfsinnigsten Beobachter oft unmöglich, diese Wirkungen von einander zu trennen und sich bis zu einer klaren Ansicht des Gegenstandes zu erheben. Auch fehlt es uns hier mehr, als sonst wo, an hinlänglichen Erfahrungen. Hätte man z. B. in jedem Zweige der öffentlichen Administration seit Jahrhunderten die neu eingeführten Experimente mit ihren guten oder bösen Folgen genau aufgezeichnet, so würde man jetzt über den Nutzen oder Schaden derselben ein bestimmtes Urtheil fällen können. Aber wie wenige allgemeine und vollkommen bewährte Regeln wird man über diesen so wichtigen Gegenstand anführen können. -- So scheint es uns Allen klar, daß man dem unabweis- lichen Fortgange des Ganzen der menschlichen Gesellschaft in ma- terieller und intellectueller Hinsicht keinen Damm entgegen setzen soll; aber es ist wohl nicht minder gewiß, daß man jede größere Veränderung nur mit der äußersten Umsicht vornehmen darf, wenn man nicht auf neue, oft ganz unbefiegbare Hindernisse stoßen will. Die Vergangenheit kennen wir bereits durch unsere eigene Erfahrungen: aber die Uebel, welche jede Neuerung mit sich füh- ren kann, sind uns noch ganz fremd. In dieser Unkenntniß der
Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
hingab, um nur dadurch ſeine Luſt zu büßen, in der Zukunft zu leſen und das Unmögliche möglich zu machen.
Den Grund einer ſo betrübenden und ſo allgemeinen Erſchei- nung müſſen wir wohl in derſelben inneren Einrichtung unſeres We- ſens, in jener geiſtigen Phyſiologie ſuchen, die dort anfängt, wo unſere materielle Phyſiologie aufhört, und die ohne Zweifel, ſo wie dieſe, beſtimmten Geſetzen unterworfen iſt, deren nähere Kenntniß uns daher nicht anders als höchſt intereſſant ſeyn kann. Schon hat man es verſucht, einige dieſer Erſcheinungen aus dem Dunkel her- vorzuziehen, in welchem ſie bisher verborgen waren, und auf ſie die Wahrſcheinlichkeitsrechnung anzuwenden. Aber dieſe Ver- ſuche ſind noch zu neu und die Unterſuchungen ſelbſt vielleicht zu ſchwer, als daß man ſobald ſchon ihrer Vollendung entgegen ſehen ſollte. Hier wird es genügen, nur einige der vorzüglichſten derſel- ben kurz anzudeuten.
§. 69. (Anwendung der Wahrſcheinlichkeitsrechnung auf das öffent liche Leben.) Da auf das Zuſammenleben der Menſchen in gan- zen Völkerſchaften ſo viele äußere und innere Urſachen einwirken, ſo wird es ſelbſt dem ſcharfſinnigſten Beobachter oft unmöglich, dieſe Wirkungen von einander zu trennen und ſich bis zu einer klaren Anſicht des Gegenſtandes zu erheben. Auch fehlt es uns hier mehr, als ſonſt wo, an hinlänglichen Erfahrungen. Hätte man z. B. in jedem Zweige der öffentlichen Adminiſtration ſeit Jahrhunderten die neu eingeführten Experimente mit ihren guten oder böſen Folgen genau aufgezeichnet, ſo würde man jetzt über den Nutzen oder Schaden derſelben ein beſtimmtes Urtheil fällen können. Aber wie wenige allgemeine und vollkommen bewährte Regeln wird man über dieſen ſo wichtigen Gegenſtand anführen können. — So ſcheint es uns Allen klar, daß man dem unabweis- lichen Fortgange des Ganzen der menſchlichen Geſellſchaft in ma- terieller und intellectueller Hinſicht keinen Damm entgegen ſetzen ſoll; aber es iſt wohl nicht minder gewiß, daß man jede größere Veränderung nur mit der äußerſten Umſicht vornehmen darf, wenn man nicht auf neue, oft ganz unbefiegbare Hinderniſſe ſtoßen will. Die Vergangenheit kennen wir bereits durch unſere eigene Erfahrungen: aber die Uebel, welche jede Neuerung mit ſich füh- ren kann, ſind uns noch ganz fremd. In dieſer Unkenntniß der
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Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
hingab, um nur dadurch ſeine Luſt zu büßen, in der Zukunft zu
leſen und das Unmögliche möglich zu machen.
Den Grund einer ſo betrübenden und ſo allgemeinen Erſchei-
nung müſſen wir wohl in derſelben inneren Einrichtung unſeres We-
ſens, in jener geiſtigen Phyſiologie ſuchen, die dort anfängt, wo unſere
materielle Phyſiologie aufhört, und die ohne Zweifel, ſo wie dieſe,
beſtimmten Geſetzen unterworfen iſt, deren nähere Kenntniß uns
daher nicht anders als höchſt intereſſant ſeyn kann. Schon hat
man es verſucht, einige dieſer Erſcheinungen aus dem Dunkel her-
vorzuziehen, in welchem ſie bisher verborgen waren, und auf ſie
die Wahrſcheinlichkeitsrechnung anzuwenden. Aber dieſe Ver-
ſuche ſind noch zu neu und die Unterſuchungen ſelbſt vielleicht zu
ſchwer, als daß man ſobald ſchon ihrer Vollendung entgegen ſehen
ſollte. Hier wird es genügen, nur einige der vorzüglichſten derſel-
ben kurz anzudeuten.
§. 69. (Anwendung der Wahrſcheinlichkeitsrechnung auf das öffent
liche Leben.) Da auf das Zuſammenleben der Menſchen in gan-
zen Völkerſchaften ſo viele äußere und innere Urſachen einwirken,
ſo wird es ſelbſt dem ſcharfſinnigſten Beobachter oft unmöglich,
dieſe Wirkungen von einander zu trennen und ſich bis zu einer
klaren Anſicht des Gegenſtandes zu erheben. Auch fehlt es uns
hier mehr, als ſonſt wo, an hinlänglichen Erfahrungen. Hätte
man z. B. in jedem Zweige der öffentlichen Adminiſtration ſeit
Jahrhunderten die neu eingeführten Experimente mit ihren guten
oder böſen Folgen genau aufgezeichnet, ſo würde man jetzt über
den Nutzen oder Schaden derſelben ein beſtimmtes Urtheil fällen
können. Aber wie wenige allgemeine und vollkommen bewährte
Regeln wird man über dieſen ſo wichtigen Gegenſtand anführen
können. — So ſcheint es uns Allen klar, daß man dem unabweis-
lichen Fortgange des Ganzen der menſchlichen Geſellſchaft in ma-
terieller und intellectueller Hinſicht keinen Damm entgegen ſetzen
ſoll; aber es iſt wohl nicht minder gewiß, daß man jede größere
Veränderung nur mit der äußerſten Umſicht vornehmen darf, wenn
man nicht auf neue, oft ganz unbefiegbare Hinderniſſe ſtoßen
will. Die Vergangenheit kennen wir bereits durch unſere eigene
Erfahrungen: aber die Uebel, welche jede Neuerung mit ſich füh-
ren kann, ſind uns noch ganz fremd. In dieſer Unkenntniß der
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/433>, abgerufen am 18.12.2024.
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